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Erklärungen des Auswärtigen Amts in der Regierungspressekonferenz vom 17.05.2021
Teilnahme des Bundesaußenministers an einer Sudan-Konferenz in Paris
SASSE (AA): Ich kann Ihnen ankündigen, dass Außenminister Maas heute nach Paris reist, um dort an einer von Staatspräsident Macron ausgerichteten internationalen Sudan-Konferenz teilzunehmen. Der Außenminister wird dort Bundeskanzlerin Merkel vertreten. Wirtschaftliche Themen stehen im Fokus der Konferenz. Dazu zählen unter anderem der Entschuldungsprozess Sudans, aber auch privatwirtschaftliche Investitionen. Deutschland beteiligt sich umfassend an dem Entschuldungsprozess, den ich gerade erwähnt habe, einerseits darüber, dass man versucht, die Zahlungsrückstände Sudans beim Internationalen Währungsfonds zu klären, andererseits auch über die Erlassung bilateraler Forderung gegenüber Sudan.
Die Konferenz heute in Paris folgt der Sudan-Partnerschaftskonferenz vom Juni 2020 in Berlin, an der über 50 Staaten und internationale Organisationen teilgenommen haben. Damals konnten 1,8 Milliarden US-Dollar für Sudan zugesagt und der Grundstein für die Zusammenarbeit mit IWF und Weltbank gelegt werden.
Um ca. 14.40 Uhr wird es heute ein Auftaktstatement von Außenminister Maas in Paris geben. Noch am gleichen Tag wird er nach Berlin zurückreisen.
FRAGE: Herr Seibert, können Sie uns, nachdem das Auswärtige Amt gesagt hat, dass Herr Maas in Vertretung der Kanzlerin teilnimmt, sagen, warum die Kanzlerin selbst nicht teilnimmt? Ist sie verhindert, oder ist ihr das Thema nicht wichtig genug?
SEIBERT (BReg): Nein, die Haltung der Bundeskanzlerin zum Klima, das sie als eine der größten Herausforderungen nicht nur der deutschen Politik, sondern der Menschheit in diesen Jahren und in diesen Generationen sieht, ist Ihnen bekannt. Sie hat am Samstag darüber noch einmal ausführlich gesprochen. Sie hat eine Vielzahl von Terminen. Ich habe viele davon hier vorgetragen. Es ist gut, dass die Bundesregierung durch den Außenminister vertreten ist.
Nahostkonflikt / antisemitische Demonstrationen in Deutschland
FRAGE: Herr Seibert, zur Lage in Gaza und in Israel: Die Raketenangriffe der Hamas gehen seit Tagen weiter, ebenso auch die Angriffe des israelischen Militärs auf Gaza. Am Wochenende wurde im Gaza-Streifen ein Gebäude von Al Jazeera und AP zerstört. Das ist laut Reportern ohne Grenzen ein Kriegsverbrechen.
Wie bewerten Sie das?
SEIBERT (BReg): Ich möchte mich zu der ganzen Frage vielleicht noch einmal äußern. Wir haben hier am Freitag ausführlich darüber gesprochen. Leider gibt es Anlass, die Grundposition der Bundesregierung dazu noch einmal zu wiederholen. Sie ist in aller Klarheit: Der Raketenbeschuss der Hamas muss aufhören. Das ist Terror, der darauf ausgerichtet ist, willkürlich Menschen zu töten. Wenn die israelische Luftabwehr nicht so viele Geschosse abfinge und wenn nicht so viele Geschosse schon auf dem Territorium von Gaza niedergingen, dann wäre die Zahl der Opfer in den israelischen Städten noch höher, und genau das ist ja auch die Absicht der Hamas. In dieser Situation steht die Bundesregierung zu Israel und zu seinem Recht, seine Bevölkerung zu schützen und sich selbst zu verteidigen.
Es ist tragisch, dass so viele Menschenleben zu beklagen sind, auf beiden Seiten. Es ist zynisch, dass die Hamas mit diesem Raketenterror, ausgeführt aus dicht besiedelten Gebieten, aus zivilen Wohnvierteln, die palästinensische Bevölkerung von Gaza in Geiselhaft nimmt.
Die Hamas weiß, dass der Raketenkrieg gegen die Menschen in Israel sicherlich keine Lösung des Nahostkonflikts bringen wird. Diese Lösung, die sich viele Menschen auf beiden Seiten wünschen, wird es nur dann geben, wenn der Weg zurück ins Gespräch, zurück an den Verhandlungstisch gegangen wird.
Aber jetzt hat eines Vorrang: Schluss mit dem Raketenterror gegen Israel!
Was den Vorfall in Gaza angeht, den Sie gerade ansprechen, so ist ganz klar, dass die journalistische Arbeit vor Ort auch in einem Konfliktgebiet wichtig ist. Es ist aber bekannt ‑ ich habe es gerade erwähnt ‑, dass die Hamas eben auch in dicht besiedelten Gebieten aktiv ist und somit auch die Zivilbevölkerung in Geiselhaft nimmt. Wir stehen, wie ich es gesagt habe, hinter dem Selbstverteidigungsrecht Israels. Wir vertrauen darauf, dass Israel hierbei mit Augenmaß und im Rahmen der Verhältnismäßigkeit agiert.
ZUSATZFRAGE: Ist denn dieser Angriff auf ein Medienhaus, in dem sich eine Hamas versteckt haben könnte oder auch nicht, in irgendeiner Weise gerechtfertigt, selbst wenn sich dort Terroristen aufhalten? Ist das verhältnismäßig und mit Augenmaß passiert?
