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Erklärungen des Auswärtigen Amts in der Regierungspressekonferenz vom 26.01.2022
Ukraine-Konflikt
VORS. BUSCHOW: Ein Kollege fragt das Verteidigungsministerium und auch den Regierungssprecher: Können Sie bestätigen, dass Deutschland 5000 militärische Schutzhelme an die Ukraine liefern wird? Wenn ja, wann?
Bleibt es dabei, dass die estnische Anfrage wegen Haubitzen an die Ukraine noch geprüft wird?
COLLATZ (BMVg): Ich kann gerne beginnen. ‑ Ich kann bestätigen, dass wir eine Prüfung auf Anfrage der ukrainischen Seite abgeschlossen haben und eine Zulieferung von 5000 militärischen Schutzhelmen zusagen können. Über die Zeitlinien kann ich Ihnen jetzt noch nichts sagen, nur über die Anzahl. Ich kann auch bestätigen, dass die Prüfung hinsichtlich der Haubitzen noch andauert.
FRAGE: Konkret zu den Helmen: Ist das denn eine Bitte der Ukraine gewesen, die schon länger im Raum steht, oder ist das jetzt eine Reaktion auf den gestiegenen Druck, vielleicht auch Defensivwaffen zu liefern?
COLLATZ: Laut meinen Informationen gab es kürzlich eine Anfrage der ukrainischen Seite dazu.
ZUSATZFRAGE: Kürzlich heißt: In den letzten zwei Tagen?
COLLATZ: Nicht im monatlichen Verlauf, sondern in den letzten Tagen oder Wochen.
VORS. BUSCHOW: Der Kollege fragt auch nach Schutzwesten, um die die Ukraine gebeten hätte. Können Sie dazu noch etwas ergänzen?
COLLATZ: Dazu habe ich nichts mitzuteilen.
FRAGE: Direkt daran anschließend: Können Sie uns bitte sagen, was für Anfragen der Ukraine eigentlich mittlerweile vorliegen? Das werden ja wahrscheinlich zahlreiche sein. Können wir da irgendwie einen Überblick bekommen?
COLLATZ: Konkret liegt mir aktuell nur die Anfrage zu den Helmen vor. Wenn es dort etwas zu ergänzen gibt, liefere ich das gerne nach.
VORS. BUSCHOW: Ein weiterer Kollege fragt: Zur EU-Ausbildungsmission in Brüssel heißt es, Bedenken Deutschlands und dreier anderer EU-Mitgliedstaaten würden eine schnelle Beschlussfassung über die geplante EU-Ausbildungsmission für Offiziere der Streitkräfte unnötig verzögern. Dazu fragt er das Auswärtige Amt: Befürwortet die Bundesregierung diese Mission, und worin bestehen mögliche Bedenken?
BURGER (AA): Das Gegenteil ist richtig: Deutschland setzt sich dafür ein, die EU-Unterstützung für die Reform des ukrainischen Militärausbildungssystems zügig auf den Weg zu bringen. Darüber sind sich im Grundsatz auch alle EU-Mitgliedstaaten einig. Was derzeit noch in Brüssel diskutiert wird ist die Frage, welches Instrument bzw. welche Rechtsgrundlage dafür am besten geeignet ist. Wir hoffen, dass es auch dazu eine schnelle Einigung gibt. Der Europäische Auswärtige Dienst hat dafür verschiedene Optionen vorgelegt. Aus unserer Sicht, die viele EU-Mitgliedstaaten teilen, ist eine militärische sogenannte GSVP-Mission dafür nicht das Mittel der Wahl, weil das an den tatsächlichen Bedarfen vorbeigehen würde. Wir befürworten stattdessen eine flexibel umsetzbare Unterstützungsmaßnahme im Rahmen der sogenannten Europäischen Friedensfaszilität. Aber wie gesagt, das sind Diskussionen, die derzeit in Brüssel stattfinden, und wir hoffen, dass es dazu eine schnelle Einigung gibt.
VORS. BUSCHOW: Ein Kollege fragt: Wie bewertet es die Bundesregierung, dass der russische Außenminister Lawrow weder für die Europäische Union noch für die OSZE eine Rolle in den derzeitigen Gesprächen zur Ukraine-Krise sieht?
BURGER: Ich kenne die Äußerungen nicht, auf die sich das bezieht, und würde das von daher auch nicht kommentieren. Die Gespräche, die es in der OSZE dazu bereits gegeben hat, zeigen aus unserer Sicht, dass die OSZE selbstverständlich ein wichtiges Gremium ist, weil sie ein Gremium ist, in dem alle europäischen Staaten vertreten sind ‑ und es geht ja um die Sicherheit Europas. Wie gesagt, im Übrigen kenne ich die Äußerungen nicht und kann sie deswegen auch nicht kommentieren.
