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Erklärungen des Auswärtigen Amts in der Regierungs­pressekonferenz vom 04.11.2020

04.11.2020 - Artikel

Islamistischer Terroranschlag in Wien

SEIBERT (BReg): Guten Tag, meine Damen und Herren! Am Montag ist Wien Ziel eines schrecklichen islamistischen Terrorangriffs geworden. Ein Täter, der sich zum sogenannten „Islamischen Staat“ bekannte, tötete vier Menschen ‑ darunter auch eine Deutsche ‑ und verletzte zahlreiche andere zum Teil schwer. Unter den Verletzten sind auch deutsche Landsleute.

Ich möchte hier wiederholen und bekräftigen, was die Bundeskanzlerin nach diesem Terroranschlag gesagt hat:

„Wir Deutsche stehen in Anteilnahme und Solidarität an der Seite unserer österreichischen Freunde. Der islamistische Terror ist unser gemeinsamer Feind. Der Kampf gegen diese Mörder und ihre Anstifter ist unser gemeinsamer Kampf.“

Jeder solcher Anschlag ist ein Anschlag auf uns alle, unsere freie und offene Art zu leben, in Unterschiedlichkeit und in Respekt füreinander zu leben.

Wir wurden in den letzten Wochen nicht nur in Wien als demokratische und freie Gesellschaften durch den gewalttätigen Islamismus herausgefordert, sondern auch bei Paris ‑ der Mord an dem Lehrer Samuel Paty ‑, in Nizza ‑ die Bluttat in der Kirche – und auch hier bei uns in Deutschland in Dresden, wo ein islamistischer Fanatiker zwei Männer hinterrücks angriff, einen von ihnen erstach und seinen Lebensgefährten schwer verletzte.

Weil das manchmal nicht genauso viel Raum in der Berichterstattung hat: Am Montag sind auch in der Universität Kabul Studenten und Studentinnen von islamistischen Extremisten ermordet worden. Islamistischer Terrorismus ist eine globale Bedrohung.

Wir denken heute an all diese Menschen, die ihr Leben oder ihre Gesundheit verloren haben. Ihrem Angedenken oder ihrer Hoffnung, wieder gesund zu werden, wollen wir uns mehr widmen als den Tätern. Sie verdienen es so viel mehr.

[…]

US-Wahlen

FRAGE: Was sagt die Bundesregierung zu Trumps Ankündigung, die US-Wahl gewonnen zu haben?

SEIBERT (BReg): Die US-Bürger und US-Bürgerinnen haben zwar gewählt, aber mit welchem Endergebnis, wissen wir noch nicht. Solange das so ist, verfolgt die Bundesregierung alles aufmerksam, aber sie kommentiert den Stand der Dinge nicht. Dafür bitte ich Sie um Verständnis.

FRAGE: Herr Seibert, ist es hilfreich für den gemeinsamen Stand und den gemeinsamen Auftritt der Europäischen Union, wenn der slowenische Ministerpräsident Trump bereits öffentlich gratuliert?

SEIBERT: Das kommentiere ich nicht. Dass ich den Stand der Dinge in den USA nicht kommentiere, habe ich Ihnen gerade gesagt.

FRAGE: An Herrn Seibert und Frau Adebahr: Sind Sie dafür oder gehen Sie auf die Forderung der Grünen ein, dass es einen EU-Sonderrat geben muss, der sich mit den Ergebnissen der US-Wahl auseinandersetzt? Planen die Außenminister möglicherweise heute noch eine Abstimmung? Soweit ich weiß, sind bisher nur Beratungen der Botschafter vorgesehen.

SEIBERT: Was den Rat der Staats- und Regierungschefs, also den Europäischen Rat betrifft, kann ich nur sagen, dass es natürlich dem Präsidenten des Europäischen Rates, Charles Michel, obliegt, zu Sitzungen des Europäischen Rates einzuladen. Ich kenne keine solche Einladung.

ADEBAHR (AA): Mir ist auch seitens des Hohen Repräsentanten, Herrn Borrell, keine solche Einladung bekannt.