SEIBERT: Ich habe das jetzt so eingeordnet, wie ich es für die Bundesregierung einordnen kann.
FRAGE: Herr Seibert, das Gebäude wird natürlich auch von vielen internationalen Medien benutzt, die dort keine eigenen Büros haben. Die Berichterstattung aus Gaza wird jetzt natürlich noch weiter erschwert.
Wie sieht es die Bundesregierung denn jetzt um die Freiheit der Medien, das Recht auf Berichterstattung und vor allem die Berichterstattung aus diesem Kriegsgebiet bestellt, nachdem das Gebäude gezielt zerstört wurde, mit einer Vorwarnzeit von einer Stunde?
SEIBERT: Ich habe Ihnen das gesagt. Die journalistische Arbeit vor Ort ist wichtig. Es ist wichtig, dass Journalisten auch im Konfliktgebiet, auch in Gaza unter diesen schwierigen Bedingungen arbeiten können. In diesem Sinne habe ich eingeordnet, was dazu zu sagen ist.
ZUSATZFRAGE: Hat die Bundesregierung die Zerstörung dieses Hauses und anderer von Medien genutzter Häuser in den letzten Tagen direkt mit der israelischen Regierung besprochen?
SEIBERT: Die Bundesregierung hat auf vielen Ebenen Kontakte mit der israelischen Regierung. Über Einzelheiten kann ich Ihnen hier nichts sagen. Die Grundhaltung der Bundesregierung zu dem Raketenbeschuss, den die Hamas seit Tagen aus Gaza gegen Israels Städte richtet, habe ich Ihnen hier mitgeteilt, auch die Grundhaltung zu der ganz bewussten Strategie der Hamas, ihre Operationen aus dicht besiedelten und zivil bewohnten Gegenden zu starten.
FRAGE: Herr Seibert, Sie sagten, dass Sie darauf vertrauten, dass Israel die Verhältnismäßigkeit wahre. Können Sie noch etwas genauer ausführen, was dieses Vertrauen bedeutet? Heißt das, dass Sie das nicht überprüfen, oder haben Sie Erkenntnisse darüber, dass Israel die Verhältnismäßigkeit einhält?
SEIBERT: Es ist so, wie ich mich geäußert habe: Wir vertrauen darauf, dass Israel im Rahmen der Verhältnismäßigkeit agiert. Dies zu beurteilen ist natürlich immer Sache des Einzelfalls und der Informationen, die man darüber hat.
ZUSATZFRAGE: Deswegen die Frage! Würden Sie auch bezüglich des Einzelfalls, der eben besprochen wurde und zu dem [mein Kollege] nachfragte, sagen, dass die Verhältnismäßigkeit gewahrt war?
SEIBERT: Ich werde jetzt nicht in die Beurteilung einzelner Ereignisse in diesem eskalierten Konflikt eintreten. Mir liegen auch nicht die Informationen vor, um so etwas beurteilen zu können. Selbstverteidigung ist immer im Rahmen der Verhältnismäßigkeit auszuüben.
FRAGE: Was erwartet Außenminister Maas von den morgigen EU-Beratungen zur Lage in Israel? Sieht er dabei eine deutsche Vermittlerrolle?
SASSE (AA): Vielleicht noch einmal insgesamt zu den Erwartungen von Außenminister Maas ‑ er hat sie ja auch in den vergangenen Tagen sehr deutlich gemacht, zuletzt gestern in einer großen deutschen Wochenendzeitung ‑: Uns geht es, wie Herr Seibert schon ausgeführt hat, darum, dass der Raketenterror der Hamas gestoppt wird, dass die Gewalt ein Ende nimmt und dass man zu Friedensverhandlungen zurückkehrt. Diese Friedensverhandlungen bedeuten, dass einfach vertrauensbildende Schritte ergriffen werden müssen, um überhaupt wieder zu konstruktiven, substanziellen Gesprächen über den Konflikt zurückzukehren.
Was die Rolle der EU angeht, so muss man dies eben auch in dem Zusammenhang sehen, den Außenminister Maas in den vergangenen Tagen dargestellt hat. Wir sprechen ja mit allen Akteuren in der Region darüber, wie sich die Lage vor Ort darstellt und was man tun kann. Das wird natürlich morgen im Rahmen der EU-Außenminister Thema sein. Herr Borrell selbst hat sich am Wochenende geäußert; das haben Sie gesehen. Den Beratungen selbst kann ich an dieser Stelle natürlich nicht vorgreifen.
ZUSATZFRAGE: Sieht er eine besondere Rolle Deutschlands in diesen Vermittlungsbemühungen?
SASSE: Es geht hierbei nicht um eine besondere Rolle Deutschlands, sondern, wie Herr Seibert ausgeführt hat und wie sich für Sie hoffentlich auch aus den Äußerungen des Außenministers in den vergangenen Tagen ergeben hat, geht es jetzt einfach grundsätzlich darum, die Lage zu beruhigen. Es geht um den Raketenterror der Hamas, wie ich es gerade dargestellt habe, um ein Ende der Gewalt.
Jetzt auf konkrete Erwartungen der EU einzugehen hilft in dieser Situation nicht. Sie stellen sich aber natürlich genauso dar wie die des Außenministers. Ich denke, in dieser Situation, in der auf beiden Seiten Menschen sterben, muss es um eine Beruhigung der Lage gehen, und ich denke, dies kann man so durchaus als Erwartung aller europäischen Partner formulieren.