FRAGE: Eine Lernfrage zu den 5000 Helmen, Herr Collatz: Schenkt man die der Ukraine oder werden die bezahlt?
COLLATZ: Das ist eine sogenannte Länderabgabe, also von Truppe zu Truppe. Die Kostenverhandlungen sind davon jetzt erst einmal unbenommen, dazu kann ich keine Aussage machen. Das müsste ich nachliefern.
FRAGE: Ich bin mir nicht ganz sicher, an wen meine Frage geht ‑ möglicherweise an das Wirtschaftsministerium oder an Herrn Hebestreit. Es geht darum, dass Deutschland und einige andere europäische Länder laut einem Medienbericht eine Ausnahme für den Energiesektor beantragt haben, wenn russische Banken mit Sanktionen überzogen werden. Können Sie das bestätigen?
HEBESTREIT (BReg): Ich glaube, dazu müssen wir generell das sagen, was wir in diesen Fragen zum Thema Sanktionsregime immer sagen, und das ist, dass wir diese Gespräche so vertraulich halten, wie es nötig ist, um eben auch die andere Seite da nicht vorher reingucken zu lassen. Ich verstehe Ihr Interesse an all dem, was sich da abspielt, aber diese Gerüchtelagen wollen wir nicht kommentieren. Vieles, was dazu zu lesen ist, ist auch nicht ganz richtig, und manches ist sogar falsch. Das müssen wir aber hinnehmen.
Im Augenblick ist die westliche Welt sehr bestrebt, eine sehr einheitliche, eine klare und starke Antwort zu formulieren ‑ aus Sorge, was an der ukrainischen Grenze mit Blick auf Russland passieren kann. Diese Gespräche finden statt und sie finden vertrauensvoll statt. Dabei wollen wir es auch belassen.
ZUSATZFRAGE: Können Sie uns nicht zumindest die Punkte nennen, die falsch sind, und sagen, ob die Ausnahmegenehmigungen für den Energiesektor, die ich gerade erwähnt habe, darunterfällt?
HEBESTREIT: Schon als Kind war ich kein Fan von Topfschlagen, und das wird sich auch im hohen Alter nicht ändern. Insofern: Ich verstehe Ihr Interesse und bitte um Verständnis, dass wir in diese Variante nicht einsteigen.
BURGER: Ich will vielleicht noch kurz unterstreichen, was Herr Hebestreit gerade schon gesagt hat, nämlich dass wir wirklich ein sehr weitgehendes Einvernehmen zwischen den Partnern sowohl innerhalb der Europäischen Union als auch mit den Vereinigten Staaten und anderen entscheidenden Partnern in dieser Frage haben. Wir haben hier eine klare gemeinsame Strategie, die einerseits die Bereitschaft zu einem ernsthaften Dialog mit Russland über europäische Sicherheit auf Basis des Völkerrechts, auf Basis der Helsinki-Prinzipien umfasst und zum anderen die klare Bereitschaft, dass, wenn Russland die Souveränität der Ukraine erneut verletzen würde, dies einen hohen wirtschaftlichen, politischen, strategischen Preis hätte. Da sind wir uns alle völlig einig und das ist die klare gemeinsame Haltung unter den Partnern.
FRAGE: Herr Hebestreit, der französische Präsident hat gestern angedeutet, dass das nächste Gipfeltreffen im Normandie-Format in Deutschland stattfinden soll. Ist so ein Treffen schon geplant oder arbeitet die Bundesregierung daran, so ein Treffen zu organisieren?
HEBESTREIT: Wie Sie wissen, findet heute ein Treffen auf der Ebene der außenpolitischen Berater in Paris, im Élysée-Palast, im Normandie-Format statt. Die Entwicklung dort muss man abwarten. Sollte es weitere Treffen geben oder sogar ein Treffen auf Ebene der Staats- und Regierungschefs, dann würde wir Ihnen das hier selbstverständlich rechtzeitig ankündigen. Im Augenblick kann ich von solchen Planungen nicht berichten.
ZUSATZFRAGE: An das Auswärtige Amt: Herr Burger, haben Sie schon etwas zu dem heutigen Treffen in Paris zu sagen? Wenn es noch andauert: Können Sie vielleicht sagen, welche Erwartungen Sie von dem Treffen haben?
BURGER: Ich glaube, wenn jemand zu diesem Treffen etwas zu sagen hätte, dann wäre es der Regierungssprecher, weil es ja ein Treffen der Berater der Staats- und Regierungschefs ist.
