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Erklärungen des Auswärtigen Amts in der Regierungspressekonferenz vom 29.05.2024

29.05.2024 - Artikel

Treffen der NATO-Außenminister und -Außenministerinnen

Wagner (AA)

Außenministerin Baerbock reist am Freitag, dem 31. Mai, zu einem Treffen der NATO-Außenminister und -Außenministerinnen nach Prag. Das Treffen mit informellem Charakter findet zum dritten Mal statt. Die Außenministerinnen und -minister treffen sich hierbei in einem sehr kleinen, vertraulichen Rahmen. Dieses neue Format, auch Berliner Format genannt, hat das erste Mal bei ihrem Treffen vor zwei Jahren hier in Berlin getagt.

Auf der Agenda am Freitag stehen die Vorbereitung des NATO-Gipfels in Washington im Juli sowie die fortgesetzte Unterstützung der Alliierten für die Ukraine.

[…]

Frage

Meine Frage bezieht sich auf Ihren Zusatz, dass es bei dem informellen Treffen der NATO-Außenministerinnen und -minister auch um die Vorbereitung des NATO-Gipfels geht. Deswegen nehme ich an, dass man in diesem Kontext auch zum Thema Ukraine fragen kann.

Herr Wagner, ich hätte gern gewusst, ob sich die Außenminister Gedanken darüber machen werden, wie die westliche Unterstützung für die Ukraine künftig aussehen soll. Es gab gestern am Rande des Deutsch-Französischen Ministerrats eine Debatte, was zum Beispiel die Angriffe auf Ziele in Russland selbst angeht. Steht das auf der Agenda der Außenminister?

Wagner (AA)

Das ist ein netter Versuch. Ich glaube, Ihnen geht es vor allen Dingen um einen Kommentar zu dieser Debatte.

Zusatz

Nein.

Wagner (AA)

Dem Treffen der NATO-Außenminister und -ministerinnen am Freitag würde ich jetzt ungern vorgreifen. Aber es ist natürlich so, wie Sie sagen. Wir stellen uns in vielen unterschiedlichen Foren, sei es im Rahmen der Europäischen Union oder sei es innerhalb der NATO, immer wieder die Frage, wie wir die Ukraine bei ihrer Selbstverteidigung gegen den russischen Angriffskrieg besser, stärker unterstützen können. Natürlich spielt das am Freitag auch eine wichtige Rolle, aber ich kann den Gesprächen jetzt nicht vorgreifen.

Zusatzfrage

Aber vielleicht können Sie präzisieren, was die Vorbereitung des NATO-Gipfels konkret bedeutet. Sie haben sie eben bei der Ankündigung selbst mit erwähnt. Was also sind die Themen, die besprochen werden sollen?

Wagner (AA)

Nun ja, der NATO-Gipfel, der jetzt im Juli in Washington ansteht, ist ein wichtiger Termin. Natürlich obliegt es den Außenministerinnen und Außenministern auf ihrer Schiene, aber eben auch den Verteidigungsministern und den Regierungschefs, diesen vorzubereiten. Das Treffen am Freitag ist ein informelles Treffen, bei dem es keine feste formale Agenda gibt, ein Treffen, das im kleinen Rahmen einen informellen Austausch ermöglichen soll. Selbstverständlich wird es dabei auch um dieses wichtige Treffen im Juli gehen. Aber, wie gesagt, werde ich jetzt den konkreten Inhalten nicht vorgreifen.

Frage

Herr Wagner, wird Antony Blinken, der US-Außenminister, an dem informellen Treffen teilnehmen?

Wagner (AA)

So ist mein Stand. Ja.

Bericht von Amnesty International zu Todesurteilen und Hinrichtungen 2023

Frage

Herr Hebestreit, Herr Wagner, wie bewertet die Bundesregierung die ja doch erschreckenden Zahlen über den weltweiten Höchststand von Hinrichtungen seit zehn Jahren, die veröffentlicht wurden? Was ist Ihre Haltung dazu?

Wagner (AA)

Das ist grauenvoll und zeigt, dass wir uns weltweit weiterhin dafür einsetzen müssen, dass die Todesstrafe nicht mehr vollstreckt wird. Wir lehnen die Todesstrafe unter allen Umständen und in jedem Fall als eine unmenschliche Art der Bestrafung ab. In dem Sinne setzen wir uns weltweit dagegen ein.

