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Erklärungen des Auswärtigen Amts in der Regierungspressekonferenz vom 11.05.2022
- Fortsetzung der Beteiligung bewaffneter deutscher Streitkräfte an der Mission der Vereinten Nationen im Libanon (UNIFIL)
- Fortsetzung der Beteiligung bewaffneter deutscher Streitkräfte an der Multidimensionalen Integrierten Stabilisierungsmission der Vereinten Nationen in Mali (MINUSMA)
- Sanktionsdurchsetzungsgesetz
- Treffen der G7-Außenministerinnen und ‑Außenminister in Wangels
- Informelles Treffen der NATO-Außenministerinnen und ‑Außenminister in Berlin
- Gasversorgung in Deutschland
- Tötung einer Journalistin im Westjordanland
- Wahlen auf den Philippinen
Fortsetzung der Beteiligung bewaffneter deutscher Streitkräfte an der Mission der Vereinten Nationen im Libanon (UNIFIL)
HOFFMANN (BReg): Die Bundesregierung hat heute ‑ vorbehaltlich der Zustimmung des Deutschen Bundestags ‑ die Fortsetzung der Beteiligung bewaffneter deutscher Streitkräfte an der United Nations Interim Force in Lebanon (UNIFIL) beschlossen. Das Mandat soll bis zum 30. Juni 2023 verlängert werden.
Die politische Lage im Libanon ist nach wie vor angespannt. Es kommt weiterhin entlang der sogenannten Blauen Linie, der Demarkationslinie, zu Zwischenfällen. Die ungelösten Fragen in Bezug auf die Seegrenze zwischen Israel und Libanon bergen nach wie vor Konfliktpotenzial. Deutschland ist unverändert daran interessiert, den dauerhaften Frieden und die Stabilität im Nahen Osten nachhaltig zu fördern.
Der Beitrag der UNIFIL-Friedensmission der Vereinten Nationen bleibt für die Deeskalation von Spannungen und zum Erreichen dauerhafter Stabilität im Libanon unerlässlich. Deutschland engagiert sich weiterhin mit Personal für das Hauptquartier UNIFIL und im Bereich der Ausbildung der libanesischen Marine. Es können unverändert bis zu 300 Soldatinnen und Soldaten eingesetzt werden.
Fortsetzung der Beteiligung bewaffneter deutscher Streitkräfte an der Multidimensionalen Integrierten Stabilisierungsmission der Vereinten Nationen in Mali (MINUSMA)
HOFFMANN (BReg): Dann hat die Bundesregierung heute die Fortsetzung der Beteiligung bewaffneter deutscher Streitkräfte an der Multidimensionalen Integrierten Stabilisierungsmission der Vereinten Nationen in Mali (MINUSMA) und die Fortsetzung der Beteiligung bewaffneter deutscher Streitkräfte am Fähigkeitsaufbau der Europäischen Union im Sahel mit Schwerpunkt Niger (EUTM Mali) beschlossen. Die Einsätze sollen beide bis zum 31. Mai 2023 verlängert werden. Der Deutsche Bundestag muss den Mandaten noch zustimmen.
Die Sicherheitslage in der Sahelregion ist weiterhin schlecht. Grundbedürfnisse der Bevölkerung können durch die Staaten kaum gedeckt werden. Fehlende staatliche Präsenz, dysfunktionale Strukturen sowie zunehmende Konflikte über natürliche Ressourcen und geringer Verfolgungsdruck gegenüber gewalttätigen Strukturen bilden den Nährboden für kriminelle und terroristische Netzwerke.
Zunächst zu MINUSMA: Unveränderter Auftrag von MINUSMA ist es, einen Beitrag zur Überwachung und Umsetzung des Friedensabkommens von Algier zu leisten sowie die Staatlichkeit in Zentralmali zu unterstützen. Prioritär sollen Zivilpersonen und UN-Personal geschützt als auch ein sicheres Umfeld für die Bereitstellung humanitärer Hilfe geschaffen werden. Die Menschen in Mali bleiben auf die Unterstützung durch die internationale Gemeinschaft angewiesen. Die stabilisierende Wirkung von MINUSMA bleibt unerlässlich.
Die VN-Stabilisierungsmission bildet ein wichtiges Element unseres integrierten internationalen Ansatzes im Sahel, der den Sicherheitsbereich, Stabilisierungsmaßnahmen, humanitäre Hilfe und Entwicklungszusammenarbeit unterstützt. Die Bundesregierung verfolgt mit der militärischen Beteiligung an MINUSMA regionale sowie übergreifende UN- und sicherheitspolitische Ziele.