Ich glaube, die Erwartungen, die wir mit dem Normandie-Prozess insgesamt verknüpfen, hat die Außenministerin in den letzten Tagen sehr deutlich gemacht, beispielsweise auch während ihres Besuchs in Moskau. Das ist das Format, in dem Russland und die Ukraine an einem Tisch sitzen und in dem Frankreich und Deutschland als Vertreter Europas mit am Tisch sitzen und vermitteln, und es ist das Format, in dem es darum geht, konkrete Schritte zur Umsetzung der Minsker Vereinbarungen zu identifizieren, um den Konflikt in der Ostukraine zu deeskalieren.
VORS. BUSCHOW: Eine Kollegin fragt: Sieht die Bundesregierung Energieexporte aus Russland als Bedrohung an, und beteiligt sich die Bundesregierung an der Entwicklung von Maßnahmen zur Verweigerung russischer Energielieferungen auf EU-Ebene?
HEBESTREIT: Von solchen Überlegungen ist mir nichts bekannt.
FRAGE: Zum Stichwort der Einigkeit habe ich an Herrn Hebestreit noch einmal eine Frage. Der polnische Vizeaußenminister hat ja Zweifel an der Verlässlichkeit Deutschlands in der Ukrainefrage geäußert. Er ist nicht der einzige in Osteuropa und hat auch noch einmal konkret ein klares Nein zu Nord Stream 2 eingefordert. Ist die Bundesregierung verlässlich?
HEBESTREIT: Den letzten Satz habe ich nicht verstanden.
ZUSATZ: Ist die Bundesregierung verlässlich? Das war der Versuch einer Frage.
HEBESTREIT: Die Bundesregierung ist ausgesprochen verlässlich und hat unter anderem vorgestern Abend in einer Videoschalte mit dem amerikanischen Präsidenten, dem polnischen Präsidenten, dem französischen Präsidenten, dem Premierminister des Vereinigten Königreichs, dem Premierminister Italiens und auch Vertretern der EU-Kommission, des Europäischen Rates und der NATO ausgiebig über die Lage in der Ukraine diskutiert, und man war sich sehr, sehr einig. Ich glaube, das ist auch das, was Sie von allen daran Beteiligten erfahren. Insofern sehen wir uns an der Seite unserer Verbündeten.
ZUSATZFRAGE: Noch einmal zu Nord Stream 2: Wäre dieses Nein nicht doch ein deutlicheres Signal an Russland, als sozusagen nur „Das liegt im Falle von Sanktionen auf dem Tisch“ zu sagen?
HEBESTREIT: Ich glaube, der Schritt, den der Bundeskanzler vergangene Woche noch einmal sehr deutlich gemacht hat, ist der Verweis auf das, was seit vielen Monaten Grundlage unseres Handelns ist. Das ist das deutsch-amerikanische Abkommen zu dieser Frage vom vergangenen Juli, das auch für den Fall, den wir im Augenblick alle zu verhindern hoffen, sehr klare Regeln enthält. Darauf hat er noch einmal hingewiesen, was dann in dem Satz gegipfelt hat, den Sie eben zitiert haben: Alle Optionen liegen auf dem Tisch. Dann ist das so.
FRAGE: Ich hätte eine Frage zu den Stimmen aus Osteuropa, die sich mehren und die von einem unzuverlässigen Partner Deutschland sprechen. Da gibt es ja auch andere Punkte, die sehr strittig sind, zum einen die Waffenlieferungen vonseiten anderer Länder, die Sie auch verhindern, zum Beispiel Estlands, und es gibt den Punkt von SWIFT bzw. der internationalen Zahlungsmethoden. Sagen Sie immer noch sehr hart, das dürfe nicht passieren, weil das die deutsche und die europäische Wirtschaft schädigt? Wie antworten Sie darauf? Die Stimmen mehren sich ja. Das sind ja nicht nur die Polen. Aus Lettland kommen kritische Stimmen, und die Ukraine ist natürlich momentan sehr wütend auf Deutschland. Wie können Sie diese Stimmen beruhigen?
HEBESTREIT: Ich stand unter dem Eindruck, dass genau das, was ich eben gesagt habe, ein Signal der Beruhigung auch an solche Stimmen sein mag.
Ich wollte noch etwas sagen, weil Sie eben in Ihrer Frage eine Unterstellung in Bezug auf SWIFT nannten: Meines Wissens gab es da eine Äußerung aus dem politischen Raum, vom Vorsitzenden einer Oppositionspartei, der sich dazu geäußert hat. Mir sind aus der Bundesregierung keine Äußerungen dazu bekannt, dass man es ablehne, SWIFT auf den Sanktionslisten zu haben. Aber auch da, bevor Herr Rinke eine Eilmeldung absetzen muss, gilt das, was ich zum Topfschlagen gesagt habe. Ich wollte nur die Unterstellung, die Ihre Frage beinhaltete, zurückweisen. Das heißt nicht, dass das Gegenteil auch richtig ist.
