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Rede von Außenministerin Annalena Baerbock anlässlich des Neubaus für das Goethe Institut Dakar

16.07.2024 - Rede

Der senegalesische Philosoph und Wissenschaftler Felwine Sarr hat einmal gesagt, dass eine Gesellschaft sich die Zeit nehmen müsse, zu überlegen, „welche Art von Gesellschaft und des Zusammenlebens erstrebenswert“ ist.

Er spricht dabei über das Verhältnis zwischen Afrika und Europa, über die Wahrnehmung, die unsere beiden Kontinente voneinander haben.

Und er sagt mit Blick auf uns Europäerinnen und Europäer: „Es ist nicht an ihnen zu entscheiden, wohin unsere Träume gehen sollen und wie wir die Welt sehen und deuten.“

Selbst entscheiden, wohin unsere Träume gehen.

Auch wenn es zwischen diesen Sandbergen, Betonmischern und Mauersteinen nur mit viel Fantasie zu erahnen ist: Um diesen jahrzehntealten Baobab-Baum herum soll ein Ort wachsen, der genau das ermöglicht: Gemeinsam darüber nachzudenken, welche Art des Zusammenlebens, der Partnerschaft wir wollen und wie wir sie ausbauen können.

Welche Stadt könnte dafür besser geeignet sein als Dakar, diese dynamische Metropole, die nicht nur nachts nach Afrobeats und Mbalax klingt; in der die größte Kunstbiennale Afrikas zu Hause ist, Fashionweeks, Filmemacherinnen und Hip-Hop-Musiker.

Universitäten, Labore und eine Start-up-Kultur , um die viele sie beneiden, die auch Firmen wie Afyasense hervorgebracht hat.

Ein Unternehmen, das mit künstlicher Intelligenz Malariaerreger in Blutproben aufspürt.

Die Hauptstadt eines Landes, in dem der Durchschnitt der Bevölkerung 19 Jahre alt ist, in dem die Kraft der Jugend an jeder Ecke spürbar ist.

Menschen, die sich Ausbildung wünschen und Teilhabe. Menschen, die wir für unsere gemeinsame Zukunft brauchen, von der wir träumen.

Deswegen ist es gut, dass wir gerade hier das Goethe Institut ausbauen. Wir haben letztes Jahr gemeinsam beschlossen, unser weltweites Netzwerk dieser Institute neu auszurichten.

Denn unsere Welt hat sich in den letzten Jahren rasant verändert. Nicht nur, dass Autokraten auf der ganzen Welt immer brutaler nach Macht und Einfluss greifen. Sie verschieben Grenzen, sie drangsalieren ihre eigenen Bürgerinnen und Bürger.

Sie versuchen, den Regelbruch zur neuen Normalität zu machen.

Gleichzeitig sehen wir, dass sich geopolitische Gewichte verschieben. Schon heute ist dieser Kontinent, der afrikanische Kontinent, ein Ort von Wachstum und Innovation.

Jeden Monat streben hier 1,7 Millionen Menschen auf den Arbeitsmarkt. Im Jahr 2050 wird jeder vierte Mensch auf diesem Planeten aus Afrika kommen.

Das ist für uns alle eine riesige Chance. Wir wollen daher viel stärker und bewusster als bisher - auf der Höhe der Zeit - in unsere Partnerschaften investieren, hier in Senegal, aber auch in der Region in Westafrika, auf diesem dynamischen Kontinent.

Deshalb ist dieses Goethe Institut in Dakar kein Ort, an dem wir einfach nur deutsche Kultur ins Schaufenster stellen und sagen: Schaut euch an, was wir in Deutschland Tolles gemacht haben.

Im Gegenteil. Dies soll ein Ort des gegenseitigen Austausches sein, wo aus der Bereitschaft, einander zuzuhören, voneinander zu lernen neue Formen der Zusammenarbeit entstehen.

Das ist der Ansatz, den wir als deutsche Bundesregierung mit diesem Institut und mit unserer Reform verfolgen.

Und das ist auch der Ansatz, den wir mit unserer Außenpolitik in diesen Zeiten verfolgen.

Echte Partnerschaften zu schaffen, solche, in denen jeder selbst entscheidet - um es mit Felwine Sarr zu sagen, wohin seine oder ihre Träume gehen, in denen jeder sich seiner eigenen Interessen bewusst ist.

