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Rede von Außenministerin Annalena Baerbock beim Bankentag 2024

22.04.2024 - Rede

-- Es gilt das gesprochene Wort --

Vor zwei Wochen wurde Europas größtes Atomkraftwerk mit Drohnen angegriffen.

Die Hülle hielt. Aber in der Außenhülle von Reaktorblock sechs gab es einen Einschlag. Haben Sie das überall auf den Tageszeitungen gesehen?

Ich ehrlich gesagt nicht. Das AKW Saporischschja liegt genau an der Front in der Ukraine, am Fluss Dnipro. Dort, wo die ukrainischen Verteidiger den russischen Angreifern gegenüberstehen.

Und wir sehen zwei Jahre später, nachdem wir am 24. Februar 2022 in einer anderen Welt aufgewacht sind: Das sind schon keine News mehr. Das ist offensichtlich normal, in diesen „unruhigen Zeiten“. Und ich glaube, das sagt eigentlich alles über diese Zeiten, in denen wir Politik machen, in denen sie investieren, in denen wir alle gemeinsam in unserem Europa leben. Unruhige Zeiten. So haben sie ihren Bankentag aus meiner Sicht sehr treffend überschrieben.

In Zeiten, in denen Kampfdrohnen an einem Atomreaktor 1600 Kilometer von Berlin entfernt kaum eine Meldung sind, ist dieses Motto vielleicht noch vorsichtig, diplomatisch ausgedrückt. Denn wir leben in Zeiten, in denen wir uns an diese Dauerkrise, an ein ständiges Risiko offensichtlich fast schon gewöhnt haben.

Für Sie hier vom Bankenverband gehört die Risikoanalyse ja bekanntermaßen zum Kerngeschäft. Als Finanzbranche müssen Sie laufend auf diese Entwicklung reagieren und die künftigen Entwicklungen so gut es geht antizipieren. Für uns in der Politik gilt, insbesondere in der Außenpolitik in diesen unruhigen Zeiten, genau dasselbe. Weil wir am 24. Februar alle zusammen in einer anderen Welt aufgewacht sind.

Wir haben in den letzten Jahren durch Russland erlebt, wie Abhängigkeiten in unseren Energiebeziehungen als geopolitische Waffe gegen uns eingesetzt wurden, und dass durch die Dimension dieser Abhängigkeiten unsere ganze Volkswirtschaft gefährdet war. Auch das haben wir schon wieder fast vergessen, obwohl es nur gut ein Jahr her ist, dass wir uns tatsächlich gefragt haben: müssen wir im Winter eigentlich frieren? Wir mussten uns existenzielle Fragen stellen, weil wir allein auf die Hoffnung gesetzt haben.

Das darf uns nicht noch einmal passieren. In dieser Verantwortung, davon bin ich zutiefst überzeugt, stehen wir in der Politik in diesen unruhigen Zeiten. Und in dieser Verantwortung stehen, Sie haben das gerade deutlich unterstrichen, und dafür bin ich dankbar, auch Sie in der Wirtschaft. Denn es ist unser Land, es ist unsere Gesellschaft, es ist unser Europa.

Und deswegen, und das ist ein zweiter Punkt, über den ich mich freue in Ihrem Motto, ist es gut, dass vor den „unruhigen Zeiten“ ein aktives Verb steht, nämlich „Navigieren“. Und ich glaube, genau das macht den Unterschied in diesen Zeiten. Ob wir weiter darauf vertrauen, dass wir uns schon irgendwie treiben lassen können oder ob wir selbst navigieren. Ob wir das Ruder, das Steuerrad selbst in die Hand nehmen. Und das ist was uns, die Verantwortung tragen in diesem Land, in unserem Europa, ausmacht: dass wir uns fürs Navigieren entschieden haben. Denn wenn wir es nicht täten, dann wäre es fahrlässig.

Das bedeutet dann aber auch, selbstkritisch zusammen zu analysieren: wo haben wir in der Vergangenheit falsch gelegen? Sie mit Ihren Risikoanalysen, wo es Unternehmen viel Geld gekostet hat? Wir – ich sage das mal als Politik neutral insgesamt – weil die falschen Entscheidungen, das Nicht-Hinhören bei Warnungen nicht nur massiven diplomatischen Schaden, Vertrauensverlust mit sich gebracht hat - das habe ich in meinen ersten Monaten im Amt vor allen Dingen im Baltikum erlebt –, sondern auch die größte Sicherheitsgefahr für uns selbst.