ZUSATZFRAGE: Ich habe mich auf diesen Satz von Außenministerin Baerbock bezogen. Sie hat, glaube ich, in Brüssel „Der härteste Knüppel ist nicht das beste Schwert“ oder so etwas gesagt. Kann das sein? War das auf SWIFT bezogen?
HEBESTREIT: Ich glaube, wir haben an dieser Stelle verschiedentlich sehr deutlich gemacht, worum es bei diesen Sanktionen geht. Ich verweise auch gerne auf das Interview des Bundeskanzlers in der „Süddeutschen Zeitung“, der sich dazu geäußert hat, dass man bei allen Sanktionen, die man beschließt, auch genau schauen muss ‑ “it always comes with a price”, und das ist so auch richtig und in Ordnung ‑, dass dieser Preis auch von allen getragen werden kann. Aber viel präziser als so hat sich meines Wissens niemand dazu eingelassen. Das ist auch gut so, weil sonst ja nicht das gilt, was ich anfangs Herrn Rinke auf die Frage mit dem Topfschlagen geantwortet hatte.
BURGER: Genau so ist es. Den Wortlaut der Äußerungen der Außenministerin können Sie ja nachlesen. Im Übrigen gilt auch in dieser Frage: Hinsichtlich der Tatsache, dass natürlich bei all diesen Maßnahmen auch berücksichtigt wird, welche Rückwirkungen das hat, sind wir uns im Kreis der westlichen Partner absolut einig.
FRAGE: Herr Collatz, ich wollte Sie einmal fragen, was eine Bundeswehr, die vor Kurzem überstürzt aus Afghanistan abgezogen ist, einer Armee beibringen soll, die seit einigen Jahren im Krieg steht.
COLLATZ: Das ist eine sehr offene Frage, die ich mit der Bitte, sie zu konkretisieren, an Sie zurückspielen würde.
ZUSATZ: In welchen militärischen Bereichen könnte die Bundeswehr ukrainischen Offizieren Wissen vermitteln, das sie bisher nicht haben?
COLLATZ: Wir sind ja schon seit Langem mit unseren Partnern in der Ukraine dabei, voneinander zu lernen. Die ukrainische Seite trägt oft an uns heran, dass sie sehr daran interessiert ist, zum Beispiel bei der Verwundetenversorgung und der sanitätsdienstlichen Versorgung unsere Kenntnisse und auch unsere Beratung zu bekommen. Das ist ein Beispiel dafür, wo wir auf jeden Fall in einem engen Austausch miteinander sind.
Ich würde die Gelegenheit nutzen, kurz noch eine Nachlieferung zu bringen. Herr Küstner, am 19. Januar ist die Anfrage über die ukrainische Botschaft bei uns eingegangen, also erst in den letzten Tagen.
Die Kostenfrage befindet sich tatsächlich derzeit in der Klärung, muss aber ressortübergreifend einstimmig behandelt werden. Ich gehe davon aus, dass wir mit unseren Partnern in der Ukraine, was diese Preisverhandlungen angeht, sehr wohlwollend umgehen können.
FRAGE: Ich frage jetzt nicht nach weiteren Töpfchen, aber ich hätte ganz gerne Herrn Hebestreit und Herrn Burger gefragt, ob denn klar ist, was bei dem Normandie-Format der nächste Schritt sein kann. Es gab ja oft die Sequenzierung, dass sich zuerst die Politischen Direktoren oder die außenpolitischen Berater treffen, dann die Außenminister und dann die Staats- und Regierungschefs. Macron hat gestern offengelassen, was das nächste Treffen für eines sein könnte. Gibt es irgendwelche Vorgespräche darüber, ob das dann zuerst ein Außenministertreffen oder gleich ein Treffen der Staats- und Regierungschefs sein wird?
HEBESTREIT: Da gibt es keine weiteren Festlegungen. Genau deswegen hat sich der französische Präsident ja gestern auch so geäußert, wie er sich geäußert hat. Ich glaube, wir müssen jetzt erst einmal selbst abwarten, was diese Gespräche bringen und was Herr Plötner aus Paris mitbringen wird. Alles Weitere müssen wir dann bewerten und würden Ihnen das dann natürlich auch in dem für Sie gewohnten, üblichen und geschätzten Maße rechtzeitig und umfänglich mitteilen.