Zusatzfrage

Auch deutsche Staatsbürger bzw. Menschen mit doppelter Staatsbürgerschaft sind betroffen. Haben Sie einen Überblick darüber, wie viele deutsche Staatsbürger in sogenannten Todeszellen sitzen und auf ihre Hinrichtung warten?

Wagner (AA)

Dazu kann ich jetzt keine Zahlen nennen, einfach auch aus dem Grunde, dass es immer Einzelfälle sind. Sie wissen, dass wir in diesen konsularischen Fällen immer sehr zurückhaltend sind mit Blick auf Einzelfälle, allein schon aus dem Grund des Schutzes der Persönlichkeitsrechte. Aber es gibt solche Fälle.

Zusatzfrage

Hat die Bundesregierung noch andere Möglichkeiten als zu mahnen und aufzurufen, um diese unmenschliche Praxis doch zahlreicher Staaten zu unterbinden?

Wagner (AA)

Wir können uns die Welt nicht so wünschen, wie wir sie gern hätten, sondern wir müssen schauen, was wir konkret und realistischerweise außenpolitisch tun können. Das tun wir. Wir tun es in zahlreichen Foren. Das ist immer wieder auch Thema im Rahmen der Vereinten Nationen. Wir thematisieren es natürlich auch in unseren bilateralen Beziehungen zu Staaten, die die Todesstrafe noch anwenden. Ich würde nicht sagen, dass das nichts ist.

Nahostkonflikt

Frage

Meine Frage richtet sich entweder an Herrn Hebestreit oder Herrn Wagner. Sie können es sich vielleicht aussuchen. Der Bundeskanzler hat sich gestern zu der Situation in Rafah geäußert. Er hat gesagt, dort sei kein Szenario und keine Variante militärischen Vorgehens denkbar, die nicht mit unverantwortlich vielen zivilen Opfern verbunden wäre. Die US-Regierung hat gesagt, ihre rote Linie sei nicht überschritten. Wie beurteilen Sie die Lage, und wie beurteilen Sie den Resolutionsentwurf, der jetzt, so meine ich, von Algerien eingebracht worden ist?

Hebestreit (BReg)

Ich fange einmal an. Ich bin jetzt etwas irritiert. Wenn sich der Bundeskanzler gestern Abend geäußert hat, dann ist das die Position des Bundeskanzlers und der Bundesregierung dazu. Da gibt es seit gestern Abend keinen neuen ‑ ‑ ‑

Zusatz

Doch!

Hebestreit (BReg)

Nein. Da gibt es seit gestern Abend aus Sicht des Bundeskanzlers keinen neuen Stand. Er hat auch gar nichts Neues erzählt, sondern er hat das gesagt, was er seit vielen Wochen und Monaten sagt und was er auch in Israel in Gegenwart des israelischen Ministerpräsidenten in einer Pressekonferenz auf Englisch, damit es dort gut gehört werden kann, gesagt hat, nämlich dass er vor einer groß angelegten Bodenoffensive auf Rafah warnt aufgrund der Tatsache, dass sich 1,0 oder 1,5 Millionen Flüchtlinge in der Stadt befinden und dass man sich ‑ das hat er gestern noch einmal deutlich ausgeführt ‑ kein Szenario vorstellen kann, in dem ein groß angelegtes militärisches Vorgehen dort nicht auch hohe Zahlen an zivilen Opfern mit sich bringen könnte. Gestern hat er, meine ich, noch ergänzt, dass der schreckliche Vorfall in der Nacht zum Montag dies auf grausame Weise ein wenig bestätigt hat. Es bleibt natürlich der Appell, von einer Offensive auf Rafah abzusehen.

Wagner (AA)

Ich kann das, was der Regierungssprecher gesagt hat, noch mit Blick auf den Resolutionsentwurf im Sicherheitsrat, den Sie angesprochen haben, ergänzen. Sie wissen, dass Deutschland derzeit nicht selbst Mitglied im Sicherheitsrat ist. Deshalb haben wir in dieser Sicherheitsratsbefassung auch keine Stimme. Aber wir bleiben darüber natürlich auf bestehenden Kanälen mit unseren Partnern in den Vereinten Nationen im Austausch. Ich kann jetzt nicht spekulieren und dem UN-Prozess, der läuft, nicht vorgreifen. Ich weiß auch nicht, wie es im Sicherheitsrat ausgehen wird. Aber klar ist ‑ das ist auch in dem, was der Regierungssprecher eben gesagt hat, zum Ausdruck gekommen ‑, dass das Vorgehen der israelischen Armee in Rafah schon jetzt viel zu viele unschuldige Menschenleben gefordert hat und dass sich die Staatengemeinschaft natürlich mit dieser Frage beschäftigt und schaut, wie sie reagiert, wenn Israel sein Vorgehen dort mit Blick auf den Schutz von Zivilistinnen und Zivilisten nicht anpasst.

