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Erklärungen des Auswärtigen Amts in der Regierungs­pressekonferenz vom 22.06.2020

22.06.2020 - Artikel

Mögliche Strafanzeige des Bundesinnen­ministers aufgrund eines Artikels in der „taz“

FRAGE: Meine Frage passt vielleicht indirekt in diesen Zusammenhang, weil wir gleich zu der Anzeige überleiten können, die Herr Seehofer im Zusammenhang mit einem Beitrag in der „taz“ über Polizisten gestellt hat.

Herr Seibert, steht auch die Bundeskanzlerin hinter dieser Anzeige?

Herr Grünewälder, können Sie noch einmal erläutern, was denn der Hintergrund und der Grund für diese Anzeige Herrn Seehofers sind? Es gibt ja Kritik wegen des Umgangs mit Journalisten. Was genau hat ihn bewogen, genau in diesem einen spezifischen Fall eine Anzeige zu stellen?

SEIBERT (BReg): Die Bundeskanzlerin ist darüber mit dem Bundesinnenminister im Gespräch. Das ist ein vertrauliches Gespräch, und aus solchen berichte ich ja grundsätzlich nicht.

GRÜNEWÄLDER (BMI): Ich kann Ihnen dazu vonseiten des Bundesinnenministeriums berichten, dass über die Erhebung der Strafanzeige noch nicht entschieden worden ist. Über das weitere Verfahren wird nun zu entscheiden sein.

Ich kann Sie aber auf das hinweisen, was der Bundesinnenminister heute Morgen in der „BILD“-Zeitung gesagt hat. Ich zitiere:

„Eine Enthemmung der Worte führt unweigerlich zu einer Enthemmung der Taten und zu Gewaltexzessen, genauso wie wir es jetzt in Stuttgart gesehen haben. Das dürfen wir nicht weiter hinnehmen.“

Das hat er zum Thema Stuttgart gesagt. Über die Strafanzeige wird zu entscheiden sein.

Im Übrigen wird sich der Bundesinnenminister heute um 12.30 Uhr zusammen mit seinem Innenministerkollegen Strobel in Stuttgart vor allem zu den Ereignissen in Stuttgart äußern.

ZUSATZFRAGE: Herr Seibert, sehen Sie den Zusammenhang zwischen den Worten und den Taten in Stuttgart auch so direkt?

SEIBERT: Ich kann nur wiederholen, dass die Bundeskanzlerin in dieser Sache mit dem Bundesinnenminister im Gespräch ist. Das ist ein vertrauliches Gespräch.

Die Grundüberzeugungen der Bundeskanzlerin und der ganzen Bundesregierung habe ich Ihnen ausgedrückt. Wir stehen aus tiefer Überzeugung zu den Polizisten und Polizistinnen. Die Herrschaft des Rechts, friedliches Zusammenleben, der Schutz der Schwächeren, der Schutz des Eigentums, für all das sind sie jeden Tag und jede Nacht auf der Straße, und dafür gebührt ihnen Dank.

FRAGE: … von der „taz“. Da wir in der Sache Partei sind, will ich vor meinen Fragen kurz zwei, drei Sätze dazu sagen.

Wenn in einer Demokratie einem Innenminister oder einer Bundesregierung etwas nicht gefällt, was in einer Zeitung steht, dann kann er darauf auf viele verschiedene Arten reagieren. Er kann Leserbriefe schreiben, Interviews geben, sich beim Presserat beschweren. Dafür gibt es bewährte Formen.

Dass die Bundesregierung oder der Innenminister versucht, mit Mitteln des Strafrechts solch eine Art von Berichterstattung oder solch eine Art von Meinungsbeiträgen zu verhindern, halte ich für falsch. Ich halte es auch für falsch, auf diese Art und Weise von der Rassismusdebatte abzulenken, die wir in den letzten Wochen zum Glück einmal geführt haben.

Damit zu meinen Fragen:

Wenn der Innenminister eine Anzeige stellen wird, welches Delikt wird er dann anzeigen und bei welcher Behörde wird er das tun?

Wie oft hat er in seiner Amtszeit rassistische Meinungsäußerungen angezeigt?

GRÜNEWÄLDER: Ich kann das wiederholen, was ich gerade gesagt habe. Über das Erheben der Anzeige wurde noch nicht entschieden. Das bleibt abzuwarten. Der Bundesinnenminister wird sich um 12.30 Uhr vor allem zu den Ereignissen in Stuttgart noch einmal äußern.

Grundsätzlich haben wir in der Bundesrepublik Gewaltenteilung. Die Legislative beschließt über die Gesetze, die Exekutive, die Verwaltung, setzt sie um, und die Judikative kontrolliert, ob das Gesetz eingehalten worden ist. Diese Gewaltenteilung ist völlig akzeptiert, darüber gibt es keine Debatte. Auch das Recht der Meinungsfreiheit und die Pressefreiheit, die im Grundgesetz verankert sind, werden von niemandem infrage gestellt.

Wie gesagt, ist über die Anzeige noch nicht entschieden worden. Das bleibt abzuwarten.

ZUSATZFRAGE: Wenn der Minister in der „BILD“-Zeitung angekündigt hat, eine Anzeige zu stellen, auch wenn er sich jetzt nicht mehr sicher ist, hat er sich ja bestimmt schon Gedanken darüber gemacht, welcher Straftatbestand dafür infrage kommt. Welcher soll das denn sein?

GRÜNEWÄLDER: Das werden wir dann feststellen, wenn die Anzeige erhoben worden ist. Das ist, wie gesagt, noch nicht der Fall.

FRAGE: Herr Seibert ‑ vielleicht geht die Frage auch an das Innenministerium ‑, wie oft gab es den Fall in der Geschichte der Bundesrepublik, dass ein aktiver Minister oder eine Ministerin plante, Strafanzeige gegen eine Journalistin oder einen Journalisten zu stellen? Gab es das schon einmal?

SEIBERT: Ich kann Ihnen dazu keine Auskunft geben.