BURGER: Ich würde vielleicht ganz kurz, weil mir zugerufen wurde, dass ich das nicht unterschlagen sollte, der Vollständigkeit halber noch mitteilen, dass auch bei dieser Runde der Gespräche, die auf Ebene der Berater der Staats- und Regierungschefs stattfinden, ein Vertreter des Auswärtigen Amts beteiligt ist, wie es bei all diesen Gesprächsformaten immer üblich war, dass sich Kanzleramt und Auswärtiges Amt eng unterstützen und miteinander austauschen.
ZUSATZFRAGE: Was heißt das? Heißt das, dass aus Berlin zwei Diplomaten angereist sind, die beide teilnehmen, oder dass sie sich gegenseitig informieren?
BURGER: Mindestens zwei.
ZUSATZFRAGE: Ich meine jetzt „auf Chefberaterebene“. Ist das also der Politische Direktor aus dem Auswärtigen Amt und der ‑ ‑ ‑
BURGER: Nein, es ist der außen- und sicherheitspolitische Berater des Bundeskanzlers, Herr Plötner, und es sind auch Mitarbeiter ‑ mindestens einer ‑ des Auswärtigen Amts Teil dieser Delegation.
FRAGE: Herr Hebestreit, gegebenenfalls Frau Baron, wenn sich jetzt in der Energieversorgung herausstellt, dass die Kräfte des Marktes vielleicht doch nicht alles regeln, ist es für die Bundesregierung besorgniserregend, dass der größte deutsche und größte europäische Gasspeicher im Emsland von Gazprom betrieben wird? War es ein Fehler, diese Kaverne damals Gazprom zu überlassen?
BARON (BMWK): Ich kann dazu gerne Stellung nehmen. Die Versorgungssicherheit in Deutschland ist aktuell weiter gewährleistet. Natürlich ist es richtig, dass wir die Lage sehr genau beobachten müssen. Die Speicherstände befinden sich aktuell bei rund 40 Prozent bis 41 Prozent. Das ist natürlich deutlich niedriger als in den Vorjahren. Deshalb hat sich Minister Habeck auch schon geäußert und gesagt, dass wir die Situation in diesem Winter eben zum Anlass nehmen müssen, unsere Vorsorgeinstrumente für den nächsten Winter zu verbessern. Die Arbeiten daran haben wir auch aufgenommen, um eben zu sagen: Wir müssen Lehren aus diesem Winter ziehen und uns die Vorsorgeinstrumente noch einmal genau anschauen. Die Arbeiten haben wir hier im Haus aufgenommen, um eben bessere Vorsorge für den nächsten Winter zu haben.
HEBESTREIT: Aber vielleicht darf ich das an einer Stelle ergänzen, weil in Ihrer Frage auch wieder so eine nicht ganz ungefährliche Unterstellung mitschwingt und weil sie insinuieren, es sei quasi ein strategisches Moment, das da zum Tragen käme: Wir haben keinerlei Erkenntnisse, dass die russische Seite ihren Lieferverträgen nicht nachkommt. Darauf gibt es bei uns keinerlei Hinweise.
ZUSATZFRAGE: Das wollte ich auch nicht unterstellen. Die Frage ist aber, da Russland via Gazprom jetzt ja sozusagen auf beiden Seiten am Hebel sitzt, ob das eine für die Bundesregierung politisch besorgniserregende operative Situation ist, die man nutzen könnte.
BARON: Ich glaube, ich habe die Frage beantwortet. Wir schauen uns die aktuelle Lage sehr genau an. Der Markt ist so, wie er jetzt strukturiert ist, ein liberalisierter Gasmarkt. Für diesen Weg und diese Entscheidung hat man sich entschieden. Das ist der Status quo. Aktuell ist die Versorgungssicherheit weiter gewährleistet, da ja auch nicht nur aus Speichern versorgt wird, sondern im Rahmen von Langzeitlieferverträgen und von LNG-Lieferungen, die ja, wie wir gesehen haben, in den letzten Wochen auch sehr stark in Europa angelandet sind. Aber gleichzeitig gilt auch für den nächsten Winter, die Vorsorgeinstrumente eben zu verbessern.
VORS. BUSCHOW: Ein Kollege bezieht sich darauf, dass die Verteidigungsministerin gesagt hat, Waffenlieferungen an die Ukraine seien aktuell nicht hilfreich. Nun ist es so, schreibt er, dass die Ukraine sehr viel weniger Waffen als Russland hat. Seine These sei deshalb, dass es für die stärker bewaffnete Konfliktpartei, also Russland, sehr wohl hilfreich sei, wenn man der Ukraine keine Waffen liefere, und fragt: Können Sie diesen Widerspruch auflösen?
