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Erklärungen des Auswärtigen Amts in der Regierungspressekonferenz vom 20.11.2020
Virtueller G20-Gipfel
FRAGE: Herr Seibert, bitte formulieren Sie in Sachen G20-Gipfel die Erwartungen der Kanzlerin. Die wichtigsten Themen werden ja wahrscheinlich Pandemiebekämpfung, Klimaschutz etc. sein. Gibt es bei diesem virtuellen Format und auch aufgrund der Tatsache, dass die USA an diesen Themen offenbar wenig Interesse haben, sich gemeinsam abzustimmen, Erwartungen, dass es tragfähige Ergebnisse geben kann?
SEIBERT (BReg): Zunächst einmal will ich sagen ‑ vielleicht wissen Sie es auch schon ‑, dass es um 13 Uhr an dieser Stelle ein ausführliches Briefing zum G20-Gipfel mit dem Sherpa und Wirtschaftsberater der Bundeskanzlerin, Prof. Röller, geben wird. Dort wird es sicherlich sehr viel präzisere Antworten und Informationen geben.
Ich muss einmal daran erinnern, dass es schon der zweite G20-Gipfel in diesem Jahr ist. Am 26. März hat es einen außerordentlichen virtuellen Gipfel zum Thema der Pandemie gegeben, die schon damals die Staaten massiv bedrängt und belastet hat. Damals sind außerordentliche Wirtschafts- und Finanzmaßnahmen sowie die Unterstützung der Weltgesundheitsorganisation beschlossen worden, und es ist ein Auftrag an die Fachminister zur Zusammenarbeit ergangen. Das waren bereits wichtige Verabredungen.
Was sind die wesentlichen Themen? Sie haben es im Prinzip schon angesprochen: Das ist natürlich die Pandemie, in deren zweiter Welle zumindest wir in Europa und auch in Nordamerika ‑ in Asien stellt sich die Lage etwas anders dar ‑ stecken. Weiterhin sind die Stichworte Klima, Umwelt, das Abkommen von Paris mit ambitionierten nationalen Klimaschutzplänen sowie die Klimafinanzierung zu nennen. Wie immer beim G20-Gipfel ist das Thema multilaterales Handelssystem ‑ offene Märkte und WTO-Reform ‑ etwas, worüber zu sprechen sein wird. Weiterhin wird es um Entwicklungsthemen, die Umsetzung der Agenda 2030, gehen. In Bezug auf das Thema Afrika ist erstens die Frage, wie man Afrika bei der Überwindung der Coronapandemie unterstützen kann. Weiterhin geht es um Fragen eines Schuldenmoratoriums. Das alles ist dort zu besprechen. Ich kann jetzt, ehrlich gesagt, nicht viel weiter in die Details gehen. Dazu halten wir ja dieses Briefing ab.
Die G20 ist, gerade weil sie eine Gruppe ganz heterogener Staaten ist, eine Gruppe von Staaten, die ganz unterschiedliche Gesellschaftsformen und politische Systeme haben. Sie ist natürlich ‑ das ist der entscheidende Unterschied zu den G7 ‑ keine Wertegemeinschaft, aber ein zentrales Forum für eine multilaterale Zusammenarbeit, die nach fester Überzeugung der Bundesregierung gerade in einer Situation wie der Pandemie, die auf die eine oder andere Art und zur einen oder anderen Zeit ‑ nicht immer genau zeitlich parallel ‑ alle Länder massiv getroffen hat, einen wichtigen Wert haben kann.
Indo-Pazifik-Leitlinien der Bundesregierung
FRAGE: Zu China und dem Indopazifik: Wie hat China auf die Indo-Pazifik-Leitlinien reagiert? Dienst der Indopazifik als Primärschnittstelle zur Verbesserung der transatlantischen Beziehungen?
SASSE (AA): Vielleicht für alle: Hintergrund der Frage sind die Indo-Pazifik-Leitlinien, die wir vor Kurzem verabschiedet haben. Mir liegen allerdings im Moment keine Informationen darüber vor, wie China reagiert hat, deswegen müsste ich dazu nachfragen und würde auf beide Fragen noch einmal zurückkommen.