GRÜNEWÄLDER: Mir liegen dazu keine Angaben vor. Grundsätzlich ist es aber so, dass eine Strafanzeige der Hinweis an die Staatsanwaltschaft ist, zu untersuchen, ob einzuschreiten ist. Es ist insofern nichts Ungewöhnliches, wenn auch ein Minister eine Staatsanwaltschaft bittet, einen Sachverhalt zu untersuchen.

ZUSATZ: Es geht aber ganz konkret um eine Anzeige gegen Journalistinnen und Journalisten.

GRÜNEWÄLDER: Ich kann Ihnen dazu vielleicht noch Artikel 5 des Grundgesetzes zitieren.

„Jeder hat das Recht, seine Meinung in Wort, Schrift und Bild frei zu äußern und zu verbreiten und sich aus allgemein zugänglichen Quellen ungehindert zu unterrichten.“

Das ist die Meinungsfreiheit.

„Die Pressefreiheit und die Freiheit der Berichterstattung durch Rundfunk und Film werden gewährleistet. Eine Zensur findet nicht statt.“

Das ist Absatz 1. In Absatz 2 steht:

„Diese Rechte“

‑ Meinungsfreiheit, Pressefreiheit ‑

„finden ihre Schranken in den Vorschriften der allgemeinen Gesetze, den gesetzlichen Bestimmungen zum Schutze der Jugend und in dem Recht der persönlichen Ehre.“

Das steht im Grundgesetz. Das heißt, die Meinungsfreiheit und auch die Pressefreiheit sind nicht schrankenlos. Es gibt noch die Menschenwürde. Wir haben Strafgesetze. Es ist die Aufgabe der Judikative, zu untersuchen, ob die Schranken jeweils eingehalten wurden oder ob die Grenzen der Meinungsfreiheit oder auch der Pressefreiheit möglicherweise überschritten wurden. Es ist nicht die Aufgabe der Exekutive, das zu untersuchen, sondern dafür haben wir die dritte Gewalt, die Judikative. Das ist deren Aufgabe, und das ist ein völlig normaler Vorgang.

FRAGE: Können Sie mal Ihr Pressefreiheitsverständnis im Vergleich zu Russland oder zur Türkei erklären, Herr Grünewälder?

Herr Seibert, gilt Ihr Satz von vor genau einer Woche? Genau hier haben Sie gesessen und uns gesagt:

„Niemand in der Bundesregierung greift in die Pressefreiheit ein. Das widerspricht ja völlig unseren Überzeugungen … Die Bundesregierung steht zur Pressefreiheit ohne jeden Abstrich.“

Gilt dieser Satz noch, und, wenn ja, wie passt das mit der Strafanzeige des Innenministers zusammen?

SEIBERT: Ja, dieser Satz gilt, und zu dem Artikel, den Herr Grünewälder Ihnen gerade vorgelesen hat, steht die Bundesregierung. Da gibt es auch keinen Widerspruch.

ZUSATZ: Das heißt, Strafanzeige gegen Journalisten sind mit dem Pressefreiheitsverständnis der Bundesregierung vereinbar.

SEIBERT: Sie haben den Artikel ‑ ‑

ZUSATZ: Ich frage Sie!

SEIBERT: ‑ aus unserem Grundgesetz gehört.

ZUSATZ: Ich frage Sie!

SEIBERT: Sie haben den Artikel aus unserem Grundgesetz gehört. Die Pressefreiheit ist ein hohes Gut in unserer Verfassung. Sie ist nicht grenzenlos. Ob eine Grenze zwischen Pressefreiheit und strafbarer Äußerung überschritten wird ‑ ganz grundsätzlich gesprochen ‑, das hat nie die Bundesregierung oder irgendeine Regierung zu entscheiden, sondern lediglich die unabhängige Justiz. Das ist eine grundsätzliche Aussage.

ZUSATZ: Ich hatte noch die Frage wegen Erdoğan, Türkei und Russland gestellt, Herr Grünewälder.

GRÜNEWÄLDER: Ich habe dem nichts hinzuzufügen. Sie haben den Wortlaut des Artikels 5 vor Augen und gerade noch einmal gehört. Die Presse- und Meinungsfreiheit werden nicht schrankenlos gewährleistet. Die Presse spielt eine sehr wichtige Rolle. Sie wird auch als vierte Gewalt bezeichnet, um die Legislative, die Exekutive und auch die Judikative zu kontrollieren, vor allem die ersten beiden. Diese Aufgaben sind sehr wichtig. Das sieht der Bundesinnenminister genauso.

Aber diese Freiheiten werden nicht schrankenlos gewährleistet. Sie finden ihre Grenzen zum Beispiel in den Strafgesetzen. Es ist Aufgabe der Judikative, zu prüfen, ob es eine Grenzüberschreitung war oder nicht.

FRAGE: Erste Frage: Herr Grünewälder, Sie sagten, über die Strafanzeige sei noch nicht entschieden worden. Heißt das, dass im Grundsatz noch nicht darüber entschieden wurde, ob sie tatsächlich gestellt wird oder nicht, oder wurde nur nicht darüber entschieden, wie, wo und mit welchem Inhalt diese Strafanzeige gestellt werden soll?

Zweite Frage: Hat irgendjemand den Bundesinnenminister darauf hingewiesen, dass vielleicht ein gewisser Widerspruch darin besteht, die Strafanzeige in einer Zeitung bekanntzumachen, die nicht gerade für Integrität bekannt ist?

GRÜNEWÄLDER: Ich habe Ihnen zu der Strafanzeige eben zweimal gesagt, dass darüber noch nicht entschieden worden ist. Das betrifft die Strafanzeige und alle weiteren Umstände. Dem habe ich nichts weiter hinzuzufügen.

Einen Widerspruch sehe ich nicht.

ZUSATZFRAGE DECKER: Die Zeitung, in der das publik gemacht wird, bekommt vom Presserat eine Rüge nach der anderen. Ist das ein Punkt, der bei Ihnen irgendwie Berücksichtigung findet?