COLLATZ: An der Haltung der gesamten Regierung zu Waffenlieferungen an die Ukraine hat sich nichts geändert.
FRAGE: Herr Hebestreit, ich habe eine kurze Verständnisfrage, weil Sie die Verlässlichkeit gegenüber den Verbündeten angesprochen haben und es gleichzeitig eine ökonomische Interdependenz zwischen Russland und Deutschland gibt. Ist Russland denn für die Bundesregierung ein Verbündeter?
HEBESTREIT: Russland ist kein Verbündeter.
ZUSATZFRAGE: Trotz der gegenseitigen ökonomischen Abhängigkeit?
HEBESTREIT: Ich glaube, das, was wir unter Verbündeten verstehen, sind diejenigen, die unsere politischen Werte teilen ‑ das ist das Verständnis von Demokratie, Rechtsstaatlichkeit und Menschenrechten ‑, die wir insbesondere in Bündnissen wie dem nordatlantischen Verteidigungsbündnis, aber auch in der Europäischen Union und in anderen Institutionen leben. Das heißt nicht, dass Russland nicht trotzdem auch ein wichtiger Handelspartner ist, dass wir nicht einen engen Austausch mit Russland suchen und dass wir nicht ‑ nicht nur wirtschaftlich, sondern auf vielen verschiedenen anderen Ebenen ‑ miteinander in Kontakt stehen. Aber ich glaube, Ihre Interpretation von Verbündeten würde das nicht treffen.
Versöhnungsabkommen zwischen Deutschland und Namibia
VORS. BUSCHOW: Das Stichwort bei der nächsten Frage lautet Namibia. Der Kollege fragt nach dem Versöhnungsabkommen mit Namibia. Herero und Nama forderten Neuverhandlungen, da sie seinerzeit nicht beteiligt gewesen seien, schreibt er. Sie beziehen sich dabei auf gute Kontakte zu den Grünen in der Vergangenheit. Ein Gespräch mit Außenministerin Baerbock sei schon im Dezember erbeten worden. Wie steht die Bundesregierung zu solchen Neuverhandlungen?
BURGER (AA): Im Koalitionsvertrag steht dazu sehr deutlich:
„Die Aussöhnung mit Namibia bleibt für uns eine unverzichtbare Aufgabe, die aus unserer historischen und moralischen Verantwortung erwächst. Das Versöhnungsabkommen mit Namibia kann der Auftakt zu einem gemeinsamen Prozess der Aufarbeitung sein.“
Dieser Vorschlag, der ja gemeinsam mit Namibia entwickelt und ausgehandelt wurde, ist Ihnen bekannt. Sie wissen, dass Deutschland darin die Verbrechen, die zwischen 1904 und 1908 in Namibia begangen wurden, als das bezeichnet, was sie aus heutiger Sicht waren, nämlich Völkermord. Klar ist, dass Deutschland keinesfalls hinter das zurückfallen wird, was die vergangene Bundesregierung bereits angeboten hat.
Wichtig ist mir dabei zu betonen: Die Ergebnisse der Verhandlungen mit Namibia sind in dem Geiste erzielt worden, dass das nicht der Abschluss einer Verständigung mit Namibia sein soll, sondern die Grundlage für den Beginn intensiver Zusammenarbeit zwischen Deutschland und Namibia. In Namibia gibt es weiterhin eine intensive politische Debatte zu diesem Thema. Das nehmen wir mit großem Respekt zur Kenntnis. Teil dieser Debatte ist sicherlich auch die Äußerung von einigen Vertretern von Herero und Nama, die sich dazu heute zu Wort gemeldet haben. Klar ist aber auch: Verhandlungspartner der Bundesregierung ist und bleibt die namibische Regierung. Sie ist nach der namibischen Verfassung für außenpolitische Verhandlungen zuständig. Sie ist demokratisch legitimiert und bietet Vertretern der Nama und Herero Beteiligungsmöglichkeiten. Auch wir als Bundesregierung haben von Anfang an darauf geachtet, dass Vertreter der Nama und Herero an allen Phasen des Dialogs beteiligt waren. Auf namibische Seite gab es dafür ein sogenanntes technisches Komitee, das die Verhandlungsführer beraten hat. Fünf Vertreter der Nachfahren der Opfer wurden in die Delegation aufgenommen und haben an sämtlichen Verhandlungsrunden teilgenommen. Zudem stand dem namibischen Delegationsführer auch ein Zusammenschluss von 24 traditionellen Autoritäten und Königshäusern beratend zur Seite.
Insofern, ja, hat die Bundesregierung ein Interesse daran, dass die Stimme der Nama und Herero, die Stimmen der Nachfahren der Opfer, in diesen Verhandlungsprozess einfließen. Das war bisher auch der Fall. Verhandlungspartner auf Augenhöhe kann aber nur die namibische Regierung sein.
