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Erklärungen des Auswärtigen Amts in der Regierungs­­­pressekonferenz vom 30.03.2022

30.03.2022 - Artikel

Attentatsserie in Israel

HEBESTREIT (BReg): Auch von mir herzlich willkommen! Bevor ich zu den Kabinettsthemen komme, wie üblich am Mittwoch, würde ich gerne noch kurz etwas zu der Attentatsserie in Israel sagen.

Mit großer Betroffenheit blicken wir auf die blutigste Anschlagsserie in Israel seit dem Jahr 2006. Mit dem Anschlag von gestern Abend erhöht sich die Zahl derjenigen, die seit vergangenem Dienstag in Israel bei drei Terroranschlägen ums Leben gekommen sind, auf insgesamt elf. Wir verurteilen diese sinnlose Gewalt auf das Schärfste. Sie macht uns fassungslos. Unsere Gedanken sind bei den Opfern und ihren Angehörigen. Den Verwundeten wünschen wir eine rasche und vollständige Genesung. Wir stehen in diesen schweren Stunden fest an der Seite Israels. ‑ Das erst einmal vorab.

Fortsetzung der Beteiligung bewaffneter deutscher Streitkräfte an der Operation European Union Naval Force Mediterranean IRINI

HEBESTREIT (BReg): Die Bundesregierung hat heute die Fortsetzung der Beteiligung bewaffneter deutscher Streitkräfte an der Operation European Union Naval Force Mediterranean IRINI beschlossen. Der Einsatz soll bis 30. April 2023 verlängert werden und wird durch die Europäische Union geführt. Insgesamt können weiterhin bis zu 300 Soldatinnen und Soldaten dort eingesetzt werden. Der Deutsche Bundestag muss ‑ das wissen Sie ‑ dem Mandat selbstverständlich zustimmen.

Die Hauptaufgabe der Operation bleibt die Umsetzung des Waffenembargos der Vereinten Nationen gegen Libyen. Die Operation soll auch dazu beitragen, die Ergebnisse der Berliner Libyen-Konferenz und die Anstrengungen der Stabilisierung Libyens weiter zu festigen und aktiv zum Friedensprozess des Landes beizutragen. Außerdem soll die Operation einen Beitrag zur Verhinderung der illegalen Ausfuhr von Erdöl einschließlich Rohöl und raffinierter Erdölerzeugnisse aus Libyen leisten. Zudem soll sie helfen, das „Geschäftsmodell“ von Schleusernetzwerken zu bekämpfen.

[...]

ZUSATZFRAGE: Zu IRINI habe ich die folgende Frage an das BMVg oder an das AA: Wie erfolgreich war die bisherige Überwachung des Waffenembargos, und konnten Sie in den letzten zwölf Monaten Embargobrüche feststellen?

HELMBOLD (BMVg): Wir haben natürlich zu der Operation IRINI einige Zahlen. Generell geht es darum, das Waffenembargo zu überwachen und gleichzeitig deeskalierend aufzutreten. Es gab bis 29. März durch deutsche Einheiten sieben „unapposed boardings“.

Zusätzlich ist Ihnen mit Sicherheit ein Fall bekannt, der auch durch die Presse gegangen ist. Das ist das Boarding der “Royal Diamond” mit der Ladung des Treibstoffs Jet. Da wurde etwas mit einer Umleitung der entsprechenden Einheit aufgedeckt.

Hinzu kamen 72 sogenannte “friendly approaches”, bei denen man insbesondere das Lagebild noch unterstützen und dafür sorgen konnte, dass die Operationsführung die Informationen hat.

Noch zur Information: Wir haben einige Daten nach heutigem Stand. Vor allem mit der P-3C Orion führen wir sehr viele Einsatzflüge durch, um vor Ort zu wissen, wer sich in dem Seegebiet bewegt. Wir hatten 56 Einsatzflüge mit der P-3C und 1760 sogenannte „hailings“ oder Annäherungsmanöver sowie insgesamt 22 Boardings. Das bedeutet, bei IRINI gibt es tatsächlich eine gewisse Aktivität, die auch dafür sorgt, dass die Aufgaben, die damit verbunden sind, von deutscher Seite erfüllt werden können.

ZUSATZFRAGE: Konnten Sie Embargobrüche durch Bündnispartner feststellen? In den letzten Jahren gab es immer wieder Berichte darüber: Jordanien und die Türkei.