In denen aber auch Partnerschaft bedeutet, ein Interesse an den Interessen des oder der anderen zu haben.

Die Voraussetzung dafür ist, dass man zuhört. Dass man versucht, die Position des anderen zu verstehen, gerade, wenn man sie nicht teilt. Sie mitzudenken.

Und das ist leider in einer Zeit der Polarisierung, des zunehmenden Schwarz-Weiß-Denkens nicht selbstverständlich.

Denn jahrzehntelang haben gerade Länder aus meinem Kontinent gedacht, man wisse schon, „was gut für unseren Nachbarkontinent“ sei.

Das hinterlässt natürlich Spuren.

Vor zwei Jahren, bei der Weltklimakonferenz in Sharm el Sheikh, haben wir an einer Idee gearbeitet, einen Fonds für Schäden und Verluste einzurichten, die die Klimakrise in besonders vulnerablen Staaten abfedert.

Eine Idee, die lange von gerade vulnerablen Staaten diskutiert wurde. Die wir auch aus Deutschland gepusht haben und als Industriestaaten einen Vorschlag auf den Tisch gelegt haben.

Und ich dachte, „eigentlich ein sehr guter Vorschlag“ und war dann etwas verwundert, als es plötzlich Vorbehalte gab, gerade auch bei denjenigen Ländern mit niedrigem Bruttoinlandsprodukt und mit denen wir eigentlich seit Jahren in der Entwicklungszusammenarbeit und in der Klimapolitik diskutiert hatten.

Und dann hat mir eine meiner Kollegen aus einem westafrikanischen Land gesagt: Ich vertraue dir ja. Aber weißt du, wie oft wir von euch Industriestaaten etwas versprochen bekommen haben, was ihr dann nicht gehalten habt?

Das sind genau die Momente, wo man - vielleicht auch als jüngere Generation - denkt: Wir können die Vergangenheit nicht ändern, aber wir müssen es doch schaffen, aus den Wunden der Vergangenheit neues Vertrauen gemeinsam für die Zukunft zu schaffen. Daher sind für mich nicht nur auf großen internationalen Konferenzen diese vertrauensvollen Gespräche wichtig, sondern auch solche Institute, solche Orte, wo man gemeinsam über Träume nachdenken kann.

Denn wir wissen, dass insbesondere die Vorbehalte gerade auch gegenüber Europäern, den sogenannten westlichen Staaten, dass die nicht einfach so weggehen und in diesen Zeiten der Polarisierung erst recht missbraucht werden.

Und plötzlich werden gemeinsame Ideen wie ein Klimafonds für die Schäden für die ärmsten Länder dann doch zu einer Debatte „Nord gegen Süd“ oder „West gegen den Rest“.

Obwohl wir eigentlich gerade als europäische Staaten in diesem Themenfeld ein absolut gemeinsames Interesse haben, nämlich alles dafür zu tun, die Klimakrise einzudämmen und zugleich alles dafür zu tun, dass diejenigen, die am meisten darunter leiden, die meiste Unterstützung bekommen.

Und deswegen ist es aus meiner Sicht in diesen Zeiten so wichtig, neue Allianzen zu bauen. Allianzen, die natürlich das eigene Interesse berücksichtigen, aber auch das Interesse des anderen sehen und dabei dann festzustellen, dass man eigentlich die gleichen Werte teilt, egal auf welchem Kontinent man lebt.

Und dafür bedeutet es immer, gerade auch von Ländern wie meinem, in Vorleistung zu gehen. Deswegen haben wir zum Beispiel bei der Klimakonferenz in Dubai, also ein Jahr später, direkt zu Beginn der Verhandlungen gesagt: Wir warten jetzt nicht, was andere machen, sondern wir werden den Fonds mit 100 Millionen Dollar direkt ausstatten.

Und genau deswegen arbeiten wir an bilateralen Abkommen wie dem JETP, was wir hier auch im Senegal gemeinsam umsetzen.

Und zwar nicht aus Wohltätigkeit, sondern weil es auch in unserem Interesse ist, dass sich Länder gegen Klimaschäden besser schützen können.

Weil wir die Klimakrise nur gemeinsam in den Griff bekommen und weil wir damit in etwas Entscheidendes investieren: in Vertrauen.

