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Erklärungen des Auswärtigen Amts in der Regierungspressekonferenz vom 29.11.2019
Medienbericht über ein angeblich bevorstehendes Betätigungsverbot für die Hisbollah in Deutschland
FRAGE GATHMANN: Dann habe ich noch eine Frage an Frau Demmer. Ich wüsste gerne, was innerhalb der Bundesregierung eigentlich der Stand der Dinge in Sachen Hisbollah-Verbot ist.
DEMMER (BReg): Dazu haben wir uns hier ja schon einmal geäußert. Dafür würde ich an das BMI verweisen.
ALTER (BMI): Ich nehme an, Sie beziehen sich auf die Berichterstattung, die gestern bekannt wurde. Darin wurde ja im Kern berichtet, dass es einen Beschluss mehrerer Ressorts der Bundesregierung über ein bevorstehendes Betätigungsverbot der Hisbollah gebe. Wir haben schon gestern deutlich gemacht: Einen solchen Beschluss gibt es nicht. Es wäre ja im Übrigen auch völlig außerhalb des gängigen Verfahrens, wenn bei Verbotsüberlegungen, zu denen wir uns aus guten Gründen vorher nicht äußern, und zwar unabhängig von der Frage, ob dazu im Einzelfall Anlass besteht, plötzlich Gremien Beschlüsse fassten, die die zuständige Verbotsbehörde, das BMI, dann zu berücksichtigen hätte. Dieser Beschluss existiert also nicht. Darüber hinaus möchte ich mich zu etwaigen Verbotsüberlegungen nicht äußern.
ZUSATZ GATHMANN: Ich weiß ja nicht, auf welche Berichterstattung Sie sich beziehen. Die Berichterstattung, die ich kenne, weil die nämlich aus unserem Hause kam, beinhaltete keineswegs, dass es einen Beschluss gibt, sondern, dass es eine Einigung zwischen den beteiligten Häusern der Bundesregierung gibt, und zwar darauf, dass man möglicherweise plant, die Hisbollah zu verbieten. Vielleicht können Sie dazu einfach noch einmal etwas sagen. Sie haben ja gestern etwas dementiert, das es gar nicht gibt!
ALTER: Ja, also gut; das ist dann die Frage des Wordings.
ZUSATZ GATHMANN: Die Frage des Wordings ist ja nicht unwichtig.
ALTER: Ja, okay, das verstehe ich aus Ihrer Sicht.
ZURUF GATHMANN: Danke!
ALTER: Aber wenn sich Ressorts einigen, dann hat das einen Beschlusscharakter, auch wenn es nicht ein Beschluss im förmlichen Sinne ist. Es wurde der Eindruck erweckt, dass sich mehrere Ressorts der Bundesregierung auf einen bestimmten Sachverhalt geeinigt bzw. ihn beschlossen hätten, und das ist nicht der Fall. Auch eine Einigung darauf gibt es nicht.
BREUL (AA): Ich habe das, was Herr Alter in der Sache gesagt hat, nicht zu ergänzen. Ich will es nur gerne noch einmal in den außenpolitischen Kontext einbetten: Die Rolle der Hisbollah als bewaffnetem Akteur im Libanon, aber auch in der Region ‑ etwa als Erfüllungsgehilfe des Assad-Regimes und im Hinblick auf Israel ‑, ist etwas, das wir sehr kritisch sehen. Das haben wir immer wieder deutlich gemacht ‑ hier, aber auch in unseren internationalen Gesprächen.
Wir machen uns auch ‑ das haben wir hier vor ein paar Wochen auch schon einmal besprochen ‑ Gedanken darüber, was unsere Instrumente im Kampf gegen kriminelle und terroristische Aktivitäten der Hisbollah bei uns in Deutschland, in der EU und auch international sind. Das ist jetzt kein neuer Prozess. Das ist ein laufender Prozess, in dem wir uns laufend darüber Gedanken machen, was die richtigen Instrumente sind und was wir tun können.
Sie wissen ja: Eine nationale Listung der Hisbollah wie zum Beispiel in Großbritannien gibt es in Deutschland nicht. Aber es gibt eben andere nationale Instrumente, die auch in der Vergangenheit schon zur Anwendung gekommen sind. Seit Neuestem ‑ das ist ja auch Medien bekannt ‑ gibt es eine allgemeine Ermächtigung zur Verfolgung von Hisbollah-Straftaten; davon haben Sie gehört.
Ich möchte eine Sache auch noch einmal betonen, weil sie uns ganz wichtig ist: Es gibt hier keinen aktuellen Bezug zu den Protesten im Libanon. Deutschland ist der Ansicht, dass diese Proteste eine nationale Angelegenheit sind und die Libanesen miteinander Lösungen hierfür finden müssen.