Man kann immer Fehler machen, das gehört zum Leben dazu. Ansonsten würde man sich ja niemals was Neues trauen. Aber einen Fehler zweimal zu machen, das macht dann einen Unterschied. Dann wäre es kein Risiko, sondern fahrlässig. Und daher war die zentrale Antwort von uns als Bundesregierung und federführend aus meinem Auswärtigen Amt, dass wir uns unsere eigene Sicherheit kritisch – selbstkritisch – angeschaut haben und unsere Abhängigkeiten, gerade auch im Energiebereich, angeschaut haben.

Und in dem Sinne ist De-Risking der Schwerpunkt unserer wirtschaftlichen Tätigkeit in den letzten anderthalb Jahren gewesen. Also De-Risking, nicht De-Coupling. Als wirtschaftliche Diversifizierung, als Schwerpunkt nicht nur unser Chinastrategie, sondern unserer Nationalen Sicherheitsstrategie.

Und der Kern dieser beiden Strategien ist, darüber haben wir, Herr Sewing, vor einem Jahr intensiv gesprochen: wie wir in diesen Zeiten, wo ein De-Risking, eine Diversifizierung ganz stark beinhaltet, dass politische Entscheidungen mit wirtschaftlichen Tätigkeiten und vor allen Dingen Investitionen Hand in Hand gehen, wie wir Politik und Finanzwirtschaft in diesen unruhigen Zeiten stärker zusammenbringen und zusammenarbeiten lassen.

In diesem Sinne herzlichen Dank, dass Sie mich heute Abend hier eingeladen haben. Enger zusammenarbeiten, das heißt natürlich nicht politischer Interventionismus oder bürokratische Regulierungswut, wie es manchmal genannt oder verächtlich gemacht wird. Sondern es bedeutet im Sinne des gemeinsamen Bewusstseins und der gemeinsamen Verantwortung für diese enormen Herausforderungen, vor denen ja nicht nur Deutschland, sondern Europa steht, klug und strategisch zu entscheiden und zu handeln. Also gemeinsam zu navigieren. Denn wir haben gesehen, was die Passivität der letzten Jahre, was das Hoffen auf „Wandel durch Handel“ bewirkt hat. Da trieben wir dahin und andere navigierten gegen uns. Am Ende auf brutalste Art und Weise.

Und ich sage das so deutlich, weil „Fehler nicht zweimal machen“, das sagt sich so schön. Aber weil ich, das sage ich ganz ehrlich, in den letzten Monaten schon auch ein bisschen irritiert war, als wir uns gefragt haben: Was heißt jetzt De-Risking? Und zum Beispiel mit Blick auf unsere Chinapolitik sofort alte Reflexe wieder eingesetzt haben. Nämlich, dass ein De-Risking als De-Coupling bezeichnet worden ist oder dass die Frage von strategischer Industriepolitik so einfach weggewischt wurde.

Und ich erlebe, dass dann droht, dass wir doch manche Fehler zweimal machen.

Wir müssen uns immer wieder fragen: wir sind die drittgrößte Volkswirtschaft. Aber was bedeutetet das für andere? Ich habe das noch mal so deutlich erlebt, als ich Anfang des Jahres auf den Philippinen war. Und ich war noch gar nicht gelandet, da erreichte uns schon eine Presseäußerung vom Außenministerium aus China. Was bedeutet das dann für ein Land wie die Philippinen? Die hatten ganz viele Sorgen, da geht es etwa um Laserattacken auf philippinische Fischerboote. Das klingt erstmal klein, ein Fischerboot. Aber es ist ein bewusstes Unterbinden von Souveränitätsansprüchen direkt vor der philippinischen Haustür.

