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„Waffenstillstand im Libanon – Perspektiven für die Zukunft“- Rede von Außenministerin Baerbock in der Landesvertretung NRW
Als Sie, als wir alle letzte Woche die Einladung zu dieser Veranstaltung in den Händen hielten – ich glaube die wenigsten von uns hätten da erwartet, dass sich die Lage im Nahen Osten, in Syrien, innerhalb weniger Tage so dramatisch entwickeln würde.
Ich möchte daher – obwohl es heute Abend vor allem um den Libanon gehen sollte – unseren Blick auf Syrien richten.
Auch weil wir alle wissen, wie eng die Dynamiken in den Ländern des Nahen Ostens miteinander verbunden sind. Das haben wir nicht erst in den letzten Tagen gespürt, sondern das wissen wir seit Monaten, um nicht zu sagen Jahren und Jahrzehnten.
Und ich weiß, liebe Suzan Mouzi Yassine, wie sehr die Lage in Syrien auch die Menschen in Ihrem Land, im Libanon umtreibt. Mehr als 1 Million Syrerinnen und Syrer haben in den letzten 14 Jahren in ihrem Land Schutz gefunden vor den Gräueln des Assad-Regimes und der Brutalität des Bürgerkrieges. Warum sie fliehen mussten, das wird uns in diesen Tagen noch einmal auf ganz bestürzende Weise klar. Angesichts der schrecklichen Bilder etwa aus dem Saidnaya -Gefängnis. Menschen, die im Dunkeln alleine eingesperrt wurden, zum Sterben zurückgelassen, unzählige ermordete Angehörige, die teilweise über Jahrzehnte nicht wussten, ob ihre Kinder, Eltern, Freunde noch leben und darunter auch Menschen aus dem Libanon.
Wir sehen so viele Menschen in Syrien, die aufatmen, die endlich wieder das Licht der Freiheit spüren. Die Hoffnung haben auf eine bessere Zukunft in Freiheit und in Frieden. Aber, und das ist mir wichtig zu betonen, auf eine Zukunft, die eben bisher noch nicht geschrieben ist. Die Menschen in Syrien, aber auch im Libanon, in den Nachbarländern haben viel zu oft erleben müssen, wie Träume dann wieder zerplatzen. Ich glaube daher, dass nicht nur dieser Abend wichtig ist, sondern dass es wichtig ist, dass der Blick, der sich jetzt auf diese Hoffnung der Menschen richtet, dass uns dieser Blick erhalten bleibt, dass er uns aber immer wieder auch deutlich macht, dass wir gerade in den Momenten, wo es keine Hoffnung gibt, nicht aufgeben dürfen. Auch das hat mich sehr stark das letzte Jahr geprägt.
Immer wieder wurde ich gefragt: „Warum fahren Sie denn da schon wieder hin? Sie konnten doch kaum etwas erreichen.“ Aber genau das ist doch das Ziel derjenigen, die Hoffnung immer wieder platzen lassen wollen: dass man resigniert, dass man den Kopf in den Sand steckt und dann selbst das Kleinste, was man tun könnte, in den aussichtslosen Situationen nicht tut, nicht ein einzelnes Menschenleben rettet, wenn man nicht Hunderttausende retten kann. Und zugleich - und das haben wir auch in Syrien erlebt - diesen Platz dann andere nutzen, und zwar diejenigen, die Hass und Gewalt sehen wollen. Daher ist es mir eine besondere Freude und Ehre, heute, an diesem Abend hier nicht nur zum Libanon sprechen zu können, sondern auch insbesondere die humanitären Hilfsorganisationen zu würdigen, die sich mit Herzblut im Nahen Osten engagieren. Und zwar nicht nur in den Momenten, wo es Hoffnung gibt, sondern gerade in den Momenten, wo es für viele keine Hoffnung gibt und sich unser Blick hier in Europa nicht dorthin wendet - von den Maltesern, der Caritas, Help, der Diakonie und die vielen anderen Organisationen. Sie alle haben mit ermöglicht, dass selbst in den schwersten Stunden die Hoffnung nicht aufgegeben wird. Was Ihre Arbeit ausmacht, das ist, dass sie den Blick auf die Menschen richten, auf ihre dringendsten Bedürfnisse, und zwar unparteiisch, gerade dann, wenn die politischen Verhältnisse schwierig sind. Gerade dann, wenn das Leid am größten ist. Wenn es darum geht, dass Frauen, Männer und Kinder mit dem Notwendigsten versorgt werden, mit Medikamenten, Essen und Zelten. Weil für sie alle die Menschlichkeit zählt.
