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50 Jahre Deutschland in den Vereinten Nationen - Namensbeitrag von Außenministerin Annalena Baerbock

16.09.2023 - Namensbeitrag

Vor 50 Jahren, am 18. September 1973, traten am New Yorker East River zwei deutsche Staaten den Vereinten Nationen bei. Der Beitritt vollzog sich mit einer knappen Resolution der Generalversammlung – aber er war alles andere als diplomatische Routine.

Fast drei Jahrzehnte nach Ende des von Deutschland begonnenen Zweiten Weltkrieg und dem Völkermord an den europäischen Juden, die unsägliches Leid über Millionen Menschen gebracht hatten, beschrieb dieser Tag eine Rückkehr des „besiegten Feindstaats“ in die internationale Gemeinschaft. Wir sind für diese Rückkehr bis heute dankbar – und sie ist für uns eine Verpflichtung.

Deutschlands Beitritt geschah 28 Jahre nach der Gründung der Vereinten Nationen. Er steht für unser Bekenntnis zur deutschen Schuld, zu den Grundsätzen der VN-Charta, zu einer Welt, die auf die Stärke des Rechts setzt, nicht auf die Willkür der Starken. Und der 18. September 1973 steht für ein tief verwurzeltes Verständnis deutscher Diplomatie.

Deutsche Außenpolitik darf sich nie in der Wahrung eigener Interessen erschöpfen. Seit 75 Jahren gibt ihr unser Grundgesetz auf, „in einem vereinten Europa dem Frieden der Welt zu dienen“.

Dieser Auftrag und unsere 50-jährige Mitgliedschaft in den Vereinten Nationen sind heute wichtiger denn je – in einer Zeit, wo Grundprinzipien der Vereinten Nationen ausgehöhlt werden. Deshalb haben wir uns in der Generalversammlung mit über 140 Staaten für die Menschen in der Ukraine und die Prinzipien der Charta stark gemacht. Denn jeder Staat hat nach dieser Charta das Recht, in Frieden zu leben, ohne fürchten zu müssen, dass ein stärkerer Nachbar ihn angreift.

Klar ist, dass wir heute in einer anderen geopolitischen Realität leben als zur Zeit des Kalten Krieges. Die Blockkonfrontation zwischen Ost und West gehört glücklicherweise der Vergangenheit an. Stattdessen bildet sich eine neue, multipolare Realität, in der wir Zusammenarbeit organisieren müssen.

Immer mehr Staaten mit verschiedenen Sichtweisen beanspruchen, die internationale Ordnung mitzugestalten. Und das ist richtig so. Dass ihre Stimmen stärker gehört werden, ist überfällig.

Deswegen wollen wir unsere Partnerschaften mit allen Staaten weltweit stärken, die auf eine internationale Ordnung setzen, die auf Regeln und Recht basiert.

Diese Ordnung ist keine „westliche Ideologie“, wie es heute manche behaupten. Ganz im Gegenteil. Sie fußt auf der VN-Charta und damit auf der universellen Überzeugung, dass alle Staaten und alle Menschen gleiche Rechte haben, unabhängig davon, wie mächtig sie sind, und dass kein Staat jemals wieder einen Nachbarn überfallen darf. Für uns Deutsche sind diese Grundsätze auch eine Lehre aus dem 2. Weltkrieg und den Gräueltaten, die das nationalsozialistische Deutschland seinen Nachbarn angetan hat.

Deswegen haben wir Deutschen eine besondere Verantwortung, die VN-Charta zu stärken. Auch deshalb kandidieren wir als Mitglied des Sicherheitsrates für die Jahre 2027/28.

Diejenigen, die heute diese Ordnung in Frage stellen, bleiben die Antwort auf die Frage schuldig, auf welche Prinzipien denn eine bessere, gerechtere Ordnung bauen sollte.

Wir wollen auf dem aufbauen, was 1945 geschaffen und seitdem immer weiterentwickelt wurde. Wir wissen, dass diese Ordnung unvollkommen ist und dass wir sie an unsere neue Welt anpassen müssen.

Dazu gehört, dass wir unsere internationalen Finanzinstitutionen, Gesundheitsgremien, aber auch den VN-Sicherheitsrat endlich so aufstellen, dass unsere Partner in Afrika, Lateinamerika und Asien dort eine angemessene Stimme haben.

Dazu gehört, dass wir die nachhaltigen Entwicklungsziele ins Zentrum der Vereinten Nationen rücken.

Und dazu gehört mehr Ambition bei der Eindämmung der Klimakrise, der größten Bedrohung unserer Zeit. Mit einem klaren Fahrplan zum Ausstieg aus fossilen Energien. Und mit Solidarität für die verletzbarsten Staaten, die besonders unter den Folgen der Klimakrise leiden.

Zu ehrlichen Partnerschaften gehört aber auch, dass wir uns selbstkritisch mit unserem eigenen Handeln auseinandersetzen. Deshalb hat Deutschland auch die Rückgabe kolonialer Beutekunst angestoßen. Das wird nicht alle Wunden der Vergangenheit heilen. Aber es ist ein wichtiger Schritt in der Aufarbeitung unserer dunklen Kolonialgeschichte.

Mit unserem Beitritt vor 50 Jahren haben wir Deutsche das Versprechen abgegeben, Verantwortung für die Vereinten Nationen zu übernehmen. Heute stehen wir nicht nur zu diesem Versprechen. Mit unseren Partnern wollen wir es in einer veränderten Welt neu ausfüllen.

Mit Mut und Zuversicht.

Für starke Vereinte Nationen. Für eine bessere, gerechtere Zukunft für alle.

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