Zusatzfrage

Ich war davon ausgegangen, dass die Tatsache, dass jetzt Panzer in der Innenstadt sind, schon eine veränderte Lage darstellt. Deswegen hätte mich interessiert, ob Sie das auch so sehen, oder ob Sie es so sehen, dass sich die Lage dadurch nicht verändert hat.

Hebestreit (BReg)

Die Lage bleibt schlecht.

Frage

Die Anerkennung Palästinas durch drei europäische Staaten ist ein mutiger Schritt. Warum weigert sich die Bundesregierung, diesem Schritt zu folgen?

Hebestreit (BReg)

Wenn ich es richtig verstanden habe, geht es um die Frage, ob wir einseitig den Palästinenserstaat anerkennen würden. Dazu würde ich Sie auf das verweisen, worauf ich auf diese Frage entweder bei der letzten oder vorletzten Pressekonferenz hier verwiesen habe. Da habe ich das sehr ausführlich dargelegt, und das gilt weiterhin.

Frage

Herr Wagner, die Außenministerin hat am 26. Mai auf dem Demokratiefest erklärt, dass sie in Israel bei einer Videovorführung Videomaterial von GoPro-Kameras von Hamaskämpfern gesehen habe, das gezeigt habe, wie eine Frau vor laufender Kamera vergewaltigt worden sei. Diese Aussage hat international für relativ viel Aufsehen gesorgt, weil sowohl Vertreter des israelischen Verteidigungsministeriums als auch ein UN-Team unter Leitung von der Sonderbeauftragten für sexuelle Gewalt in Konflikten, Pramila Petten, nach umfangreichen Untersuchungen zu dem Schluss gekommen sind, dass ihnen keinerlei Video- und Fotoaufnahmen vorlägen, die die Vergewaltigung von Frauen durch Hamaskämpfer zumindest visuell belegen würden. Wenn ich ganz kurz die UN-Sonderbeauftragte zitieren darf: Bei der gerichtsmedizinischen Bewertung der verfügbaren Fotos und Videos konnten keine greifbaren Hinweise ‑ ‑ ‑

Vorsitzende Buschow

Können Sie es vielleicht raffen? Ich habe wirklich noch ‑ ‑ ‑

Zusatz

Es ist ein Zitat, das in dem Themenkontext echt relevant ist!

Vorsitzende Buschow

Ja, Sie haben die Kernaussage ja schon gesagt. Es gehört ja durchaus zu unserer Profession, Dinge auch einmal ein bisschen zu kürzen, damit wir zeitlich vorankommen.

Zusatzfrage

Ja, natürlich. Aber es gibt hier andere Kandidaten, bei denen Sie nicht ganz so streng sind. Aber sei es drum.

Meine Frage ist, ob die Außenministerin vor diesem Hintergrund bei ihrer Darstellung bleibt, dass sie höchstpersönlich entgegen den Aussagen des UN-Teams und auch israelischer Quellen dieses Material mit dieser visuell bestätigten Vergewaltigung tatsächlich gesehen hat.

Wagner (AA)

Ich kenne jetzt diese Aussagen und Berichte, auf die Sie sich beziehen, nicht.

Zusatz Warweg

Ja, weil es mir verboten wird, sie zu zitieren.

Vorsitzende Buschow

‑ ‑ ‑

Wagner (AA)

Aber selbst wenn Sie sie zitieren, müsste ich sie ja in Gänze kennen. Ich meine aber, gesehen zu haben, dass Sie dazu auf Ihren sozialen Medien auch kommuniziert haben, dass es sich auf öffentlich verfügbares Material ‑ ‑ ‑ Ganz grundsätzlich: Ich glaube, es besteht wirklich kein Zweifel daran, dass es beim Angriff der Hamas am 7. Oktober zu sexualisierter Gewalt und zu Vergewaltigungen kam. Ich glaube, es ist wirklich abscheulich, das hier in Abrede zu stellen.

Vorsitzende Buschow

Nachfrage?

Zusatzfrage

Ja, wenn ich es denn jetzt darf. ‑ Aus Anfragen von Haaretz an drei Stellen des Verteidigungsapparates geht hervor, dass das von der Polizei und den Geheimdiensten gesammelte Material einschließlich der Aufnahmen von Körperkameras der Terroristen keine visuelle Dokumentation von Vergewaltigungen enthält. Es ist wirklich das erste Mal, dass eine europäische Politikerin von solchen Aussagen spricht.