Und ja, außenpolitisches Handeln ist primär Sache der Bundesregierung. Aber was unser Land, die Bundesrepublik Deutschland, ausmacht, ist, dass das nicht alles ist. Sie, lieber Herr Minister Liminski, machen mit dieser Veranstaltung auch deutlich, dass unser Land ausmacht, dass sich Menschen auf allen Ebenen engagieren. In Bundesländern wie in Nordrhein-Westfalen, in unzähligen Städten und Gemeinden - indem sie Spenden für Hilfsorganisationen sammeln oder selber Projekte unterstützen. Und auch das ist, leider, muss man sagen, keine Selbstverständlichkeit. Niels Annen und ich wissen das: dass im letzten Jahr immer mal wieder so beiläufig gerade auf Bundesebene gesagt wurde: „humanitäre Hilfe, Entwicklungshilfe, das ist doch alles Gedöns.“ Aber ohne diese Hilfe wäre vielleicht die Hoffnung in den letzten Jahren nicht da gewesen, dass sich eines Tages doch noch was verändern kann. Deswegen wollte ich heute die Chance nutzen, ihnen vor allen Dingen für Ihre Arbeit von Herzen zu danken.
Diese Arbeit unterstützt nicht nur die Menschen vor Ort, sondern auch das, was wir als Bundesregierung dann in politischen Prozessen weiter fortführen können. Ob die akute Nothilfe in Syrien, im Libanon, oder die Entsendung schneller Hilfe an Erdbebenopfer in der Türkei oder die Unterstützung von Kleinstunternehmern im Libanon nach der Explosion im Beiruter Hafen, es sind so viele Initiativen auf deren Arbeit wir heute aufbauen. Auch wenn wir jetzt politisch den Blick auf die Menschlichkeit in Syrien richten. Denn genau darum geht es heute. Aus einer Hoffnung, Zukunft werden zu lassen. Aus der Hoffnung, dass Frieden auch für Syrien möglich ist. Klar ist: Dort wird jetzt ein neues Kapitel geschrieben, und zwar von den Syrerinnen und Syrern selbst. Aber - das habe ich in den letzten Tagen deutlich gemacht - wie dieses neue Kapitel aussehen wird, das ist vollkommen offen. Die Situation ist derzeit alles andere als stabil. Weiter kommt es zu Kämpfen und Gewalt. Der sogenannte IS ist noch nicht vollständig besiegt. In anderen Landesteilen sind zehntausende Menschen, vor allem Kurden und Aleviten, Jesiden auf der Flucht. Noch haben die Menschen den Übergang in ein freies Syrien nicht gewonnen. Als internationale Gemeinschaft müssen wir jetzt alle Kraft daransetzen, dass Syrien den Weg in eine friedliche Zukunft findet, in der alle Menschen sicher zusammenleben, egal welcher religiöser oder ethnischen Herkunft sie sind. Was es für einen friedlichen Machtübergang braucht, ist ein syrisch-geführter Dialogprozess. Eine zivile, von allen Seiten akzeptierte Regierung wird dabei aber nur gelingen, wenn alle Minderheiten und politischen Gruppen mit am Tisch sitzen und ihre Anliegen einbringen können. Und – das möchte ich sehr deutlich machen: vor allen Dingen auch Frauen. Wir wissen das aus anderen Friedensprozessen auf dieser Welt: wenn Frauen nicht mit am Tisch sitzen, dann ist die Gefahr, dass ein Friedensprozess nicht hält, dramatisch höher.
