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Berliner Ministerkonferenz „Uniting for Global Food Security“ – Schlussfolgerungen des Vorsitzes
Im Vorfeld des anstehenden G7-Gipfels auf Schloss Elmau sind Regierungen, internationale und regionale Organisationen, multilaterale Entwicklungsbanken, nichtstaatliche Organisationen sowie Philanthropinnen und Philanthropen heute in Berlin zusammengekommen, um sich für weltweite Ernährungssicherheit zusammenzuschließen – um Bilanz zu ziehen im Hinblick auf die Fortschritte, die durch gemeinsame Anstrengungen bei der Überwindung der globalen Ernährungssicherheitskrise erzielt wurden, und Kräfte für das weitere Vorgehen im Rahmen dieser gemeinsamen Bemühung zu bündeln.
Die Berichte der Globalen Krisenreaktionsgruppe für Ernährung, Energie und Finanzen des Generalsekretärs der Vereinten Nationen zeichnen ein Bild des Schreckens: Von den 1,7 Milliarden Menschen in 107 Staaten, die von dieser Krise betroffen sind, werden 1,2 Milliarden einem regelrechten Sturm der drei Dimensionen dieser Krise ausgesetzt sein – knappe finanzielle Mittel, stark steigende Lebensmittelpreise und steigende Energiepreise. Hinzu kommen heftige Dürren wie am Horn von Afrika und die Tatsache, dass Hunger in mehreren Krisenregionen der Welt als Kriegswaffe eingesetzt wird.
Die Teilnehmenden haben mit großer Sorge zur Kenntnis genommen, dass die Invasion Russlands in der Ukraine die Ernährungssicherheit und Ernährung von Millionen Männern, Frauen und Kindern gefährdet und die heute schon bedrohliche Lage im Hinblick auf die weltweite Ernährungssicherheit weiter verschärft, die unter anderem bewaffneten Konflikten, dem Klimawandel und den Auswirkungen der COVID-19-Pandemie geschuldet ist.
Die Teilnehmenden waren übereinstimmend der Überzeugung, dass diese multidimensionale Krise eine gemeinsame und wirksame globale Reaktion erfordert, bei der Diplomatie, humanitäre Hilfe, Entwicklungszusammenarbeit sowie Landwirtschafts- und Ernährungspolitik zusammenwirken.
Die Debatte wurde von der Überzeugung geleitet, dass kurz- und mittelfristige Unterstützung so gestaltet werden muss, dass sie zu einer langfristigen und nachhaltigen Transformation der Landwirtschafts- und Ernährungssysteme führt. Widerstandsfähigkeit muss gestärkt und auf diese Weise der humanitäre Bedarf reduziert, die nachhaltige regionale Produktion stark ausgebaut und die Vielfalt an Nutzpflanzen erhöht und so die Abhängigkeit von Importen reduziert werden.
Die Teilnehmenden signalisierten ihre Bereitschaft, Verantwortung zu übernehmen und zur Erreichung eines gemeinsamen Ziels weiterhin eng zusammenzuarbeiten.
I. Bestandsaufnahme der erzielten Fortschritte
Die Teilnehmenden zogen Bilanz hinsichtlich der seit Februar 2022 erzielten Fortschritte bei den Bemühungen, die weltweite Ernährungssicherheitskrise abzumildern.
Sie begrüßten die Führungsrolle des Generalsekretärs der Vereinten Nationen bei der Abstimmung der Bemühungen zur Überwindung dieser Krise im Rahmen der Globalen Krisenreaktionsgruppe für Ernährung, Energie und Finanzen.
Sie begrüßten ferner die Reaktion der G7 auf die Krise, darunter am prominentesten die Schaffung des Bündnisses für globale Ernährungssicherheit und die intensiven Vorbereitungen des anstehenden G7-Gipfels. Das Bündnis für globale Ernährungssicherheit soll eine zentrale Plattform zur Förderung der Zusammenarbeit sein und beruht auf der gemeinsamen Überzeugung, dass Regierungen, internationale Organisationen, multilaterale Entwicklungsbanken, Zivilgesellschaft, Privatsektor, Wissenschaft und gemeinnützige Organisationen zusammenarbeiten müssen, um diesem Sturm zu trotzen.
Sie begrüßten die von der Afrikanischen Union unter senegalesischer Präsidentschaft ins Leben gerufenen Initiativen zur Ausmerzung von Hunger und Ernährungsunsicherheit in Afrika, wobei sie an das Motto der Afrikanischen Union für 2022 zur Stärkung der Widerstandsfähigkeit in den Bereichen Ernährung und Ernährungssicherheit auf dem afrikanischen Kontinent (Strengthening Resilience in Nutrition and Food Security on the African Continent) und an das Umfassende Programm zur Entwicklung der afrikanischen Landwirtschaft erinnerten.
