Willkommen auf den Seiten des Auswärtigen Amts

Rede von Außenministerin Baerbock zum Antrag der Bundesregierung zur Fortsetzung der Beteiligung bewaffneter deutscher Streitkräfte an der durch die Europäische Union geführten Operation EUNAVFOR MED IRINI

22.03.2024 - Rede

Krisen dominieren die Titelseiten unserer Zeitungen: das unsägliche Leid im Nahen Osten, worüber wir gestern intensiv gesprochen haben, Russlands Angriffskrieg gegen die Ukraine.

Angesichts dieser furchtbaren Gewalt drohen andere Krisen aus der öffentlichen Wahrnehmung zu verschwinden - ob in Myanmar, im Sudan oder in Libyen.

Ich weiß, dass auch hier - auch mit Blick auf die knappe Haushaltslage - immer mal wieder die Frage aufkommt: Und warum sollen wir uns jetzt auch noch um die Durchsetzung eines Waffenembargos für Libyen kümmern, wie es in dem vorliegenden Mandat zur EU-Operation Irini verankert ist?

Aber ich möchte deutlich sagen: Was in Libyen - im Übrigen nur 350 Kilometer vor der europäischen Küste - passiert, das kann uns nicht egal sein; denn Libyen ist bekanntermaßen ein Tor zum Sahel, wo in den letzten Jahren nicht-gewählte Militärregierungen den Kampf gegen Terrorismus mithilfe externer Kräfte besonders rücksichtslos geführt haben und noch führen. Wir sehen, wie Russland versucht, Libyen als Angelpunkt für seinen Einfluss in Afrika zu missbrauchen.

Wir sprechen hier über ein Land, das seit mehr als einem Jahrzehnt nicht zur Ruhe kommt, ein Land, das tief gespalten ist, in dem der Waffenstillstand, der vor vier Jahren vereinbart wurde, zwar hält, aber in dem die Menschen seit mehr als zehn Jahren darauf warten, in Wahlen über ihr eigenes Schicksal bestimmen zu können. Ein Land, in dem es weiterhin keine Institutionen gibt, die von allen Libyerinnen und Libyern anerkannt werden und wo der Status quo deswegen äußerst fragil ist.

Wir als Bundesrepublik Deutschland haben mit dem Berliner Prozess hart daran gearbeitet, eine langfristige Friedensperspektive für Libyen zu schaffen. Etwa, dass im Rahmen der Sicherheitsarbeitsgruppe die beiden Stabschefs aus West und Ost zusammentreffen können. Und dass durch die gemeinsame Ausbildung ihrer Einheiten ausreichend Vertrauen geschaffen wurde, damit an der Kontaktlinie der Waffenstillstand nicht außer Kontrolle gerät.

Aber wir wissen auch, dass all diese politischen Bemühungen wenig nutzen, wenn noch mehr Waffen nach Libyen gelangen. Aus diesem Grund - und nicht, weil man glaubt, mit dieser Mission könne man jedes Problem lösen -, wurde im Jahr 2020 die Operation IRINI vom Deutschen Bundestag unterstützt und dann in unserem europäischen Kontext eingerichtet.

Seit Beginn der Operation hat IRINI mehr als 13 500 Schiffe abgefragt. Basierend auf diesen Informationen wurden dann, und zwar anlass- und verdachtsbezogen - das gerät manchmal durcheinander -, mehr als 600 sogenannte „Friendly Approaches“ durchgeführt, also, Handelsschiffe auf Einladung des Kapitäns betreten. In besonders verdächtigen Fällen wurden 27 sogenannte Boardings getätigt, bei denen die Schiffe inspiziert wurden.

Das bedeutet nicht - das wurde in der gestrigen Debatte bereits angesprochen -, dass jedes Schiff kontrolliert wird. Es geht eben nicht nur darum, dass jede einzelne Inspektion den Transport illegaler Waffen aufdecken kann, sondern es geht vor allen Dingen darum, durch Präsenz andere Schmuggler und ihre staatlichen Auftraggeber abzuschrecken.

Ich möchte all diejenigen bitten, die meinen, das bringt nichts, immer wieder zu bedenken, was denn der Umkehrschluss wäre. Würden mehr Schiffe inspiziert, wenn wir es nicht machen würden? Nein, ganz im Gegenteil. Das Gleiche machen im Übrigen auch unsere Sicherheitsbehörden. Unsere Polizei und unser Zoll arbeiten mit Stichproben. Auch da sagen wir nicht: Wir lassen es komplett sein.

Zugleich ist IRINI die einzige multilaterale Akteurin, die das Waffenembargo der Vereinten Nationen gegen Libyen mit einem exekutiven Mandat durchsetzt. Das heißt, diese Präsenz im Namen der Vereinten Nationen schafft Sicherheit.

Ich war bei der gestrigen Debatte zu SEAGUARDIAN anwesend, deswegen möchte ich darauf eingehen. Es wurde von einigen Kolleginnen und Kollegen zu Recht angesprochen, dass wir die Mission im Rahmen der geopolitischen Lage sehen müssen; das möchte ich eindringlich unterstreichen. Wir können die heutige Mission nicht ohne SEAGUARDIAN oder auch andere Missionen wie EUNAVFOR ASPIDES sehen; denn wir sind in einer geopolitischen Situation, in der wir das Mittelmeer mit dem Roten Meer zusammendenken müssen. Vor diesem Hintergrund wird durch EUNAVFOR ASPIDES die Präsenz im Roten Meer gewährleistet. Mit IRINI erhöhen wir unsere europäische Präsenz an unserer Südflanke im Mittelmeer.

Gestern wurde zu Recht angesprochen, dass wir gerade in diesen geopolitischen Zeiten eine bessere Verzahnung zwischen IRINI und SEAGUARDIAN brauchen, damit wir ein besseres Lagebild erhalten können, welche Schiffe im Mittelmeer unterwegs sind, und welche Gefahren drohen. Denn nur wer sein Umfeld kennt, kann auch auf Gefahren reagieren. Hier gilt auch: Mehr Information bedeutet mehr Sicherheit.

Diese Gespräche führen wir intensiv. Ich höre hier ein paar Zwischenrufe: „Das haben wir schon seit langem gefordert.“ - Vielleicht wird die Union auch gleich darauf eingehen. Aber Sie wissen, dass es in der Politik nicht reicht, zu fordern, vielmehr muss man seine Partner auch überzeugen. Da es eine EU-Mission und eine NATO-Mission ist, zu der unterschiedliche Länder, die manchmal heftige Diskussionen über die Region führen, beitragen, brauchen wir die Zustimmung von allen. Und genau daran arbeiten wir intensiv. Wenn wir alle zusammenarbeiten würden, würde uns das freuen. In diesem Sinne werbe ich heute hier in der ersten Lesung und für die finale Abstimmung um die Zustimmung zu diesem Mandat.

Schlagworte

nach oben