Und gleichzeitig dürfen wir nicht zulassen, dass dieser Prozess von außen torpediert wird. Auch das möchte ich in aller Deutlichkeit sagen. Wenn wir ein friedliches Syrien wollen, darf die territoriale Integrität des Landes nicht in Frage gestellt werden. Die UN muss diesen Prozess unterstützen und den bisherigen Friedensprozess an die neuen Gegebenheiten anpassen. Und wir als deutsche Bundesrepublik sollten, können und werden diesen Prozess aktiv mit unterstützen. Gerade weil wir uns über Jahrzehnte an die Seite der Menschen in Syrien gestellt haben und intensive Kontakte hinter den Kulissen mit syrischen Akteuren aus allen gesellschaftlichen Bereichen, ethnischen und religiösen Prozessen geschlossen haben. Und, ja, auch das ist mir wichtig, weil wir nicht jenen Stimmen gefolgt sind, die noch vor ein paar Wochen gesagt haben, es bräuchte doch jetzt eine Normalisierung mit Assad, dem Massenmörder Assad. Starke Diplomatie, starke Außenpolitik bedeutet auch, dass wir im Zweifel über Jahre Situationen aushalten, in denen wir wenig oder kaum etwas tun können – und dann nicht umfallen. Denn das hätte bedeutet, dass wir die Millionen Syrerinnen und Syrer, die zum Teil in diesen Folterknästen saßen, aufgegeben hätten.
Und ich danke deshalb denjenigen Stimmen hier in unserem Land, und zwar auf den unterschiedlichsten Ebenen, dafür dass wir gemeinsam diese Kraft immer wieder gefunden haben und wir stattdessen an der Seite der Menschen gestanden haben. Und dass wir Wege gefunden haben, dennoch etwas tun zu können, weil eben dieses „wir können nicht auf die Seite des Diktators gehen“ nicht bedeutet, dass es dazu keine Möglichkeiten gab. Sondern wir haben uns entschieden, unsere Hilfe maximal hochzufahren.
Und genau daran gilt es jetzt anzuknüpfen. Auch mit Ihrer Arbeit. Vorher schon war die Situation in Teilen dramatisch. Nicht überall im Land, das muss man auch deutlich sagen. Aber jetzt ist sie für manche kaum noch möglich zu handlen: die Lebensmittelpreise sind hochgeschnellt - allein für Brot über das Wochenende um 900 %. Daher haben wir jetzt akut zusätzliche 8 Millionen € an humanitärer Hilfe zur Verfügung gestellt. Denn wir wissen, dass wenn die Not so groß ist, politische Prozesse kaum möglich sind. Humanitäre Hilfe und Entwicklungszusammenarbeit sind deshalb auch die Voraussetzung dafür, dass wir nicht nur irgendwann mit dem Wiederaufbau beginnen können, sondern dass wir jetzt den politischen Prozess angehen können, der mehr als schwierig werden wird. Dabei gibt es viele Bereiche, in denen Deutschland neben den politischen Bereichen aktiv sein kann, zum Beispiel im Umgang mit den syrischen Chemiewaffen, oder bei der Aufarbeitung der von Assad und seinem Regime begangenen Gräueltaten. Indem wir Gerechtigkeit voranbringen. Denn auch das ist eine der Grundlagen für Frieden: ohne Gerechtigkeit keine Aussöhnung, ohne Aussöhnung kein dauerhafter Frieden.
Und das wird nur gemeinsam mit unseren wichtigsten europäischen Partnern gelingen. Ich habe bis kurz bevor ich hierher kam mit ihnen zusammengesessen, um über den Frieden in der Ukraine zu sprechen, auch der ukrainische Außenminister war dabei. Aber natürlich war auch dort Syrien, der Libanon, der Nahe Osten ein Hauptthema, weil die Krisen dieser Welt so eng miteinander vernetzt sind. Wir können nicht sagen: der Frieden im Nahen Osten hat mit unserem Frieden nichts zu tun. Die Rolle Russlands gerade in Syrien war eine entscheidende dafür, dass das Assad-Regime sich so lange an der Macht halten konnte. Und daher ist die internationale Abstimmung, die sie als Hilfsorganisationen im internationalen Kontext genauso leben wie wir im Bereich der Diplomatie, so essenziell. Und daher ist es auch so essenziell, dass wir jetzt in dieser Situation keinem blinden Aktionismus folgen, sondern uns eng mit unseren internationalen Partnern abstimmen. In dem Sinne möchte ich auch deutlich sagen, dass ich es etwas befremdlich finde, dass zum Teil die gleichen Leute, die noch vor einigen Wochen eine Normalisierung mit dem Massenmörder Assad gefordert haben, jetzt wenige Tage, um nicht zu sagen 48 Stunden nach dem Fall des Regimes, bereits genau wissen, wie die Zukunft Syriens aussehen wird und dass sofort alle Menschen natürlich dorthin zurückkehren könnten.