GRÜNEWÄLDER: Wir haben ja gerade über das wichtige Gut der Pressefreiheit gesprochen und darüber, dass es nicht Sache der Exekutive ist, Noten zu verteilen.

FRAGE: Herr Seibert, ich finde, Sie machen es sich etwas zu leicht mit Ihrer Nichtantwort auf die Frage. Denn die Aussage, dass es jedem freistehe, das durch die Justiz überprüfen zu lassen, zieht hier ja nicht wirklich. Es gab ja schon zahlreiche andere Anzeigen in dieser Sache. Das heißt, um die Staatsanwaltschaft darauf aufmerksam zu machen, würde es nicht des Eingreifens des Innenministers bedürfen. Deswegen kann man es schon so verstehen ‑ und viele verstehen es so ‑, dass das Agieren des Innenministers in diesem Fall nichts anderes bringt als eine Einschüchterung von Journalisten, die durch diese Form der Meinungsäußerung öffentlich an den Pranger gestellt werden.

Daher will ich von Ihnen doch noch einmal hören, ob Sie diese Form der Nichtnotwendigkeit, verbunden mit der Einschüchterung, nicht doch als einen Angriff auf die Pressefreiheit sehen können, und wie das zu Ihren Statements, die Sie hier regelmäßig zum Tag der Pressefreiheit abgeben, in denen Sie sagen, die Bundesregierung werde überall und gegenüber jedem für diese Pressefreiheit einstehen, und wo Journalisten nicht frei berichten und arbeiten könnten, dort könne es auch nie eine gute Regierung im Sinne der Menschen geben ‑ ‑ ‑ Das haben Sie gesagt. Deswegen meine Frage: Müssen wir diesen Angriff jetzt so verstehen, dass es in Deutschland keine gute Regierung im Sinne der Menschen mehr gibt?

SEIBERT: Nein. Ansonsten kann ich nur das wiederholen, was ich gesagt habe. Der Sprecher des Bundesinnenministeriums hat darauf hingewiesen, dass diese Anzeige im Moment noch nicht gestellt ist. Also warten wir doch ab, bis sie gestellt ist. Ich habe darauf hingewiesen, dass die Bundeskanzlerin dazu mit dem Bundesinnenminister im Gespräch ist.

Ansonsten haben wir Ihnen hier grundsätzliche Fakten dazu vorgetragen, wie es in Deutschland mit der Pressefreiheit grundgesetzlich geregelt ist.

ZUSATZFRAGE: Ich habe eine weitere Frage, wenn ich darf, an das Justizministerium, das ja für Verfassungsfragen auch relevant ist. Wie sieht man dort den Plan, diese Anzeige zu erstatten? Hat man dort eine Meinung dazu? Betrachtet man das dort mit Blick auf die Pressefreiheit als problematisch?

KALL (BMJ): Ich kann das möglicherweise geplante Vorgehen des Bundesinnenministers nicht kommentieren. Nach dem, was Herr Grünewälder sagt, ist darüber ja offenbar noch nicht einmal entschieden.

Ich kann ganz allgemein nur das unterstreichen, was Herr Seibert gesagt hat. Im Zweifelsfall entscheiden Staatsanwaltschaften und am Ende unabhängige Gerichte.

Sie haben auf die Schranken der Meinungsfreiheit hingewiesen. Dabei ist natürlich ganz wichtig zu beachten, selbst wenn man das Strafrecht als eine Schranke der Meinungsfreiheit sieht, dass, wenn immer es um die Prüfung einer etwaigen Strafbarkeit geht, wiederum die Meinungsfreiheit und die Pressefreiheit ein ganz, ganz hohes Gut sind, ein für die Demokratie entscheidendes, konstituierendes Gut, wie es das Bundesverfassungsgericht ausdrückt. Das heißt, dass in jeder juristischen Prüfung die Meinungs- und die Pressefreiheit natürlich immer mit all ihrem Rang zu berücksichtigen sind.

FRAGE: Ich habe zwei Fragen an Herrn Grünewälder. Sie sehen keinen Widerspruch. Ist es nicht aber ein Widerspruch, wenn, vorausgesetzt, dass das Zitat stimmt, der Bundesinnenminister einerseits sagt „Ich werde Strafanzeige stellen“ ‑ ‑ ‑ So wird es zitiert. Die Ankündigung „ich werde“ setzt eine innere Entscheidung voraus. Es ist nicht „ich erwäge“, sondern „ich werde“. Es ist die Ankündigung einer beschlossenen Tat. Wenn Sie jetzt sagen, darüber sei noch nicht entschieden, was gilt dann? Gilt der Satz „ich werde“ inhaltlich immer noch, oder gilt er nicht mehr, und es gilt eher „ich erwäge“?

Die zweite Frage: Wenn der Innenminister befürchtet, dass eine Enthemmung der Worte zur Enthemmung der Taten führt, sieht er Enthemmung der Worte auch dann, wenn seine eigene Partei, die CSU, einen Steckbrief der Autorin veröffentlich, mit Foto und mit der Bewertung: „Die … Fratze der hasserfüllten Linken“? Ist das nicht auch eine Enthemmung der Worte, die dann zu Taten führen kann?

GRÜNEWÄLDER: Zum Einlegen der Strafanzeige ist, denke ich, hier jetzt wiederholt alles gesagt worden. Darüber wird noch zu entscheiden sein.

Den Bundesinnenminister bewegt ‑ das hat er am Freitag auch bei der Pressekonferenz zum Abschluss der Innenministerkonferenz in Erfurt hervorgehoben ‑, dass Polizeibeamte, die ihren Dienst tun, die Tag für Tag den Kopf hinhalten, um unsere Freiheit und Sicherheit zu schützen, zunehmend angegriffen werden. Uns liegen nach dem Anfang Juni veröffentlichten Lagebild des Bundeskriminalamts „Gewalt gegen Polizeivollzugsbeamtinnen und Polizeivollzugsbeamte“ Zahlen vor. Durchschnittlich werden pro Tag 200 Polizistinnen und Polizisten im Dienst Opfer von Gewalt. Das hat man ganz erschreckend jetzt in der Nacht zu Sonntag in Stuttgart noch einmal gesehen. Das bewegt ihn sehr. Er hat das tiefe Empfinden, dass sich die Politik und alle Teile der Gesellschaft auch schützend vor die Polizisten stellen müssen, die, wie gesagt, unsere Freiheit und unsere Sicherheit schützen. Das bewegt ihn. Das hat er in diesem Zitat auch noch einmal deutlich gemacht.