HELMBOLD: Den Fall der “Royal Diamond”, den ich angesprochen habe, kann man so einordnen, ja.

FRAGE: Bei IRINI war bislang auch Teil des Auftrags der Aufbau und die Ausbildung der lybischen Küstenwache, was wohl in der Mandatsverlängerung nicht mehr enthalten ist. Was ist der Grund dafür?

SASSE (AA): Mit Blick auf das wiederholt inakzeptable Verhalten einzelner Einheiten der lybischen Küstenwache gegenüber Flüchtlingen und Migranten und auch gegenüber Nichtregierungsorganisationen kann die Bundesregierung im Moment keine Ausbildung der lybischen Küstenwache durch deutsche Soldaten vertreten. Deswegen die Mandatsänderung.

ZUSATZFRAGE: Gibt es dazu eine Zahl der registrierten Vorfälle?

SASSE: Wir haben Erkenntnisse darüber, dass sich die Küstenwache in mindestens zwei Fällen völlig inakzeptabel und rechtswidrig verhalten hat. Dabei geht es um Vorfälle im Juli 2021. Das sind Fälle, die ich an dieser Stelle nennen kann.

FRAGE: Frau Sasse, wenn die lybische Küstenwache für diese Aufgabe nicht geeignet ist, stellt sich natürlich die Frage: Wer soll dann die Rettung der Flüchtlinge oder Migranten vor der lybischen Küste durchführen?

Ganz akut gab es am Montag den Fall eines deutschen Schiffes mit ukrainischem Kapitän, das 32 Migranten in Seenot gerettet hat und sie nach Malta bringen will. Ist die Bundesregierung mit den maltesischen Behörden dazu in Kontakt?

SASSE: Um Ihre letzte Frage vorweg zu beantworten: Ich müsste dazu Nachforschungen anstellen und Ihnen die Antwort nachreichen. Das habe ich gerade nicht parat.

Was den anderen Teil Ihrer Frage angeht, so muss man da trennen. Bei dem, worauf sich meine Äußerungen gerichtet haben, ging es um die Ausbildung der lybischen Küstenwache. Ich habe Ihnen gesagt, warum wir diese Ausbildung nicht mehr als Teil des Mandats begreifen. Die Seenotrettung ist natürlich eine Frage, die davon unabhängig ist.

ZUSATZFRAGE: Aber das lässt ja offen, wer das jetzt tun soll, wenn unausgebildete Libyer dafür nicht geeignet sind. Sollen die Libyer das weitermachen oder jemand anderer?

SASSE: Darüber möchte ich an dieser Stelle nicht spekulieren. Hierbei geht es ganz konkret um die Verlängerung des IRINI-Mandats. Den Mandatsrahmen habe ich gerade zusammen mit Herrn Helmbold dargestellt.

FRAGE: Herr Hebestreit, Sie haben das als Teil der deutschen Bemühungen um die Stabilisierung Libyens dargestellt. Vielleicht können Sie uns kurz auf den Stand bringen, wo Sie diesen Prozess im Moment sehen und wie die weitere deutsche Rolle aussehen soll. Der Berliner Prozess ist ja mehr oder weniger zum Erliegen gekommen. In diesem Prozess gibt es Partner, die man vielleicht heute nicht mehr unbedingt als Partner betrachtet, zum Beispiel Russland, und die auch militärisch in Libyen präsent sind. Wie stellt sich das für Sie dar? Wie könnte das weitergehen?

HEBESTREIT: Für uns stellt sich das so dar, dass trotz des internationalen Engagements im Augenblick noch immer Verstöße gegen das Waffenembargo der Vereinten Nationen gegen Libyen durch Zufuhr von Waffen, Material und Kämpfern zu beobachten sind, und zwar auf beiden Seiten des Konflikts. Ausländische Kämpfer, Kräfte und Söldner befinden sich auch auf beiden Seiten entgegen der Waffenstillstandsvereinbarung weiterhin im Land. Der Abzug sowie ein geregelter Prozess zur Entwaffnung und Demobilisierung stehen weiterhin aus. Will sagen: Es gibt noch einiges zu tun. Die Bundesregierung engagiert sich zusammen mit den anderen europäischen Partnern dabei, an diesem Prozess festzuhalten, auch wenn er bisher nicht so befriedigend verläuft, wie man das gehofft hatte.