Damit relativiert man in keiner Form sexuelle Gewalt. Aber zu sagen, sie habe sozusagen eine visuelle Bestätigung von etwas gesehen, von dem die UN und selbst israelische Stellen sagen, dass es sie nicht gebe, ist schon eine Nummer.

Könnten Sie, damit man das journalistisch verifizieren kann, deswegen bitte sagen oder nachreichen, an welchem Tag, in welcher Örtlichkeit und in Begleitung welcher weiteren Vertreter des Auswärtigen Amtes Frau Baerbock sich diesen Videozusammenschnitt angeschaut hat?

Wagner (AA)

Die Aussagen der Ministerin stehen für sich. Aber ich möchte noch einmal wirklich klar sagen: Es besteht kein Zweifel daran, dass die Hamas bei ihrem Terrorangriff auf Israel am 7. Oktober Frauen vergewaltigt und sexualisierte Gewalt ausgeübt hat.

Zuruf

Das habe ich doch gar nicht infrage gestellt! Es geht darum, dass ‑ ‑ ‑

Wagner (AA)

‑ Doch das tun sie implizit

Zuruf

Nein!

Wagner (AA)

in der Art und Weise, in der sie ihre Frage stellen.

Zusatz

Ich stelle die Frage nach der Aussage von Baerbock, dass sie das auf Video gesehen habe, von dem selbst Israelis verneinen, ‑ dass es das als Videobeweis gibt. Damit negiere ich in keiner Form sexuelle Gewalt. Sie wurde auch von der UN-Sondergesandten entsprechend dokumentiert. Aber es ist schon etwas, wenn eine Außenministerin sagt, sie habe das als Videobeweis gesehen, während alle anderen Quellen das explizit negieren. Ich habe es jetzt oft genug gesagt: sowohl der israelische Geheimdienst als auch die israelische Armee sowie die UN.

Wagner (AA)

Sie haben zwei Quellen zitiert. Damit zu implizieren, dass das die Wahrheit sei, ist, ehrlich gesagt journalistisch einfach nicht sauber.

Zuruf …

Vorsitzende Buschow

Ich fürchte, an dem Punkt kommen wir jetzt nicht weiter. Das war schon quasi die dritte ‑ ‑ ‑ Es war keine Nachfrage, sondern es artet jetzt in eine Diskussion aus. Wenn es dazu keine weiteren Fragen gibt, würde ich es an der Stelle daher gern beenden.

Noch einmal eine grundsätzliche Anmerkung, weil Sie gesagt haben: „wenn ich es jetzt darf“: Jeder darf eine Nachfrage stellen. Worauf ich hier bestehe, ist, dass wir einander ausreden lassen. Das sind die Gepflogenheiten der BPK, und es ist, ehrlich gesagt, auch eine Frage von Kinderstube.

Frage

Herr Hebestreit, Herr Wagner, aktuell wird Rafah durch Luftangriffe bombardiert. Es gibt eine Panzeroffensive. Fünf Brigaden sind laut IDF „on the ground“. Hält die Bundesregierung das noch immer nicht für ein groß angelegtes militärisches Vorgehen? Können Sie uns erklären, wann dann irgendetwas irgendwann einmal eine Großoffensive wäre, weil ‑ ‑ ‑

Hebestreit (BReg)

Ich verstehe Ihren Punkt, den Sie gerne von uns wissen würden. An der einen Stelle muss man sagen: Aus Rafah sind ‑ ich glaube, in der Nacht zum Montag ‑ mehrere Raketen auf Tel Aviv abgefeuert worden. Das nur zum Thema, warum es da womöglich auch zu Luftangriffen seitens der IDF gekommen sein könnte. Das spekuliere ich jetzt. Aber es gehört ja auch zur Wahrheit dazu und muss gesagt werden, dass es weiterhin nicht nur die Geiseln gibt, die im Gazastreifen in der Hand der Hamas sind, sondern dass auch aus Rafah weiterhin Terror auf israelisches Gebiet verbreitet wird.

Alles Weitere kann ich als Regierungssprecher, so gern ich so etwas tun würde, an dieser Stelle nicht beurteilen.