FRAGE: Herr Seibert, Sie haben gesagt, Deutschland stehe zu Israel. Was bedeutet das konkret in diesem Konflikt? Auch am Wochenende gab es wieder antisemitische Demonstrationen in Deutschland. Was bedeutet dieses Stehen zu Israel ganz konkret? Wäre es nicht an der Zeit, dass sich auch die Kanzlerin persönlich im O-Ton zu dem Konflikt und dem Vorgang auf deutschen Straßen äußert?
SEIBERT: Ich spreche hier ja nicht nur heute, sondern auch schon am Freitag und insgesamt in der vergangenen Woche immer auch für die Bundeskanzlerin.
Sie kommen jetzt zu den Ereignissen in Deutschland. Da müssen wir ganz genauso klar sein wie bei der Beurteilung der Ereignisse in Israel und Gaza. Was in den letzten Tagen an Judenhass, an antisemitischen Beschimpfungen zu hören war, ist beschämend. Man muss sehr genau trennen ‑ das muss man auch von jedem Demonstranten verlangen ‑ zwischen dem, was in unserem Land ein Grundrecht und vollkommen legitim ist, nämlich Kritik an der Politik einer Regierung, eines Staates zu äußern, und dem, was wir auf keinen Fall hinnehmen können, und das ist Aggression, Hass gegen ein ganzes Volk, eine ganze Religion und alle, die dieser Religion angehören.
Besonders empörend war es, dass hier in Berlin ‑ ich meine, es war am Samstag ‑ eine israelische Journalistin am Rande einer Demonstration angegriffen wurde. Das ist nicht nur ein ganz übler Angriff auf die Pressefreiheit, sondern es wirft eben auch ein Schlaglicht darauf, dass sich Juden in Deutschland in manchen Gegenden und in manchen Situationen nicht so frei und sicher bewegen können, wie es das Recht eines jeden Bürgers in Deutschland ist. Das macht uns wütend, und es ist beschämend für uns alle.
FRAGE: Ich möchte auf die Zerstörung von Medienbüros im Gaza-Streifen zurückkommen. Die Geschäftsführung der Presse- und Nachrichtenagentur AP hat von Israel verlangt, Belege dafür vorzulegen, ob die Hamas in diesem Gebäude tatsächlich tätig war. Sie hat zudem eine internationale unabhängige Untersuchung der Vorfälle eingefordert.
Unterstützt die Bundesregierung dieses Begehren von AP nach einer internationalen unabhängigen Untersuchung der Zerstörung der insgesamt vier Wohn- und Bürokomplexe mit Medienbüros?
SEIBERT: Ich habe dem, was ich dazu gesagt habe, hier jetzt nichts hinzuzufügen.
ZUSATZFRAGE: Vielleicht das Auswärtige Amt?
SEIBERT: Der Adressat der Forderung von AP ist die israelische Regierung.
SASSE: Ich schließe mich den Ausführungen von Herrn Seibert vollumfänglich an und kann nur noch einmal darauf verweisen, dass Außenminister Maas die Forderungen, die wir zum jetzigen Zeitpunkt haben, am Wochenende sehr deutlich gemacht hat. Wir bemühen uns auf allen Ebenen und über alle zur Verfügung stehenden Kanäle um eine Beruhigung der Lage. Darauf liegt im Moment unser Fokus.
ZUSATZ: Meine Frage war, ob die Bundesregierung den Wunsch, die Forderung nach einer unabhängigen internationalen Untersuchung der Vorgänge bezüglich vier zerstörter Bürokomplexe von internationalen Medien unterstützt. Das können Sie ja mit Ja oder Nein beantworten.
SASSE: Ich habe Ihnen geschildert, worauf unsere Forderungen und Erwartungen im Moment gerichtet sind und worauf der Fokus unserer Bemühungen im Moment liegt. Dem habe ich nichts hinzuzufügen.
FRAGE: Herr Seibert, Herr Wede, zu den Vorgängen, die eben auch nach Deutschland gekommen sind, den Protesten gegen Israel, die aber auch deutlich antisemitische Inhalte haben: Herr Wede, weiß man, wer diese Gruppe ist? Man hört immer, das sei ein kleiner Teil der Muslime, die bei uns leben. Aber weiß das Innenministerium, wer diese Menschen sind?
An Sie beide geht meine zweite Frage: Herr Brinkhaus hat heute bei uns angeregt oder gefordert, dass man womöglich die Gesetzgebung nachschärfen müsse. Wer nicht anerkenne, dass das jüdische Leben und auch jüdische Werte bei uns großen Schutz genössen, der habe sein Gastrecht hier verwirkt. Wie stehen Sie dazu?
SEIBERT: Ich will zunächst sagen: Antisemiten gibt es in Deutschland in verschiedenen Lagern. Rechtsextreme und Neonazis haben immer schon dazugehört. In diesen Tagen wird uns erneut klar, dass es auch muslimische Antisemiten gibt. Das zeigen Ereignisse und Sprechchöre am Rande dieser Demonstrationen. Solch eine Einstellung ist in Deutschland inakzeptabel. Das muss jeder wissen, und es muss auch jedem mit den Mitteln des Rechtsstaats klargemacht werden.
Abschiebungen sind wahrscheinlich nur bei einigen der Täter ein Mittel, über das man nachdenken kann, eben bei solchen, die einen ungesicherten Aufenthaltsstatus haben. Antisemitismus ist ein noch breiteres Problem. Es ist ein Gift, dem wir uns auch breit entgegenstellen müssen, mit den Mitteln des Strafrechts, wo notwendig, aber vor allem auch mit Bildung, mit Aufklärung, mit Kontakten zwischen Menschen, und am wichtigsten dadurch, dass die ganz große Mehrheit von Menschen in Deutschland, seien sie Christen, Juden, Muslime oder Nichtgläubige, ganz klar sagen muss: Diese Haltung, dieses Gift des Antisemitismus wollen wir hier nicht zwischen uns kommen lassen. Wir leben hier friedlich und in Respekt miteinander zusammen.