SASSE: Vielleicht kann ich noch ergänzen, weil Sie mich fragend anschauen. Es ist natürlich so, dass wir die Entwicklung in Libyen weiterhin sehr genau verfolgen. Man muss auch feststellen: Es ist nicht zu weiteren Ausbrüchen von Gewalt und zu Gewaltanwendung gekommen.

Wichtig ist natürlich, dass jetzt alle libyschen Akteure das Angebot der Sonderberaterin Stephanie Williams zu weiteren Gesprächen annehmen. Diese muss es geben. Wir stimmen uns zu diesen Fragen und allen Fragen, die Libyen betreffen, natürlich weiterhin eng mit unseren Partnern ab und stehen insbesondere mit Stephanie Williams in engem Kontakt.

Wir nehmen die Warnzeichen ‑ auch das muss ich an dieser Stelle noch deutlich sagen ‑, dass es sozusagen Rückschritte geben könnte, sehr, sehr ernst. Umso wichtiger ist es, dass wir zu einer klaren international abgestimmten Haltung aller Partner finden und diese auch vertreten.

FRAGE: Ich habe noch zwei Lernfragen. Frau Sasse, gab es bisher eine Ausbildung der libyschen Küstenwache? Können Sie uns das vielleicht in Zahlen nennen?

Herr Hebestreit, weil Sie auf die Verstöße des Waffenembargos hingewiesen haben: Wer verstößt denn da auf beiden Seiten? Können Sie uns die Länder nennen?

HEBESTREIT: Ich habe auf meinen Zetteln keine Informationen darüber, welche Länder das sind. Wenn wir Erkenntnisse darüber haben, gebe ich sie Ihnen gerne weiter.

HELMBOLD: Zu der Ausbildung der libyschen Küstenwache: Diese hat bis jetzt nicht stattgefunden. Insofern ist die Mandatsanpassung auch eine Anpassung an die bisherige Realität vor Ort.

FRAGE: Ich habe eine kurze Frage an Frau Sasse zur Lage in Libyen selbst. Hat die Bundesregierung Informationen darüber, dass die von Russland dorthin entsandten Wagner-Söldner aus dem Land abgezogen werden? Es gibt Berichte, dass diese Söldnertruppe aus anderen Ländern Afrikas, beispielsweise Mali, offenbar in die Ukraine gebracht werden soll. Ist das auch aus Libyen der Fall?

SASSE: Ich kann Ihnen an dieser Stelle über keine Erkenntnisse dieser Art berichten. Unsere Forderung in dieser Hinsicht ist weiterhin klar, dass zu einer Befriedung Libyens natürlich dringend auch der Abzug aller ausländischen Söldner gehört. Das haben wir in der Vergangenheit immer wieder deutlich gemacht.

Angriff Russlands auf die Ukraine

FRAGE: Ich habe eine Frage zu dem berühmten Raketenabwehrschirm. Es gibt ja jetzt diese Art von “fact finding mission” von Bundestagesabgeordneten in Israel. Ich wollte fragen, ob die Bundesregierung bei der Entscheidung weitergekommen ist, einen Raketenschutzschirm anzuschaffen, und, falls ja, ob es schon irgendeine Andeutung gibt, dass das Arrow-3-System aus Israel passend wäre.

HEBESTREIT (BReg): Dazu gibt es keinen neuen Stand zu dem, den ich hier breit vorgestern, am Montag, vorgetragen habe.

ZUSATZFRAGE: Stehen Sie irgendwie in Kontakt mit den Abgeordneten? Gibt es irgendeine Art von Rückkopplung, auch wenn sie wieder zurückgekehrt sind, oder ist das völlig unabhängig?

HEBESTREIT: Ich habe schon am Montag darauf hingewiesen, dass es eine Trennung zwischen Legislative und Exekutive gibt und dass es zwischen der Reise von Teilen des Verteidigungsausschusses nach Israel und der Thematik, die über eine Presseveröffentlichung und dann durch eine Nachfrage, die der Bundeskanzler am Sonntag in einer Fernsehsendung beantwortet hat, aufgekommen ist, keinerlei Zusammenhang gibt. Insoweit gibt es da auch keine ‑ wie haben Sie das genannt? ‑ “fact finding mission” und Rückkopplung.

