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Die Anfänge der Deutschen Botschaft Tirana
Deutsche Botschaft Tirana, © Deutsche Botschaft Tirana
Dr. Werner Bartels
Auswärtiges Amt, Sprachendienst
Bis 1987 war Albanien das einzige Land in Europa und einer der ganz wenigen Staaten auf der Welt, zu dem die Bundesrepublik Deutschland keine diplomatischen Beziehungen unterhielt. Nach dem Tod des Diktators Enver Hoxha im April 1985 machte sich das Regime daran, einige der von Hoxha festgelegten Dogmen und Richtlinien aufzuweichen. Was am 27. April 1984 – noch zu Lebzeiten Hoxhas – mit der Aufnahme bilateraler Verhandlungen begonnen hatte, fand im Herbst 1987 seinen Abschluss: die Bundesrepublik Deutschland und die Sozialistische Volksrepublik Albanien (so der damalige offizielle Staatsname) nahmen Beziehungen auf höchster staatlicher Ebene auf. Ein wichtiger Meilenstein auf dieser Etappe war der sechsstündige Besuch von Außenminister Hans-Dietrich Genscher in Tirana am 23. Oktober 1987.
Die Aufnahme der diplomatischen Beziehungen brachte naturgemäß die Notwendigkeit der Eröffnung einer Botschaft mit sich. Der Bau einer Botschaftskanzlei und eines unmittelbar benachbarten Residenzgebäudes in der Rruga Skënderbej (der Straße, in der damals gut und gern die Hälfte der in Tirana ansässigen diplomatischen Vertretungen lagen) wurde bereits 1987 begonnen; in den ersten Monaten jedoch – bis etwa Mitte 1988 – befand sich die Botschaftskanzlei in einer Suite des Hotel Dajti am Boulevard der Märtyrer der Nation im Zentrum Tiranas. Botschafter Dr. Friedrich Kroneck, der Anfang Januar 1988 in Tirana eintraf, Botschaftsrat Dr. Werner Daum sowie die anderen Mitarbeiter der Vertretung logierten in den benachbarten Hotelzimmern. Mitte 1988 zogen die Kanzlei und die meisten Mitarbeiter (mit Ausnahme des Botschafters) in den Mittelteil des „Blauen Hauses“, schräg gegenüber der im Bau befindlichen künftigen Botschaft, um.
Im Juni 1990, nach zahlreichen Schwierigkeiten und Verzögerungen, konnte die Botschaftskanzlei endlich ihr frisch fertiggestelltes Gebäude beziehen. Kaum hatte sie sich jedoch einigermaßen eingerichtet, da ereignete sich innerhalb weniger Tage etwas, das Monate vorher noch unvorstellbar gewesen war: in den ersten Julitagen strömten 3200 Albaner – ein Promille der damaligen Bevölkerung des Landes – auf das Gelände der deutschen Botschaft. Ein Großteil von ihnen waren junge Männer, die von dem brennenden Wunsch beseelt waren, Albanien hinter sich zu lassen und ihr Glück im vermeintlich goldenen Westen zu suchen. (Wer den italienisch-albanischen Spielfilm „Lamerica“ gesehen hat, der kann sich in etwa ein Bild machen.)
Eine nähere Beschreibung der Ereignisse, die nach zwei Wochen – als die Besetzer mit Bussen nach Durrës gebracht wurden, von wo aus sie mit dem Schiff Richtung Italien weiterreisten – endeten, findet sich in der von Werner Daum geschriebenen Einleitung des Buches „Albanien zwischen Kreuz und Halbmond“ (Staatliches Museum für Völkerkunde München, 1998; hier S. 34-35).
In der Folgezeit – bis Frühjahr 1991 – arbeitete die Botschaft auf Sparflamme: einziger Entsandter war ein von Zeit zu Zeit wechselnder Geschäftsträger; das übrige Botschaftspersonal war vorübergehend in die Zentrale des Auswärtigen Amtes abgeordnet worden. In der Zwischenzeit geschah Bedeutendes in Albanien: im Dezember 1990 gingen die Studenten in Tirana auf die Straße, um gegen die unzumutbaren Bedingungen in den Studentenheimen zu protestieren; aus den Reihen der Demonstranten waren jedoch schon bald Rufe nach Freiheit und Demokratie zu hören. Kurz darauf wurde die Demokratische Partei gegründet – das erste Gegengewicht zur bis dahin allgewaltigen Partei der Arbeit Albaniens, wie sich die kommunistische Staatspartei in Albanien nannte. Ende März 1991 fanden die ersten demokratischen Wahlen in Albanien statt, an denen einige weitere zwischenzeitlich gegründete Parteien teilnahmen.
Parallel zum demokratischen Wandel in Albanien normalisierte sich auch die Arbeit der Deutschen Botschaft wieder: die durch die Besetzung entstandenen Schäden auf dem Botschaftsgelände und in der Residenz waren beseitigt worden, das entsandte Personal kehrte zurück, ein neuer Botschafter – Claus Vollers – trat Ende 1991 seinen Dienst in Tirana an. – In den kommenden Jahren wurden die zwischenstaatlichen Beziehungen um einige Bereiche erweitert, die zur Zeit der kommunistischen Diktatur in Albanien undenkbar gewesen wären, etwa die militärische Zusammenarbeit. Doch dies ist ein neues Kapitel …