WEDE (BMI): Ich schließe mich den Ausführungen von Herrn Seibert an und möchte vielleicht noch eine Aussage des Bundesinnenministers von gestern ergänzen. Das ist Ihnen vielleicht schon bekannt, ich möchte das aber trotzdem kurz zitieren:
„Wir erleben derzeit, wie ein ausländischer Konflikt zu Ausschreitungen und Übergriffen in Deutschland führt. Wir werden nicht tolerieren, dass auf deutschem Boden israelische Flaggen brennen und jüdische Einrichtungen angegriffen werden. Wer antisemitischen Hass verbreitet, wird die volle Härte des Rechtsstaats zu spüren bekommen. Ich sage deutlich: Deutschland darf kein Rückzugsort für Terroristen sein. Die Sicherheitsbehörden sind hellwach und tun alles, um die Menschen in unserem Land zu schützen. Jüdinnen und Juden dürfen in Deutschland nie wieder in Angst leben. Was ich mir wünschen würde: mehr mediale Aufmerksamkeit und auch öffentliche Debatte zu diesen Themen, wenn gerade kein akuter Konflikt tobt.“
Der Innenminister hat also gesagt, dass diejenigen, die hier antisemitischen Hass verbreiten, die volle Härte des Rechtsstaats zu spüren bekommen werden und das auch jetzt schon tun. Es ist aber natürlich immer eine Frage des Einzelfalls, was das konkret bedeutet. Schon jetzt liegt das volle Repertoire des Rechts hier auf dem Tisch ‑ sei es das Versammlungsrecht, sei es das Strafrecht, sei es das Vereinsrecht, sei es das Aufenthaltsrecht. Ich will darauf hinweisen, dass schon jetzt jede Straftat zu einem Ausweisungsinteresse des deutschen Staates führen kann. Diese Frage kann man aber nicht pauschal beantworten, sondern das ist immer eine Frage des Einzelfalls.
FRAGE: Liegen dem BMI Erkenntnisse darüber vor, dass unter den Anmeldern oder Teilnehmern der bundesweit stattfindenden Demonstration gegen Israel auch Organisationen vertreten sind, die vom Verfassungsschutz als extremistisch eingestuft werden? Wenn ja, welche?
Gibt es die rechtliche Möglichkeit, Versammlungen, die nicht von deutschen Staatsbürgern angemeldet oder besucht werden, zu untersagen?
WEDE: Eine abschließende Bewertung zu dieser Frage kann ich jetzt noch nicht vornehmen. Die Ereignisse haben ja gerade erst am Wochenende stattgefunden, und derzeit finden Auswertungen der Einsatzberichte statt. Was es jetzt schon zu sagen gibt, ist, dass man diese Frage nicht pauschal für ganz Deutschland beantworten kann. Wir haben eine sehr große Anzahl an Demonstrationen gesehen ‑ mit unterschiedlichen Teilnehmern, mit unterschiedlichen Organisatoren und auch mit unterschiedlichen Verläufen. Welche Personen und Gruppierungen daran teilgenommen haben oder diese Demonstrationen organisiert haben, muss man dann im Zusammenhang mit der jeweiligen Veranstaltung sehen und auch beantworten.
Wie gesagt, die Auswertungen werden derzeit vorgenommen. Sie werden zunächst von den zuständigen Ländern vor Ort durchgeführt. Insofern wären diese Fragen in Bezug auf die jeweilige Versammlung zunächst einmal an die Behörden des betreffenden Bundeslandes zu stellen.
FRAGE: Herr Seibert, seit einer Woche sind im Gazastreifen mehr als 90 Kinder und Frauen durch Angriffe der israelischen Luftwaffe gestorben. Sie haben vom Selbstverteidigungsrecht gesprochen und davon, dass Sie wütend sind, dass Raketen abgefeuert werden. Sind Sie auch wütend, dass Kinder im Gazastreifen sterben?
SEIBERT: Ich habe das ja sehr klar gesagt: Wir beklagen, dass es Verlust von Menschenleben gibt, dass Menschen sterben ‑ auf beiden Seiten. Es gibt ja nicht ein Leben, das mehr wert wäre als ein anderes. Jedes Leben hat seine Würde. Es gibt aber natürlich auch eine ganz klare Entwicklung hin zu dieser Situation, und der Raketenterror von Hamas gegen Israels Städte, in denen Israels Bürger sterben ‑ übrigens arabische wie jüdische Bürger von Israel ‑, hat Israel das Recht gegeben, seine Bürger zu schützen und in Selbstverteidigung zu handeln.
ZUSATZFRAGE: Schließt diese Selbstverteidigung auch ein, dass Kinder durch Bombenangriffe getötet werden?
SEIBERT: Ein Kind, das in einem bewaffneten Konflikt stirbt, ist immer ‑ auf welcher Seite auch immer es stirbt ‑ eine Tragödie. Ich habe Ihnen gesagt: Wir wissen und die Welt weiß von der ganz bewussten Strategie der Hamas, ihre Tunnel auch in der Nähe von Schulen verlaufen zu lassen, ihre Einsätze direkt aus Wohngebieten und dicht bevölkerten Gegenden zu fahren. Damit nimmt Hamas die palästinensische Bevölkerung von Gaza in Geiselhaft. Das ist ein zynisches Vorgehen.