Trotzdem ist es natürlich so, dass man zwischen den Parlamentariern und der Exekutive ständig im Gespräch ist. Insofern kann ich nicht ausschließen, dass man auch nach dieser Reise miteinander spricht. Aber ich würde allen anraten, das, was ich am Montag zu dem Sachverhalt dargelegt habe, noch einmal genau nachzulesen. Dann ist das vielleicht auch etwas weniger dringlich.

FRAGE: Herr Helmbold, die Verteidigungsministerin hat gestern in Washington gesagt, dass Deutschland der zweitgrößte Waffenlieferant an die Ukraine sei. Ich nehme an, der größte Waffenlieferant sind demnach mit Sicherheit die USA. Gibt es irgendwelche Zahlen Ihrerseits, mit denen Sie diese Behauptung untermauern könnten? Mich hat das überrascht; denn bislang hatte ich immer den Eindruck, dass andere Länder mehr liefern.

HELMBOLD (BMVg): Sie wissen ja, dass wir, bezogen auf die Waffenlieferungen und auch darauf, was die Kommunikation angeht, sehr zurückhaltend sind. Das bedeutet aber nicht, dass wir nicht auch tätig sind.

Mit Blick auf die Zahlen: Die Zahlen ändern sich natürlich. Man kann sie auch auf verschiedene Weise erfassen. Man kann beispielsweise den Wert der Waren erfassen. Man kann das Gewicht der Waren erfassen oder hat noch andere Möglichkeiten, das zu tun. Je nachdem, wie man das erfasst, kommt man zu unterschiedlichen Zahlen. Aber unabhängig davon: Wenn man das gesamte Maß nimmt, gehört Deutschland weltweit auf jeden Fall zu den ersten dreien mit Blick auf die Waffenlieferungen.

ZUSATZFRAGE: Das heißt, Deutschland ist nicht unbedingt der zweitgrößte Waffenlieferant?

HELMBOLD: Auch mit Blick auf bestimmte Anteile, insbesondere Gewicht und logistische Kategorien, kommen wir auf die zweite Stelle.

FRAGE: Herr Helmbold, könnten Sie einmal ein bisschen präzisieren, in welcher Kategorie das ist ‑ das ist ja ein Unterschied ‑, ob Gewicht oder Wirkung bzw. Zahl der Waffen? Das ist ja offensichtlich aufgeschlüsselt. Ich hätte gern ein bisschen mehr Erkenntnisse darüber, wie dieses Ranking, bei dem wir auf dem Platz zwei oder drei sind, zustande kommt.

HELMBOLD: Ich habe das eigentlich schon beantwortet. Es kommt darauf an, welche Kategorie man wählt. Wenn es tatsächlich um die logistische Kategorie der Tonnage oder des Gewichts geht, kommen wir auf Platz zwei. Ich glaube, beispielsweise beim Wert würde man auf Platz drei kommen. Das kann sich aber auch morgen wieder ändern; denn da ist einiges in Bewegung.

Erstens geht es gar nicht um Ranking, sondern es geht um die Unterstützung, die geleistet wird. Zweitens geht darum, auch für Sie Größenordnungen einschätzen zu können. Ich glaube, es war auch wichtig, dass wir Ihnen diese Größenordnung einmal mitgeben, auch bei den vielen Spekulationen, die dazu im Raum sind. Die Größenordnung haben Sie. Ich glaube, auf dieser Basis kann man kommunikativ gut weiterarbeiten.

Was Details zu Waffenlieferungen angeht, bleiben wir bei der Linie: Wir bitten um Verständnis, dass wir dazu keine Details nennen können. Das liegt auch daran ‑ das haben wir hier schon mehrfach erörtert ‑, dass dadurch Waffenlieferungen auch gefährdet werden. In diesem Zusammenhang möchte ich noch darauf hinweisen, dass dieser Hinweis nicht nur von unserer Seite kam, sondern auch von der stellvertretenden ukrainischen Verteidigungsministerin, die dabei um Zurückhaltung gebeten hat. Das ist von meiner Seite sehr wichtig. Ich möchte deswegen noch einmal darum bitten, Verständnis zu haben, wenn ich nicht weiter ins Detail gehen kann. Gleichwohl: Größenordnungen einzuschätzen ist für Sie, glaube ich, wichtig. So ist das auch einzuordnen.

FRAGE: Herr Helmbold, gehört zu den Gewichtsangaben auch der Kraftstoff, also der Dieselkraftstoff, der von Deutschland in die Ukraine geliefert wird?