FRAGE: Es gibt ja ein ausgehandeltes Abkommen. Würden Sie denn ausschließen, dass das noch einmal neu verhandelt oder nachverhandelt wird?
BURGER: Wie gesagt: Im Koalitionsvertrag ist festgehalten, dass dieses Abkommen der Auftakt zu einem gemeinsamen Prozess der Aufarbeitung sein kann. Zu entscheiden, wie es mit diesem Abkommen weitergeht, ist nun zunächst an der namibischen Seite. Wir nehmen mit Respekt zur Kenntnis, dass es in Namibia zurzeit über diese Frage eine Debatte gibt.
FRAGE: Steht die Außenministerin hinter diesem sogenannten Versöhnungsabkommen, oder möchte sie das vielleicht auch aufschnüren? Es gibt ja massenweise Kritik, auch in den letzten Jahren. Wir haben das hier in der BPK auch dokumentiert.
BURGER: Ich habe die Haltung der Bundesregierung dazu gerade sehr ausführlich vorgetragen, und das ist natürlich die Haltung, die die Außenministerin vertritt.
ZUSATZ: Das heißt, nur noch die namibische Seite kann jetzt entscheiden, dass das aufgeschnürt wird, weil die deutsche Seite, die Bundesregierung, nicht mehr darüber debattieren möchte. Sie haben den Schuh ja auf die andere Seite geworfen.
BURGER: Wie gesagt: Es liegt ein Angebot von deutscher Seite auf dem Tisch, und die namibische Seite muss jetzt entscheiden, wie sie mit diesem Angebot weiter umgehen möchte. Darüber findet in Namibia zurzeit eine Diskussion statt, und das Ergebnis diese Diskussion müssen wir abwarten.
Militärputsch in Burkina Faso
FRAGE: In Burkina Faso, einem Nachbarland von Mali, hat es einen Staatsstreich gegeben. Was bedeutet das für die Instabilität in der Region?
Eine Anschlussfrage gleich hinterher: Die EU erwägt ja Sanktionen. Wäre das ein Weg, den die Bundesregierung gerne gehen würde, also mit Strafmaßnahmen zu reagieren?
BURGER (AA): Vielen Dank. – Wir haben uns dazu gestern auch schon kurz schriftlich geäußert. Ich darf noch einmal kurz darauf rekurrieren. Der gewaltsame Umsturz durch Teile der Streitkräfte bedeutet einen schweren Schlag gegen die burkinische Verfassung und die Demokratie, die Burkinerinnen und Burkiner im Jahre 2015 errungen haben. Das Militär muss in die Kasernen und zur verfassungsmäßigen Ordnung zurückkehren und weitere Eskalationen vermeiden. Dazu gehört, dass der demokratisch gewählte Präsident Roch Marc Christian Kaboré und alle in diesem Zusammenhang festgehaltenen Personen umgehend freigelassen werden. Deutschland steht seit mehr als 60 Jahren an der Seite der Menschen in Burkina Faso, und wir werden unsere weitere Zusammenarbeit mit dem Land in dieser Situation bewerten und anpassen, immer im Sinne der Menschen des Landes.
Ich kann vielleicht darüber hinaus noch auf Ihre Frage anführen: Wir beraten jetzt mit unseren internationalen Partnern, vor allem auch im EU-Kreis, über nächste Schritte. Die Regionalorganisation ECOWAS hat den Putsch verurteilt und einen Sondergipfel zu Burkina Faso angekündigt. Aus unserer Sicht kommt ECOWAS gerade in dieser Situation eine Führungsrolle zu, die wir unterstützen. Deswegen stehen wir dazu auch mit ECOWAS in einem engen Austausch.
ZUSATZFRAGE: In Mali ist, wie wir wissen, ja auch eine Putschisten-Regierung an der Macht. Wenn jetzt ein weiteres Land sozusagen in die Hände der Militärs fällt, was bedeutet das möglicherweise auch für die Bundeswehrtruppen vor Ort und die gesamte Region?
BURGER: Wir haben zu dem Bundeswehreinsatz in Mali hier in den letzten Tagen schon öfter Stellung genommen und darauf hingewiesen, dass auch im Koalitionsvertrag vereinbart ist, dass wir alle laufenden Auslandseinsätze regelmäßig evaluieren. Das gilt natürlich auch mit Blick auf die Frage, ob die politische Verfasstheit in den Staaten, mit denen wir uns engagieren, noch die Grundlage für diese Einsätze bietet, und die Frage, wie wir die Ziele, die wir mit diesen Einsätzen verbinden, erreichen können.