FRAGE: An Herrn Seibert oder das Auswärtige Amt: US-Präsident Biden hat am Wochenende erklärt: „Wir glauben, dass Palästinenser und Israels gleichermaßen ein Leben in Sicherheit und Geborgenheit verdienen.“ Wir haben sehr intensiv darüber diskutiert bzw. besprochen ‑ Sie haben das deutlich gemacht ‑, inwiefern der Raketenbeschuss dieses Leben in Sicherheit und Geborgenheit den Israels verweigert oder verwehrt. Sehen Sie auch Maßnahmen der israelischen Regierung, die den Palästinensern ein solches Leben in Sicherheit und Geborgenheit verwehren oder mindestens erschweren, zum Beispiel durch die Besatzungspolitik oder durch Zwangsräumungen?
SEIBERT: Das Zitat, das Sie jetzt von Herrn Biden bringen, weist uns doch ganz genau darauf hin, dass hinter der aktuellen Eskalation, bei der es eine ganz klare Forderung geben muss ‑ nämlich: der Raketenterror der Hamas muss aufhören ‑, ein ungelöster Konflikt, der ungelöste Nahostkonflikt ist. In dem wird es nur dann eine dauerhafte, sichere und gute Zukunft für alle Beteiligten geben, wenn es Gespräche gibt, Dialog gibt, vertrauensbildende Maßnahmen, Verhandlungen hin zu einer Zweistaatenlösung. Das ist seit Langem die überzeugte Haltung der Bundesregierung, die wir natürlich auch in diesen Tagen haben. Jetzt hat erst einmal eines Vorrang, nämlich diesen Raketenterror zu beenden. Aber dahinter gibt es einen zu lösenden Konflikt, und deswegen hoffen wir, dass der Weg zurück zum Gespräch, zurück zum Dialog, zurück zu Maßnahmen, die gegenseitiges Vertrauen schaffen können, auch bald wieder möglich sein wird.
ZUSATZFRAGE: Die konkrete Frage war allerdings: Sehen Sie in Maßnahmen der israelischen Regierung gegenüber Palästinensern Punkte, Aspekte, die dieses betonte Recht eines Lebens in Sicherheit und Geborgenheit verwehren oder erschweren? Diese Frage haben Sie nicht beantwortet.
SEIBERT: Ich habe dem, was ich gesagt habe, nichts hinzuzufügen.
FRAGE: Zurück zum BMI: Habe ich Sie zu den möglichen Straftaten am Rande der Vorfälle bei den Demonstrationen richtig verstanden, dass die Rechtslage in Ordnung ist, also nicht nachgeschärft werden muss? Manche Politiker haben das ja gefordert.
Zweitens. Wie kann erreicht werden, dass die Rechtslage besser durchgesetzt wird?
In diesem Zusammenhang: Minister Seehofer hatte angekündigt, dass er auch den Ländern materielle Hilfen zukommen lassen will. Wie soll das konkret aussehen?
WEDE: Ich kenne die Diskussion um weitere Rechtsverschärfungen, die am Wochenende und auch heute entstanden sind. Aktuelle Planungen gibt es dazu nicht. ‑ Können Sie die zweite Frage bitte wiederholen?
ZUSATZFRAGE: Die Frage war: Sehen Sie Mängel bei der Durchsetzung des geltenden Rechts?
In dem Zusammenhang: Minister Seehofer hatte angeboten, die Länder auch personell und materiell zu unterstützen. In welcher Weise soll das geschehen?
WEDE: Ich kann Ihnen mitteilen, dass schon am Wochenende über 600 Bundespolizisten die Bundesländer beim Einsatzgeschehen unterstützt haben. Das ist im Rahmen einer üblichen Zusammenarbeit zwischen Bund und Ländern. Wenn die Bundesländer Bedarf nach Unterstützung durch weitere Polizeikräfte haben, dann ist es ein übliches Vorgehen, dass sie diese Unterstützung bei den Ländern und gegebenenfalls auch beim Bund anfordern.
Defizite bei der Umsetzung der jetzigen Rechtslage sind mir nicht bekannt.
FRAGE: Der türkische Präsident Erdoğan sagt: Wir prüfen mit der NATO und der Organisation für islamische Zusammenarbeit, um internationale Streitkräfte zum Schutz des palästinensischen Volkes zu entsenden. Wird die Bundesregierung diese Initiative unterstützen?
SEIBERT: Mir sagt diese Initiative jetzt, ehrlich gesagt, nichts.
SASSE: Ich kann auch nichts Erhellendes dazu beitragen.
FRAGE: An das Auswärtige Amt oder an Herrn Seibert: Wie erklärt sich die Bundesregierung die Weigerung der USA, über Absichtserklärungen hinaus im Sicherheitsrat klar ein Ende der Aggressionen im Nahen Osten zu fordern, zum Beispiel mithilfe einer Resolution?
SASSE: Ich möchte vielleicht noch einmal darauf hinweisen ‑ das hat Herr Seibert jetzt schon mehr als deutlich gemacht ‑, dass die aktuelle Situation sehr deutlich zeigt, dass es einer politischen Lösung in der Region dringend bedarf, weil ansonsten auch einfach die Gefahr besteht, dass ein Kreislauf von Gewalt nicht durchbrochen werden kann. Die USA haben sich gestern im Sicherheitsrat positioniert, beispielsweise haben sie eine Zweistaatenlösung deutlich unterstützt. Das begrüßen wir sehr, denn so kommt man eben zurück zu den Parametern, die die internationale Gemeinschaft in der Vergangenheit bereits entwickelt und skizziert hat und die einen Weg in Richtung Frieden weisen sollen.