Ein Element, das dazu führen kann, ist die Enthemmung der Worte. Dies geschieht durch Äußerungen von Politikern und auf andere Weise. Er sagt, dass wir hiergegen gewappnet sein müssen und eine Diskussion, eine Debatte darüber brauchen, wie man das verhindern kann, möglicherweise weitere Strafverschärfungen. Das hat er am Freitag gesagt. Darüber müssen wir sprechen.

Er hat auch darauf hingewiesen und Sie als Medien gebeten, zu sehen, wie das Bild der Polizei ist, das vermittelt wird, und ob hier möglicherweise nachjustiert werden muss, damit nicht der Eindruck entsteht, Polizisten seien Freiwild und es könne ohne Weiteres Gewalt gegen sie ausgeübt werden. Das bewegt den Bundesinnenminister.

Im Übrigen verweise ich noch einmal auf die Pressekonferenz um 12.30 Uhr, auf der er dazu noch einmal näher ausführen wird.

ZUSATZFRAGE: Sie haben beide Fragen nicht beantwortet. Die erste Frage war, ob die Ankündigung des Ministers, er werde Strafanzeige stellen, die nur Sinn macht, wenn er sich dazu entschlossen hat, so nicht mehr gilt. Das, was Sie sagen, darüber sei noch nicht entschieden, lässt ja eigentlich nur den Schluss zu, dass er sich dazu noch nicht entschlossen habe. Also bitte: Was gilt jetzt? Gilt das Ministerwort in seiner inneren Logik ‑ er wird Strafanzeige stellen, weil er sich entschieden hat ‑, oder ist es noch nicht entschieden? Es kann nur eines von beiden gelten.

Das Zweite: Was ist mit dem Steckbrief über die Autorin, den die CSU veröffentlicht hatte?

GRÜNEWÄLDER: Zum Ersten: Es ist noch nicht entschieden, ob die Strafanzeige gestellt wird.

Zum Zweiten: Den genauen Sachverhalt kenne ich jetzt nicht; ich habe mir das nicht durchgelesen. Dazu müssten Sie den Bundesinnenminister um 12.30 Uhr fragen. Normalerweise kommentieren wir solche Dinge nur, wenn wir den Sachverhalt wirklich kennen. Dazu kann ich Ihnen im Moment nichts berichten.

FRAGE: (ohne Mikrofon, akustisch unverständlich)

GRÜNEWÄLDER: Es ist inzwischen ja auch gelöscht worden.

ZUSATZFRAGE: (ohne Mikrofon, akustisch unverständlich)

Meine Frage ist eine andere. Die Bundestagsabgeordnete (ohne Mikrofon, akustisch unverständlich) hat angegeben, dass im Innenausschuss in der vergangenen Woche Horst Seehofer selbst gesagt habe, ihm sei vollkommen klar, dass die Kolumne (ohne Mikrofon, akustisch unverständlich) Können Sie das bestätigen?

GRÜNEWÄLDER: Wie gesagt: Es ist Aufgabe der Staatsanwaltschaft, darüber zu befinden ‑ eine Strafanzeige ist ja von anderer Seite schon gestellt worden ‑, ob hier ein Straftatbestand erfüllt worden ist. Diese Prüfung wird passieren.

ZUSATZFRAGE: Das war nicht meine Frage! Meine Frage war, ob Horst Seehofer diese Aussage getätigt hat.

GRÜNEWÄLDER: Das kann ich Ihnen nicht bestätigen. Ich war bei der Sitzung nicht dabei.

FRAGE: Mir ist der Widerspruch zwischen den beiden Aussagen des Innenministers ‑ sorry, dass ich Sie damit noch einmal quäle, Herr Grünewälder ‑ immer noch nicht klar. Der „BILD“-Zeitung sagt er also, „Ich werde Strafanzeige stellen“, und Sie sagen heute, das sei noch nicht entschieden. Heißt das, dass in der Zwischenzeit ‑ zwischen dem Zeitpunkt dieses Zitats, das er der „BILD“-Zeitung gegeben hat, und dem jetzigen Zeitpunkt ‑ etwas passiert ist, das die Entscheidung vielleicht doch noch einmal beeinflusst hat? Können Sie uns darüber aufklären, was das ist?

Können Sie uns auch sagen, wann denn entschieden werden soll? Haben Sie sich eine Frist gesetzt? Können Sie uns sagen, wie wir darüber informiert werden?

GRÜNEWÄLDER: Ich kann nur noch einmal darauf hinweisen, dass über die Strafanzeige noch nicht entschieden worden ist. Ich kann auch noch einmal auf die Pressekonferenz des Bundesinnenministers um 12.30 Uhr verweisen.

Jetzt bitte ich Sie einfach, abzuwarten, wie das weitere Verfahren bzw. der weitere Verlauf sein werden. Sie werden ‑ davon können Sie ausgehen ‑ rechtzeitig darüber informiert werden.

FRAGE: Es wurde jetzt schon oft die „Enthemmung der Worte“ zitiert, die zu den Taten geführt habe. Dieses Zitat hat Herr Seehofer ja im direkten Zusammenhang mit der „taz“-Kolumne und den Ausschreitungen in Stuttgart abgegeben. Da würde mich interessieren: Sieht der Innenminister denn tatsächlich zwischen einer ‑ wie immer man das benennen will; sagen wir einmal ‑ grotesken Glosse und den Ausschreitungen in Stuttgart einen direkten Zusammenhang? Den macht er auf. Gleichzeitig wäre die Frage, ob er tatsächlich einen Kausalzusammenhang zwischen der Glosse und den Ausschreitungen sieht.

