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Erklärung zum Umgang mit den in deutschen Museen und Einrichtungen befindlichen Benin-Bronzen
Auf Einladung von Kulturstaatsministerin Monika Grütters fand am Donnerstag, 29. April 2021 eine digitale Gesprächsrunde zum weiteren Umgang mit den in deutschen Museen und Einrichtungen befindlichen Benin-Bronzen statt. Ziel ist es, eine abgestimmte Haltung in Deutschland zu entwickeln und zu einer gemeinsamen Verständigung mit der nigerianischen Seite zu gelangen. Am Gespräch nahmen die Leitungen der deutschen Mitgliedsmuseen der Benin Dialogue Group, die die in Deutschland umfangreichsten Sammlungen aus dem historischen Königreich Benin (Nigeria) verwahren, die zuständigen Kulturministerinnen und Kulturminister der Länder, die Stadt Köln als Trägerin des Rautenstrauch-Joest-Museums sowie das Auswärtige Amt (AA) teil.
Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer stimmen darin überein, dass die Aufarbeitung der deutschen Kolonialvergangenheit eine wichtige gesamtgesellschaftliche Aufgabe und ein zentrales kulturpolitisches Handlungsfeld ist. In den vergangenen Jahren wurden in Deutschland bereits grundlegende politische Verabredungen getroffen und wichtige Schritte umgesetzt. Auch haben deutsche Museen und Einrichtungen zahlreiche Maßnahmen zur Aufarbeitung der Herkunftsgeschichte ihrer Bestände ergriffen. Hierzu zählen auch Rückführungen menschlicher Überreste und Kulturgüter aus kolonialen Kontexten an die betreffenden Herkunftsstaaten und -gesellschaften.
Die am Gespräch beteiligten Museen sind seit 2010 mit weiteren europäischen Museen und nigerianischen Vertretern in der Benin Dialogue Group zusammengeschlossen. Hier konnten bereits wichtige Ergebnisse erzielt werden. Insbesondere hat der Benin-Dialog 2019 beschlossen, sich für den Aufbau des geplanten „Edo Museum of West African Art“ (EMOWAA) in Nigeria einzusetzen.
Konkrete Schritte
Die Beteiligten sind sich einig, dass der Umgang mit den Benin-Bronzen ein entscheidender Baustein für den Umgang Deutschlands mit Sammlungsgut aus kolonialen Kontexten ist, der auch international Beachtung findet.
Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer bekräftigen ihre grundsätzliche Bereitschaft zu substantiellen Rückgaben von Benin-Bronzen.
Darüber hinaus verständigen sich die Beteiligten darauf,
- umfassende Transparenz über die in ihren Sammlungen und Ausstellungen befindlichen Benin-Bronzen herzustellen;
- zeitnah und koordiniert weitere Gespräche mit der nigerianischen Seite über Rückführungen und künftige Kooperationen zu führen; dabei wird auch eine Verständigung mit den nigerianischen Partnern darüber angestrebt, wie Benin-Bronzen auch weiterhin in Deutschland gezeigt werden können;
- konkrete Handlungsschritte und einen Fahrplan für die anstehenden Gespräche zu entwickeln.
Neben den Museen der Benin Dialogue Group gibt es zahlreiche weitere deutsche Museen und Einrichtungen, die Benin-Bronzen bzw. Benin-Objekte in ihren Beständen haben. Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer laden diese Museen und Einrichtungen ein, sich an dem skizzierten Prozess zu beteiligen.
I. Transparenz
Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer sind sich einig, beim Umgang mit den Benin-Bronzen für größtmögliche Transparenz zu sorgen. Die von Bund und Ländern gemeinsam finanzierte „Kontaktstelle für Sammlungsgut aus kolonialen Kontexten in Deutschland“ (Kontaktstelle) wird daher bis zum 15. Juni 2021 kurzfristig – zusätzlich zu Informationen auf museumseigenen Webseiten – eine Aufstellung aller im Besitz der Museen befindlichen Benin-Bronzen auf ihrer Webseite (www.cp3c.de) veröffentlichen. Auch werden die Museen bis Ende 2021 die Provenienzen zu diesen Objekten umfassend dokumentieren und auf der Webseite der Kontaktstelle öffentlich zugänglich machen. Soweit Benin-Bronzen in Ausstellungen gezeigt werden, wird der Erwerbungskontext umfassend dargestellt.