Unabhängig von der Frage, die Sie stellen, bleibt unser Punkt, dass wir dagegen sind, dass wir davor warnen und dass wir sagen: Das darf nicht passieren. ‑ Wir warnen vor den Opfern, die damit einhergehen können. Wir appellieren an die israelische Regierung, eine groß angelegte Bodenoffensive nicht durchzuführen.

Zusatzfrage

Das habe ich verstanden. Darum sagen die Israelis den Deutschen und den Amerikanern: Keine Sorge, das ist gar keine Großoffensive, sondern nur eine limitierte Offensive. ‑ Es kommt hier so an, als ob sie das dann einfach übernehmen.

Herr Wagner, interpretieren Sie die Entscheidung des IGH von Ende vergangener Woche, der gesagt hat, Israel müsse in seinem militärischen Vorgehen in Gaza alles dafür tun, um sich an die Völkermordkonvention zu halten, so, dass Israel die Offensive in Rafah‑ was immer sie jetzt auch ist ‑ einstellen muss?

Wagner (AA)

Ich denke, man muss sich nur den Wortlaut der vorläufigen Maßnahmen des IGH, auf den Sie sich bezieht, anschauen. Dann ist sehr klar, was gilt. Völkerrecht gilt.

Ich will aber noch etwas zu dem, was Sie davor gesagt haben, sagen, damit kein Zweifel bleibt. Wir sehen die Situation in Rafah mit allergrößter Sorge und thematisieren das natürlich auch mit der israelischen Regierung.

Frage

Herr Hebestreit, der Bundeskanzler hat in seiner Bewertung des Angriffs auf das Flüchtlingslager bei Rafah das Attribut „tragisch“ verwendet wie vor ihm auch schon Premierminister Netanjahu. Ich bitte meine Frage nicht als semantische Spielerei zu kategorisieren. Worte haben eine Bedeutung. Unter Tragik wird verstanden, dass handelnde Menschen in einen unlösbaren Konflikt geraten. Ist es richtig, die Entscheidung eines politischen und militärischen Befehlshabers für einen Angriff als einen unlösbaren Konflikt zu bezeichnen?

Hebestreit (BReg)

Sie haben mir ja leider verboten, das zu sagen, was ich gern vorangeschickt hätte. Ich teile Ihre Interpretation des Wortes „tragisch“ nicht, aber das wäre eine semantische Auseinandersetzung.

Was ich wahrnehme, ist, dass die israelische Regierung selbst diesen Vorfall kritisch sieht und dass es eine Untersuchung gibt. Der Bundeskanzler hat gestern deutlich gemacht, dass er es richtig und auch nötig findet, dass das untersucht wird.

Dann haben wir Berichte, die zumindest nahelegen, dass es nicht so sein muss, dass das Flüchtlingslager, das in Mitleidenschaft gezogen worden ist, gezielt angegriffen wurde, sondern dass ein in der Nähe befindliches ‑ ‑ ‑ Ich wollte nur sagen: Dadurch ergibt sich vielleicht der Begriff des Tragischen einmal mehr. ‑ Aber jetzt sollten wir doch die Untersuchung abwarten. Wichtig ist ja ‑ ich mache es hier immer wieder gern; ich bin ja auch irgendwie verpflichtet, uns alle weiterzubringen ‑: Da findet eine Untersuchung statt, und das wird kritisch geprüft. Israel ist eine Demokratie mit einer unabhängigen Justiz. Für all das, was die Hamas macht, für all das, was aus Gaza in Richtung Israels abgeschickt wird, gibt es keinerlei kritische Überprüfung. Das ist vielleicht auch der Unterschied in diesem Konflikt.

Zusatz

Ich habe Ihnen nichts verboten. Ich habe nur eine Bitte geäußert. Das ist etwas anderes. ‑ Die Definition ‑ ‑ ‑

Hebestreit (BReg)

Dann wollte ich Ihrer Bitte entsprechen. Entschuldigung, da habe ich mich unpräzise ausgedrückt.

Zusatz

Die Definition, der Sie sich nicht anschließen mögen, ist nicht von mir, sondern von Johann Wolfgang von Goethe. Aber egal, er ist auch schon lange tot. Dennoch ‑ ‑ ‑

Hebestreit (BReg)

Aber Herr Kollege, 250 Jahre ‑ ‑ ‑ Sprache ist doch sehr dynamisch, und in 250 Jahren, glaube ich, gibt es da mehr Deutungen. Aber das können wir gern nachher bilateral fortsetzen.

Vorsitzende Buschow

Ja, bitte!