Vertrauen, mit dem wir die Verhandlungen auch in anderen Bereichen zu einem Erfolg machen wollen. Darum geht es. Auch als kleiner Baustein mit unserer Arbeit hier vor Ort.

Wenn wir anerkennen, dass Länder mit unterschiedlichen Perspektiven auf die Welt blicken, dann schaffen wir es auch, über das zu sprechen, was uns verbindet.

Und mit Blick auf die Krisen, die uns umgeben, steht dabei aus meiner Sicht eines im Vordergrund: Unser gemeinsames Interesse an einer Welt, in der nicht das Recht des Stärkeren gilt, sondern Regeln, die das Leben aller Bürgerinnen und Bürger sicherer machen. Weil genau das eigentlich alle Menschen wollen, egal wo sie leben: Ein sicheres Leben für sich und ihre Familien.

Das ist das, was die Charta der Vereinten Nationen jedem Staat auf der Welt garantiert.

Die Autokraten, die in dieser Zeit verstärkt nach Macht und Einfluss greifen, sie versuchen ganz bewusst, dieses Recht zu brechen, mit militärischer Gewalt oder mit wirtschaftlichem Druck.

Dabei versuchen sie auch, die Wunden zu instrumentalisieren, die Europa in der Welt hinterlassen hat, gerade auch hier in Afrika.

Indem sie immer wieder Bezug nehmen auf die europäische Kolonialgeschichte und sich als vermeintliche antikoloniale Vorkämpfer präsentieren.

Natürlich ist es grotesk, wenn gerade ein Land wie Russland das tut, dass zur selben Zeit einen imperialen Krieg führt.

Aber wir müssen in Deutschland als sogenannter Westen doch auch fragen: Warum verfängt diese Kommunikation?

Sie verfängt unter anderem auch deshalb, weil sie auf einer tatsächlich vorhandenen Wahrnehmung in vielen Ländern beruht, die lautet: „Die Europäer haben ihre Rolle als Kolonisatoren nie aufgearbeitet.“ Und dann heißt es auch: „Bis heute geht es Europa doch nur darum, Abhängigkeiten zu schaffen statt Mitsprache.“

Auch das kann man gerade als jüngere Generation ungerecht finden. Aber mit dieser Wahrnehmung müssen wir uns auseinandersetzen, damit sie eben nicht so verfängt.

Auseinandersetzen in unserem Denken, aber vor allen Dingen in unserem Handeln.

Deswegen haben wir als Bundesrepublik Deutschland damit begonnen, Kulturgüter aus der Kolonialzeit zurückzugeben, die durch Unrecht zu uns gelangt sind - wie die Benin-Bronzen nach Nigeria, Artefakte nach Namibia oder Speere an die Kaurna People in Australien.

Man mag denken, dass sei klein, aber bei all diesen Übergaben hat man immer wieder gespürt: Dass es gerade nicht nur um „kulturelle Objekte“ geht, sondern um ein Stück Identität eines Landes, einer Bevölkerungsgruppe.

Sich ehrlich unserer Geschichte zu stellen und aus den Fehlern der Vergangenheit gemeinsam die richtigen Schlüsse zu ziehen.

Das ist es, worauf es ankommt in diesen Zeiten. Und eigentlich ist es ganz einfach.

Deswegen setzen wir uns politisch auch dafür ein, dass afrikanische Stimmen mehr Mitsprache bekommen, wenn es darum geht, globale Probleme gemeinsam zu lösen.

Denn natürlich ist es ungerecht, dass die internationale Ordnung geschaffen wurde, als viele Staaten noch gar nicht existierten.

Das führt in der heutigen Zeit dazu, dass die meisten Staaten, obwohl sie mittlerweile unabhängige Staaten sind, eben nicht ausreichend dabei sind.

Zu Recht fordern afrikanische Staaten in diesem Sinne eine größere Rolle in internationalen Foren ein. Bei den G20 ist die Afrikanische Union jetzt endlich, wie die EU, mit am Tisch - insbesondere auf Initiative Senegals, die wir von der deutschen Bundesregierung von Anfang an unterstützt haben.

Ähnlich überfällig sind aber auch ein ständiger afrikanischer Sitz im UN-Sicherheitsrat, mehr Mitsprache Afrikas beim Internationalen Währungsfonds und eine stärkere Repräsentanz bei der Weltbank.