Mittelfristig ist vorgesehen, im Zuge der von Bund, Ländern und kommunalen Spitzenverbänden beschlossenen „3-Wege-Strategie“ innerhalb der Deutschen Digitalen Bibliothek ein eigenständiges Portal für Sammlungsgut aus kolonialen Kontexten zu schaffen, über das sämtliche in deutschen Einrichtungen befindliche Benin-Bronzen sowie künftig auch andere Sammlungen aus kolonialen Kontexten online zugänglich sein sollen.
Zudem werden im Rahmen des beim Museum am Rothenbaum. Kulturen und Künste der Welt (MARKK) Hamburg angesiedelten und von der Ernst von Siemens Kunststiftung finanzierten Projekts „Digital Benin“ langfristig die weltweit verstreuten Benin-Sammlungen ab 2022 in einer zentralen Online-Plattform zusammengeführt, die gleichzeitig die Basis für die Ausstellungskonzeption des EMOWAA für die Kolleginnen und Kollegen in Nigeria sein wird.
II. Gespräche zu Rückgaben und künftigen Kooperationen
Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer sind sich einig, dass Gespräche über Rückführungsprozesse und künftige Museumskooperationen mit der nigerianischen Seite intensiviert werden sollen. In Nigeria wurde vor kurzem hierfür der Legacy Restoration Trust (LRT), eine zivilgesellschaftliche Initiative zum Aufbau des EMOWAA in Benin-City gegründet, die von der nigerianischen Regierung, dem Gouverneur des Bundesstaates Edo sowie dem Königshaus von Benin unterstützt wird. In Abstimmung mit der Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien (BKM) und den Beteiligten der Benin Dialogue Group hat das AA das Gespräch mit diesen aufgenommen, um die Möglichkeit eines einheitlichen Vorgehens betreffend Aufbau des EMOWAA sowie Verhandlungen, Lagerung und Ausstellung von Benin-Bronzen in Nigeria auszuloten. Jüngste Rückmeldungen der nigerianischen Seite darauf zeigen, dass der in Deutschland von der Bundesregierung, den Museen und ihren Trägern begonnene Prozess begrüßt und unterstützt wird.
Die weiteren Gespräche mit der nigerianischen Seite sollen auf fachlicher Ebene und im gemeinsamen Dialog angemessene Lösungen herausarbeiten, die den historischen Umständen der Erwerbung und den gegenseitigen Belangen und Erwartungen in Bezug auf die einzelnen Objekte gerecht werden. Dabei ist jeweils auch ein stufenweises Vorgehen möglich. Neben Rückgaben an und Kooperationsprojekten in Nigeria soll mit den nigerianischen Partnern auch erörtert werden, ob und wie Benin-Bronzen als Teil des kulturellen Erbes der Menschheit künftig ebenfalls in Deutschland gezeigt werden können.
Die Beteiligten stimmen darin überein, dass neben Gesprächen zum Aufbau des EMOWAA sowie Rückführungen zudem die in der Benin Dialogue Group begonnene museumsfachliche Zusammenarbeit zwischen deutschen und nigerianischen Museen und Einrichtungen weiter vorangebracht werden soll. Hierzu zählen unter anderem die Ausbildung zukünftiger Kuratorinnen und Kuratoren, Museumsmanagerinnen und Museumsmanager sowie der Aufbau kultureller Infrastrukturen.
Die im Aufbau befindliche „Agentur für internationale Museumskooperationen“ des AA, die derzeit in Zusammenarbeit mit der BKM und dem Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung entsteht, soll diesen Prozess nachhaltig unterstützen.
