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Grußwort von Außenministerin Annalena Baerbock anlässlich der Zeremonie zur Rückgabe von vier Kulturgütern an das Volk der Kaurna

03.05.2024 - Rede

Ich möchte das Volk der Kaurna als traditionellen Hüter des Landes würdigen, auf dem wir heute zusammenkommen, und achte ihre spirituelle Verbundenheit mit ihrem Land.

Ich möchte würdigen, dass ihr Glaube in Bezug auf ihre Kultur und ihr kulturelles Erbe noch immer bedeutend ist, ebenso wie das Volk der Kaurna, das heute lebt. Ich möchte außerdem alle anderen Angehörigen des Volkes der Aborigines und der Torres Strait Islanders würdigen, die an der heutigen Veranstaltung teilnehmen.

Ein Speer, ein Grabstock, eine Keule und ein Netz.

Auf den ersten Blick scheint es sich um ganz alltägliche Objekte zu handeln.

Aber hinter jedem einzelnen dieser Gegenstände verbergen sich zahllose Geschichten. Geschichten darüber, wie das Volk der Kaurna vor über 150 Jahren gelebt hat.

Wie die Menschen jagten, wie sie fischten und wie sie ihre Familien versorgten. Wie sie das Land, auf dem sie lebten, in Ehren hielten – ihr Land.

Diese Artefakte erzählen Ihre Geschichten, die Geschichten Ihrer Vorfahren, der Vorfahren vieler der Männer und Frauen, die heute hier sind, und ihrer Familien.

Deshalb hat sich das Volk der Kaurna an das Bundesland Sachsen gewandt und darum gebeten, dass diese Artefakte – ihre Geschichten, ihr kulturelles Erbe – zurückgegeben werden.

In diesen Geschichten steckt auch die Geschichte der europäischen Kolonialisierung.

Als europäische Siedlerinnen und Siedler vor fast 200 Jahren auf den Adelaide Plains ankamen, fügten sie dem Volk der Kaurna großen Schaden zu.

Sie nahmen ihnen ihre Rechte und verboten ihnen, ihre Sprache zu sprechen. Anfang des 19. Jahrhunderts hielt man die Sprache daher für so gut wie ausgestorben.

Wir wissen nicht genau, wie diese vier Objekte Ende der 1830er-Jahre in den Besitz deutscher Missionare kamen.

Aber wir wissen, dass die beiden Missionare, die sie nach Dresden schickten, die Sprache der Kaurna sprechen konnten. Sie hatten ein Wörterbuch verfasst, auf dessen Grundlage die Sprache der Kaurna später wiederbelebt werden konnte.

Dennoch war die Tatsache, dass die Missionare diese Artefakte nach Deutschland schickten, Teil des Problems. Mit jedem Objekt, das weggeschickt wurde, ging ein Teil der Identität der Kaurna verloren.

Als Europäer werden wir vielleicht nie verstehen können, was es bedeutet, dass Sie Ihres Landes und Ihrer Geschichte beraubt wurden. Doch wir wissen – und ich hoffe, Sie glauben mir, wenn ich und die deutschen Abgeordneten, die mich heute begleiten, das sagen –, wie wichtig es ist, Wurzeln zu haben.

Penny Wong hat gerade sehr treffend gesagt, dass es schmerzhaft sein kann, über Ihre Geschichte zu sprechen, dass es aber nötig ist, um eine gemeinsame Zukunft aufbauen zu können.

In Deutschland haben wir einen umfassenderen Prozess zur Anerkennung der Bedeutung von kulturellem Erbe in Gang gesetzt. Wir unterstützen mit Nachdruck die Erklärung der Vereinten Nationen über die Rechte der indigenen Völker, in der deren Rechte auf Schutz und Weiterentwicklung ihres kulturellen Erbes anerkannt werden.

Für mich steht diese internationale Verpflichtung in engem Zusammenhang mit einer anderen: nämlich der, offen und reflektiert mit der eigenen Vergangenheit umzugehen. Und bereit zu sein, zuzuhören – denen, die während der europäischen Kolonialisierung den Verlust ihres Kulturerbes erleiden mussten.

Die Rückgabe der Benin-Bronzen an Nigeria und die Rückführung sterblicher Überreste von Vorfahren nach Australien stellen wichtige Schritte im Rahmen dieser Bemühungen dar: zuzuhören, zu reflektieren und dann zu handeln. Gemeinsam.

Liebe Penny, ich möchte dir für die vertrauensvolle Zusammenarbeit in diesem Zusammenhang danken. Wir erkennen die Bemühungen deiner Regierung an, das Wissen und die Kultur der Aborigines und der Torres Strait Islanders zu achten und zu zelebrieren.

Ich möchte auch den Staatlichen Kunstsammlungen Dresden für ihr unerschütterliches Engagement danken.

Liebe Frau Dr. Scheps, Ihnen gilt mein persönlicher Dank. Denn für jede Reise braucht es eine starke Führung. Sie haben mehr als zehn Jahre lang mit den Kaurna zusammengearbeitet. Und Sie haben die Artefakte letztes Jahr schließlich nach Australien gebracht, als unser Flugzeug nicht weiterfliegen konnte.

Heute, nach einer langen Reise, bringen wir diese Objekte nach Hause; an den Ort, an den sie gehören. Zurück zum Volk der Kaurna.

Lasst uns an ihrer Geschichte teilhaben, lasst uns Ihre Geschichten weitererzählen. Damit sie weiterleben können.

So wie Ihre Sprache, die man vor 150 Jahren für so gut wie ausgestorben hielt.

Wir haben soeben gehört, dass diese Sprache wieder lebendig ist.

Heute können sich Jungen und Mädchen überall auf der Welt „Kaurna with Tiyana“ auf YouTube anschauen. Dort bringt eine Teenagerin aus Adelaide anderen Kindern ihre Sprache bei.

Ich weiß nun, dass „Ngaityalya“ „danke“ heißt.

Ich möchte also „Ngaityalya“ sagen. Vielen Dank, dass Sie uns willkommen heißen. Und, was am allerwichtigsten ist:

Danke, dass Sie uns an Ihrer Geschichte und Ihrer Gegenwart teilhaben lassen.

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