Zusatzfrage

Ja, das klären wir gern bilateral. ‑ Aber noch einmal zu der Untersuchung: Ist es aus Sicht der Bundesregierung ausreichend, dass eine Nation, die einen Vorfall mit zahlreicher Todesfolge, für den sie verantwortlich ist, anschließend allein selbst untersucht, oder bräuchte es dazu nicht eine internationale Untersuchung?

Hebestreit (BReg)

Ich habe keinen Zweifel daran, dass Israel und die israelischen Streitkräfte diesen Vorfall sehr objektiv aufklären werden.

Frage

Herr Hebestreit, Sie haben gerade gesagt, dass die Israelis das Massaker, das in Rafah geschehen ist, untersuchen wollen. Benjamin Netanjahu hat vorgestern gesagt, es sei ein Fehler gewesen. Aber dieser Fehler ist gestern wiederholt worden, und 35 Menschen sind getötet worden. Die leise Kritik der Bundesregierung an Netanjahu und diesen Verbrechen ist immer leiser und leiser geworden. Warum? Haben Sie Angst des Antisemitismus beschuldigt zu werden oder was?

Hebestreit (BReg)

Ich teile weder die Prämisse, die Sie unterstellen, noch die Vermutungen, die Sie jetzt anstellen, sondern die Bundesregierung hat sehr klar ‑ das gilt auch weiterhin ‑ ihre Position, dass wir einerseits eng an der Seite Israels stehen ‑ Sie kennen das Thema mit der deutschen Staatsraison ‑ und dass wir andererseits dadurch, dass wir das tun, in Israel auch gehört werden und auch den Draht zum israelischen Premierminister haben. Auch im direkten Gespräch nehmen weder die Außenministerin noch der Bundeskanzler ein Blatt vor den Mund, sondern sie sagen ihre Position sehr deutlich. Genauso ist es unter Freunden, dass man da ein offenes Wort führt und die eigene Position klar macht.

Ich habe auch nicht den Eindruck, dass ich in den letzten Tagen und Wochen an dieser Stelle leiser geworden wäre. Auch für den Kollegen Wagner und all die anderen Sprecherinnen und Sprechern des Auswärtigen Amtes kann ich das ganz genauso bestätigen. Aber es bleibt dabei, dass wir darauf angewiesen sind, dass wir appellieren können. Das tun wir.

Frage

Zu dem Wunsch, dass die Israelis das selbst aufklären: Mein Stand war, dass der Internationale Strafgerichtshof und Chefankläger Khan unter anderem deshalb aktiv werden, auch gegen die israelische Seite, weil es dort keine Aufklärung und keine nachweisbare Bestrafung potenzieller Kriegsverbrechen gibt. Das ist ja das Einfallstor für den ICC. Letztens hatten Sie bei der Beantragung des Haftbefehls quasi anerkannt, dass er aktiv wird und dass das alles völkerrechtlich in Ordnung ist. Habe ich das falsch verstanden?

Hebestreit (BReg)

Nein. Ich wüsste aber auch keine Verbindung. Klar ist, dass Israel angekündigt hat, den konkreten Vorfall in Rafah zu untersuchen. Der Bundeskanzler hat gestern sehr deutlich gemacht, dass er diese Untersuchung für nötig und auch richtig hält. Jetzt müssen wir diese Untersuchung abwarten.

Das hat nichts mit dem Fall zu tun, den Sie jetzt zitieren, was eine Beantragung eines Haftbefehles gegen den israelischen Premier beim Internationalen Strafgerichtshof angeht. Auch das befindet sich im Augenblick erst einmal in Prüfung. Jetzt warten wir einmal ab, wie die Beweislage ist und ob sich die sehr schweren Anwürfe, die Herr Khan erhebt, belegen lassen.

Zusatzfrage

Es gibt ja jetzt auch Recherchen von internationalen Medien, die besagen, dass Israel seit Jahren den Internationalen Strafgerichtshof ausspioniert habe. Wie bewerten Sie diese Recherchen und diese Berichte? Halten Sie das für glaubwürdig?

Hebestreit (BReg)

Ich kenne die Berichte im Konkreten nicht. Insofern kann ich mich eines Urteils darüber nicht bemüßigen. Grundsätzlich ist es aber so, dass wir den Internationalen Strafgerichtshof schätzen und in seiner Arbeit unterstützen. Er muss aber natürlich gleichzeitig immer auch der kritischen Überprüfung standhalten. Das hat aber nichts mit dem konkreten Fall zu tun, den Sie jetzt gerade zitiert haben.

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