Was die Rolle der USA angeht, haben Sie, glaube ich, auch die Meldungen vom Wochenende wahrgenommen, nach denen sich die US-Regierung sehr intensiv und über verschiedenste Kanäle um Vermittlung in dem Konflikt bemüht. Diese Rolle der USA in dieser Form begrüßen wir.
FRAGE: Es gab auch UN- und UNWRA-Gebäude in Gaza, die zerstört wurden. UNWRA wird ja unter anderem auch von deutschen Hilfsgeldern finanziert. Die Zerstörung von UN- und UNWRA-Gebäuden ist nach internationalem Recht verboten. Hat die Bundesregierung dazu eine Haltung?
SASSE: Wir sind, glaube ich, in der Vergangenheit schon mehrfach auf das Thema UNWRA eingegangen ‑ Herr Burger hat dazu in der vergangenen Woche ausgeführt. In Bezug auf die Zerstörung dieser Gebäude gilt wie mit Blick auf alles andere, was Herr Seibert schon ausgeführt hat, dass Israel im Rahmen seines Selbstverteidigungsrechts handelt und wir Israel dieses Selbstverteidigungsrecht zugestehen.
ZUSATZFRAGE: Gibt es irgendeinen Angriffe der letzten Tage vom israelischen Militär, den Sie zu kritisieren haben? Ich habe bisher noch nichts gehört. Können Sie mir da auf die Sprünge helfen?
Es gab auch Berichterstattung in bestimmten Medien, dass UNWRA Hamas-Mitglieder beschäftige, was laut UNWRA-Richtlinien verboten ist. Matthias Schmale ‑ der Deutsche, der die UNWRA dort leitet ‑ hat das immer wieder zurückgewiesen. Möchten Sie diese Medienberichte entsprechend kommentieren?
SASSE: Vielleicht noch zwei Ergänzungen:
Zum einen, was die Kontakte mit der israelischen Regierung angeht: Sie haben unserem Twitterkanal vielleicht entnommen, dass der Außenminister unter anderem mit seinem israelischen Kollegen, aber auch mit verschiedensten anderen Partnern in der Region in den letzten Tagen und in der letzten Woche auch in sehr, sehr intensivem, engem Kontakt stand. Diese Gespräche sind dem Inhalt nach vertraulich, deswegen kann ich Ihnen an dieser Stelle keine genauere Auskunft dazu geben, was wir mit der israelischen Regierung genau besprechen. Was allerdings den Punkt UNWRA und die Vorwürfe angeht, dass Hamas UNWRA-Einrichtungen zu eigenen Zwecken nutze, kann ich Ihnen nur sagen, dass wir diese Vorwürfe sehr ernst nehmen, uns dazu aber im Moment keine aktuellen Informationen vorliegen.
Es ist richtig, dass in der Vergangenheit in Einzelfällen Waffen in UNWRA-Einrichtungen gelagert worden sind. Wichtig hierbei ist: Es war UNWRA, das diese Verletzung seiner Neutralität als VN-Organisation durch bewaffnete Gruppierungen öffentlich gemacht hat. UNWRA hat die Missstände also selber abgestellt, und das ziemlich zügig. Insofern kann ich Sie nur auf dieses Handeln verweisen.
Man muss auch sagen, dass die UNWRA-Schulen ‑ das haben Sie in Ihren Ausführungen jetzt nicht erwähnt ‑ aktuell vor allen Dingen als Schutz für die Zivilbevölkerung in Gaza dienen. Mehr als 41 000 Personen sind in 50 Schulen vor Ort geflohen.
ZUSATZFRAGE: Ich hatte aber danach gefragt, dass es Berichterstattung von bestimmten Medien hierzulande gibt, die behaupten, dass UNWRA Hamas-Mitglieder beschäftige. Das ist aber laut UNWRA verboten und laut Matthias Schmale, dem UNWRA-Chef vor Ort, auch nicht der Fall. Sie finanzieren UNWRA mit. Können Sie diese Berichterstattung kommentieren?
SASSE: Vielleicht noch einmal ganz grundsätzlich: Bei der Finanzierung oder bei unserer Unterstützung für UNWRA geht es um eine Unterstützung der palästinensischen Zivilbevölkerung. Das werden Sie nicht abstreiten, Herr Jung, das ist Kern des Themas.
Die Vorwürfe, die gegen UNWRA immer wieder erhoben werden, nehmen wir sehr ernst ‑ das habe ich gerade geschildert ‑ und wir thematisieren sie. Wir fordern bzw. wir erwarten, dass solche Vorwürfe umgehend aufgeklärt werden. Wenn Sie da auf aktuelle Entwicklungen Bezug nehmen: Da muss man jetzt eben sehen, dass diese Vorwürfe aufgeklärt werden, und das erwarten wir. Diese Erwartungshaltung habe ich gerade hoffentlich deutlich genug gemacht.
FRAGE: Da immer wieder Vorwürfe möglicher Kriegsverbrechen in dem Konflikt vorgetragen werden, so auch dieses Mal, würde ich von der Bundesregierung gerne wissen, wer denn aus Ihrer Sicht dafür zuständig ist, solche Vorwürfe zu untersuchen: die Israelis, die Palästinenser oder ein internationales Tribunal wie der ICC? Oder ist die Region ein Raum, in dem internationales Recht Ihrer Meinung nach nicht zur Anwendung kommt?
SASSE: Diese Frage haben wir ‑ ich selber, glaube ich ‑ in der Vergangenheit an dieser Stelle bereits in anderem Zusammenhang thematisiert. Natürlich kennen wir die Meldungen, dass Reporter ohne Grenzen den IStGH wegen angeblicher Kriegsverbrechen befasst hat. Ich kann nur sagen: Wir erwarten ‑ das haben wir in den letzten Minuten sehr deutlich gemacht ‑, dass im Rahmen der Ausübung des Selbstverteidigungsrechtes die Verhältnismäßigkeit von Israel gewahrt wird.
