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Erklärungen des Auswärtigen Amts in der Regierungs­pressekonferenz vom 22.01.2021

22.01.2021 - Artikel

COVID-19-Pandemie: durch die EU-Kommission angekündigte Einführung einer neuen Kategorie zur Einstufung von Risikogebieten

FRAGE: Meine Frage bezieht sich auf die gestern Abend in der EU diskutierten möglichen Grenzschließungen. Herr Seibert, können Sie noch einmal erklären, wie die dunkelroten Zonen definiert werden und vor allem bei welchen Ländern die Bundesregierung ein mögliches Problem oder Nachholbedarf sieht?

SEIBERT (BReg): Sie gehen auf eine Äußerung der Kommissionpräsidentin in ihrer gestrigen Pressekonferenz zurück. Ich müsste Sie also darauf verweisen, bei der Kommission oder der Kommissionspräsidentin die genaue Definition zu erfragen. Das kann ich nicht sagen. Es geht um eine neue Kategorie von Regionen, die anzeigt, wo es eine besonders starke Verbreitung des Coronavirus gibt. Von Personen, die aus diesen Zonen verreisen wollen, könnte vor ihrer Abreise ein Test und dazu noch Quarantäne nach ihrer Ankunft verlangt werden.

Grundsätzlich besteht unter den Mitgliedern des Europäischen Rates aber Einigkeit darüber, dass von allen nicht zwingend notwendigen Reisen ohnehin dringend abgeraten werden muss. Es könnte auch diesbezüglich noch zu weiteren Einschränkungen kommen, um die Gefahr, die jetzt alle sehen und die allen bewusst ist, nämlich die Gefahr durch das mutierte Virus, noch weiter einzudämmen.

ZUSATZFRAGE: Bezieht sich das auf eine besonders starke Verbreitung des Virus oder der Mutation?

SEIBERT: Entschuldigen Sie, aber ich muss Sie dafür wirklich an die Kommission verweisen, auf deren Pressekonferenz das ja zurückgeht. Allerdings weist in den Ländern, in denen wir jetzt gerade einen besonders jähen Anstieg der Infektionszahlen erlebt haben wie in Irland und Großbritannien, aber derzeit leider auch sehr stark in Portugal und Spanien alles darauf hin, dass die mutierte Variante des Virus dabei eine beträchtliche Rolle spielt.

Atomwaffenverbotsvertrag

FRAGE: Heute tritt der Atomwaffenverbotsvertrag global in Kraft. Mich würde interessieren, ob es stimmt, dass das der erste Abrüstungsvertrag in der Geschichte ist, der ohne die Bundesrepublik in Kraft tritt.

Ihr Argument dafür, sich nicht daran zu beteiligen, ist ja, an der nuklearen Abschreckung festzuhalten, während es ja auch andere Staaten gebe, die zum Beispiel Deutschland mit Atomwaffen bedrohen. Können Sie einen Staat nennen, von dessen Atomwaffen sich die Bundesrepublik bedroht fühlt?

SASSE (AA): Vielen Dank für die Frage, Herr Jung. – Es ist richtig: Der Atomwaffenverbotsvertrag tritt heute in Kraft. Soweit ich weiß, hat sich Herr Seibert Ende Oktober letzten Jahres ausführlich zu dem Thema geäußert. Das war der Beginn der Frist, die heute eben abgelaufen ist, hinsichtlich des Inkrafttretens des Vertrags.

Noch einmal grundsätzlich zur Einordnung: Wir müssen zwischen dem Atomwaffenverbotsvertrag und dem Atomwaffensperrvertrag oder auch Nichtverbreitungsvertrag unterscheiden, der bereits seit 1970 in Kraft ist. Auch diesen Unterschied hat Herr Seibert in der Vergangenheit bereits mehrfach erläutert.

Es geht darum, dass wir uns alle im Ziel einig sind. Ziel ist und bleibt für uns eine atomwaffenfreie Welt. Das ist ein Kernanliegen der Bundesregierung. Daran hat sich nichts geändert. Wir sind uns allerdings nicht mit allen Staaten der Welt einig, was den Weg angeht, auf dem man dieses Ziel erreichen kann. Aus Sicht der Bundesregierung muss nämlich eben auch die sicherheitspolitische Realität berücksichtigt werden. Zum einen geht es beim Atomwaffenverbotsvertrag eben nicht um die Nuklearstaaten, also die Staaten, die über Nuklearwaffen verfügen. Die sind bisher nicht beim Atomwaffenverbotsvertrag dabei. Außerdem sind wir als NATO-Mitglied bestimmten Bündnisverpflichtungen unterworfen, die sich unter anderem auf die nukleare Teilhabe beziehen. Auch diese Realität müssen wir bei unserer Abwägung der Positionen berücksichtigen.