Studie zur Vernetzung von Rechtsextremen
FRAGE: Zum Kabinettsausschuss an das Auswärtige Amt: Ich beziehe mich auf eine Studie zur Vernetzung von extremen Rechten. Was hat den Minister dazu veranlasst, eine solche Studie in Auftrag zu geben? Die Erkenntnisse daraus sind nicht neu. Welche konkreten politischen Maßnahmen sollen aus Sicht des Ministers nun daraus folgen?
SASSE (AA): Es ist richtig, die Frage nimmt Bezug auf eine Studie über internationalen Rechtsterrorismus, die heute vorgestellt. Außenminister Maas hat sich zu dieser Studie heute auch selber gegenüber einer großen deutschen Tageszeitung geäußert und Folgendes gesagt:
„Rechtsterrorismus ist eine große Gefahr für die öffentliche Sicherheit in unserem Land. Die NSU-Morde, die Anschläge von Halle und Hanau und der feige Mord in Kassel belegen das. Aber nicht nur bei uns ist das so ‑ Akte des rechten Terrors nehmen auch in anderen Ländern zu. Die Szene agiert und vernetzt sich zunehmend international. Bisher war wenig erforscht, wie und über welche Kanäle sich Rechtsterroristen verbinden. Dazu liefert die Studie jetzt wertvolle Erkenntnisse. Um mit unseren Partnern besser gegen rechtsterroristische Strukturen vorgehen zu können, haben wir das Thema während unserer EU-Ratspräsidentschaft und auch bei der UNO auf die Agenda gesetzt und werden es auch weiter intensiv verfolgen.“
Ich denke, dieses Zitat spricht für sich, weil es die Hintergründe der Studie erläutert. Auf die Einzelfälle, die der Außenminister erwähnt ‑ die NSU-Morde, die Anschläge von Halle und Hanau ‑, ist die Bundesregierung an dieser Stelle ja schon wiederholt eingegangen. Herr Seibert hatte sich dazu mehrfach selber geäußert.
Die Studie selber steht eben in dem Zusammenhang, den Außenminister Maas heute geschildert hat.
ZUSATZFRAGE: Welche konkreten politischen Maßnahmen sollen nun aus diesen Erkenntnissen folgen?
SASSE: Auch dazu verweise ich auf die Aussage des Außenministers von heute. Ziel ist es, mit den Partnern gemeinsam gegen rechtsterroristische Strukturen vorgehen zu gehen. Da geht es noch nicht um konkrete Maßnahmen, sondern es geht darum, dass man einen Ansatzpunkt hat, auf dessen Grundlage man weitere Maßnahmen entwickeln kann.
Parlamentswahlen in Venezuela
FRAGE: Am 6. Dezember finden Parlamentswahlen in Venezuela statt. Der zumindest von ihnen anerkannte, selbst ausgerufene Interimspräsident Juan Guaidó nimmt an diesen Wahlen nicht teil, wird dann also auch kein Amt als „Diputado“, also als Abgeordneter, mehr haben. Da würde mich interessieren: Plant die Bundesregierung nach dem verfassungsgemäßen Auslaufen der Legislatur trotzdem noch eine Anerkennung von Guaidó als Interimspräsident, auch wenn er dann keinerlei offizielles Amt mehr innehat?
SASSE (AA): Unsere Haltung zu Venezuela haben wir an dieser Stelle in der Bundespressekonferenz wiederholt zum Ausdruck gebracht. Daran hat sich nichts geändert. Wie wir uns nach den Parlamentswahlen in Venezuela positionieren, werden wir entscheiden, wenn es so weit ist ‑ dem wollen wir nicht vorgreifen.