Genau dieser Aktionismus, der das eigene nationale Anliegen im Zweifel in den Vordergrund stellt und nicht das, was für das Land wichtig ist, ist eine Gefahr für einen syrisch-geführten Prozess, mit dem wir jetzt vorankommen können. Deswegen brauchen wir ein koordiniertes Vorgehen mit Sachkenntnis, mit Realitätssinn und mit großer Verantwortung in den unterschiedlichsten Bereichen. Ich habe das gestern deutlich gemacht mit den acht Punkten, die alle miteinander zusammenhängen. Etwa die Koordinierung bei der Flüchtlingszusammenarbeit, die auch die Rückkehr aus anderen Ländern betrifft, zum Beispiel im Libanon, wo rund 1 Million Menschen aus Syrien leben. 3 Millionen Syrerinnen und Syrer sind in der Türkei. Das können wir nicht entkoppelt von der Diskussion hier bei uns in Europa betrachten, genauso wie die internationale Zusammenarbeit und der Wiederaufbau nicht entkoppelt geführt werden kann. Und genau deswegen werde ich nächste Woche wieder in die Region reisen, um das mit unseren engsten Partnern gemeinsam zu besprechen.
Das, wonach sich die Menschen in Syrien sehnen, ist dasselbe, worauf wir auch im Libanon hoffen. Und das ist der Titel der heutigen Veranstaltung, dass aus Hoffnung nicht ein Traum wird, der zerplatzt, sondern ein neues Kapitel in der eigenen Geschichte aufgeschlagen werden kann. Wir haben erlebt, was es bedeutet hat, dass wir im Libanon jetzt einen Waffenstillstand haben, dass die Menschen nicht nur 72 Stunden, sondern bereits ein paar Tage wieder aufatmen konnten. Nach Wochen und Monaten der Angst und Gewalt, nachdem die Hisbollah die Menschen im Libanon in ihren Krieg gegen Israel hineingezogen hatte – und das nur einen Tag nach dem grausamen Überfall der Hamas auf Israel am 7. Oktober vergangenen Jahres.
Mehr als 4000 Menschen sind laut libanesischen Behörden in den letzten Monaten im Libanon getötet worden. Mehr als 1,4 Millionen Frauen, Männer und Kinder haben ihre Häuser im Süden des Landes verlassen müssen. Auch aus dem Norden Israels wurden rund 65.000 Menschen vertrieben. Und ich habe einige wenige von ihnen auf beiden Seiten getroffen: Vertriebene aus dem Südlibanon, Vertriebene aus dem Norden Israels. Und überall war das Gleiche zu spüren: Es geht um Menschen, es geht um Mütter, es geht um Väter. Es geht um Kinder. Die Sorgen waren genau die gleichen. Man fragt sich: Wie geht es weiter mit der Schule meiner Kinder? Im Norden Israels, wenn das eigene Kind seit einem Jahr nicht mehr in seine Schule gehen kann, weil man nicht mehr in seinem eigenen Haus leben kann? Und die gleiche Frage auf den Straßen Beiruts, als ich dort gewesen bin. Unsere eigenen lokal Beschäftigten bei uns in der Botschaft vor Ort. Menschen, die gesagt haben: wir sind jetzt schon dreimal umgezogen. Die gesagt haben: jedes Mal, wenn ich hier in die Botschaft gehe, weiß ich nicht, ob ich mein Kind am Abend wiedersehen kann. Wir müssen uns das immer wieder vergegenwärtigen und uns da auch nicht verunsichern lassen: Es gibt keinen Wettbewerb im Leid zwischen Menschen, sondern die allermeisten Menschen haben das gleiche Ziel – einfach in Frieden und Sicherheit zu leben.