Wir thematisieren das gegenüber Israel. Wir erwarten, dass Israel klar aufklärt, wenn Vorwürfe in dieser Hinsicht erhoben werden. Aber man muss ganz klar sagen: Wir können hier nicht einseitig festlegen, wer dafür zuständig ist. Wir können feststellen, dass sich Israel um Aufklärung oder die Klärung solcher Fälle selbstständig bemüht, und das nehmen wir zur Kenntnis.
ZUSATZFRAGE: In diesem Fall reicht also Ihrer Meinung nach eine israelische Untersuchung?
SASSE: Damit legen Sie mir jetzt Worte in den Mund, die ich so nicht gesagt habe.
ZUSATZ: Das ist meine Frage.
SASSE: Zur Zuständigkeit des ISGH in diesen Fällen haben wir uns in der Vergangenheit mehrfach geäußert. Sie kennen den „amicus curiae brief“ aus dem letzten Jahr in anderer Sache. Dem habe ich im Moment nichts hinzuzufügen.
FRAGE: Frau Sasse, Sie haben vorhin gesagt, dass Deutschland mit allen Akteuren in der Region redet. Ich hätte ganz gerne gewusst, ob zu all diesen Akteuren auch die Hamas gehört, die ja nun eine der Kriegsparteien ist. Spricht die Bundesregierung also direkt mit der Hamas?
Sehen Sie eigentlich eine destabilisierende Wirkung des Konflikts auch auf Nachbarländer wie Jordanien? Der Außenminister hat ja, glaube ich, auch schon mit seinem jordanischen Kollegen telefoniert.
SASSE: Ich beantworte Ihre letzte Frage zuerst: Ja, wir sehen angesichts der innerisraelischen Spannungen auch durchaus die Gefahr einer Eskalation, auch einer Eskalation für die gesamte Region. Das ist einer der Gründe, warum wir uns so intensiv darum bemühen, zu einer Beruhigung der Lage beizutragen.
Was Ihre erste Frage danach angeht, ob man mit der Hamas sprechen sollte, muss man, glaube ich, noch einmal deutlich machen: Die Hamas ist innerhalb der EU als Terrororganisation gelistet, und die Ereignisse der letzten Tage haben noch einmal genau gezeigt, warum. Deswegen sprechen wir nicht mit der Hamas, und das werden wir jetzt auch nicht ändern. Hinzu kommt, dass die Hamas natürlich nicht dafür belohnt werden darf, dass diese Gewalt ausgeübt wird, auch nicht dadurch, dass man die Hamas durch Gespräche international aufwertet.
Es gibt ja aber durchaus Staaten, die sich intensiv um Vermittlung bemühen. Wir stehen dazu beispielsweise auch mit Ägypten in engem Austausch. Außenminister Maas hat in der vergangenen Woche unter anderem auch mit seinem Kollegen Samih Schukri telefoniert, und auch dazu haben wir einen Tweet abgesetzt.
FRAGE: Frau Sasse, Sie haben gerade die Vermittlungsbemühungen angesprochen. Der Bundesaußenminister hat am Wochenende auch mit dem katarischen Kollegen geredet. Können Sie dazu Näheres sagen?
SASSE: Ja. Dazu kann ich allerdings nur das sagen, was wir auch getwittert haben. Es ist richtig: Es hat auch ein Gespräch mit dem katarischen Außenminister stattgefunden. Wie Sie wissen, hat Katar eine ganz besondere Beziehung zur Hamas. Der Außenminister hat natürlich auch in diesem Gespräch darauf gedrängt, dass man alle Kanäle nutzt, um auf die Akteure in der Region einzuwirken, damit es wirklich schnellstmöglich zu einer Beruhigung der Lage kommt und damit in diesem konkreten Fall auch die Raketenangriffe der Hamas eingestellt werden.
FRAGE: Ich habe noch eine Verständnisfrage zu einer vorher aufgekommenen Frage. Heißt das, die Tatsache, dass die USA seit Beginn der neuen Eskalation jede Verabschiedung einer UN-Resolution verhindert haben, wird von der Bundesregierung verurteilt, oder unterstützt sie die USA in dieser Haltung?
SASSE: Wie gesagt, haben wir deutlich gemacht: Wir unterstützen die Vermittlungsbemühungen der USA, und die USA haben sich klar zur Zweistaatenlösung bekannt. Wir arbeiten mit den Parametern weiter, die die US-Regierung in der Vergangenheit selbst zu diesem Thema veröffentlicht hat, und darauf liegt im Moment der Fokus unseres Engagements.
ZUSATZFRAGE: Meines Wissens waren alle Mitglieder des UN-Sicherheitsrats für die Verabschiedung der Resolution, lediglich die USA haben dies verhindert. Könnten Sie dazu bitte noch die Haltung der Bundesregierung formulieren?
SASSE: Die werde ich Ihnen nachreichen.
Gespräche zwischen der deutschen und der namibischen Regierung über die Aufarbeitung der deutschen Kolonialherrschaft in Namibia
FRAGE: Eine Frage an das Auswärtige Amt: Es gab am Wochenende Berichte, wonach ein Versöhnungsabkommen mit Namibia ‑ ich nenne es einmal so; ich weiß nicht, ob das der korrekte Begriff ist ‑ paraphiert ist und gegebenenfalls schon in den nächsten Wochen offiziell gezeichnet werden soll. Daher die Frage: Können Sie das bestätigen, und was steht darin?