GRÜNEWÄLDER: Ich habe den Worten des Bundesinnenministers hier nichts hinzuzufügen. Eine Enthemmung der Worte führt unweigerlich zu einer Enthemmung der Taten und zu Gewaltexzessen.

ZUSATZFRAGE: Aber es gibt ja nun im Journalismus mehrere Genres, und bei der „taz“-Kolumne war das ja nun tatsächlich ein spezifisches Genre, das auch mit Übertreibungen und Überzeichnungen arbeitet. Ist dem Innenminister bekannt, dass es verschiedenste Genres gibt und dass das vielleicht auch in die Kategorie einer wie auch immer zu bewertenden Satire fallen sollte?

GRÜNEWÄLDER: Sie wissen, dass auch in der Öffentlichkeit eine Diskussion über diese Kolumne geführt wird, auch in dem besagten Medium. Das möchte ich hier jetzt nicht weiter kommentieren. Die Äußerungen stehen für sich. Die zuständige Staatsanwaltschaft lässt, wie gesagt, prüfen, ob hier die Grenzen überschritten worden sind. Wenn man Polizisten als Müll bezeichnet, dann ist das jedenfalls prüfenswert.

FRAGE: Auf welche Paragrafen bezieht sich die Anzeige des Ministers?

Wie viele Strafanzeigen hat der Minister bisher in seiner Amtszeit gestellt? Wie viele wegen desselben angeblichen Delikts?

FRAGE: Was ist Gegenstand der möglichen Strafanzeige gegen die „taz“-Kolumnistin? Wie lautet der Vorwurf?

GRÜNEWÄLDER: Zahlen müsste ich nachreichen. Das ist mir nicht bekannt.

Über die Strafanzeige ist noch nicht entschieden; das kann ich gerne noch einmal wiederholen.

FRAGE: Ich habe noch eine Frage im Zusammenhang mit der Enthemmung der Worte und mit der Enthemmung der Taten, eigentlich sogar zwei Fragen. Die erste wäre tatsächlich noch einmal: Sehen Sie einen kausalen Zusammenhang? Glauben Sie, dass Leute in Stuttgart wegen der „taz“-Kolumne gegen die Polizei gewalttätig geworden sind, oder nicht?

Die zweite Frage: Sie hatten auch kurz Äußerungen von Politikern angesprochen, was das Thema der Enthemmung der Worte angeht. Können Sie ausführen, welche sie dabei genau im Kopf haben?

GRÜNEWÄLDER: Ich glaube, man kann hier keine direkten Kausalzusammenhänge herstellen. Fakt ist aber, dass das, was geschrieben, was gesprochen oder was getwittert wird, auch Auswirkungen auf eine Stimmung in der Gesellschaft hat. Wenn die Stimmung eben so ist, dass es legitim ist, Polizeibeamte anzugreifen, und dass es keinen Respekt mehr gegenüber Polizeibeamten gibt ‑ ‑ ‑ Dafür gibt es ja mannigfaltige Beispiele, so einen Fall, in dem Polizisten und Einsatzkräfte in der Vergangenheit zu einem Ort gelockt wurden, an dem sie dann mit Pflastersteinen beworfen wurden, und viele andere Fälle. Das ist eine Stimmung in der Gesellschaft, die eben unter anderem daher rührt, so die Auffassung des Bundesinnenministers, dass wir die Enthemmung der Worte zu gewärtigen haben. Das ist in allen Teilen der Gesellschaft und zum Teil eben auch in politischen Äußerungen zu bemerken.

ZUSATZFRAGE: Würden Sie latenten Rassismus dazu zählen oder nicht?

GRÜNEWÄLDER: Es geht jedenfalls in diese Richtung.

FRAGE: Herr Seibert, mich würde interessieren, ob die Bundeskanzlerin nach Lektüre der „BILD“-Zeitung auf den Bundesinnenminister zugegangen ist oder ob er sie, bevor das in der „BILD“ veröffentlicht wurde, darüber informiert hat, dass er diese Strafanzeige vielleicht erheben wird.

SEIBERT: Herr Fried, ich habe dem, was ich vorhin gesagt habe, jetzt nichts hinzuzufügen. Die Bundeskanzlerin befindet sich darüber mit dem Bundesinnenminister im Gespräch.

FRAGE: Herr Seibert, setzt sich die Kanzlerin denn intern dafür ein, dass der Innenminister die Anzeige doch nicht stellt? Habe ich Sie da richtig verstanden?

Herr Seibert, Sie sagten hier in diesem Raum 2017 über die Pressefreiheit:

„Wir müssen ‑ und für diese Bundesregierung kann ich sagen: wir werden ‑ sie immer aufs Neue verteidigen - bei uns in Europa und darüber hinaus. Leider werden freie Medien und mutige Journalisten in so vielen Ländern dieser Erde verfolgt, sie werden schikaniert.“

Verteidigen Sie auch in diesem Fall die Pressefreiheit? Sehen Sie darin, mithilfe einer Anzeige gegen Journalisten vorzugehen, keine Schikane eines Innenministers? Ob sie nun mutig sind oder eine schlechte Kolumne geschrieben haben, ist ja erst einmal zweitrangig.

Herr Burger, schadet dieser Vorgang dem deutschen Ansehen in der Welt, wenn es um Pressefreiheit und freie Meinungsäußerung geht?

SEIBERT: Ich würde die Äußerung von 2017, die Sie netterweise zitiert haben, auch heute genau so wieder machen. Das Bekenntnis der Bundesregierung zur Pressefreiheit steht.

ZUSATZFRAGE: Ich hatte auch nach dem Einsatz der Kanzlerin gefragt. Habe ich Sie richtig verstanden, dass sie sich intern dafür einsetzt, dass der Herr Seehofer die Anzeige nicht stellt?

SEIBERT: Sie haben mich richtig verstanden, wenn Sie verstanden haben, dass das ein vertrauliches Gespräch ist, aus dem ich wie üblich nicht berichte.