Und genau das habe ich gespürt. Sei es in Israel, sei es im Libanon: wie groß die Solidarität miteinander ist. Gerade im Libanon, zwischen den unterschiedlichen, auch ethnischen und religiösen Gruppen. Als ich mit Paul Ziemiak vor einigen Wochen dort war, waren wir beim Roten Kreuz und haben dort Freiwillige getroffen. Junge Frauen, 18, 19 Jahre alt. Ich fragte dann: „Und woher kommen Sie?“ Und der Großteil von denen hat gesagt: „Ich bin aus dem Süden Libanons gekommen. Ich bin jetzt hier in Beirut und kann nicht mehr meinem normalen Leben nachgehen. Deswegen habe ich mich freiwillig beim Roten Kreuz hier gemeldet, um jetzt mitzuhelfen.“ Ganz unterschiedliche ethnische Gruppen, die alle nur das eine wollten, gemeinsam helfen. Und diese Stärke, wenn ich das an dieser Stelle einmal so deutlich machen kann, ist das, was dieses Land aus meiner Sicht so kostbar macht: dass in der größten Notsituation immer wieder deutlich gemacht wird, wie stark eigentlich diese gemeinsame Zukunft sein könnte. Das Rote Kreuz hat deutlich gemacht, dass das möglich ist. Und es hat auch deutlich gemacht, welche Kraft die Bevölkerung des Libanons hat, wo staatliche Strukturen teilweise vollkommen ausfallen und das Internationale Rote Kreuz gemeinsam mit dem libanesischen Roten Kreuz vor Ort die Notwasserversorgung komplett alleine gestemmt hat, weil es seit Jahren von staatlicher Seite nicht mehr geleistet werden kann.
Deswegen ist mit Blick auf den Waffenstillstand für mich dieser Moment so stark, weil er zeigt, was möglich ist, wenn wir nicht wieder erlauben, dass Kräfte von außen all das kaputt machen können. Daher ist der Waffenstillstand nicht nur ein Erfolg der Diplomatie, den wir den unermüdlichen Vermittlungen gerade auch unserer amerikanischen und französischen Freunde zu verdanken haben, ein Kraftakt unserer gemeinsamen Pendeldiplomatie, sondern er ist auch ein Erfolg der Menschen vor Ort. Es zeigt, was mit diplomatischen Mitteln möglich ist. Und diese diplomatischen Mittel brauchen wir jetzt genauso für den Waffenstillstand in Gaza, damit dort die deutschen und anderen Geiseln endlich freikommen. Und das Leid und der Hunger von hunderttausenden Frauen, Kindern und Männer in Gaza endlich aufhören können. Weil dieser Waffenstillstand auch relevant ist für den Waffenstillstand im Libanon und auch in Gaza die Menschen ein Leben in Würde verdient haben. Genauso wie die Familien, die ich bei all meinen Besuchen getroffen habe in Israel, die nach über einem Jahr immer noch nicht wissen, wo ihre Töchter, ihre Söhne, ihre Mütter in den Händen der Hamas sind. All diese Menschen haben ein Recht darauf, wieder in eine bessere Zukunft zu blicken.