Wir sind deswegen der Meinung, dass, solange keiner der Nuklearwaffenstaaten überhaupt beim Atomwaffenverbotsvertrag dabei ist, dies für uns nicht der erfolgversprechendste Weg ist. Wir haben andere Möglichkeiten. Noch einmal: Unser Ziel einer atomwaffenfreien Welt ist klar. Wir setzen uns auf allen möglichen Wegen für eine Stärkung der internationalen und globalen Sicherheits- und Abrüstungsarchitektur ein, aber wir suchen eben andere Wege als den Atomwaffenverbotsvertrag, der aus den Gründen, die ich gerade geschildert habe, aus unserer Sicht nicht der richtige Weg ist.

Was Ihre Frage danach angeht, ob das der erste Vertrag ist, dem die Bundesregierung nicht folgt, muss ich Ihnen die Antwort nachreichen.

ZUSATZFRAGE: Von wessen Atomwaffen fühlt sich Deutschland bedroht?

SASSE: Es geht nicht darum, von wessen Atomwaffen wir uns bedroht fühlen. Es geht darum ‑ das Ziel habe ich erläutert ‑, wie wir grundsätzlich für eine atomwaffenfreie Welt eintreten. Das betrifft Bedrohungen aus allen möglichen Richtungen. Es geht uns darum ‑ das ist ein Kernanliegen der Bundesregierung und auch im Koalitionsvertrag so festgehalten worden ‑, dass wir grundsätzlich für eine atomwaffenfreie Welt sowie für eine Stärkung der Sicherheitsarchitektur und der Abrüstung eintreten, und das versuchen wir auf unterschiedlichen Wegen zu erreichen. Außenminister Maas war erst vor Kurzem in Jordanien und hat sich dort mit den Mitgliedern der sogenannten Stockholm-Initiative ausgetauscht. Auch dabei ging es um Abrüstung. Wir setzen uns wie gesagt auf unterschiedlichen Wegen dafür ein.

FRAGE: Frau Sasse, wenn Sie sagen, die Bundesregierung sage, der bestehende Atomwaffensperrvertrag sei sozusagen das beste Sicherheitsinstrument, wäre es dann nicht sinnvoll, dass die Bundesregierung zum Beispiel Israel auffordert, dem Atomwaffensperrvertrag beizutreten ‑ das ist ja bislang noch nicht erfolgt ‑, oder der IAEO die Möglichkeit zu eröffnen, vor Ort zu kontrollieren, was auch noch nicht erfolgt ist? Wenn Sie also auf den Atomwaffensperrvertrag setzen, müssen Sie dann nicht aktiver dafür sorgen, dass er überall dort zum Einsatz kommen, wo Atomwaffen vorhanden sind?

SASSE: Zum einen, noch einmal gesagt: Es gibt unterschiedlichste Instrumente. Der Atomwaffensperrvertrag ist eines dieser Instrumente, mit denen wir uns für das Ziel der Abrüstung einsetzen. Unsere Position zum Nichtverbreitungsvertrag hat Herr Seibert an dieser Stelle zuletzt im Oktober sehr deutlich klargemacht. Es geht bei dem Atomwaffensperrvertrag darum, Verhandlungen über eine vollständige Abrüstung in der Welt zu beginnen. Wir möchten diesen Vertrag weiter stützen. Auch das werden wir im Rahmen der nächsten Konferenz über den Nichtverbreitungsvertrag im Herbst dieses Jahres tun. Das ist unsere Position.

ZUSATZFRAGE: Beinhaltet diese Position auch eine Aufforderung an Israel, den Atomwaffensperrvertrag zu unterzeichnen?

SASSE: Der Atomwaffensperrvertrag ‑ nicht der Nichtverbreitungsvertrag ‑ zählt für uns wie gesagt zu einem der wichtigsten Instrumente der globalen Sicherheitsarchitektur. Wir fordern alle Staaten der Welt auf, diesem Vertrag beizutreten.

Rüstungsexporte nach Ägypten

FRAGE: Warum existiert das Amt der Menschenrechtsbeauftragten der Bundesregierung überhaupt? Es gibt keine Konsequenzen ihrer Mahnung, Ägypten wegen seiner Beteiligung am Krieg im Jemen und am Konflikt in Libyen keine Rüstungsgüter zu liefern. Die Ministerien, die beteiligt sind, haben dazu nicht Stellung genommen. Wie wird denn der Waffenexport nach Ägypten begründet?