HELMBOLD: Ich bleibe bei dem, was ich gerade gesagt habe. Ich bitte um Verständnis, ich kann hier nicht weiter ins Detail gehen.

FRAGE: Ich muss noch nach den Listen fragen. Es kursieren ja Listen, was Deutschland geliefert habe. Das macht es natürlich ein bisschen schwer, dann zu beurteilen, welchen Informationen man trauen soll oder nicht. Ich glaube, das Verständnis ist bei allen vorhanden, dass man das vor der Lieferung nicht bekannt gibt. Aber was spricht dagegen, dass man zumindest die Bereiche der Waffentypen die geliefert wurden, wenn sie denn am Ziel sind, bekannt gibt? Das habe ich noch nicht verstanden.

HELMBOLD: Wir machen uns permanent darüber Gedanken, wie wir am besten kommunizieren. Wir sehen auch, dass Ihr Erkenntnisinteresse vorhanden ist. Wir sehen auch, was in den Medien kursiert. Ich kann Ihnen an dieser Stelle aber nur sagen: Wenn wir meinen, dass wir Ihnen etwas an Informationen geben können, ohne dass es jemanden gefährdet, dann werden wir das tun. Aber zum jetzigen Zeitpunkt kann ich über die genannten Informationen nicht hinausgehen.

FRAGE: Die russische Seite hat ja bei den Verhandlungen in der Türkei gestern angekündigt, Truppen im Raum um Kiew in nennenswerter Zahl abzuziehen und dann eher in Richtung Ostukraine zu verlagern. Ich wollte fragen, ob die Bundesregierung irgendwelche Erkenntnisse darüber hat, dass es da tatsächlich eine Bewegung gibt, und ob es nach diesen Gesprächen auch nur den leisesten Hauch einer Bewegung hin zu einem Waffenstillstand gibt. Oder wie würden Sie das bewerten, was gestern dabei herausgekommen ist?

HEBESTREIT: Im Augenblick würde ich das noch gar nicht bewerten. Sie haben zu Recht gesagt, dass das gestern Abend war. Ich wäre bei so etwas ‑ auch die Erfahrung zeigt das ‑ grundsätzlich immer zurückhaltend und auch skeptisch. Wir beobachten sowohl das, was sich in der Ukraine bewegt, als auch die Gespräche in der Türkei und lassen uns von den Seiten jeweils unterrichten, wie sie das sehen. Aber dazu gibt es im Augenblick keinen aktuelleren Stand als den, den Sie haben.

FRAGE: Ich habe eine Frage an Frau Sasse. Die USA haben ihre Staatsbürger aufgefordert, Russland möglichst zu verlassen. Ich hätte ganz gerne gewusst, ob das auch für die Bundesregierung gilt. Folgen Sie diesem amerikanischen Schritt, und fordern Sie Deutsche auf, Russland zu verlassen?

SASSE (AA): Dazu muss ich Sie auf unsere immer aktuellen Reise- und Sicherheitshinweise verweisen, die wir ‑ das habe ich gerade schon erwähnt ‑ natürlich kontinuierlich überprüfen und auch aktualisieren. Wenn sich insofern Änderungen ergeben, bekommen Sie das auf diesem Weg sofort mit, zumindest wenn Sie sie abonniert haben. Ansonsten würden wir natürlich an dieser Stelle darüber berichten. Ich kann Ihnen im Moment nichts dergestalt berichten.

FRAGE: Dann frage ich andersherum: Haben Sie Verständnis dafür oder sind Sie davon überrascht worden, dass die Amerikaner ihre Staatsbürger jetzt nicht nur aus dem Land, in dem aktuell gekämpft wird, ausgeflogen haben wollen, sondern auch aus Russland? Das kommt ja für einige etwas überraschend.

SASSE: Darüber, dass die Lage auch in Russland in vielerlei Hinsicht angespannt ist, haben wir hier immer wieder berichtet. Dabei geht es um Einschränkungen für Journalisten. Es geht um Einschränkungen für Unternehmen. Es geht um Einschränkungen auch für normale Staatsangehörige von Drittländern und natürlich auch um Repressionen gegen die Opposition im Land. Das sind sehr viele unterschiedliche Elemente einer Situation, die insgesamt sehr schwierig und angespannt ist, wie ich gerade dargestellt habe.

