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Motivation + gute Ausbildung = Arbeitsplatz!
Einen wirklich guten Handwerker zu finden, ist schwierig - selbst wenn es nur um die kleinen Reparaturen im Haushalt geht.
Einen wirklich guten Handwerker zu finden, ist schwierig - selbst wenn es nur um die kleinen Reparaturen im Haushalt geht. Dahinter verbirgt sich ein Problem größerer Tragweite. Denn von einer praxisorientierten Schulung und Ausbildung im Bereich gewerblich-technischer Berufe hängen sowohl die Chance der jungen Menschen auf einen Arbeitsplatz ab, als auch nachhaltiges Wirtschaftswachstum.
Unabhängig davon, wie lange jemand die Schulbank gedrückt hat – seinen Beruf wirklich begreifen kann erst, wer ihn auch ausübt. Das gilt auch für Serbien, wo das Bildungssystem mehr theoretische als praktische Unterrichtseinheiten vorsieht. Daneben zeigt die Arbeitslosenstruktur in Serbien in einigen Berufen einen Überschuss an qualifizierten Arbeitskräften, während es in anderen an Arbeitskräften mangelt. Grund hierfür ist die fehlende Orientierung des Bildungssystems am Bedarf der Wirtschaft. Diese Situation soll sich mit dem Gesetz über duale Ausbildung verändern, das vor kurzem vom serbischen Parlament verabschiedet wurde und ab dem Schuljahr 2019/20 Anwendung findet. Wesentliche Änderung ist die Einführung von praxisorientiertem, qualitativ hochwertigem Unterricht für bestimmte Berufsprofile, in direkter Zusammenarbeit mit Unternehmen.
Dieser Ansatz ist in Serbien aber keineswegs neu! Bereits seit 2014 haben Schüler der Fachrichtungen Schlosser-Schweißer, Industriemechaniker und Elektriker die Möglichkeit, ihre Ausbildung gemäß den Prinzipien des dualen Bildungssystems zu durchlaufen, seit dem laufenden Schuljahr auch Modeschneider und Kfz-Mechaniker Derzeit werden mit Unterstützung von mehr als 50 Unternehmen rund 1.800 Mittelschüler in 43 Berufsschulen in ganz Serbien nach dem kooperativen Ausbildungsmodell ausgebildet. Ermöglichst wurde durch das Projekt „Reform der beruflichen Bildung in Serbien“, das die Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) gemeinsam mit dem serbischen Ministerium für Bildung, Wissenschaft und technologische Entwicklung im Namen der Bundesrepublik Deutschland durchführt. Miloš Aksentić, Absolvent der Technischen Schule aus Obrenovac, ist einer dieser Schüler. Die Ausbildung zum Schlosser-Schweißer, einem Beruf, den Miloš schon immer ausüben wollte, dauert drei Jahre, wobei er im zweiten und dritten Lehrjahr zunächst zwei, dann drei Tage wöchentlich seine praktische Ausbildung im privaten Familienbetrieb „Stelit 90“ GmbH in der Umgebung von Obrenovac absolvierte. Die Abschlussprüfung bestand er mit Bestnote, jetzt ist er bei demselben Betrieb beschäftigt.
„Ich muss das korrigieren, ich war manchmal auch öfter im Betrieb“, sagt der etwas schüchterne, aber durchaus gesprächsbereite junge Mann. „Weil ich das wollte! Ich wollte so viel wie möglich lernen!“, antwortet Miloš, der auf die Nachfrage fast erstaunt reagiert. Und der Eigentümer der Firma „Stelit 90“ GmbH, Mihailo Jevtić, erklärt folgendermaßen, warum er Miloš übernommen habe: „Für uns ist die Motivation ausschlaggebend, wenn wir einen Schüler übernehmen. Motivation ist aber auch im Verlauf der praxisorientierten Ausbildung wichtig. Sie wollen alle Schweißer werden, denn der Beruf ist defizitär und gut bezahlt. Der Wunsch steht also außer Frage, aber die Schüler müssen auch Engagement und Disziplin beweisen.“ Er erklärt, was die ausbildende Firma davon hat, Praktikanten anzunehmen. „Die Teilnahme an diesem Projekt fordert von uns ein gewisses zusätzliches Engagement sowie die Anpassung des Arbeitsprozesses, denn außer mir als Mentor arbeiten auch die anderen Mitarbeiter mit den Schülern. Zunächst braucht man zusätzliche Ausrüstung, denn die Jugendlichen sind 16 Jahre alt und können nicht mit demselben Werkzeug arbeiten, wie erfahrene Schweißer. Dafür erhalten wir jedoch andererseits die Chance, qualifizierte Arbeiter auszubilden und zu gewinnen, die nach dem Schulabschluss schon mit dem Herstellungsprozess, der Rangordnung, dem Prozedere und den Richtlinien, die jede ernsthafte Firma braucht, vertraut sind. Das sind für uns die besten Anfänger“, sagt Mihailo und meint, es sei schon seit geraumer Zeit schwierig in den meisten gewerblich-technischen Berufen Facharbeiter zu bekommen, wobei obendrein die Gefahr bestehe, dass sich das Problem noch weiter ausbreite: „Die in den Schlosserei-Betrieben der ehemaligen Sozialistischen Föderativen Republik Jugoslawien ausgebildeten Handwerker gehen in einigen Jahren in Rente, viele von ihnen sind schon seit langem im Ausland, andere gehen jetzt. Das bedeutet, dass wir bald keine Leute mehr haben werden, die ihr Wissen weitergeben können.“
Auch Miloš macht keinen Hehl daraus, dass er eines Tages sein Glück außerhalb Serbiens suchen möchte. Aber er wird nicht sofort ins Ausland gehen und nicht für immer. „Während meiner Ausbildung habe ich vom Betrieb ein Taschengeld bekommen. Nun habe ich ein Diplom und ein Gehalt und einen meiner Ausbildung entsprechenden Arbeitsplatz und Kollegen, die ich bereits kenne. Ich weiß, dass ich eine Gelegenheit bekommen habe, die viele Gleichaltrige nicht haben. Ich möchte hier bleiben und mich in meinem Beruf weiterbilden“, sagt Miloš. Seine Geschichte ist keine Ausnahme, denn von 118 Schülern, die bislang die Abschlussprüfung in einem der Berufe mit Elementen des dualen Ausbildungssystems absolviert haben, fanden über 60 Prozent direkt nach dem Schulabschluss einen Arbeitsplatz.