III. Prozess / Verfahren
Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer verständigen sich darauf, bis zum Sommer dieses Jahres konkrete Handlungsschritte und einen Fahrplan für die Frage der Rückführung von Benin-Bronzen zu entwickeln. Zugleich wird das AA in Abstimmung mit den beteiligten Museen und Trägern weitere Gespräche mit dem LRT sowie den beteiligten nigerianischen Stellen führen. Die Beteiligten streben an, kurzfristig gemeinsam zu umsetzbaren Ergebnissen zu gelangen. Die jeweiligen Träger werden mit ihren Museen die rechtlichen und organisatorischen Voraussetzungen dafür schaffen.
Von deutscher Seite sollen die Gespräche der Bundesregierung auf der Seite der Museen und ihrer Träger durch die Direktorin des MARKK Hamburg, Prof. Barbara Plankensteiner, und den Präsidenten der Stiftung Preußischer Kulturbesitz (SPK) Prof. Hermann Parzinger, koordiniert werden. Es besteht Einvernehmen, dass diese in die anstehenden Gespräche des AA in Nigeria mit einbezogen werden und Gespräche zu möglichen Rückführungen in gegenseitiger enger Abstimmung zu erfolgen haben. Die Koordinierung in Deutschland wird begleitet durch die Kontaktstelle. Die Beteiligten streben erste Rückgaben im Verlauf des Jahres 2022 an. Dies korrespondiert mit Plänen der nigerianischen Seite zur Fertigstellung erster Gebäude für das EMOWAA.
Schlussbemerkungen
Die nächste Sitzung der Benin Dialogue Group findet am 27. Mai 2021 statt. Die am Gespräch beteiligten Museen werden dort über die aktuelle Entwicklung in Deutschland berichten. Für die kommenden Wochen sind weitere Gespräche des AA mit nigerianischen Partnern vor Ort geplant.
Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer bekräftigen, dass die anstehenden Gespräche bald zu konkreten Ergebnissen führen sollen. Die beteiligten Museen und ihre Träger werden die nächsten Schritte mit der erforderlichen Dringlichkeit, Sensibilität und Ergebnisorientierung unternehmen. Die BKM und das AA werden den weiteren Gesprächsprozess in Abstimmung mit den Ländern eng begleiten und unterstützen.
Teilnehmerinnen und Teilnehmer
Prof. Monika Grütters Staatsministerin für Kultur und Medien
Prof. Dr. Hermann Parzinger Präsident der Stiftung Preußischer Kulturbesitz, Berlin
Prof. Dr. Lars-Christian Koch Direktor des Ethnologischen Museums und des Museums für Asiatische Kunst, Berlin; Sammlungsleiter der Museen im Humboldt Forum
Theresia Bauer Ministerin für Wissenschaft, Forschung und Kunst Baden-Württemberg
Prof. Dr. Inés de Castro Direktorin Linden-Museum, Stuttgart
Dr. Carsten Brosda Senator für Kultur und Medien der Freien und Hansestadt Hamburg
Prof. Dr. Barbara Plankensteiner Direktorin Museum am Rothenbaum. Kulturen und Künste der Welt, Hamburg, und Sprecherin der „Benin Dialogue Group“
Isabel Pfeiffer-Poensgen Ministerin für Kultur und Wissenschaft des Landes Nordrhein-Westfalen
Susanne Laugwitz-Aulbach Kulturdezernentin der Stadt Köln
Nanette Snoep Direktorin Rautenstrauch-Joest-Museum, Köln
Barbara Klepsch Staatsministerin für den Geschäftsbereich Kultur und Tourismus beim Sächsischen Staatsministerium für Wissenschaft, Kultur und Tourismus
Léontine Meijer-van Mensch Direktorin der Völkerkundemuseen in Leipzig, Dresden, Herrnhut
Dr. Andreas Görgen Leiter der Abteilung Kultur und Kommunikation im Auswärtigen Amt in Vertretung der Staatsministerin Michelle Müntefering
Dr. Claudia Rose Vorsitzende der Bund-Länder-Arbeitsgruppe „Umgang mit Sammlungsgut aus kolonialen Kontexten“
Prof. Dr. Markus Hilgert Leiter der Kontaktstelle für Sammlungsgut aus kolonialen Kontexten in Deutschland