Dafür setzen wir uns als Bundesrepublik Deutschland ein.

Auch weil wir wissen, dass Mitsprache natürlich auch andere Verhandlungen mit sich zieht.

Auch da reflektieren wir gerade intensiv in Europa, auch in Deutschland. Unsere Handels- und Agrarabkommen waren im letzten Jahrhundert stark geprägt von den eigenen Wirtschaftsinteressen und nicht von der Mitsprache beider Seiten.

In diesem Sinne überprüfen wir momentan unsere Abkommen als Europäische Union, zum Beispiel mit Blick auf den Amazonas in Lateinamerika oder auch bei Rohstoffpartnerschaften und der Wertschöpfung vor Ort.

Da passt es gut, dass auch hier im Senegal die neue Regierung gerade verkündet hat, dass die Inhalte von Fischereiabkommen veröffentlicht werden, weil natürlich auch das unsere gemeinsamen Abkommen betrifft.

Weil wir wissen, sowohl in Europa als auch hier, wenn keine Wertschöpfung vor Ort geschaffen wird, dann schadet das nicht nur den Menschen in der Region, sondern es steigert auch den Migrationsdruck.

Deshalb ist eine transparente Diskussion darüber so wichtig. Und ich möchte betonen: Das ist keine Charity-Aktion.

Das ist in unserem harten Sicherheitsinteresse, weil wir nur so unsere gemeinsamen Regeln stärken, weil sonst keine Lösungen für das 21. Jahrhundert geschaffen werden und ein stabiler Frieden weder für Afrika noch Europa irgendwo auf der Welt dauerhaft möglich ist.

Deshalb sagen wir auch sehr klar: Wir haben ein starkes Interesse an Frieden, Sicherheit und Wohlstand in Westafrika.

Weil die Sicherheit der Menschen uns wichtig ist. Ja. Aber auch, weil wir einen stabilen Nachbarkontinent wollen.

Weil wir einander brauchen.

Wir alle haben noch die Bilder aus den letzten Monaten hier im Senegal im Kopf.

Auch bei uns haben viele, viele junge Menschen gesehen, was auf den Straßen von Dakar, von Touba und Pikine los war. Da waren viele junge Menschen und auch andere Generationen auf der Straße. Mit T-Shirts: Aar Sunu Election - schützt unsere Wahlen.

Die Schilder, auf denen stand: „Freies Senegal“.

Protestsongs bei You Tube und Tiktok.

Das, was Felwine Sarr gesagt hat: Menschen, die selbst entscheiden wollen, wohin ihre Träume gehen.

Unsere Demokratien sind weltweit herausgefordert. Deswegen war es nicht zufällig, dass auch bei uns diese Videos geteilt und gesehen worden sind, sondern weil sie gerade auch bei uns in Europa herausgeforderten Demokratien Hoffnung gegeben haben.

Denn die Demokratie in Senegal hat gezeigt, wie stark sie ist, hat gezeigt, dass der Übergang zu einer neuen Regierung möglich war und dass die Menschen dafür auf die Straße gehen.

Und das ist wichtig in diesen Zeiten, in denen in vielen Ländern und Regionen die Demokratien nicht so widerstandsfähig sind, wie wir es alle erhofft hatten.

Sie und ihr habt das hier vor allen Dingen auch in der Nachbarregion gesehen, mit Militärputschen in Mali, in Burkina Faso und im Niger.

Und wir sehen, was passiert, wenn in so instabilen Zeiten andere Akteure die Demokratien von außen herausfordern, wenn russische Söldner in Mali furchtbare Verbrechen begehen, wenn Menschen in die Arme von Terroristen getrieben werden und ausgenutzt wird, dass ihnen die wirtschaftliche Perspektive fehlt.

Deswegen handeln wir auch im Sicherheitsbereich.

Deswegen verstärken wir unsere Zusammenarbeit mit der Afrikanischen Union und besonders ECOWAS, um gemeinsam hinzuhören, hinzuschauen und auszuloten, wie es in diesen Ländern weitergehen kann.