SASSE (AA): Zum Thema Rüstungsexporte möchte vielleicht das BMWi zuerst Stellung nehmen.

BARON (BMWi): Sie kennen unsere Grundsätze der Rüstungsexportgenehmigungen. Diese gelten auch für Ägypten. Wir genehmigen auf Basis einer restriktiven und verantwortungsvollen Rüstungsexportpolitik. Sie kennen dafür die rechtlichen Grundlagen ‑ die politischen Grundsätze der EU, die politischen Grundsätze, die wir uns als Bundesregierung gesetzt haben und natürlich das Außenwirtschaftsgesetz und das Kriegswaffenkontrollgesetz. Dabei berücksichtigen wir natürlich fortlaufend auch die aktuelle Lage und die Menschenrechtsentwicklung und treffen diese Entscheidung stets restriktiv im Einzelfall.

FRAGE: Eine Lernfrage an das AA: Ist Ägypten für Sie am Jemen-Krieg beteiligt?

SASSE: Wir haben uns zu dieser Frage an dieser Stelle schon mehrfach geäußert. Ich verweise deswegen auf alle Äußerungen der Vergangenheit zu diesem Thema.

Sie hatten das Statement von Frau Kofler erwähnt. In der Vergangenheit sind wir auch schon einmal auf Äußerungen von Frau Kofler eingegangen. Wie die Kollegin des BMWi gerade schon deutlich gemacht hat, geht es im Kern bei den Äußerungen von Frau Kofler um die Menschenrechtssituation in Ägypten. Dazu ist unsere Meinung klar. Sie wissen, dass wir die Menschenrechtslage in Ägypten für angespannt halten und dies bei jeder Gelegenheit in Gesprächen mit der ägyptischen Regierung auf allen Ebenen thematisieren. Insoweit hat sich auch an dieser Position bisher nichts geändert.

ZUSATZFRAGE: Sie werden wissen, warum ich das frage. Im Koalitionsvertrag steht, es gibt keine Waffenlieferung an Beteiligte am Jemen-Krieg. Dementsprechend ist da ein Widerspruch vorhanden. Sie sehen also entweder Ägypten nicht als Teil des Jemen-Kriegs an, was absurd wäre, oder Sie widersprechen dem Koalitionsvertrag.

SASSE: Zum einen: Die Passagen des Koalitionsvertrages sind mir selbstverständlich bekannt.

Was die Situation im Jemen angeht: Auch das ist Gegenstand vielzähliger Anfragen in der Vergangenheit gewesen.

Sie kennen unsere Position zum Jemen sehr genau. Im Jemen haben wir es mit einer humanitären Katastrophe zu tun. Außenminister Maas hat sich gerade vor diesem Hintergrund heute Morgen zu dem Thema geäußert und weitere 50 Millionen Euro für das Welternährungsprogramm im Jemen angekündigt.

Dass die Situation im Jemen schwierig ist, das wissen Sie. Da sind wir uns auch einig. Es geht bei den Äußerungen zum Jemen unter anderem darum, dass das Waffenembargo der Vereinten Nationen gegen die Huthis durchgesetzt wird. Darauf bezieht sich unter anderem auch die Klausel des Koalitionsvertrags.

EU-MERCOSUR-Abkommen

FRAGE: Ich habe eine Frage an Herrn Seibert zum Handelsabkommen MERCOSUR: Portugal hat angekündigt, an dem Vertrag nichts ändern zu wollen und daran festzuhalten. Mich würde interessieren, wie die Bundesregierung dazu steht.

SEIBERT (BReg): Zunächst einmal zum Stand der Dinge: Dieses Abkommen ist derzeit in der formaljuristischen Prüfung. Danach kommt dann die Übersetzung in die einzelnen EU-Amtssprachen. Bevor es dann zu einer Unterzeichnung käme, wäre die Zustimmung des Rates erforderlich. Also da stehen wir jetzt.

Ganz grundsätzlich ‑ ich habe das hier mehrfach gesagt ‑ unterstützt die Bundesregierung weiterhin den Geist und die Intention des EU-MERCOSUR-Abkommens. Es hat eine politische Bedeutung und eine wirtschaftliche Relevanz. Es sind auch verbindliche Nachhaltigkeitsbestimmungen darin enthalten, die es grundsätzlich im Interesse Deutschlands und im europäischen Interesse sein lassen.