Selbstverständlich beobachten wir diese Lage aus allen möglichen Blickwinkeln sehr, sehr intensiv. Hierzu stehen wir natürlich auch in kontinuierlicher Abstimmung mit allen Partnern, auch den USA. Falls wir Schritte ergreifen, würden wir an dieser Stelle, wie gesagt, darüber berichten, oder Sie könnten dies der Änderung der Reise- und Sicherheitshinweise entnehmen.

FRAGE: Herr Hebestreit, es ist natürlich sehr schade, dass Sie die Ergebnisse der Runde in Istanbul nicht bewerten möchten. Aber vielleicht können Sie sich zumindest zu zwei ukrainischen Vorschlägen äußern, und zwar zu den Sicherheitsgarantien, wobei auch Deutschland eine Rolle spielen soll. Das ist das eine. Das Zweite ist die Idee mit 15 Jahren Verhandlungen über den Status der Krim. Gibt es zu diesen zwei Punkten eine Meinung von Ihnen?

HEBESTREIT: Nein. Wir sind jetzt mitten in diesen Gesprächen. Wir haben immer gesagt: Die Gespräche führen die russische und die ukrainische Seite. Es verbietet sich, von uns aus eine Bewertung der Verhandlungspositionen vorzunehmen.

Ich kann aber, denke ich, so viel sagen, dass Präsident Selensky in mehreren Telefonaten mit dem deutschen Bundeskanzler auch die Frage nach einer Bereitschaft, Sicherheitsgarant zusammen mit anderen zu werden, gestellt hat und dass der Bundeskanzler eine generelle Bereitschaft Deutschlands signalisiert hat. Man müsste sich natürlich genau anschauen, wie das dann ausformuliert würde. Aber Deutschland wäre wie auch viele andere Länder durchaus bereit, als Sicherheitsgarant zu agieren.

FRAGE: Herr Hebestreit, wären das ausschließlich militärische oder wären das eher ökonomische Garantien? Könnten Sie uns also, da der Bundeskanzler schon mit Präsident Selensky darüber gesprochen hat, ein bisschen eine Vorstellung davon geben, wie weit zu gehen man bereit wäre?

HEBESTREIT: Es bleibt ja bei unserer Linie, dass wir kein militärischer Akteur dieses Krieges werden wollen. Dann geht es nach einem Friedensabkommen auch um die Frage, welche Garantien man dann leisten kann und was das heißt. Genau das muss jetzt miteinander diskutiert werden. Wie schafft man es, das Sicherheitsbedürfnis der Ukraine im Zuge der Verhandlungen zu befriedigen und gleichzeitig ein Abkommen zu vereinbaren, das beide Seiten aufrichtig abschließen wollen?

Insofern wurde eine ganze Reihe von Ländern angefragt, ob sie bereit seien, Sicherheitsgaranten zu sein. Deutschland hat gesagt, dass auch wir dazu bereit seien. Aber, wie gesagt, gilt es, genau die Kautelen dann ‑ ‑ ‑Das ist noch einen Ticken früh, muss man sagen. Es gibt noch nicht einmal einen Waffenstillstand. Ich wäre da insgesamt sehr vorsichtig. Aber wenn es so weit kommen würde, dass man sich dann genau diese Fragen stellt, auch, welche Sicherheitsmechanismen man dann im Prinzip dort miteinander vereinbart ‑ ‑ ‑ Denn letztlich geht es ja darum, die Ukraine so abzusichern, dass sie sich sicher genug fühlt, dass sie nicht abermals von Russland überfallen wird.

ZUSATZFRAGE: Wären das möglicherweise, wenn man so weit ist, auch militärische Komponenten? Käme man also zumindest in die Nähe dessen, was ja Artikel 5 des NATO-Vertrages ‑ ‑ ‑

HEBESTREIT: Darüber würde ich hier zum jetzigen Zeitpunkt nicht spekulieren wollen.

FRAGE: Wissenschaftliche Daten zeigen, dass sich das zweitgrößte Erdgasvorkommen in Europa nach Norwegen tatsächlich in der Ukraine, und zwar speziell im Osten der Ukraine, also im Raum des Donezbeckens, des Asowschen Meeres usw., befindet. Inwiefern gibt es womöglich einen Zusammenhang mit den aktuell prognostizierten Truppenbewegungen der Russen, oder, noch einfacher gefragt, von welcher Wichtigkeit sind diese Vorkommen aus geopolitischer Sicht Ihrer Meinung nach?