ZUSATZFRAGE: Aber meine Frage zielt ja darauf ab, dass der von Ihnen bisher anerkannte, selbst ausgerufene Interimspräsident Guaidó definitiv ‑ egal wie Sie diese Wahlen bewerten ‑ nicht antritt und ihm damit auch sein einziges noch legitimes Amt als Abgeordneter nicht mehr zur Verfügung steht. Da würde mich aus völkerrechtlicher Perspektive einfach interessieren, ob das Auswärtige Amt ‑ das wird es ja jetzt schon in Planung haben ‑ Herrn Guaidó weiterhin anerkennen wird, auch wenn er überhaupt keine verfassungsgemäße Basis für das von Ihnen zugeschriebene Amt als Interimspräsident hätte.
SASSE: Über Planungen kann ich an dieser Stelle leider wirklich keine Auskunft geben. Wir werden uns mit der Sache beschäftigen bzw. wir sind natürlich mit der Sache befasst, aber wir werden uns dazu öffentlich erst dann äußern, wenn es tatsächlich so weit ist. Wir können Anfang Dezember aber gerne noch einmal darauf zurückkommen.
Brief des slowenischen Ministerpräsidenten an die Bundeskanzlerin
FRAGE: Zu Slowenien und der EU: Frau Merkel erwähnte in ihrer gestrigen Erklärung ausdrücklich den slowenischen Ministerpräsidenten Janša, der einen Kompromiss in der EU forderte. Hat Frau Merkel dies aus dem Brief, den er an sie geschrieben hat, entnommen? Wenn nicht: Könnten Sie sich dazu äußern, wie die deutsche Ratspräsidentschaft seinen Brief verstanden hat?
SEIBERT (BReg): Die Bundeskanzlerin hat gestern nach der Videokonferenz des Europäischen Rates der Presse in einer Pressekonferenz berichtet. Die Videokonferenz hatte als wesentliches Thema den gemeinsamen Kampf gegen die Coronapandemie, aber es wurde auch das Thema des mehrjährigen Finanzrahmens, des Aufbaupakets und des Konditionalitätsmechanismus angesprochen. Einer derjenigen, die dieses Thema angesprochen haben ‑ das waren insgesamt nur fünf Redner in diesem Europäischen Rat ‑, war der slowenische Ministerpräsident Janša, und darauf hat die Bundeskanzlerin sich bezogen. Dem, was sie in der Pressekonferenz gestern sagte, habe ich jetzt nichts hinzuzufügen.
FRAGE: Ich hätte dazu auch eine Frage, Herr Seibert: Das, was die Kanzlerin gestern dazu gesagt hat, war ja relativ knapp; sie sagte, sie wolle jetzt keine Lösungswege skizzieren. Können Sie uns zumindest sagen, auf welcher Ebene jetzt versucht wird, doch noch eine Lösung in diesem Finanzstreit zu erreichen? Wird sich das auf der Ebene der Bundeskanzlerin in Gesprächen mit den anderen Regierungschefs abspielen oder auf Expertenebene?
SEIBERT: Ich habe der Pressekonferenz, die ja erst gestern Abend war und jetzt noch keinen neuen Stand hervorgebracht hat, hier nicht viel hinzuzufügen. Wie erwähnt und von der Kanzlerin gestern berichtet, wird die deutsche Ratspräsidentschaft jetzt rasch zu Gesprächen mit Ungarn und Polen einladen. Die Bundeskanzlerin selber war mit diesem Thema in den vergangenen Tagen, Wochen und, man muss auch sagen, Monaten schon intensiv befasst, und sie wird es sicherlich wieder sein. Es gibt aber auch andere Arbeitsebenen, die jetzt wertvolle Arbeit auf der Suche nach einer Lösung leisten können.
ZUSATZFRAGE: Dürfte ich die Frage dann an das Auswärtige Amt weitergeben? Sie sind da ja mit involviert. Gibt es da konkrete Initiativen, die Sie jetzt starten?
SASSE (AA): Ich kann dem, was Herr Seibert gesagt hat, an dieser Stelle heute nichts hinzufügen. Gestern tagte, wie Sie wissen, auch der Rat für Auswärtige Beziehungen. Auch da wurde das Thema besprochen. Im Moment habe ich dem, was Herr Seibert gesagt hat, aber nichts hinzuzufügen.