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Zum Gedenken

Gedenkwand im Auswärtigen Amt (Ausschnitt)

Gedenkwand im Auswärtigen Amt (Ausschnitt), © AA

Artikel

Wir gedenken unserer Kolleginnen und Kollegen, die im Widerstand gegen die Herrschaft der Nationalsozialisten und in Ausübung ihres Dienstes ihr Leben vorloren haben.

Bildtafel mit den verstorbenen Amtsangehörigen
Bildtafel mit den verstorbenen Amtsangehörigen © AA

Das Auswärtige Amt blickt auf eine 150-jährige, sehr wechselvolle Geschichte zurück. Dies verpflichtet uns zu verantwortlichem Umgang mit der Erinnerung und dem Gedenken. Ein Ausdruck dieses bewussten Umgangs mit der eigenen Geschichte ist eine Wand in der ersten Etage des Auswärtigen Amts, dort wo die Amtsleitung ihre Büroräume hat. Auf ihr sind die Namen jener Angehörigen des Auswärtigen Dienstes verzeichnet, die entweder ihr Leben im Widerstand gegen das NS-Regime oder in Ausübung ihres Dienstes für die Bundesrepublik Deutschland verloren haben. Die Menschen, an die hier ehrend erinnert wird, verkörpern die Ideale von Verantwortungsbewusstsein und Courage. Sie setzen damit bis heute und auch für die Zukunft Maßstäbe. Deshalb befindet sich die Gedenktafel nicht außen am Gebäude, sondern im Innern des Hauses, wo die Menschen arbeiten, wo sie täglich vorbeikommen und wo sich ihnen das Bild von der Wand mit den Namen einprägt.

Die dreizehn Namen im oberen Teil der Wand sind die aktiver Widerstandskämpfer:innen, die sich ihrem Gewissen verpflichtet sahen und ihre konsequente Haltung während der nationalsozialistischen Herrschaft mit ihrem Leben bezahlten.

Dass das Auswärtige Amt insgesamt in der Zeit des Nationalsozialismus jedoch kein Hort des Widerstands war, ist bekannt. Nach dem Krieg wurde manches zunächst mit Schweigen bedeckt oder beschönigt, von vielen wurde auch der Versuch unternommen, das Auswärtige Amt insgesamt zu einem Ort hinhaltenden, aber letztlich vergeblichen Widerstandes zu stilisieren. Forschungsarbeiten aus den 1970er und 1980er Jahren und Editionen der Akten des Auswärtigen Amts haben jedoch zu einem differenzierteren und wahrheitsgetreueren Bild der Geschichte geführt. Im Jahr 2010 hat das Buch „Das Amt und die Vergangenheit. Deutsche Diplomaten im Dritten Reich und in der Bundesrepublik“, das im Auftrag des Auswärtigen Amts von einer unabhängigen Historiker:innenkommission erarbeitet wurde, Aufsehen erregt und der öffentlichen Debatte über die Verstrickung des Auswärtigen Dienstes in das NS-Unrechtsregime und Fragen personeller Kontinuitäten nach 1945 neue Impulse gegeben.

Die Studie bestätigt, dass viele Diplomaten der Diktatur zu Diensten waren und ihren Verbrechen zugearbeitet haben. Die Mehrheit der Diplomaten der NS-Zeit waren keine Helden. Es gab Zuschauer, Mitläufer und Täter. Im Ausland deckten und verdeckten Angehörige des Auswärtigen Dienstes politisch und propagandistisch die Diktatur in Deutschland. Sie bereiteten den Zweiten Weltkrieg mit vor, halfen bei der Beschaffung von Rohstoffen und Nahrungsmitteln im von Deutschland besetzten Südost- und Osteuropa. Einige Diplomaten legten auch selbst Hand an beim Raub von Kulturgütern. Nach der Planung des Vernichtungskrieges, der militärischen Besetzung großer Teile des Kontinents und der Radikalisierung der antijüdischen deutschen Politik hin zum Völkermord gegen Europas jüdische Bevölkerung arbeiteten auch deutsche Diplomaten mit daran, Jüdinnen und Juden zu erfassen, zu internieren und zu deportieren. An der Wannsee-Konferenz, die die Ermordung der europäischen Jüdinnen und Juden vorbereitete, nahm auch ein Vertreter des Auswärtigen Amts teil.

Unbestreitbar ist zugleich, dass es zwischen 1933 und 1945 Dissens, Opposition und Widerstand im Auswärtigen Dienst und aus dem Auswärtigen Amt herausgab. Es gab Gegnerschaft gegen den totalitären Staat, der sich aus Gewissensgründen, aufgrund politischer oder religiöser Überzeugungen nicht mit den Nationalsozialisten arrangierte. Friedrich Wilhelm von Prittwitz wollte dem Regime nicht als Botschafter in Washington dienen und trat 1933 von diesem Posten zurück. Georg Ferdinand Duckwitz half, etliche Jüdinnen und Juden in Dänemark vor der Deportation und Ermordung zu bewahren. Gerhart Feine half mit, etliche Jüdinnen und Juden in Ungarn vor Deportation und Ermordung zu bewahren. Fritz Kolbe, Herbert Gollnow, Rudolf von Scheliha und Ilse Stöbe gaben ihr Wissen von den Verbrechen und Plänen des „Dritten Reichs“ an die Alliierten weiter.