Da wurde uns dann etwas der Spiegel vorgehalten, als ich nach dem 24. Februar weltweit herumtelefoniert habe, mit Hochdruck, und gesagt habe: Es gibt einen großen Angriff nicht nur auf die Ukraine. Wenn ich gesagt habe: das betrifft unsere europäische Friedensordnung, wir brauchen euch jetzt, wir brauchen euch bei der Abstimmung in den Vereinten Nationen, wir brauchen euch bei der Generalversammlung. Wir brauchen eine Mehrheit gegen den russischen Angriffskrieg. Und da zählt jede Stimme, egal, ob ein Land ein paar Hunderttausend Einwohner hat oder Millionen. Wir hatten dann eine Mehrheit von über 140 Staaten. Da habe ich doch das ein oder andere Mal gehört: „wo wart ihr eigentlich, als wir über diese Laserangriffe gesprochen haben?“, „wo wart ihr eigentlich, als wir gesagt haben, wir werden von den Huthis angegriffen, als Golfstaat?“

Und auch das bedeutet es, Fehler nicht zweimal zu machen, dass wir eben nicht erst bei der großen maximalen Eskalation alles dafür tun müssen, dass das nicht kommt, sondern Warnsignale, gerade auch von Partnern, die unsere Werte teilen, aber auch unsere Interessen teilen – nämlich territoriale Integrität, territoriale Souveränität, freie Seewege – ernstnehmen. Dass wir unsere Partner nicht nur hören, sondern bei ihren Anliegen entsprechend auch unterstützen.

Und daher, um den großen Bogen zurück zu spannen, sind wir mit Blick auf die China-Strategie und die Nationale Sicherheitsstrategie derzeit so stark dabei, deutlich zu machen: es sind nicht nur unsere Werte, über die wir hier reden, sondern es sind unsere Interessen. Es gibt keinen Gegensatz zwischen unseren Werten und unseren Interessen. Weil, wenn das internationale Recht der freien Seewege nicht mehr gilt, dann kann man vielleicht eines Tages nicht mehr durch die Straße von Taiwan fahren. Durch diese Straße von Taiwan geht aber jedes zweite Containerschiff der Welt mindestens einmal im Jahr. Zwei Drittel des deutschen Handels mit Ostasien wird über den Schiffsweg durchgeführt. Fiele diese Straße weg, so zeigen Studien, dann ginge die deutsche Industrieproduktion um 16% zurück.

Und deswegen ist es für uns so wichtig und entscheidend, dass nicht nur wir als deutsche Bundesregierung, sondern, das ist meine Einladung immer wieder gerade an Sie als deutsche Wirtschaft, als Finanzwirtschaft, dass wir deutlich machen: eine Änderung des Status quo, eine einseitige Änderung des Status quo, können wir nicht hinnehmen, weil es den Schutz der internationalen Seewege und unseren eigenen Schutz betrifft.

Ähnliches erleben wir jetzt auch mit Blick auf die Huthis und das Rote Meer. Denn 98% dieses deutschen Ostasienhandels per Schiff geht durch das Rote Meer. Wir erleben, was das für Auswirkungen bei uns hat. Ich komme aus Brandenburg, wo Tesla produziert. Da haben die Lieferbänder zwei Wochen nicht mehr so richtig gearbeitet, weil das Rote Meer so stark unter Beschuss stand. Die Häfen hier bei uns haben es erlebt: Einbruch um bis zu 25%.

Das heißt: freier Welthandel, freie Marktwirtschaft braucht Regeln. Braucht faire Regeln, braucht fairen Wettbewerb. Und der Staat braucht die internationale Ordnung.

Wir als Staat setzen die Rahmenbedingungen für wirtschaftliches Handeln. Nicht weniger, aber auch nicht mehr. Dieser Leitsatz ist und bleibt mir wichtig. Aber der Staat kann allein, und auch das ist essenziell, nicht diversifizieren. Wenn wir sicherheitspolitisch unsere Handelsbeziehungen zu Lateinamerika, in Asien und in Afrika ausbauen wollen, dann ist dafür auch entscheidend, meine Damen und Herren, ob Ihre Institute in der Lage sind, die notwendigen Investitionen deutscher Unternehmen für diese Diversifizierung zu finanzieren, oder ob sie sie als Risiko einstufen.

Und auch deswegen ist die Zusammenarbeit so wichtig, weil Länder und Regionen, die man gar nicht richtig kennt, die kann man natürlich auch schlecht beurteilen. Das heißt, De-Risking, Diversifizierung bedeutet für uns eben gerade auch, mehr miteinander ins Gespräch zu kommen über neue Standorte, über neue Investitionsentscheidungen. Denn diese Bewertung, was eine Risikofinanzierung darstellt und was nicht, hat klar Auswirkungen auf unsere Möglichkeiten zur Diversifizierung und damit auf unsere eigene Sicherheit.