Was es bedeutet, wenn man die Gelegenheit bekommt, eine praxisorientierte Ausbildung zu absolvieren und direkt nach der Schule einen Arbeitsplatz zu finden, wissen auch – nur leider aus gegensätzlicher Perspektive - die zahlreichen Berufsschulabsolventen, die lange keine Arbeit finden können. Einige von ihnen bekamen dank des Projekts „Jugendbeschäftigungsförderung“ eine zweite Chance:
Für Radoš Vujović aus dem Dorf Retkocer bei Medveđe kam diese Gelegenheit in letzter Minute – im Alter von 34 Jahren belegt er einen dreimonatigen Kurs für Schweißer, der zu den zahlreichen Schulungen gehört, die die GIZ im Namen der Bundesregierung im Rahmen dieses Projektes für 18- bis 35-Jährige durchführt. Die Zielgruppe der Schulungen sind junge Menschen, die Schwierigkeiten haben, einen Arbeitsplatz zu finden und entweder zu sozial schwachen Gruppen gehören oder keine entsprechende Ausbildung haben. „Ich würde sagen, es war sowohl in letzter Sekunde, als auch im richtigen Moment. Schweißarbeiten haben mich immer interessiert, ich hatte jedoch keine Gelegenheit, den Beruf zu ergreifen, da die Ausbildung kostenintensiv ist. Ich habe von anderen Arbeiten gelebt, war Fahrer diverser Fahrzeugkategorien, auch Auslieferer. Aber das war nichts für mich, und ich konnte mir dadurch kein besseres Leben aufbauen, was mir sicherlich gelingt, wenn ich erst Schweißer bin“, erzählt Radoš ruhig mit einem Lächeln. Das Wissen, das die Schulung vermittelt, kann Radoš, wie er selbst sagt, auch zu Hause anwenden, da er vom Dorf kommt, wo es immer etwas zu schweißen gebe.
Auch Tijana Todorov, eine Zwanzigjährige aus Pančevo und eine von zwei Frauen, die wir in voller Schweißermontur im Trainingszentrum des Instituts „Goša“ in Smederevska Palanka antreffen, ist fest davon überzeugt, dass ihr die dreimonatige Schulung zur Schweißerin einen guten Arbeitsplatz sicherstellt. Tijana hat die Mittelschule für den Ausbildungsgang Techniker für Kraftfahrzeuge absolviert. Sie sagt, sie habe sich auch im Keramik- und Schlosserhandwerk versucht, hatte bislang jedoch nicht das Glück, eine Arbeit zu finden. „Nur wenige wollen junge Leute gleich nach der Schule einstellen. Sie wollen keine Zeit auf die Ausbildung verwenden. Außerdem bin ich eine Frau, das beeinflusst auch die Entscheidung. Ich glaube, dass ich nach dieser praktischen Schulung einen Arbeitsplatz in Pančevo finden werde, da es dort eine Raffinerie gibt, dort werden ständig Schweißer gesucht. Diese Schulung baut auf all dem auf, was ich bisher gelernt habe. Ich mag den Beruf und würde gerne weiter als Schlosserin arbeiten“, sagt Tijana abschließend.
Tijana, ihre 40 Kollegen und eine Kollegin erhalten während der dreimonatigen Ausbildung im Rahmen des Projekts Unterkunft, Verpflegung, Reisekosten, Schutzkleidung, die für die praktische Schulung notwendige Ausrüstung, Fachausbilder bzw. Mentoren. Die Kursteilnehmer sind im Gegenzug verpflichtet, engagiert den achtstündigen theoretischen und praktischen Unterricht zu besuchen.
Die Schulung zum Schweißer am Institut „Goša“ wurde bislang von 44 Teilnehmern erfolgreich absolviert, während insgesamt 330 Teilnehmer alle praktischen Schulungen des Projekts „Jugendbeschäftigungsförderung“ abgeschlossen haben. Dennoch ist die wichtigste Zahl im Zusammenhang mit diesem Projekt die 270 – denn sie bezeichnet die Anzahl der Teilnehmer, die nach absolvierter Schulung einen Arbeitsplatz gefunden haben. Dieser Erfolg konnte unter anderem erzielt werden, weil gründliche Forschungen und Analysen zu den meist gesuchten Qualifikationen am Arbeitsmarkt durchgeführt wurden und die Kandidaten sorgfältig aus Hunderten von Bewerbern für jeden einzelnen Kurs ausgewählt wurden, bevor man mit den Schulungen begann. Viele Teilnehmer haben in den Betrieben einen Arbeitsplatz gefunden, in welchen die Schulungen stattfanden.