Die Teilnehmenden bekräftigten ihr Bekenntnis zu dem Fahrplan, der im Rahmen des von den USA am 18. Mai 2022 in New York initiierten Handlungsaufrufs für globale Ernährungssicherheit (Global Food Security Call to Action) vereinbart wurde. Die Teilnehmenden riefen weitere Länder auf, den Fahrplan zu unterzeichnen und die in ihm enthaltenen Verpflichtungen weiter umzusetzen. Sie nahmen die Bedeutung der von Frankreich angekündigten Mission für Widerstandsfähigkeit in den Bereichen Ernährung und Landwirtschaft (Food and Agriculture Resilience Mission, FARM) zur Kenntnis und erinnerten an die Einbindung von Ländern des Mittelmeerraums durch den von Italien am 8. Juni 2022 organisierten Ministerdialog des Mittelmeerraums zur Nahrungsmittelkrise (Mediterranean Ministerial Dialogue on the Food Crisis).
Die Teilnehmenden sahen der Erörterung des Themas Ernährungssicherheit als zentralem Bestandteil der landwirtschaftlichen, gesellschaftlichen, wirtschaftlichen und ökologischen Entwicklung unter der G20-Präsidentschaft Indonesiens erwartungsvoll entgegen. Sie erinnerten an die unter der vorherigen G20-Präsidentschaft Italiens vorangebrachte G20-Erklärung von Matera zu Ernährungssicherheit, Ernährung und Ernährungssystemen (G20 Matera Declaration on Food Security, Nutrition and Food Systems).
Die Teilnehmenden begrüßten den Aktionsplan internationaler Finanzinstitutionen zur Bewältigung von Ernährungsunsicherheit (International Financial Institution Action Plan to Address Food Insecurity) und die Zusage der multilateralen Entwicklungsbanken, politische und finanzielle Unterstützung für durch die Ernährungssicherheitskrise gefährdeten Länder und Haushalte aufzustocken und prioritär zu leisten. Sie betonten die Notwendigkeit, die lokale landwirtschaftliche Produktion in den betroffenen Ländern langfristig zu erhöhen, und zwar einhergehend mit einem Umbau hin zu nachhaltigen Landwirtschafts- und Ernährungssystemen.
Unter Bezugnahme auf den Weltgipfel 2021 der Vereinten Nationen zu Ernährungssystemen hoben die Teilnehmenden die Notwendigkeit hervor, den Umbau der Landwirtschafts- und Ernährungssysteme mit einem verstärkten Schwerpunkt auf mehr Nachhaltigkeit fortzusetzen. Zentrales Ziel ist nach wie vor, bis 2030 die Ziele für nachhaltige Entwicklung zu erreichen.
II. Weiteres Vorgehen
Die Teilnehmenden verpflichteten sich, die Bemühungen des Generalsekretärs der Vereinten Nationen zur Abmilderung der globalen Ernährungssicherheitskrise durch die Globale Krisenreaktionsgruppe für Ernährung, Energie und Finanzen zu unterstützen.
Da eine globale Krise eine globale Reaktion erfordert, sagten sie zu, im Rahmen des Bündnisses für globale Ernährungssicherheit und darüber hinaus starke Partnerschaften einzugehen, um zu gewährleisten, dass niemand zurückgelassen wird. Das Bündnis für globale Ernährungssicherheit und seine Arbeitsgruppen werden dazu beitragen, eine geschlossene internationale Reaktion auf die Ernährungssicherheitskrise zu gewährleisten, und die von den Teilnehmenden des Bündnisses eingegangenen Verpflichtungen nachverfolgen.
Die Teilnehmenden forderten Russland auf, den Krieg in der Ukraine unverzüglich zu beenden, seine Drohungen und Blockaden im Hinblick auf ukrainische Häfen einzustellen und alle weiteren Handlungen zu unterlassen, die die ukrainische Produktion und Ausfuhr von Nahrungsmitteln behindern, womit das Leben von Millionen Menschen auf der ganzen Welt gefährdet wird.
Als kurzfristige Maßnahme verpflichteten sich die Teilnehmenden, das System der humanitären Hilfe wo immer möglich durch die Bereitstellung von dringend benötigter humanitärer Hilfe für Menschen zu unterstützen, die von Ernährungsunsicherheit bedroht sind, insbesondere indem sie Beiträge an das Welternährungsprogramm (WFP) und andere humanitäre Akteure aufstocken und bei allen Maßnahmen, die in Reaktion auf die russische Aggression gegenüber der Ukraine ergriffen werden, die Achtung humanitärer Grundsätze gewährleisten. Darüber hinaus waren sich die Teilnehmenden einig, dass es notwendig ist, je nach konkretem Kontext und Bedarf sowie im Einklang mit der Schnittstelle zwischen humanitärer Hilfe, Entwicklungshilfe und Frieden für ein angemessenes Gleichgewicht zwischen humanitären und entwicklungspolitischen Maßnahmen zu sorgen. Ferner bestand unter den Teilnehmenden Einigkeit hinsichtlich der zentralen Rolle, die alle in Rom ansässigen Organe der Vereinten Nationen – FAO, IFAD und WFP – dabei spielen, die Bemühungen der internationalen Gemeinschaft bei der Bewältigung von Ernährungsunsicherheit voranzutreiben.