FRAGE TOWFIGH NIA: Herr Breul, der „SPIEGEL“ hat gemeldet, dass Ihr Minister an der vordersten Front war, was so ein Verbot angeht. Ging diese Planung von Ihrem Minister aus?
Was bedeutet das jetzt? Hisbollah ist ja im Libanon auch eine politische Partei, auch ein Teil der libanesischen Regierung. Was bedeutet das jetzt für die deutsch-libanesischen Beziehungen? Gibt es jetzt einen diplomatischen Bruch? Wie wird man jetzt mit der Hisbollah umgehen, auch diplomatisch gesehen?
BREUL: Diese innerhalb der Bundesregierung laufenden Beratungen, die ich vorhin erwähnte ‑ diese laufenden Gespräche, diese ständige Überprüfung dessen, wie wir mit der Hisbollah auf den unterschiedlichsten Ebenen umgehen ‑, sind Dinge, die wir untereinander besprechen. Darüber kann ich Ihnen keine Auskunft geben.
Grundsätzlich ist es so, dass der Außenminister es befürwortet, dass wir alle geeigneten und wirksamen Maßnahmen ergreifen, die unserem Rechtsstaat zur Verfügung stehen, um entschieden gegen kriminelle und terroristische Machenschaften ‑ auch solche der Hisbollah ‑ vorzugehen. Das ist die grundsätzliche Position.
Was die Lage der Hisbollah oder die innenpolitische Lage im Libanon angeht, beobachten wir das sehr genau. Sie wissen: Die Hisbollah ist Teil der Regierung und Teil eines sehr komplexen gesellschaftlichen Gesamtgefüges. Das gilt es natürlich zu berücksichtigen, insbesondere auch vor dem Hintergrund der aktuellen Proteste. Hinzu kommt die Rolle der Hisbollah in der Region ‑ ich erwähnte es bereits vorhin ‑, die wir besonders kritisch sehen und die uns sehr beunruhigt. Das ist eine komplexe Gemengelage. Sie wissen: Es gibt darüber auch eine Diskussion innerhalb der Europäischen Union, und diese Diskussion ist nicht vorbei. Diese Debatten sind wichtig. Selbstverständlich gilt auch für uns als Bundesregierung, da genau zu gewichten und genau zu schauen, welche Maßnahmen wir ergreifen möchten.
ZUSATZFRAGE TOWFIGH NIA: Noch einmal die Frage: Wie wird man mit der libanesischen Regierung jetzt umgehen? Wie wird das diplomatisch gesehen, wenn Sie die Hisbollah jetzt auf die Terrorliste setzen und sie gewissermaßen mit dem IS gleichstellen? Wie werden sie mit der libanesischen Regierung umgehen? Da sind ja Hisbollah-Minister in der Regierung.
BREUL: Na ja, das, was im Raum steht, ist, glaube ich, nicht das, was Sie gerade in den Mund genommen haben. Da gilt es zwischen unterschiedlichen Maßnahmen zu differenzieren, die ergriffen werden können. Das, worüber gestern an möglichen Maßnahmen berichtet wurde, wäre ja etwas, das, wenn es so käme, die Aktivitäten der Hisbollah in Deutschland beträfe, was nicht unsere Dialogfähigkeit gegenüber der Hisbollah als innenpolitischem Akteur im Libanon beträfe.
ZUSATZFRAGE TOWFIGH NIA: Das heißt, Sie würden weiterhin diesen Dialog mit dem Libanon aufrechterhalten, auch dann, wenn es zu einem Verbot in Deutschland kommt. Habe ich das so richtig verstanden?
BREUL: Ja, das ist eine andere Frage; das haben Sie richtig verstanden.
ALTER: Ich muss jetzt noch einmal einen Satz ergänzen, damit hier kein falscher Eindruck entsteht: Die Position auch des BMI zur Hisbollah ist ganz klar. Die Hisbollah richtet sich nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts insgesamt gegen den Gedanken der Völkerverständigung, weil sie das Existenzrecht des Staates Israel mit terroristischen Mitteln bekämpft. Eine solche Zielsetzung ist von ihrer Natur aus antisemitisch. Das ist die grundsätzliche Position.
Ich möchte dennoch dafür werben, dass wir losgelöst von diesem konkreten Fall ganz allgemein gesprochen nicht dazu übergehen, etwaige Verbotsüberlegungen öffentlich auszutragen. Damit leisten wir uns einen Bärendienst. Das, was gestern berichtet wurde, ist nicht zutreffend. Darüber hinaus können wir als Verbotsbehörde in solchen Fragen nicht ins Detail gehen. Ich bitte dafür um Verständnis.