Manche/r bezahlte die Opposition mit seinem/ihrem Leben. Gollnow, von Scheliha und Stöbe wurden mit der Widerstandsgruppe „Rote Kapelle“ verhaftet und hingerichtet. Hans Litter wurde von einem Feldkriegsgericht wegen „defätistischer Äußerungen“ zum Tode verurteilt. Herbert Mumm von Schwarzenstein gehörte einer Widerstandsgruppe an, wurde verraten und im Zuchthaus erschossen. Im Zusammenhang mit dem Attentatsversuch am 20. Juli 1944 wurden Eduard Brücklmeier, Hans Bernd von Haeften, Ulrich von Hassell, Otto Kiep, Friedrich-Werner Graf von der Schulenburg und Adam von Trott zu Solz festgenommen. Sie wurden alle vom sogenannten Volksgerichtshof zum Tode verurteilt und in Berlin-Plötzensee hingerichtet. Gleichfalls im Zusammenhang mit dem 20. Juli 1944 wurden Albrecht Graf von Bernstorff und Richard Kuenzer in Berlin-Moabit ermordet.

Die Gedenktafel im Auswärtigen Amt erinnert an diese Opfer des Nationalsozialismus und mit ihnen zugleich stellvertretend an Oppositionelle, die wir nicht mit Namen kennen. Der heutige Auswärtige Dienst erinnert sich an diese Persönlichkeiten, weil ihr Einsatz uns Vorbild, Mahnung und Ansporn sein kann.

Ihr Mut, ihre Haltung gegen das Unrecht bzw. für die Vision einer friedlichen Völkergemeinschaft, ihr rechtschaffenes, dem eigenen Gewissen verpflichtetes Handeln sind uns ein Beispiel.

Im unteren Teil der Gedenktafel sind die Namen all jener aufgeführt, die in Ausübung ihres Dienstes und ihrer Pflicht seit 1945 ihr Leben verloren. Sie starben als Opfer des Krieges, wie Hasso Freiherr Rüdt von Collenberg in Vietnam, oder sozialer Spannungen, wie Karl Graf von Spreti in Guatemala. Im libanesischen Bürgerkrieg ließ Souhair Daou sein Leben und Khalil Muhsin Ali Al-Ibrahim starb bei einem Terroranschlag auf die deutsche Botschaft Bagdad.

Heinz Hillegaart und Andreas Baron von Mirbach wurden beim Überfall auf die Botschaft in Stockholm von deutschen Terrorist:innen ermordet. Gerold Edler von Braunmühl starb bei einem terroristischen Attentat vor seinem Wohnhaus in Bonn. Gerd Wagner, Thomas Reinhardt und Jürgen Schrauf kamen in Bosnien ums Leben, als im Einsatz für Frieden ihr Hubschrauber abstürzte. Die Polizisten Tobias Retterath, Thomas Andreas Hafenecker, Jörg Ringel, Mario Keller, Alexander Stephan Stoffels und Mirko Kanzler verloren ihr Leben bei Einsätzen in Irak, Afghanistan und dem Jemen. Jeder von ihnen hatte sein eigenes Schicksal und seine eigenen Überzeugungen. Gemeinsam war ihnen allen der Einsatz für ihr Land und für die Ziele einer dem Frieden verpflichteten deutschen Außenpolitik.

Die Interessen unseres Landes beruhen auf einer klaren und unveränderbaren Wertorientierung: auf Freiheit, Demokratie und Unantastbarkeit der Menschenwürde. Das Grundgesetz verpflichtet uns,„in einem vereinten Europa dem Frieden in der Welt“zu dienen. Das ist die Grundlage deutscher Außenpolitik. Für jede/n Mitarbeiter:in des Auswärtigen Amts ist dieses Ziel verbindlich, und ein/e jede/r vertritt es im Inland wie im Ausland. Den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des Auswärtige Dienstes wird dabei auch der Einsatz unter schwierigsten Bedingungen abverlangt.

Nur die Auseinandersetzung mit der Geschichte ermöglicht es, an positive Traditionen anzuknüpfen. Den unverfälschten Blick in die Vergangenheit muss sich jede Generation neu aneignen.

Die Menschen, an die mit der Gedenktafel erinnert wird, haben für ihr Handeln und ihre Pflichterfüllung den höchsten Preis bezahlt. Ihr Schicksal konfrontiert insbesondere die Angehörigen des Auswärtigen Dienstes mit eindringlichen Fragen. Der Erinnerungsort in der ersten Etage des Auswärtigen Amts bietet mit seiner Stille und seiner Schlichtheit jedem Einzelnen den Raum, sich mit diesen Fragen auseinanderzusetzen.

Im Widerstand gegen die Herrschaft der Nationalsozialisten verloren ihr Leben

In Ausübung ihres Dienstes verloren ihr Leben

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