HEBESTREIT: Darüber habe ich, ehrlich gesagt, keinerlei Informationen, und darüber will ich auch gar nicht spekulieren. Ich weiß, was in der Ostukraine seit 2014, insbesondere in Luhansk und Donezk, aus russischer Sicht und auch aus ukrainischer Sicht passiert. Insoweit wäre meine Interpretation eher, dass man da die Ursachen dafür suchen sollte.

ZUSATZ: Wenn diese Daten denn stimmen ‑ darauf deutet einiges hin ‑, wäre das im übertragenen Sinne die Möglichkeit der Schaffung eines „role models“, wenn die Ukraine dort zu Wohlstand kommt, und eine Erklärung dafür, warum Putin jetzt vielleicht versucht, die Ostukraine für sich zu behalten, um dann einen vermeintlich schwächeren westlichen Teil der Ukraine zu schaffen.

HEBESTREIT: Ich würde darauf ja gern antworten. Aber das sind drei Spekulationen: Ich kenne die Studien nicht, die Sie zitieren. Ich weiß nicht, was den russischen Präsidenten umtreibt. Ich weiß auch nicht, was die ukrainische Regierung von der Frage der Ausbeutung eines wie auch immer vorhandenen Gasvorkommens hält.

Ich glaube, wir sind ja hier in diesem Land ‑ Europa geht ja generell in die Richtung ‑ eher in Richtung von CO2-neutral, klimaneutral unterwegs. Da böte sich die Landschaft in der Ukraine auch für den Ausbau der erneuerbaren Energien und für die Schaffung von Stätten, in denen man dann grünen Wasserstoff herstellen kann, sehr an. Da braucht man dann weniger Bodenschätze und keine Ausbeutung und könnte trotzdem Westeuropa sehr stark und auch lukrativ mit Energie versorgen.

FRAGE: Herr Hebestreit, von aserbaidschanischer Seite wurde veröffentlicht, dass sich Herr Plötner, der außenpolitische Berater des Kanzlers, mit dem Außenminister von Aserbaidschan getroffen hätte. Können Sie das, erstens, bestätigen und uns, zweitens, sagen, worum es ging?

HEBESTREIT: Darüber liegen mir keine Informationen vor. Eine Antwort muss ich nachreichen. Ich weiß, dass Herr Plötner im Augenblick nicht in Aserbaidschan ist. Das ist insofern das Einzige, was ich sagen kann.

ZUSATZFRAGE: Es ging darum, dass der Außenminister hier war und sich mit Herrn Plötner getroffen hat. Die aserbaidschanische Seite sagt, dass es um eine Energiepartnerschaft gehe und um das Hindernis Armeniens für Sicherheit und Stabilität. Können Sie das einordnen?

HEBESTREIT: Ich kann das nicht einordnen. Ich kenne das Treffen nicht. Ich will nicht ausschließen, dass es stattgefunden haben mag. Ich habe dazu keinerlei Erkenntnisse und muss mich schlau machen. Dann kann ich Ihnen darauf vielleicht eine Antwort geben.

[…]

FRAGE: An Herrn Hebestreit und Frau Sasse noch einmal zum Thema der Journalisten in Russland: Die Situation für diese Journalisten wird ja zunehmend schwieriger. Wenn Journalisten in Russland akkurat berichten wollen, dann riskieren sie dort Strafverfolgung. Selbst „Nowaja Gaseta“, die ja den Friedensnobelpreis gewonnen haben, stellen derzeit ihre Arbeit ein. Was macht die Bundesregierung, um die Berichterstattung russischer Journalisten zu ermöglichen und sie gegebenenfalls von Deutschland aus berichten zu lassen?

HEBESTREIT: Dazu habe ich keinen neuen Stand. Ich glaube, am Montag haben wir das das letzte Mal besprochen. Da haben wir, glaube ich, gesagt, dass wir uns das genau angucken müssen. Das ist nicht ganz einfach. Neben dem Aufenthaltsstatus, den man hier ja erwerben kann, wenn man die Qualifikationen dafür hat, geht es dann um die Frage einer wirtschaftlichen Basis für solche Berichterstattung. Darüber muss man sich unterhalten. Ich müsste noch einmal mit der BKM, also der Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien, darüber sprechen, was es da an Planungen gibt, und auch das Auswärtige Amt ist da noch im Gespräch. Da haben wir aber in den letzten 36 Stunden keinen neuen Stand gehabt.