BURGER (AA): Ich kann es da nur wie der Kollege aus dem Justizministerium halten, und zwar insofern, als ich die Vorgänge, über die ja nach Angaben des Kollegen aus dem Innenministerium noch gar nicht entschieden ist, hier nicht bewerten werde.

ZUSATZFRAGE: Aber schadet nicht allein der Vorgang an sich ‑ danach hatte ich ja gefragt ‑, die Ankündigung einer Anzeige, dem deutschen Ansehen in der Welt, wenn Sie sich sonst auch für Pressefreiheit und für freie Meinungsäußerung in anderen Ländern einsetzen, aber hier jetzt selbst Journalisten zur Zielscheibe machen?

BURGER: Wie gesagt: Ich habe dem jetzt Gesagten nichts hinzuzufügen.

FRAGE: Herr Grünewälder, Sie haben ja dankenswerterweise das Ministerzitat noch einmal vorgelesen. Die Formulierung war ja, wenn ich es richtig im Kopf habe: Eine Enthemmung der Worte führt unweigerlich zu einer Enthemmung der Taten. – Ist das ein Automatismus, den der Minister hier konstatiert? Auf welche empirischen Befunde stützt er sich? Das ist die eine Frage hinsichtlich des Automatismus. Er sagt ja nicht, das könne zu einer Enthemmung der Taten führen, sondern, dass es unweigerlich dazu führe. Wenn das die Position des Ministers ist, dann wäre er ja qua Amt gezwungen, sozusagen regelmäßig aus Gründen der Prävention ‑ nämlich dann, wenn er eine Enthemmung der Worte beobachtet ‑ Anzeige zu erstatten.

Werden Sie uns nachliefern können, in wie vielen Fällen und aus welchen Anlässen eine solche Anzeige in der jüngeren oder auch mittleren Vergangenheit gestellt wurde?

GRÜNEWÄLDER: Ich habe die Äußerungen des Bundesinnenministers hier jetzt nicht weiter zu kommentieren, zu bewerten oder einzuordnen. Die stehen für sich.

Ich habe ja eben gesagt: Mögliche Zahlen werde ich nachreichen, wenn es die geben sollte.

FRAGE: Herr Grünewälder, ich habe eine Frage. 2018, soweit ich mich recht erinnere, hatte Horst Seehofer seine Teilnahme am Integrationsgipfel ‑ auch wegen eines Artikels eine Journalistin, von Ferda Ataman ‑ abgesagt. Jetzt, zwei Jahre später, kommt es zu dieser möglichen Klage gegen Hengameh Yaghoobifarah. Ist das eine Aneinanderreihung von Einzelfällen, oder hat der Minister vielleicht doch ein Problem mit Journalistinnen mit Migrationsgeschichte?

GRÜNEWÄLDER: Den ersten Zusammenhang kann ich hier nicht bestätigen. Insofern kann ich auch die Frage jetzt nicht beantworten. Die stellt sich für uns nicht.

FRAGE: Herr Grünewälder, Sie haben ja leider nicht den Tweet der CSU gesehen. Deswegen richte ich die Frage jetzt an Herrn Seibert, da ja gerade auch die Zitate dazu genannt wurden, wie sehr sich die Bundesregierung, die Kanzlerin und Sie für Pressefreiheit einsetzen: Halten Sie es für akzeptabel, dass eine im Bundestag vertretene Partei einen Steckbrief mit Foto und der Aufschrift „die hässliche Fratze der hasserfüllten Linken in Deutschland“ veröffentlicht und es sich dabei um eine Journalistin handelt? Halten Sie einen solchen Tweet für akzeptabel und hinnehmbar, oder sind Sie nicht der Meinung, dass sich die Bundesregierung da auch ganz klar zur Verteidigerin der Journalisten erklären müsste?

SEIBERT: Erstens. Die Bundesregierung steht, wie ich jetzt mehrfach gesagt habe, ohne Einschränkungen zur Pressefreiheit.

Zweitens reagiere ich hier jetzt nicht auf Tweets und Texte, die mir freundlicherweise und sicherlich in guter Absicht zugerufen werden.

Reise des Bundesaußenministers nach Spanien

BURGER (AA): Ich darf Ihnen ankündigen, dass Außenminister Maas morgen zu bilateralen Gesprächen nach Spanien reisen wird, und zwar, genauer gesagt, nach Valencia.

Die Ankunft dort ist etwa für 11.30 Uhr vorgesehen. Eine Woche nach der Aufhebung der innereuropäischen Reisewarnung wird Außenminister Maas dort zunächst mit dem Präsidenten der Regionalregierung von Valencia, Herrn Ximo Puig Ferrer, den Hafen besuchen.

Im Anschluss wird der Außenminister gemeinsam mit seiner spanischen Amtskollegin Arancha González Laya die Stadt der Künste und Wissenschaften besichtigen. Ab 13.45 Uhr ist ein Arbeitsmittagessen der beiden Außenminister am Sitz der spanischen Zentralregierung in Valencia angesetzt. Danach ist ab 15.30 Uhr eine gemeinsame Pressebegegnung vorgesehen.

Am Abend wird der Außenminister wieder in Berlin eintreffen.

Zweite Berliner Konferenz zu Klima und Sicherheit

BURGER (AA): Am Mittwoch wird Außenminister Maas das High-Level-Segment der zweiten Berliner Konferenz zu Klima und Sicherheit gemeinsam mit der stellvertretenden Generalsekretärin der Vereinten Nationen, Frau Amina Mohammed, und dem Außenminister Frankreichs, Jean-Yves Le Drian, eröffnen.

Dieses Jahr findet die Konferenz online und in zwei Teilen statt. Der erste Teil der Konferenz am 23. und 24. Juni wird sich mit den wachsenden Risiken befassen, die die Auswirkungen des Klimawandels für den internationalen Frieden und die internationale Sicherheit darstellen. In einem zweiten Teil, der vom 7. September bis zum 2. Oktober stattfinden wird, soll unter anderem darüber gesprochen werden, wie umfassende Risikobewertungen eine vorausschauende und präventive Außen- und Sicherheitspolitik unterstützen können.