SASSE (AA): Die Meldungen sind uns natürlich bekannt.
Lassen Sie mich grundsätzlich zum Thema Namibia Folgendes sagen:
Die Bundesregierung bekennt sich zur besonderen historischen Verantwortung Deutschlands gegenüber Namibia. Wie Sie wissen, führt die Bundesregierung bereits seit 2015 mit der Regierung von Namibia Gespräche über eine zukunftsgerichtete Aufarbeitung der deutschen Kolonialherrschaft in Namibia. Diese Gespräche verliefen zuletzt sehr konstruktiv. Das kann ich Ihnen sagen. In der letzten Woche gab es eine weitere Verhandlungsrunde im Auswärtigen Amt in Berlin. Auch das kann ich Ihnen bestätigen.
Wir befinden uns bei diesem Thema auf der Zielgeraden. Der derzeitige Verhandlungsstand liegt nun bei beiden Regierungen. Auf namibischer Seite waren natürlich auch die Gemeinschaft der Nama und Herero beteiligt. Vertreter dieser Gemeinschaften haben an den Verhandlungsrunden teilgenommen.
Bis zum Abschluss des Prozesses ‑ da muss ich Sie allerdings um Verständnis bitten ‑ haben beide Seiten Vertraulichkeit vereinbart. Deswegen kann ich an der Stelle noch keine weiteren Angaben machen.
ZUSATZFRAGE: Das heißt, die Berichte, wonach das paraphiert ist, sind falsch?
SASSE: Ich kann an dieser Stelle nur das zum Thema Namibia sagen, was ich gerade gesagt habe. Der derzeitige Verhandlungsstand liegt bei den beiden Regierungen. Der Prozess ist noch nicht beendet. Bis zum Abschluss haben wir Vertraulichkeit vereinbart.
FRAGE: Wird es eigentlich nur eine Vereinbarung geben, wenn die Herero und Nama, die Opfer des deutschen Völkermordes, dieser Vereinbarung zustimmen? Denn sie haben sich jetzt auch zu Wort gemeldet. Da gab es eine Pressemitteilung, die die aktuelle Verhandlung kritisieren. Unter anderem fordern die Herero und Nama ja zusammen, dass Deutschland den Völkermord an ihren Vorfahren anerkennt, dass sie sich für den Völkermord entschuldigen und dass Deutschland Reparationen für den Völkermord zahlt. Übernehmen Sie diese Position?
SASSE: Wie gesagt: Deutschland sieht sich in einer historisch-moralischen Verantwortung gegenüber dem Staat Namibia und den Nachfahren der Herero und Nama.
Ich habe auch in meinen vorangegangenen Äußerungen deutlich gemacht, dass die Herero und Nama an den Verhandlungen beteiligt waren. Wie die namibische Regierung ihre Rolle einstuft, dazu kann ich an der Stelle keine Auskunft geben. Denn unser direkter Verhandlungspartner ist bereits seit 2015 die Regierung von Namibia.
ZUSATZFRAGE: Die Frage war ja: Kann es mit dieser Vereinbarung zu einer historischen Verantwortung kommen, wenn die Nachfahren der Opfer diesem Verfahren, dieser Einigung, nicht zustimmen?
SASSE: Wie gesagt: Das ist eine Frage, die auch die Zuständigkeiten innerhalb von Namibia und die Rolle der Herero und Nama in Namibia betrifft. Dazu habe ich unsere Position gerade deutlich gemacht.
ZUSATZFRAGE: Aber das ist auch eine politische Frage. Sie können ja sagen: Das machen sie nicht ohne die Opfer.
SASSE: Unser Verhandlungspartner in dieser Sache ist die Regierung Namibias.
FRAGE: Die namibische Regierung hat in der jüngeren Vergangenheit häufiger beklagt, dass der letzte deutsche Regierungschef, der Namibia besucht hat, Helmut Kohl gewesen sei. Erwägt die Bundesregierung im Zusammenhang mit dem Abkommen eine Reise der Kanzlerin oder des Außenministers nach Namibia?
SASSE: Wenn wir dazu etwas zu berichten haben, dann werden wir das hier an dieser Stelle tun. Das kann ich Ihnen versprechen.
Iranisches Atomprogramm
FRAGE: Frau Sasse, der iranische Delegierte bei den JCPOA, Herr Araqhchi, hat sich in der letzten Woche zweimal mit den E3-Vertretern getroffen. Können Sie uns irgendwelche Updates zu den Gesprächen geben und sagen, welche Fragen noch offenstehen oder geklärt werden müssen?
SASSE (AA): Das mache ich natürlich sehr gern. Wir haben ja auch in der Vergangenheit hier immer schon Updates zu den Gesprächen in Wien gegeben.
Wie Sie wissen, läuft aktuell die vierte Runde der Gespräche. Es gibt sowohl Sitzungen der Arbeitsgruppen als auch regelmäßige Treffen in anderen unterschiedlichsten Formaten. Die Gespräche in Wien widmen sich dabei intensiv allen Themen, also der Sanktionsaufhebung ebenso wie dem Nuklearbereich und Umsetzungsfragen. Das sind alles Themen, die einer Regelung bedürfen, um den JCPOA effektiv wiederzubeleben.
Wir sind noch immer der Meinung, dass eine Einigung möglich ist. Eine Garantie gibt es natürlich nach wie vor nicht. Im Moment laufen die Gespräche zu verschiedenen Knackpunkten ‑ ich bezeichne sie einmal so. Das ist gut. Aber wir wären natürlich weiterhin froh, wenn es schnellere substanzielle Fortschritte gäbe.