[…]
BREUL: Ich möchte noch eine […] Sache nachmelden, damit kein falscher Eindruck entsteht ‑ meine Kollegen melden mir, das hätte man da gerade heraushören können ‑: Wir unterhalten als Bundesregierung keine offiziellen Kontakte zur Hisbollah.
Vorwürfe gegen die maltesische Regierung im Zusammenhang mit der Ermordung einer Journalistin
ZUSATZFRAGE DR. RINKE: Ich hätte gerne das Auswärtige Amt zum Thema Malta befragt. Es gibt Vorwürfe gegenüber der maltesischen Regierung, dass sie in sehr viel direkterer Weise an der Ermordung einer Investigativjournalistin beteiligt gewesen sei. Ich hätte ganz gerne gewusst, wie Sie diesen Fall und die Vorwürfe gegen die Regierung Maltas sehen.
BREUL (AA): Grundsätzlich muss ich vorwegschicken, dass wir laufende Ermittlungen von dieser Stelle aus natürlich nicht kommentieren können und Vertrauen in den Rechtsstaat auf Malta haben.
Gleichzeitig möchte ich noch einmal unterstreichen ‑ das haben wir damals, unmittelbar nach dem Vorfall, schon getan, und wir tun das gerne wieder ‑, dass der Mord an der Journalistin Daphne Galizia auch ein Anschlag auf die Pressefreiheit in ganz Europa war. Der Vorfall muss lückenlos aufgeklärt und gerichtlich aufgearbeitet werden, alle Verantwortlichen für diese grausame Tat müssen zur Rechenschaft gezogen werden. Die Ankündigung gestern im Europäischen Parlament, eine Delegation der Beobachtungsgruppe für Rechtsstaatlichkeit angesichts der Entwicklungen nach Malta zu entsenden, begrüßen wir.
DEMMER (BReg): Ich würde mich da gerne anschließen: Auch ich möchte die innenpolitischen Vorgänge von hier aus nicht kommentieren, so wie wir das ja grundsätzlich nicht tun. Der Fall der Ermordung einer Journalistin geht aber natürlich uns alle in Europa etwas an. Freier, unbedrängter Journalismus ist von zentraler Bedeutung für die Demokratie. Ohne die Möglichkeit von Journalisten, frei, unabhängig und ohne Angst recherchieren zu können, kann die Demokratie nicht funktionieren. Deshalb ist es natürlich wichtig, dass die Verantwortlichen zur Rechenschaft gezogen werden.
Lage in Afghanistan
FRAGE TOWFIGH NIA: An Herrn Breul zum Thema Afghanistan: Die Taliban berichten über ein Treffen mit Ihrem Sonderbeauftragten, Herrn Potzel, in Doha. Können Sie so ein Treffen bestätigen? Falls ja: Können Sie uns nähere Einzelheiten zu diesem Treffen geben?
BREUL (AA): Die Meldung ist mir, ehrlich gesagt, nicht bekannt. Das müsste ich noch prüfen und schauen, was ich Ihnen da bestätigen kann. Vielleicht kann ich das gleich sofort nachreichen.
ZUSATZFRAGE TOWFIGH NIA: Es gibt jetzt eine Annäherung zwischen den USA und den Taliban. Wie bewerten Sie diese Annäherung und wie sehen Sie die Friedenschancen in dem Land?
BREUL: Grundsätzlich ist unsere Position, dass wir diese Gespräche begrüßen, und wir hoffen, dass wir als internationale Gemeinschaft über die unterschiedlichen Instrumente, die uns zur Verfügung stehen, einen Beitrag dazu leisten können, dass der Friedensprozess in Afghanistan in Gang kommt. Wir haben immer wieder betont, dass das unser Ziel ist. Wir können diesen Friedensprozess nicht ersetzen, sondern nur Vorbereitungen dafür unterstützen. Insofern begrüßen wir diese Gespräche, und wir arbeiten mit den Amerikanern, wie Sie wissen, ja auch eng zusammen. Wir begrüßen insbesondere natürlich auch Gespräche darüber, wie es unmittelbar gelingen kann, die Gewalt in Afghanistan zu reduzieren und eine Entlastung für die gebeutelte Gesellschaft des Landes zu erreichen.
[…]
BREUL: Ich habe noch eine Nachmeldung zu dem Treffen mit den Taliban: Ich kann Ihnen bestätigen, dass sich unser Beauftragter in Doha mit den Taliban getroffen hat. Zu dem Inhalt der vertraulichen Gespräche kann ich Ihnen nichts weiter sagen.