ZUSATZFRAGE: Ich glaube, die finanzielle Förderung könnte für einige Journalisten sogar ein Hindernis oder eine Abschreckung dafür sein, nach Deutschland zu kommen; denn man will ja sicherlich nicht irgendwie als von Deutschland geförderter im Ausland arbeitender Journalist gelten. Mir geht es dabei eher um die konkreten Erleichterungen für Visumsanforderungen usw. usf.

HEBESTREIT: Dazu sind mir im Augenblick keine Überlegungen bekannt. Aber ich bleibe bei dem, was ich Ihnen, wie gesagt, schon am Montag gesagt habe, nämlich dass wir das Thema prüfen.

[...]

FRAGE: Frau Sasse, noch einmal zu diesen humanitären Visa. Ich hatte ja am Montag schon ihren Kollegen danach gefragt. Gibt es denn eine Idee, so etwas Ähnliches wie in Afghanistan zu tun, also Leuten gezielt zu helfen, die dort Gefahr laufen, ins Gefängnis zu kommen? Ich denke also an Zivilaktivisten, Journalisten oder Oppositionelle.

SASSE: Soweit ich weiß, hatte Herr Wagner, mein Kollege, ja schon am Montag auch auf Schutzprogramm hingewiesen, die bereits existieren. Dazu zählen unter anderem die Elisabeth-Selbert-Initiative und verschiedene andere Schutzprogramme, die sich jeweils an unterschiedliche Zielgruppen richten. Hinzu kommt natürlich ‑ Herr Hebestreit hat es gerade ausgeführt ‑, dass wir vor dem Hintergrund dieser Lage, die wir selbstverständlich als sehr schwierig ansehen und bei der wir auch die unterschiedlichen Interessen der Gruppen im Blick haben, kontinuierlich sehr konkret über praxistaugliche Lösungen nachdenken. Wenn wir darüber an dieser Stelle etwas berichten können, werden wir das tun, aber diese Gespräche, wie gesagt, laufen auch noch.

HEBESTREIT: Ich habe noch eine Nachlieferung bezüglich der Neugierde, was die vier zusätzlichen Gastländer (beim G7-Gipfel) angeht. Ich muss Sie noch ein bisschen auf die Folter spannen. Mir wurde gerade signalisiert, da noch nicht alle eine formale Einladung erhalten haben, dass sie es nicht von Ihnen erfahren sollten, sondern von uns. Insofern müssen Sie sich noch etwas gedulden. Aber sobald wir das dann erledigt haben, werden Sie auch informiert werden. Vielen Dank.

SASSE: Ich habe noch eine Nachlieferung bezüglich der Frage zu dem Fall im Mittelmeer. Der Fall ist uns bekannt. Es geht dabei ganz konkret um den Fall einer Nichtregierungsorganisation, die sich im Bereich der Seenotrettung einsetzt. Wir verfolgen den Einsatz privater Seenotrettungsschiffe im Mittelmeer und stehen mit dieser konkreten Nichtregierungsorganisation auch in Kontakt.

G7-Gipfel

VORS. WOLF: Ein Kollege fragt: Welche Gastländer wird die Bundesregierung zum G7-Gipfel einladen?

HEBESTREIT (BReg): Ich habe sie, glaube ich, im Hinterkopf präsent, weiß aber, da ich keinen Sprechzettel habe, ehrlich gesagt nicht, ob ich die hier schon verkünden darf. Das würde ich dem Kollegen dann gerne nachreichen ‑ oder die Kollegen klären das jetzt und wir warten solange. ‑ Ich hätte sie aber parat, so ist es nicht.

Einsatz der Bundeswehr in Mali

FRAGE: An das BMVg: Warum hat die Bundeswehr für den Einsatz in Mali eine Aufrüstung ihres Feldhospitals in Auftrag gegeben, wenn doch der Auftrag im Mai endet?

HELMBOLD (BMVg): Ich habe dazu im Moment keine Informationen mit. Das müssten wir gegebenenfalls nachreichen.

ZUSATZFRAGE: Sie können es aber nicht dementieren, richtig?

HELMBOLD: Ich reiche etwas nach, wenn wir dazu etwas nachzureichen haben.

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