Es war eine positive Nachricht für uns, dass gerade Senegal als Vermittler eine Schlüsselrolle einnehmen soll, damit die Menschen im Sahel die Hoffnung auf ein Leben in Sicherheit behalten. Und ich habe heute mit Außenministerin Fall und dem Präsidenten darüber gesprochen, dass Deutschland diese Bemühungen unterstützt, weil es in unserem gemeinsamen Interesse ist, dass unsere Regeln halten, die uns alle sicherer machen.

Und genauso offen habe ich angesprochen, was uns herausfordert in diesen turbulenten Zeiten auf dem europäischen Kontinent, wo wir sehen, dass Demokratie kein Automatismus ist und dass es plötzlich wieder einen Angriffskrieg auf unserem Kontinent gibt.

Wo wir erleben, dass Menschen in diesen Zeiten in Deutschland und in Europa so verunsichert sind, dass sie sich davon ebenso treiben lassen - von Fake News, von Hass und Hetze, dass sie sich von Politik abwenden, wenn Sie das Gefühl haben, die einfachere Antwort könnte die bessere sein - oder der Staat oder die Regierung macht in ihrem Leben keinen Unterschied.

Das, was das Wichtigste nicht nur international ist, sondern auch in unseren Gesellschaften, das ist Vertrauen.

dieses Vertrauen in Politik, Politikerinnen und Politiker in unsere Demokratie, auch das müssen wir gemeinsam stärken, weil ansonsten Extremisten von innen und von außen daraus Kapital schlagen.

Deswegen ist die Zusammenarbeit für uns als Demokratinnen und Demokraten auch so wichtig.

Um gegenseitig zu zeigen, dass es einen Mehrwert hat, wenn Demokratien zusammenarbeiten, weil sie Antworten geben können, in Afrika und in Europa.

Weil sie Menschen mitnehmen und gemeinsam Ergebnisse bringen. Dieses gemeinsame von- und miteinander lernen.

Das haben wir in der Pandemie gesehen, wo es am Anfang nicht gut lief und wir jetzt Impfstoffproduktion endlich auch auf dem afrikanischen Kontinent haben.

Aber auch bei vielen vermeintlich kleineren Dingen, die am Ende ganz groß sind.

Letztes Jahr war zum Beispiel der Rechtsausschuss des Deutschen Bundestages hierbei Ihnen im Senegal, um sich unter anderem über das Parité-Gesetz zu informieren.

Ein Paritätsgesetz, was auch in Deutschland hochkontrovers diskutiert wird, was aber hier Realität ist.

Hier ist es vorgegeben, dass für Parlamentswahlen mindestens die Hälfte der Kandidatinnen weiblich sind. Bei uns in Deutschland sind dagegen nur ein Drittel Frauen im Deutschen Bundestag.

Deswegen ist das gegenseitige Zuhören, das voneinander Lernen gerade auch für uns so wichtig.

Denn egal ob Ärztinnen in Deutschland, Wirtschaftswissenschaftlerinnen hier im Senegal, Ingenieurinnen in Chile.

Wenn Frauen nicht die gleichen Rechte und die gleiche Teilhabe haben, dann sind Gesellschaften nicht nur weniger stabil, sondern es kostet auch ganz konkret Wirtschaftskraft.

Das zeigt: Werte und Interessen sind keine Gegensätze. Sie sind zwei Seiten derselben Medaille.

Präsident Faye hat in seiner Antrittsrede gesagt: „Die Menschen in Senegal haben sich dazu bekannt, ein souveränes, gerechtes und wohlhabendes Senegal aufzubauen. In einem fortschreitenden Afrika“.

Diesen Weg wollen wir unterstützen.

Das machen wir am besten, indem wir Angebote zur Zusammenarbeit machen, von denen beide Seiten profitieren.

Ich habe heute das Prinzip kennengelernt: Gagnant-gagnant.

Was im Französischen auch viel eleganter klingt als im Deutschen.

Also Angebote, die das Leben der Menschen in unseren Ländern verbessern. So wie es zum Beispiel das Bus Rapid Transitsystem macht, mit dem ich und viele aus meiner Delegation heute gefahren sind.

Das erste elektrische Schnellbussystem Afrikas.

Das haben wir als Europäische Union im Rahmen der Global Gateway Initiative mit unterstützt. Wir haben gesehen, wie damit die Menschen in Dakar nicht nur schneller zur Arbeit kommen und wie die Busse helfen, CO2 einzusparen und damit die Klimakrise einzudämmen, sondern wir haben auch gesehen, was für eine Win-Win-Situation es ist, wenn europäische und senegalesische Unternehmen zusammenarbeiten.