Ende Juli wird die Bundesregierung das Thema von Klimasicherheitsrisiken auch auf die Agenda des Sicherheitsrats der Vereinten Nationen setzen. Vielen Dank.

FRAGE: Was erfordert die physische Anwesenheit von Herrn Maas in Spanien? Warum muss also diesmal geflogen werden?

BURGER: Das Reisen gehört zum Geschäft eines Außenministers dazu. Dazu hat sich der Außenminister auch in den letzten Tagen immer wieder geäußert. Ich glaube, das ist etwas, das wir alle auch in unserer eigenen Praxis der letzten Monate erfahren haben: Per Videokonferenz und Telefon kann man gut Informationen austauschen und kann man viele Dinge auch besprechen. Trotzdem ersetzt nichts das persönliche Gespräch, gerade wenn es um komplizierte Fragen und darum geht, Vertrauen aufzubauen.

ZUSATZFRAGE: Hat das Auswärtige Amt CO2-Emissionsminderungsziele?

BURGER: Ja, selbstverständlich. Das werde ich gerne nachreichen. Aber die ganze Bundesregierung hat sich ja auf einen Weg hin zur Klimaneutralität verpflichtet.

Ukraine-Konflikt

FRAGE: Am 15. Juni erklärte der Leiter der ukrainischen Delegation der Kontaktgruppe, dass nach seinem Verständnis die Minsk-2-Vereinbarungen einen rein konstruktorischen Charakter hätten und auch keinerlei Verpflichtungen für die Ukraine beinhalten würde. Da möchte ich fragen: Sind dem Auswärtigen Amt diese Äußerungen bekannt, und falls ja, teilt sie die Äußerungen des Delegationsleiters Oleksandr Mereschko?

BURGER (AA): Mir sind solche Äußerungen gerade hier nicht bekannt. Wenn wir dazu etwas sagen können, werde ich das gerne nachliefern.

ZUSATZFRAGE: Nun ist Deutschland in diesem Kontext ja nicht irgendwer, sondern Garantiemacht. Das heißt, trotz des Status als Garantiemacht ist man sich im Auswärtigen Amt dieser Äußerungen im Kontext der Kontaktgruppe zu Minsk 2 nicht bewusst?

BURGER: Ich habe nicht gesagt, dass das Auswärtige Amt sich dieser Äußerungen nicht bewusst ist, sondern ich habe gesagt: Mir ist diese Äußerung jetzt gerade nicht bekannt. Deswegen werde ich mich erst dann dazu äußern, wenn ich sie kenne.

ZUSATZFRAGE: Das heißt, Sie können entsprechend etwas nachliefern?

BURGER: Ich habe gesagt: Wenn ich dazu etwas nachliefern kann, dann werde ich das gerne tun.

ZUSATZ: Danke!

Lage in Libyen

FRAGE: Herr Burger, eine Frage zu Libyen: Der ägyptische Staatspräsident Al-Sisi hat mit einer militärischen Intervention in Libyen gedroht. Wie besorgt ist die Bundesregierung über diese Drohung?

BURGER (AA): Es wird deutlich, dass die Instabilität in Libyen regionale Dimensionen annimmt und umso dringender gelöst werden muss. Wir sind deshalb weiter mit allen Seiten im Gespräch und wirken unverändert auf die Konfliktparteien ein, damit sie unter der Ägide der Vereinten Nationen die Verhandlungen fortsetzen. Wir rufen auch ihre jeweiligen Unterstützer auf, damit sie dazu ihren Beitrag leisten. Wir rufen außerdem alle Beteiligten auf, das UN-Waffenembargo endlich vollumfänglich einzuhalten. Wir hören, dass beide libyschen Seiten zu einem baldigen gemeinsamen Treffen bereit sind. Das begrüßen wir, und wir halten diesen Weg auch für den einzig richtigen. Heute tagt auch das internationale Follow-up-Komitee zur Berlin-Konferenz, diesmal unter dem Co-Vorsitz der Arabischen Liga. Auch dort werden die aktuellen Entwicklungen sicherlich thematisiert, und dort ist natürlich auch Deutschland aktiv beteiligt.

ZUSATZFRAGE: Al-Sisi sagte auch, dass es so ein Einmarsch legitim wäre. Die libysche Regierung hat gesagt, das wäre de facto eine Kriegserklärung. Deshalb noch einmal meine Frage: Nehmen Sie diese Drohung ernst?

BURGER: Ich habe über die öffentlich verfügbaren hinaus keine Erkenntnisse zu diesen Aussagen. Ich habe ja gerade schon gesagt, was die Zielrichtung unseres Wirkens ist, nämlich ein Ende der ausländischen Unterstützung für militärische Aktivitäten in Libyen und ein Beitrag dazu, dass sich die Parteien endlich an den Verhandlungstisch begeben.

ZUSATZFRAGE: Nur eine Verständnisfrage: Sie haben keine Erkenntnisse über die Aussagen von Al-Sisi zu diesem Thema?

BURGER: Keine über die öffentlich bekannten hinaus.

FRAGE: Herr Seibert, die Kanzlerin hat mit dem ägyptischen Präsidenten erst vor wenigen Tagen telefoniert. Hat dabei diese Drohung, in Libyen direkt zu intervenieren, eine Rolle gespielt? Wie bewertet die Kanzlerin den Vorgang?

SEIBERT (BReg): Es war natürlich ein vertrauliches Gespräch, aus dem ich hier jetzt auch nicht weiter berichten werde. Sie wissen aber ‑ und das kann ich gerne noch einmal sagen ‑, dass die Haltung der Bundeskanzlerin und der ganzen Bundesregierung, gerade auch in der engen Zusammenarbeit mit dem Außenminister, diejenige ist, dass wir alle Parteien dazu aufrufen, die Ruhe zu bewahren und sich für eine politische Lösung einzusetzen. Libyen braucht nichts so sehr wie einen Waffenstillstand, und die Parameter eines solchen Waffenstillstands sollen in den Militärgesprächen verhandelt werden, die die Vereinten Nationen vermittelt haben. Dafür hat der Berliner Prozess die Vorkehrungen geschaffen. So bleiben diese Verhandlungen unter UN-Ägide aus unserer Sicht der zentrale Bezugspunkt für den Friedensprozess in Libyen. Das ist die Haltung der Bundeskanzlerin, die sie in vielen Gesprächen, öffentlich wie nicht öffentlich, immer wieder vertreten hat.