Aber zur Ehrlichkeit gehört auch, dass wir trotz all der Bemühungen dort noch nicht sind. Dass wir jetzt alles dafür tun müssen, dass aus diesen Hoffnungen Realität wird. Daher ist es für uns hier, wieder als deutsche Außenministerin gesprochen, so wichtig, dass wir nicht nur die Kraft der Bevölkerung wertschätzen, das Humanitäre, sondern dass wir unseren politischen Beitrag leisten, auch mit unseren Soldatinnen und Soldaten in der UNIFIL-Mission. Der neue Überwachungsmechanismus für den Waffenstillstand unter US-Vorsitz wird von UNIFIL begleitet, wie auch von der libanesischen Armee. Jetzt ist es ihr Auftrag, die volle Kontrolle im Gebiet südlich des Litani-Flusses zu übernehmen und für Stabilisierung an der Grenze zu sorgen. Und das unterstützen wir als Bundesregierung und haben deshalb unsere Unterstützung für die libanesische Armee noch einmal aufgestockt, auf voraussichtlich 43 Millionen Euro seit Beginn dieses Jahres. Und wir unterstützen auch mit der Aufstockung unserer humanitären Hilfe vor Ort und der Entwicklungszusammenarbeit, damit Sie all das, was Sie bereits im Libanon leisten, weiter leisten können: mobile Kliniken durch die Malteser, dringend benötigte Hilfsgüter durch Help, und auch durch Unterstützung der Bildung. Auch das möchte ich an dieser Stelle deutlich sagen. Ich glaube, wir alle, die Kinder haben, wissen noch genau, was es bedeutet, wenn Schulen ein paar Tage mal zu haben. Da kam man schon in einem Land, in dem alles funktioniert, indem Frieden herrscht und man alles hat, bei der Pandemie, an den Rand eines Nervenzusammenbruchs, wenn man über Wochen, über Monate die Kinder nicht in Kitas, in Schulen schicken kann. Und dass im Libanon immer wieder in Notsituationen genau diese Situation eintritt, das nehmen wir so selbstverständlich hin, dass Schulen im Libanon bis zum Ende des Jahres geschlossen worden sind. Und deswegen ist auch hier unsere Entwicklungsunterstützung, das, was das BMZ leistet an unterschiedlichen Orten der Region, auch über UNRWA, das möchte ich hier sehr deutlich sagen, im Schulbereich, so absolut notwendig und wichtig.
Gemeinsam können wir dabei helfen, dass die Zukunft siegen kann. Das heißt auch, dass wir die destruktive Rolle von anderen Akteurinnen immer wieder ansprechen. Der Iran hat nicht nur in Syrien dazu beigetragen, dass Assad sich lange halten kann. Genauso hat der Iran im Irak, im Jemen und natürlich auch im Libanon Milizen unterstützt, die nicht an dem interessiert sind, was wir hier heute thematisieren, nämlich am Schutz der Menschlichkeit. Und daher ist, und damit möchte ich zum Ende schließen, für uns, neben all dem, was wir hier heute in den Fokus rücken, neben der Entwicklungszusammenarbeit und der humanitären Hilfe der Aufbau eines stabilen libanesischen Staates eine so wichtige Aufgabe. Damit im Libanon endlich ein Angebot gemacht werden kann, von staatlicher Seite, und nicht eine Terrororganisation dafür einsteigt. Bessere Angebote zu machen für all das, was man zum Leben braucht, und zwar für alle Libanesinnen und Libanesen.
Und daher ist es so wichtig, dass die Wahl des neuen Präsidenten am 9. Januar im Libanon stattfinden kann. Dass wieder eine legitime Regierung eingesetzt werden kann, die dann endlich auch die nötigen wirtschaftlichen Reformen umsetzt, damit der Libanon wieder auf eigenen Beinen steht. Wir wissen, wie wichtig der Prozess ist. Das zusammenzudenken mit unseren arabischen Partnern in der Region, mit den regionalen Akteuren, mit internationalen Partnern des Libanons. Genau darauf können Sie weiter setzen. Darauf, dass die Hilfsorganisationen weiter da sind, solange sie gebraucht werden. Darauf, dass wir als Bundesregierung weiter da sind, auch wenn bei uns in einigen Wochen gewählt wird. Weil wir hier deutlich gemacht haben, dass die demokratischen Parteien in diesem Land, egal ob im Bund oder auf der Landesebene, genau dieser Linie folgen, für andere da zu sein, wenn sie in Not sind. Und vor allen Dingen beim Aufbau einen langen Atem zu haben, und es nicht an Wahlperioden zu bemessen.
Denn wir wissen aus unserer eigenen Geschichte: es geht um die Menschen, um ihre Würde. Es geht es um die Menschen der gesamten Region des Nahen Ostens, die endlich wieder aufatmen wollen. Und zwar nicht nur kurz und nicht nur heute, sondern auf Dauer, um ohne Angst und in Sorge zu leben. Genau wie wir – in Frieden und in Sicherheit.