Ich bin überzeugt, nicht nur hier, an diesem Neubau, nicht nur bei dem Bussystem.

Es gibt so viele andere Wirtschaftsbereiche, wo wir noch mehr rausholen können. Deswegen begleitet mich auf dieser Reise eine Wirtschaftsdelegation aus Deutschland.

Unter ihnen ist auch Ndiarka Mbodji.

Eine senegalesische Unternehmerin, die mit ihrem Start-up aus Berlin internationale Investoren dabei berät, in grüne Energie im Senegal, aber auch darüber hinaus zu investieren.

Weil wir gesehen haben, dass all die guten politischen Ideen eben nicht einfach zum Fliegen kommen, wenn wir zum einen ein Finanzsystem haben, das darauf nicht wirklich vorbereitet ist.

Und auch, weil man spürt, wie schwer es ist, und zwar nicht nur hier auf dem afrikanischen Kontinent, dass für lokale Projekte Gelder für Solarpanels oder Windkraftanlagen aufgebracht werden.

Aber hier kommt dann hinzu, dass die Schuldenlast gerade von Ländern auf dem afrikanischen Kontinent deutlich heftiger zuschlägt.

Es gibt oft vier Mal höhere Zinsen auf Kredite als bei uns in Europa.

Und in einer Situation, in der auch in Senegal 30 Prozent aller Haushalte noch keinen Zugang zu Elektrizität haben, kann ich nachvollziehen, dass gesagt wird: Was helfen uns all diese Projekte, wenn wir an der Finanzierung nichts ändern?

Genau deswegen müssen wir das zusammenbringen. Die Klimafrage, die Finanzierungsfrage und die Übergangsfrage, auch das haben wir bei uns in Deutschland gesehen. Ein Kohleausstieg, das sagt man so schnell. Aber was das für die Arbeitsplätze bedeutet, was das für die Regionen bedeutet in der Umsetzung, das ist gerade in Demokratien, wo wir Mehrheiten brauchen, wo wir alle paar Jahre wählen, eine große Herausforderung. Deswegen kann ich auch verstehen, wenn wir über die Frage von Transformation und Transition sprechen, dass es hier in Senegal eine Debatte darüber gibt, was mit den Gasvorkommen vor ihrer Küste in Zukunft passieren soll.

Mir ist bewusst, dass das eine schwierige Abwägung ist, weil auf der einen Seite andere Staaten jahrzehntelang aus der fossilen Energie Profit gemacht haben und an fossilen Kraftwerken auch immer Jobs hängen.

Und auf der anderen Seite sehen wir, wenn wir die Transition nicht gemeinsam schnell voranbringen, dass das uns allen schadet. Das heißt, unser gemeinsames Interesse an einer Energieversorgung, die hilft, die Klimakrise einzudämmen, weil sie ansonsten auch die Küstengebiete Senegals verschlingt ist in unser aller Interesse. Und zugleich werden wir daran arbeiten, wie wir den Übergang dafür gerecht gestalten können.

Für uns bedeutet das über die Just Energy Transition Partnership, so wie wir es in Südafrika getan haben, nicht nur den Ausbau von erneuerbaren Energien zu fördern, sondern auch gemeinsam dazu beizutragen, dass Arbeiter, die jahrzehntelang auf einer Offshore Bohrinsel gearbeitet haben, eine Weiterbildung bekommen und ab jetzt im Solarbereich tätig werden können.

Dass wir die große Frage der Finanzierung gemeinsam angehen, damit Weltbank und regionale Entwicklungsbanken mehr grüne Projekte in Ländern ermöglichen, die hart von der Klimakrise betroffen sind und vielleicht nicht, wie wir ein Triple A Rating haben.

Weil es unser gemeinsames Interesse ist. Weil es uns alle sicherer macht.

Wenn wir zuhören, statt zu belehren.

Wenn wir nach gemeinsamen Interessen suchen, statt Bekenntnisse einzufordern.

Dafür steht dieser Neubau des Goethe Instituts Dakar.

Damit wir nicht nur entscheiden, wohin unsere Träume gehen, sondern damit wir gemeinsam unsere Zukunft gestalten.

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