ZUSATZFRAGE: Ich will es trotzdem noch einmal versuchen: Hat der ägyptische Präsident in dem Gespräch möglicherweise schon angekündigt, dass Ägypten intervenieren könnte?

SEIBERT: Ich habe Ihnen über das Gespräch der Kanzlerin mit dem ägyptischen Präsidenten hier nicht mehr zu berichten.

Präsidentschaftswahl in Bolivien

FRAGE: Herr Seibert, Sie hatten hier am 11. November letzten Jahres die Vertreibung von Evo Morales und den Machtantritt der Interimspräsidentin Áñez als wichtigen Schritt bezeichnet, auch mit Verweis auf die entsprechenden OAS-Berichte. Jetzt gibt es eine neue unabhängige Untersuchung, die zu dem Schluss gekommen ist, dass es diese angeblichen Unregelmäßigkeiten und Manipulationen gar nicht gab. Selbst die „New York Times“ berichtet, die These eines Wahlbetrugs beruhe auf falschen Daten und ungeeigneten statistischen Techniken. Dazu möchte ich fragen: Sind der Bundesregierung diese neuen Erkenntnisse bekannt? Plant sie eine Revision ihrer damaligen Aussage, dass das ein wichtiger Schritt war?

SEIBERT (BReg): Ich weiß nicht, wie es das Auswärtige Amt sieht ‑ ich habe heute keine neuen Informationen zu Bolivien mitgebracht und müsste die gegebenenfalls nachreichen.

BURGER (AA): Bei mir sieht es genauso aus.

ZUSATZFRAGE: Jetzt hat Áñez den für September vereinbarten Wahltermin erneut verschoben und weigert sich auch, das entsprechende Wahlgesetz, das diese Neuwahlen dann ermöglicht, zu unterzeichnen. Wie bewertet das Auswärtige Amt ‑ zumindest davon wird es ja Kenntnis haben ‑ diese Weigerung der Interimspräsidentin?

BURGER: Auch zu dieser Frage würde ich Ihnen gerne nachliefern.

Deutsche EU-Ratspräsidentschaft

FRAGE: Herr Seibert, zur EU-Ratspräsidentschaft: Es gibt Diskussionen zum Sponsoring. Rumänien hatte seine Ratspräsidentschaft von Coca-Cola sponsern lassen, Österreich von Audi und Bulgarien von BMW. Von wem wird die Bundesregierung während der EU-Ratspräsidentschaft gesponsert? Oder verzichtet die Bundesregierung komplett darauf?

SEIBERT (BReg): Ich meine, wir hätte hier neulich ausführlich dazu berichtet, aber vielleicht war das auch eine Anfrage, die außerhalb der Bundespressekonferenz lief. Ich werde die Antwort auf diese Anfrage gerne noch einmal nachreichen. Die Präsidentschaft der Bundesregierung ist nicht gesponsert.

ZUSATZFRAGE: Das heißt, Sie verzichten komplett darauf, und es gibt auch keine kleinen lokalen oder regionalen Unternehmen, die Getränke sponsern etc.?

SEIBERT: Deswegen würde ich Ihnen den Text, den wir dazu herausgegeben haben, gerne noch einmal heraussuchen und zur Verfügung stellen. Es gibt grundsätzlich kein Sponsoring. Ich glaube mich zu erinnern, dass es bei einzelnen Veranstaltungen möglicherweise die Zurverfügungstellung von regionalen Spezialitäten gibt. Das würde ich jetzt aber, ehrlich gesagt, nur unter Vorbehalt sagen. Es gibt dazu einen ganz klaren Text, und den stelle ich hier gerne noch einmal zur Verfügung.

FRAGE: Es gibt ja, da die einzelnen Ratspräsidentschaften das unterschiedlich handhaben, auch die Erwägung, ob man auf EU-Ebene eine grundsätzliche Regelung haben sollte, dass es kein Sponsoring ‑ jedenfalls in großem Ausmaß ‑ geben dürfe. Setzt sich die Bundesregierung für eine solche grundsätzliche Regelung eines Sponsoringverbots ein?

SEIBERT: Ich habe meinen Text jetzt auch gefunden ‑ so schnell geht es manchmal.

Die Bundesregierung wird im Rahmen der deutschen EU-Ratspräsidentschaft grundsätzlich auf Sponsoring verzichten, um ihre volle Unterstützung für die Ziele der EU zu zeigen. Grundsätzlich sollte der Verzicht auf Sponsoring als politisches Zeichen der Unabhängigkeit betrachtet werden und zeigen, dass die Durchführung der Ratspräsidentschaft grundsätzlich ohne Sponsoring durch die Privatwirtschaft möglich ist. Jetzt kommt es: Ausnahmen könnten allenfalls im regionalen Bereich liegen. Regionale Spezialitäten werden da zum Beispiel genannt. So könnte beispielsweise regionalen Anbietern, etwa von regional typischen Produkten der Veranstaltungsorte, die Gelegenheit gegeben werden, diese zu präsentieren. Auch in diesem Fall sind die Vorschriften der VV Sponsoring einzuhalten. Unter anderem müssen die Prinzipien der Chancen- und Wettbewerbsgleichheit Berücksichtigung finden.

VORS. WEFERS: Es war noch die Frage offen, ob Sie sich dafür einsetzen wollen, dass das immer so bleibt.

SEIBERT: Ich habe doch klar gesagt, dass die Bundesregierung die Ziele der Europäischen Union auf diesem Gebiet damit unterstützen will, dass sie grundsätzlich auf Sponsoring verzichtet.

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