Wir engagieren uns dort vor Ort ja nicht zum Selbstzweck, sondern wir stehen vor der Situation, dass in der gesamten Sahelregion Terrorismus und Unsicherheit die Bevölkerung bedrohen. Das ist eine Situation, die auch unsere Sicherheitsinteressen in Europa betrifft. Deshalb sind wir dort engagiert. Aber, wie gesagt, unser Engagement dort müssen wir immer wieder auch im Licht der politischen Entwicklungen vor Ort überprüfen. Und das werden wir tun.
COLLATZ (BMVg): Zum Lagebild kann ich nichts ergänzen. Es ist ein geteiltes Lagebild, das wir diesbezüglich mit dem Auswärtigen Amt haben.
Was das Bundeswehrengagement angeht, das Sie angesprochen haben, kann ich Ihnen das Detail liefern, dass wir geplant hatten ‑ und das Mandat hat das ja auch so vorgesehen ‑, eventuell Ausbildungsvorhaben aus Mali nach Burkina Faso zu verlegen. Das ist auf Eis gelegt. Das hat nicht stattgefunden und wird bis auf Weiteres nicht stattfinden.
Wir haben auch bilaterale Vereinbarungen. Eine Beratergruppe wurde dort auf Anfrage der legitimen Regierung angefragt. Dabei geht es um Ausbildung bei der Beseitigung von Sprengfallen, also Counter-EID-Ausbildung, sowie sanitätsdienstliche Ausbildung. Auch diese Beratergruppe ist im Moment nicht aktiv. Sie befindet sich noch im Land, aber ist zurzeit erst einmal in der Lagebeobachtung und wartet auf Anweisung.
BURGER: Vielleicht kann ich dazu noch ergänzen und kann ganz allgemein sagen, dass alle bilateralen Unterstützungsleistungen, die direkt an staatliche burkinische Stellen gehen, derzeit eingehend überprüft und entsprechend angepasst werden.
Rechtshilfeverfahren im Fall eines ehemaligen georgischen Generalstabschefs
FRAGE: Meine Frage geht an das Innen- oder Justizministerium zum Thema Georgien und um den Fall Kalandadze. Der ehemalige Generalstabschef wurde im Dezember in Berlin verhaftet und später auf Kaution freigelassen. Ist Ihnen bekannt, wo er sich im Moment aufhält? Wie geht es in seiner Sache weiter? Ich meine das Verfahren hinsichtlich seiner Auslieferung nach Georgien.
WEDE (BMI): Ich bitte um Verständnis, dass wir uns zu Einzelfällen hier grundsätzlich nicht äußern können. Deswegen kann ich dazu auch nichts sagen. Gegebenenfalls kann das Bundesjustizministerium dazu etwas sagen.
BÖNNIGHAUSEN (BMJ): Für uns gilt das Gleiche, dass wir uns, wie üblich, zu Einzelfällen in Rechtshilfeverfahren nicht äußern.
ZUSATZFRAGE: Ist zumindest bekannt, wo er sich im Moment aufhält?
BÖNNIGHAUSEN: Das fällt auch unter das, was ich gerade gesagt habe.
ZUSATZFRAGE: Dann hätte ich doch eine Frage an das Auswärtige Amt. Hat das Auswärtige Amt diesen Fall auf dem Schirm?
Hält das Auswärtige Amt Georgien für einen Rechtsstaat?
BURGER (AA): Der Fall ist uns bekannt.
Zu der zweiten Frage kann ich Ihnen sagen, dass natürlich im Zuge von Rechtshilfeverfahren die zuständigen Gerichte, aber natürlich auch die Bundesregierung eingehend bewerten, ob in einem konkreten Fall die Einhaltung rechtsstaatlicher Grundsätze zu erwarten ist oder ob es diesbezüglich anderweitige Befürchtungen gibt. Diese Prüfung wird, wie gesagt, im Einzelfall vorgenommen. Deswegen kann ich auch hier zu diesem Einzelfall nichts weiter sagen.
ZUSATZFRAGE: Wie bewerten Sie die Tatsache, dass die georgische Regierung einen ehemaligen Generalstabschef verfolgt, der jetzt Bürger der Ukraine ist und eine wesentliche Rolle beim Aufbau der ukrainischen Streitkräfte gespielt hat?
BURGER: Ich werde diesen Fall nicht im Einzelnen bewerten. Das ist jetzt Aufgabe der Justizbehörden.
Die Frage, ob jemand ein hohes öffentliches Amt ausgeübt hat, sagt ja per se noch nichts darüber aus, ob sich jemand einer Straftat schuldig gemacht hat.