Und weil Standortfaktoren in diesen unruhigen Zeiten Sicherheitsfaktoren sind und weil Finanzierungsentscheidungen für unser Land von strategischer Bedeutung sind, ist es so essenziell, dass wir diese gemeinsam heute hier diskutieren. Und dass wir dafür auch den europäischen Rahmen wählen. Weil ja, wir sind die drittstärkste Volkswirtschaft. Aber unsere Power kommt aus dem gemeinsamen europäischen Binnenmarkt.

Man muss sich doch nur einmal fragen, wo wir auch heute stünden, wenn wir in dieser europäischen Legislaturperiode der letzten fünf Jahre, die gerade zu Ende geht, die EU nicht gehabt hätten. Wenn wir in der Pandemie keine gemeinsame Impfstoffbeschaffung gehabt hätten. Wenn nach dem russischen Angriff auf die Ukraine oder in der Gaskrise 27 Nationalstaaten ihre eigenen Pläne gemacht hätten. Gerade wir als Deutsche brauchten zu Beginn unsere europäischen Nachbarn.

Für mich zeigen diese Jahre, so turbulent sie waren, immer auch das Positive. Die EU ist in der Krise handlungsfähig. Sie war aus meiner Sicht so handlungsfähig wie lange nicht zuvor. Wir haben den größten länderübergreifenden Binnenmarkt der Welt, und genau das ist das Fundament unseres Wohlstands und unserer Sicherheit.

Und hier sind wir wieder beim Navigieren – und bei einer aktiven Außenwirtschaftspolitik. Denn diese Wettbewerbsfähigkeit der Europäischen Union, die kommt natürlich auch nicht von allein. Und dort, wo wir schlafen, auch dort füllen diese Lücken dann andere. Das haben wir in unterschiedlichen Sektoren mehr als deutlich gesehen. Und aus meiner Sicht droht uns das, wenn wir nicht dringend handeln, gerade auch mit Blick auf die Zukunftstechnologien wie KI, aber auch in vielen anderen Bereichen.

Deswegen müssen wir aus meiner Sicht gerade in diesen stürmischen Zeiten, wo Populisten versuchen, auch Europa gegeneinander aufzubringen, mehr Europa wagen. Wir brauchen mehr europäische Wettbewerbsfähigkeit aus ökonomischen, aber vor allen Dingen aus sicherheitspolitischen Gründen

Doch auch da ist das Glas eigentlich halbvoll. Allein in Deutschland sind bereits 6600 Start-Ups im Bereich der KI gegründet worden. Eine Technologie von elementarer strategischer Bedeutung, die unsere Welt verändert, verändern wird, aber schon verändert hat. Die schlechte Nachricht wiederum: trotzdem geben über die Hälfte der Start-Ups in der EU an, dass es ihnen hier an Finanzierung mangelt. Das gesamte aufgenommene Wagniskapital im Bereich KI beträgt in den USA 30 Milliarden Dollar, in der EU nicht einmal 4. Und dabei ist eigentlich dieses Kapital hier bei uns vorhanden. Nur fließen davon jährlich knapp 300 Milliarden Euro ins Ausland, und zwar vorwiegend in die USA.

Wir haben also in Europa Köpfe, wir haben das Know-How, wir haben die Unternehmen – aber wir haben das Kapital, was eigentlich da ist, nicht zum Investieren. Die entscheidende Frage, die Sie ja morgen weiter diskutieren werden ist: wie kommt nun beides zusammen?

Aber weil diese Zeiten so stürmische Zeiten sind, erlaube ich mir hier auch als Außenministerin dazu ganz knapp ein paar Stichpunkte für morgen mit in die Debatte zu werfen. Unser europäischer Binnenmarkt ist offensichtlich nicht vollendet, gerade wenn der Kapitalmarkt so fragmentiert bleibt. Da sind wir noch immer 27 finanzielle Kleinstaaten, in denen es für Unternehmen oftmals einfacher ist, privates Kapital in den USA aufzunehmen und umgekehrt für Anleger aus Europa einfacher ihr Kapital dort zu investieren. Auch das ist ja eine der Absurditäten, dass Unternehmen hier rausgehen, weil sie dort ihr Kapital investieren – und dann dort auch produzieren.