ZUSATZFRAGE: Entschuldigung, dann habe ich vielleicht falsch gefragt. Halten Sie es für sinnvoll, dass man sich europäisch abstimmt ‑ die Frage nach Slowenien wurde ja gestellt ‑, wie man gemeinsam auf die US-Wahl und das jetzt noch nicht feststehende Ergebnis reagiert?

SEIBERT: Sie sagen es selber: Das Ergebnis steht noch nicht fest. Für die Bundesregierung kann ich nur sagen: Das ist ein Stand der Dinge, den wir nicht kommentieren, und den würden wir dann sicherlich auch im europäischen Rahmen als Bundesregierung nicht kommentieren.

ADEBAHR: Ich denke, es ist klar, dass die Wahl in Amerika für Europa eine Bedeutung hat und auch transatlantisch in Zukunft eine Bedeutung hat, weil sich daraus Themen ergeben, die in Europa diskutiert werden. Für diesen Tag und die aktuelle Situation gilt aber, glaube ich, das, was Herr Seibert gesagt hat.

FRAGE: Herr Seibert, konnte die Bundesregierung faire Wahlen in den USA beobachten?

Frau Adebahr, was konnten Sie in Sachen Missachtung von demokratischen Prinzipien feststellen? Es waren ja Wahlbeobachter vor Ort.

SEIBERT: Ja, eine OSZE-Wahlbeobachterkommission ist in einzelnen Bundesstaaten, wenn auch nicht in allen, gewesen, und es ist deren Aufgabe, festzustellen, ob es im Einzelnen zu Unregelmäßigkeiten gekommen ist. Ich kann dazu keine Aussage machen.

ZUSATZ: Aber es gibt doch „voter suppression“ und teilweise unfaire Praktiken der einen Seite, was nicht auf legitimen oder demokratischen Prinzipien fußt, Herr Seibert.

SEIBERT: Kommt da noch eine Frage?

ZUSATZ: Mich wundert, dass Sie das nicht kommentieren wollen.

SEIBERT: Auch das ist keine Frage.

ZUSATZFRAGE: Warum wollen Sie so etwas nicht kommentieren?

SEIBERT: Die Bundesregierung hat Vertrauen in die demokratische Tradition und in die rechtsstaatlichen Institutionen der Vereinigten Staaten von Amerika.

FRAGE: Können Sie bitte bewerten, dass Trump von Fälschung spricht und die Gerichte anordnen lassen will, das Zählen der Wählerstimmen zu stoppen?

SEIBERT: Ich verweise auf meine Aussage ganz zu Beginn.

FRAGE: Herr Seibert, gehört zu dem Vertrauen, das Sie eben noch einmal artikuliert haben, auch die Erwartung, dass Repräsentanten demokratisch im Wertekanon Verbündeter die Prinzipien demokratischer Wahlen wie zum Beispiel das Warten auf Endergebnisse einhalten?

SEIBERT: Sie können es jetzt auf vielfache Art und Weise versuchen ‑ es wird nichts daran ändern, dass es für die Bundesregierung dabei bleibt, dass wir den Stand der Dinge ‑ es ist gewählt worden, aber wir haben noch kein Endergebnis ‑ nicht weiter kommentieren, sondern aufmerksam verfolgen, wie sich das in den USA weiter entwickelt.

ZUSATZFRAGE: Entschuldigung, ich habe ja extra nicht nach einer Kommentierung gefragt, sondern habe danach gefragt, ob zu den Erwartungen der Bundesregierung auch gehört, dass sich demokratisch verbündete Nationen und deren Repräsentanten an diese Regeln halten. Das ist eine Erwartungsfrage und keine Bewertungsfrage.

SEIBERT: Ich habe zu dem Komplex jetzt nichts Weiteres zu sagen.

FRAGE: Noch einmal ganz kurz: War das heute Thema im Kabinett, Herr Seibert?