Die Teilnehmenden betonten, wie wichtig es ist, keine unangemessenen handelsbeschränkenden Maßnahmen zu ergreifen und ungerechtfertigte Maßnahmen wie Ausfuhrverbote auf Nahrungs- oder Düngemittel, die die Märkte volatiler machen und Ernährungssicherheit und Ernährung weltweit bedrohen, zu vermeiden.
Sie kamen überein, die Ukraine weiterhin dabei zu unterstützen, Produktion, Lagerung, Transport und Verarbeitung ihrer landwirtschaftlichen Produkte aufrechtzuerhalten, und die Ukraine sowie deren Nachbarn bei der zügigen Erschließung zusätzlicher Exportrouten für Agrargüter zu unterstützen. Sie erkannten an, dass im Zuge dieser Bemühungen außerdem zusätzliche und neue Lösungen gefunden werden müssen, damit kein Getreide verdirbt.
Die Teilnehmenden verpflichteten sich zur Fortsetzung ihrer Arbeit an der notwendigen Transformation hin zu nachhaltigen Landwirtschafts-und Ernährungssystemen sowie zur Förderung einer verbesserten globalen Steuerung der Landwirtschafts- und Ernährungssysteme, wobei die Rolle des Ausschusses für Welternährungssicherung als inklusive und zwischenstaatliche globale Plattform zur Gewährleistung von Ernährungssicherheit und Ernährung für alle Menschen gestärkt werden soll. Das Globale Programm für Landwirtschaft und Ernährungssicherung (Global Agriculture and Food Security Program) ist ein bewährtes integratives, flexibles und nachfragegestütztes multilaterales Finanzierungsinstrument, mit dem Entwicklungsinitiativen auf Länderebene zur Unterstützung dieser Bemühungen koordiniert werden.
Sie unterstrichen, wie wichtig es ist, das Menschenrecht auf eine angemessene Ernährung sowie das zweite Ziel der nachhaltigen Entwicklung (Null Hunger bis 2030) schrittweise Wirklichkeit werden zu lassen. Allen Menschen muss die Möglichkeit gegeben werden, dieses Recht zu verwirklichen. Zivilgesellschaftliche Organisationen signalisierten ihre Bereitschaft, mit ihrer Erfahrung zur Ausarbeitung angemessener langfristiger Lösungen im Hinblick auf dieses Ziel beizutragen.
Die Teilnehmenden bekannten sich zur Förderung eines nachhaltigen Konsumverhaltens und einer Ausweitung der lokalen Produktion im Einklang mit der Agenda 2030 für nachhaltige Entwicklung, einschließlich einer Reduzierung von Nahrungsmittelverlust und -verschwendung.
Die Teilnehmenden vertraten übereinstimmend die Ansicht, dass sich Landwirtinnen und Landwirte an den Klimawandel anpassen müssen, um die Ernährungssicherheit zu gewährleisten. Darüber hinaus sollte eine nachhaltige landwirtschaftliche Produktion vielmehr einen Beitrag zum weltweiten Klimaschutz und zum Erhalt der Artenvielfalt leisten, negative Umweltauswirkungen vermeiden und die Umsetzung agrarökologischer und regenerativer Verfahren stärken. Sie betonten die Notwendigkeit von lokal angepasstem, hochwertigerem Saatgut und einer effizienteren Nutzung von Düngemitteln, auch solchen, die nicht aus fossilen Rohstoffen synthetisiert werden, sowie des Zugangs zu digitalen Möglichkeiten für Landwirtinnen und Landwirte.
Im Sinne einer besseren Vorbereitung sowie zur Abmilderung der Auswirkungen der nächsten Krise zeigten sich die Teilnehmenden bereit, Kapazitäten in den Bereichen Informationsaustausch und Frühwarnung auszubauen, auch durch die Bereitstellung zusätzlicher Mittel. Sie verpflichteten sich, das Ziel einer nachhaltigen Transformation der Landwirtschafts- und Ernährungssysteme in den Mittelpunkt ihrer Bemühungen zu stellen. Ein starkes und funktionstüchtiges multilaterales System wird von entscheidender Bedeutung sein, um unsere Ziele zu erreichen.