Wir werden allerdings sehr genau die Rahmenbedingungen beobachten. Wir werden sehr genau überprüfen, ob das Abkommen wie intendiert auch in der Realität umgesetzt werden kann. Denn natürlich können wir nicht übersehen, wie die Situation im Amazonas-Regenwald ist. Der Amazonas-Regenwald ist von einer globalen herausragenden Bedeutung ‑ für Klimaschutz, für Artenvielfalt. Die Verantwortung für seinen Erhalt betrifft uns alle. Das Ausmaß der Abholzung und des Brandgeschehens ist erschreckend. Es hat in der letzten Zeit sogar noch zugenommen.

Das heißt, es stellen sich sehr ernsthafte Fragen mit Blick auf diese aktuellen Entwicklungen im Amazonas. Deswegen beobachten wir die Situation im MERCOSUR und ganz besonders in Brasilien genau. Wir begrüßen die Bemühungen in der Europäischen Union, insbesondere des exekutiven Vizepräsidenten, Herrn Dombrovskis, mit Blick auf den Schutz des Amazonas.

FRAGE: Herr Seibert, Sie haben gerade auf die Nachhaltigkeits- und auch Umweltkriterien vom MERCOSUR-Abkommen hingewiesen. Die Kritik an sich war ja immer, dass es dafür keine Sanktionen gibt. Wenn sich also einer nicht an diese Nachhaltigkeits- und Umweltkapitel hält, dann passiert nichts. Daran wollen Sie auch jetzt immer noch nichts ändern, korrekt?

SEIBERT: Ich finde, zunächst einmal muss man festhalten, dass dieses EU-MERCOSUR-Abkommen ein sehr ambitioniertes Nachhaltigkeitskapitel mit verbindlichen Regelungen zur Arbeit, zur Umwelt und zum Klima enthält. Das ist das modernste Nachhaltigkeitskapitel, das die Europäische Union bisher verhandelt hat. Das Abkommen sichert die hohen europäischen Standards und trägt dazu bei, die MERCOSUR-Mitgliedstaaten fester an dies, in Europa anerkannten Standards und Normen zu binden.

Gleichzeitig ‑ das habe ich gesagt ‑ muss natürlich der gute Wille zur Umsetzung eines solchen Abkommens auch vorhanden sein. Wir betrachten deswegen sehr ernsthaft die klima- und umweltpolitische Situation im Amazonas. Da stellen sich uns ernsthafte Fragen.

ZUSATZFRAGE: Die Frage bezog sich ja darauf, was Sie jetzt verbindlich nennen. Was ist verbindlich, wenn es dafür keine Sanktionen gibt?

SEIBERT: Ein solches Abkommen schließt man ja mit dem Ziel ab, eine enge Partnerschaft zu etablieren. Eine solche enge Partnerschaft ermöglicht es auch, dass man gemeinsam konstruktive Lösungen für kritische Themen erarbeitet. Der mit diesem Abkommen eingesetzte institutionalisierte Dialog ist eben gerade vor dem Hintergrund der Umweltdebatte, der Klimadebatte, ein wichtiges Instrument und eine Plattform, um solche konstruktiven Lösungen gemeinsam zu erreichen.

[…]

SEIBERT: Ich will noch einmal ganz kurz auf das MERCOSUR-Thema und die Frage von Herrn Jung nach der Durchsetzung des Nachhaltigkeitskapitels eingehen.

Eines hätte ich noch erwähnen sollen, nämlich dass unabhängige Experten die Einhaltung dieses Kapitels unter Einbindung der Zivilgesellschaft überprüfen sollen. Damit machen wir diesen Dialog, der institutionalisiert wird, natürlich noch intensiver. Wir haben eben die Möglichkeit, gerade die kritischen Themen gemeinsam mit den MERCOSUR-Staaten in den Fokus zu nehmen und konstruktive Lösungen zu erarbeiten. Diese Überprüfungsrolle von unabhängigen Experten wollte ich also noch erwähnt haben.

Falklandinseln

FRAGE: Ich habe noch eine Frage ‑ geographisch gar nicht weit weg ‑ an das Auswärtige Amt und an Herrn Seibert: Argentinien hat gestern gesagt, dass die Bundesregierung de facto die Falklandinseln als Teil Argentiniens anerkannt hat, und zwar im Rahmen einer Koordinierung von zwei Lufthansa-Flügen für Forscher, die auf der „Polarstern“ in der Arktis forschen sollen.

Wie ist aus Ihrer Sicht die Einordnung Argentiniens zu werten? Hat die Bundesregierung die Falklandinseln als nicht britisch, sondern als argentinisch anerkannt?

SASSE (AA): Dazu müsste ich die Antwort nachreichen.

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