Das bedeutet, dass die EU bei der Finanzierung elementarer Zukunftsinvestitionen einfach ihr Potenzial nicht ausschöpfen kann. Wenn wir zum Beispiel unsere große Aufgabe – vor dem 24. Februar hätte man gesagt: die große Herausforderung unserer Zeit –, die Finanzierung der grünen Transformation in Europa bis 2050 nehmen, dann bedarf das nach Schätzungen 1,5 Billionen Euro jährlich an Investitionen. Das ist das Dreifache des Bundeshaushalts. Das kriegen wir alleine nicht hin.

Was also vermeintlich eine rein finanzmarktpolitische Frage ist, berührt ganz offensichtlich elementare geostrategische Fragen. Nur mit einer tatsächlichen Kapitalmarktunion können wir als EU bei den Zukunftsthemen, der grünen Transformation, beim Aufwuchs unser Verteidigungsfähigkeit – das ist nun einmal neu dazugekommen – und bei der künstlichen Intelligenz die Nase vorne haben und vernünftig mitlaufen. Nur so kann Europa geopolitisch und geostrategisch handlungsfähig sein.

Daher heißt das für mich gerade auch in diesem Europawahlkampf, wo manche Rechtsaußen die Europäische Union zersprengen wollen, wo andere sagen „aufgrund des Rechtsrucks, den wir hier haben, verhalten wir uns doch mal lieber leise und sagen gar nichts“ wiederum zu navigieren. Deutlich zu machen, wo wir hinwollen. Und mit Leidenschaft und Verve für mehr Europa, für eine stärkere und für einen vollendeten gemeinsamen Binnenmarkt und entsprechend auch Kapitalmarktunion zu werben.

Dafür, und das wird sicherlich auch hier Thema sein, müssen wir zum Beispiel bei den privaten Anlageprodukten, wenn sie grenzüberschreitend funktionieren sollen, Fortschritte machen. Bei der Harmonisierung der Kapitalmarktaufsicht. Da geht es darum: wer richtet sich nach wem? Um die Frage der Bürokratie. Denn ohne Regeln hätten wir auch keinen funktionierenden Binnenmarkt. Natürlich darf man es nicht totregulieren.

Und vor allen Dingen müssen wir schauen auf die Verfahren bei Unternehmensinsolvenzen, dass wir auch diese stärker zusammenbringen.

Das sind dicke Bretter. Und natürlich können 27 Mitgliedstaaten auch am besten wieder 27 Meinungen haben. Aber wenn wir als Europäer gar keine Meinung haben, dann werden halt die Investitionen in den USA oder, wenn es schlechter läuft, in anderen Regionen getätigt, die nicht nur im Wettbewerb mit uns stehen, sondern die auch unser systemischer Rivale sind.

Das heißt, wenn wir hier vorankommen wollen, dann brauchen wir mehr Europa. Wir brauchen eine echte europäische Wettbewerbsfähigkeit, die eine wirkliche Sicherheitsfähigkeit in diesen Zeiten bedeutet. Und zugleich gilt: was hilft die beste Kapitalmarktunion in der EU, wenn zugleich das Fundament des Binnenmarktes, auf dem die Europäische Union gebaut ist, nämlich die Rechtsstaatlichkeit, die Freiheit, die Demokratie, abgesägt wird? Ich bin Ihnen sehr dankbar, dass Sie in diesen stürmischen Zeiten hier so ein klares Statement abgegeben haben.

Denn bei den Europawahlen treten überall in Europa Antidemokraten und Antieuropäer an, und dabei bauen sie ganz bewusst auf die Online-Trolle von außen. Die auch von außen gefüttert werden. Die in 1,3 Sekunden, das haben wir gerade beim letzten Angriff gesehen, 100.000 Tweets rausfeuern können. Und das dann als gefühlte Meinung darstellen können. Diese Unterstützung für die Antidemokraten von außen können wir nur kontern, wenn wir als Demokratinnen und Demokraten zusammenstehen. Sie haben das gerade angesprochen: wir müssen in diesen unruhigen Zeiten als Bürgerinnen und Bürger, als Gesellschaft, als Demokraten gemeinsam Position beziehen gegen nationalistische Abschottungsrhetorik und rechtsextremen Populismus, gegen Antidemokraten, die unsere Gesellschaft und unser Europa spalten wollen.

Denn ein freies, ein demokratisches Europa ist die Grundlage unseres Friedens, unseres Wohlstandes und unserer Sicherheit. Und es ist an uns allen, dieses Europa zu schützen und zu verteidigen.

Bei der Europawahl, aber eigentlich jeden Tag.

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