Wie hat die Kanzlerin die Nacht verfolgt? Hat sie durchgemacht oder das heute Morgen verfolgt?

SEIBERT: Die Bundeskanzlerin verfolgt, wie ich gerade gesagt habe, die Dinge in den USA aufmerksam.

Im Kabinett war es kurz Thema, indem der Bundesaußenminister seine Kollegen und Kolleginnen auf den aktuellen Stand gebracht hat.

ZUSATZFRAGE: Darf ich fragen, was das heißt? Gibt er da die aktuellen Ergebnisse durch, Frau Adebahr?

ADEBAHR: Der Bundesminister hat zur aktuellen Situation, wie die Wahl im Moment steht, im Kabinett vorgetragen, ja.

SEIBERT: Nicht Staat für Staat.

FRAGE: Wenn Sie sich nicht öffentlich äußern wollen, hätte ich ganz gerne gewusst: Gab es denn Kontakte mit den amerikanischen Kollegen, zum Beispiel mit Herrn Pompeo, dass man sich informiert, wie die derzeitige Regierung, die ja auf jeden Fall noch bis Januar im Amt bleiben wird, weitermachen möchte?

Dasselbe gilt natürlich auch für die Ebene der Kanzlerin: Hat sie mit Herrn Trump jenseits von Glückwünschen direkt Kontakt aufgenommen oder plant sie das?

SEIBERT: Sie hat in dieser Nacht nicht mit Herrn Trump Kontakt aufgenommen. Üblicherweise kündige ich so etwas auch nicht an, sondern informiere Sie dann, wenn so etwas passiert ist.

ADEBAHR: Ich kann auch von keinem nächtlichen Kontakt mit Herrn Pompeo berichten. Natürlich arbeiten wir mit der US-Administration die ganze Zeit zusammen, politisch und auch mit Vertretern der Administration. Das ist ein Prozess, der natürlich im gegenseitigen Interesse ist, und das wird ganz unabhängig vom Wahlergebnis bei Dossiers, die man gemeinsam bearbeitet, auch in den nächsten Wochen so sein.

Austritt der USA aus dem Klimaabkommen von Paris

FRAGE: Herr Seibert, die Vereinigten Staaten sind heute formal aus dem Pariser Klimaabkommen ausgetreten. Kann das Ziel dieses Abkommens, die Erderwärmung unter zwei Grad zu halten, ohne den Beitrag der USA erreicht werden?

SEIBERT (Breg): Es ist ‑ wir haben es schon in der Vergangenheit gesagt, als der Austritt angekündigt wurde ‑ für die internationale Klimapolitik höchst bedauerlich, dass die USA aus dem Klimaschutzabkommen von Paris austreten. Umso wichtiger bleibt es, dass Europa, die EU und auch Deutschland, mit gutem Beispiel vorangehen. Daher hat sich die Bundesregierung zur Treibhausgasneutralität bis 2050 verpflichtet. Wir haben unser Klimaschutzprogramm 2030 mit einer begleitenden Klimaschutzgesetzgebung auf den Weg gebracht, um unsere Klimaziele 2030 einzuhalten.

Mit diesem Ansatz sind wir in guter Gesellschaft. Viele Länder machen sich derzeit wie wir auf den Weg hin in eine klimafreundlichere Wirtschaftsweise. Das gilt ‑ wir sprachen über die USA ‑ im Übrigen auch für zahlreiche Bundesstaaten, für Städte, für Gemeinden, für Unternehmen und für Organisationen in den USA, in denen sehr erfolgreich Klimaschutz betrieben wird.

Auf europäischer Ebene bekräftigt die EU mit ihren Vorschlägen für einen „Green Deal“, für ein ambitionierteres Klimaziel 2030 und eben für ein EU-Klimaschutzgesetz ihre Zusagen, die sie innerhalb des Pariser Klimaschutzabkommens gemacht hat. Die Gemeinschaft plant, dass Europa bis 2050 der erste klimaneutrale Kontinent wird. Wir als Bundesregierung begrüßen das ausdrücklich und arbeiten innerhalb der deutschen Ratspräsidentschaft aktuell an der Umsetzung mit.

