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Rede anlässlich der Grundsteinlegung für den Neubau der Deutschen Botschaft in Wien, September 2021
Verehrter Herr Bürgermeister Ludwig, sehr geehrter Herr Abgeordneter Karl, Exzellenzen, liebe Kolleginnen und Kollegen,
Das Leben in der Stadt gibt dem Menschen ungeahnte Möglichkeiten. Das Stadtluft frei macht, hat seit Jahrhunderten den Siegeszug der Urbanisierung befeuert. Die Verdichtung der Städte beschäftigt auch ihre Bewohner mit philosophischen Grundsatzfragen: Was ist besser, in einem schönen Haus zu wohnen, oder auf ein schönes Haus zu schauen, ist eine dieser Fragen, die wir alle kennen.
Ähnlich ist es mit Baustellen. Was ist schlimmer: ein Abriss, ein Bauloch oder ein Neubau? In der bewegten Geschichte dieses Bauplatzes, auf dem wir stehen, gehen die Meinungen seit Jahrzehnten auseinander, die letzten drei, vier Jahre sind da keine Ausnahme.
Seit 1877 residierte hier die Deutsche Botschaft, erst beim kaiserlichen Hof, dann bei der Republik Österreich. Nach dem Zweiten Weltkrieg beschloss die Bundesrepublik, die teilweise zerstörte Botschaft nicht wiederherzustellen. Erst ragte ein Schutthaufen in die Luft, dann prägte ein Loch die Nachbarschaft, und nicht nur das: „Auf der Ruinenstätte wuchsen Sträuche und Bäumchen, der Wind wehte den Unkrautsamen in die britische Botschaft und bedrohte dort den englischen Rasen“, berichteten die Stuttgarter Nachrichten damals. Die Stimmung vor Ort sei etwa so gewesen: „Für Botschaften in Afrika hat Bonn Geld, für ein Gebäude in Wien nicht.“
Dann kam 1965 der Neubau, später dann ein Abriss, dann wieder ein Bauloch, ich erspare Ihnen die Gründe und Details. Aber jetzt wird wieder gebaut. Dass wir trotz Corona heute diesen wichtigen Schritt gehen, verdanken wir isnbesondere dem Abgeordneten Alois Karl, den ich heute mit seiner Frau in Wien begrüße.
20 Jahre wird es immerhin nicht dauern. Das betone ich, lieber Herr Bürgermeister, weil mir selbstverständlich bewusst ist, was wir dieser wunderschönen Stadt zumuten, hier drei Jahre lang ein Loch zu unterhalten. Aber ich weiß auch, dass ein Neubau wiederum Zumutungen mit sich bringt, der Lärm und der Dreck der Baumaßnahmen zuallererst.
Deshalb bitte ich schon jetzt die Nachbarn um Verständnis, dass es nun mal nicht anders geht, wenn wir dieses Loch füllen wollen. Herzlichen Dank in diesem Zusammenhang auch an meine Botschafterkolleginnen, die heute hergekommen sind. Haben Sie als gute Nachbarn ein Auge auf die Baustelle!
Das Gebäude wird die Heimstatt nicht nur der bilateralen Botschaft bei der Republik Österreich sein, sondern auch der Vertretung bei der OSZE. Deswegen werden meine Kollegin Gesa Bräutigam und ich gemeinsam mit Ihnen den Grundstein legen. Die Botschaft hier im Herzen des Dritten Bezirks wird also nicht nur ein Treffpunkt der Deutschen mit ihren österreichischen Freunden werden, sondern auch ein Ort der internationalen Verständigung, für die Wien als Sitz der OSZE und der Uno steht wie wenige Orte auf der Welt.
Vermutlich wird auch der Neubau nicht wieder allen gleichermaßen gefallen. Manche trauern der imperialen Architektur nach, andere dem Gutbrod-Bau, nicht auszuschließen, dass einige den Erhalt der Baugrube vorziehen. Ich gehöre nicht zu denen. Ich bin mir sicher, der Neubau wird neue Impulse setzen, für die Archtektur, für die Stadt, und für unsere Diplomatie. In den 60ern hat der Neubau übrigens zweieinhalb Jahre gedauert. Das sollte zu schaffen sein. Ich freue mich darauf!