ZIMMERMANN (BMU): Die Ministerin hat sich dazu gestern in der „Rheinischen Post“ geäußert. Das können Sie dort nachlesen. Die entscheidende Aussage ist, dass, anders als vor drei Jahren vielleicht zu befürchten war, der Rest der Welt dem Austrittskurs der USA nicht gefolgt ist. Im Gegenteil hat das Jahr 2020 gezeigt, dass sich entscheidende Staaten sehr engagiert an das halten, was wir gemeinsam in Paris verabredet haben. Das weltweite Bekenntnis zum Pariser Klimaschutzabkommen bleibt also felsenfest.

COVID-19-Pandemie: Aufnahme von Erkrankten aus anderen europäischen Ländern

FRAGE: Ich habe eine Frage an das Auswärtige Amt bzw. an das Gesundheitsministerium: Gibt es im Moment die Möglichkeit und auch den Bedarf, schwer Erkrankte aus anderen europäischen Ländern, wie es ja im Winter der Fall war, auf deutsche Intensivstationen zu bringen?

KAUTZ (BMG): Es gibt Anfragen. Ich kann das jetzt nicht quantifizieren, weil das häufig zum einen über die Länder und zum anderen direkt über die Krankenhäuser abläuft. Wenn wir Kapazitäten haben, dann sind wir gerne bereit, Patienten aus Nachbarländern aufzunehmen.

ZUSATZFRAGE: Können Sie dazu Zahlen nachreichen, falls die vorliegen sollten?

KAUTZ: Den Überblick darüber habe ich, ehrlich gesagt, nicht.

ADEBAHR (AA): Wir können auch noch einmal schauen, ob wir Zahlen haben. Ich glaube, in der letzten Regierungspressekonferenz war von vier Personen aus den Niederlanden die Rede, wenn ich mich richtig erinnere, die bei uns behandelt worden sind. Wir leisten ja zum Beispiel auch Hilfe durch Beatmungsgeräte. Wir konnten zum Beispiel kürzlich 100 Geräte Tschechien übergeben, was uns sehr freut, weil die Pandemielage dort ja auch sehr schwierig ist.

Verschiebung des Treffens des deutschen und des griechischen Außenministers

FRAGE: Aus welchem Grund wurde heute das Treffen des Außenministers Maas mit seinem griechischen Amtskollegen verschoben? Gibt es schon einen neuen Termin dafür?

ADEBAHR (AA): Ja, das mussten wir leider aus terminlichen Gründen kurzfristig verschieben. Sobald es einen neuen Termin geben wird ‑ das könnte eventuell noch heute der Fall sein ‑, werden wir Ihnen schnell Bescheid sagen.

Angekündigte Wahl der Schura in Katar

FRAGE: Ich habe eine Frage an Frau Adebahr, die Golfregion betreffend. Katar hat angekündigt, dass es genau in einem Jahr die erste Parlamentswahl abhalten möchte. Was halten Sie davon? Wie bewertet man diese Ankündigung? Erwartet man, dass das ein Beitrag zur Demokratisierung der Golfregion sein wird?

ADEBAHR (AA): Aus unserer Sicht ist dieser Schritt begrüßenswert. Wir begrüßen also die Ankündigung des katarischen Scheichs Al Thani, das im Herbst des nächsten Jahres erstmals Wahlen für den sogenannten Schura-Rat stattfinden sollen. Wir glauben, dass das ein wichtiger Schritt für mehr politische Partizipation der katarischen Bürgerinnen und Bürger sein kann.

Das ist ja eine Reform, die schon in der Verfassung von 2003 festgeschrieben worden war. Insofern ist es begrüßenswert, dass jetzt ‑ ich glaube, es war gestern ‑ die Ankündigung durch die katarische Seite erfolgt ist, dass ein Prozentsatz dieser Schura ‑ Sie haben es Parlament genannt ‑ direkt gewählt werden soll.

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