Der Verbleib ist allerdings mittelfristig von der Entwicklung der politischen Rahmenbedingungen in Mali sowie der fortgesetzten Verfügbarkeit von Hochwertfähigkeiten abhängig. Sofern während des Mandatszeitraums ein ausreichendes Versorgungs- und Schutzniveau der deutschen Soldatinnen und Soldaten sowie der Betrieb des Flughafens Gao nicht mehr gewährleistet werden können, werden Maßnahmen zur Anpassung des deutschen Beitrags eingeleitet, bis hin zur Beendigung.
Insgesamt können künftig bis zu 1400 ‑ die aktuelle Obergrenze ist 1100 ‑ Soldatinnen und Soldaten eingesetzt werden. Die Obergrenze wurde um 300 erhöht. Damit sollen Kapazitäten ausgeglichen werden, die bisher von französischen Streitkräften bereitgestellt wurden, insbesondere für ein Krankenhaus.
Dann zu EUTM Mali: EUTM ist ein zentrales Element innerhalb des europäischen Engagements in der Sahelregion. Die geleistete Ausbildungsunterstützung soll dazu beitragen, die Sicherheitskräfte der G5-Sahel-Staaten zu befähigen, zukünftig eigenständig für Sicherheit zu sorgen.
Aufgrund der aktuellen politischen Lage in Mali und der fehlenden Fortschritte bei der Transition hat die EU am 5. April 2022 beschlossen, die Ausbildung und taktische Beratung in Mali auszusetzen. Der Spezialkräfteeinsatz GAZELLE in Niger ist hiervon nicht betroffen. Es ist geplant, den Einsatz unverändert bis Dezember 2022 fortzuführen.
In nationaler Umsetzung des Beschlusses der EU wird der bisher in Mali tätige deutsche Anteil der Militärmission der EU auf eine Minimalpräsenz reduziert. Die Ausbildung und taktische Beratung werden bis auf Weiteres ausgesetzt. Dies bedeutet in Konsequenz eine substanzielle Reduzierung der bisherigen personellen Obergrenze von 600 auf 300 deutsche Soldatinnen und Soldaten. Der Großteil dieser Kräfte wird in Niger eingesetzt sein. Die Bundesregierung plant, Niger auch nach Abschluss des Spezialkräfteeinsatzes GAZELLE weiter substanziell sicherheitspolitisch zu unterstützen.
[…]
FRAGE: Ich habe eine Frage zu der kleinen Einschränkung, Frau Hoffmann, die Sie vorgelesen haben, dass es innerhalb des Mandatzeitraums auch bei der Absicherung der deutschen Soldaten ‑ ‑ ‑
HOFFMANN: Könnten Sie einmal kurz sagen, von welchem Mandat jetzt gesprochen wird?
ZUSATZ: Ich meine die beiden Mali-Mandate. ‑ Sie haben darauf hingewiesen, dass die Sicherheit der deutschen Soldaten gewährleistet sein muss. Die Franzosen ziehen ab. Es gab ja diese Lücke, die entstanden war, was Kampfhubschrauber und den Flughafen in Gao angeht, den Sie auch erwähnt haben. Ich hätte ganz gerne gewusst, ob bereits zum jetzigen Zeitpunkt ausreichend Ersatz für die französischen Soldaten vorhanden ist oder ob weiter danach gesucht wird. Ich bin mir nicht ganz sicher, ob die Frage an Sie oder an Herrn Collatz geht.
COLLATZ (BMVg): Die Formulierung in den Mandaten, die jetzt in den Bundestag gehen, spiegelt den aktuellen Stand wider. Es gibt seitens der Vereinten Nationen noch kein Angebot, wie man sich der Sache nähern kann.
ZUSATZFRAGE: Die Ministerin hatte ja ‑ in der vergangenen Woche war das, glaube ich ‑ gesagt, dass das eigentlich eine Voraussetzung für die Verlängerung der Mandate ist. Warum geht man jetzt diesen Weg, dass man sie verlängert, obwohl die UN bei dem Ersatz noch nicht weitergekommen ist?
COLLATZ: Was Sie meinen, betrifft das MINUSMA-Mandat. Die Franzosen werden ja noch eine Zeit drinbleiben. Bis dahin haben die UN natürlich auch noch Zeit, sich um diese Angelegenheit zu kümmern.
FRAGE: Die erste Frage bezieht sich auf beide Mandate. Ich weiß nicht, ob sie an Frau Hoffmann oder an Herrn Collatz geht. In der Vergangenheit war die Verlängerung der deutschen Mandate an Voraussetzungen geknüpft, zum Beispiel baldige Wahlen oder die Aufklärung von militärischen Verbrechen. Sind diese Voraussetzungen jetzt geschaffen? Das müsste eigentlich logischerweise so sein, wenn Sie sagen: Wir wollen verlängern. ‑ Falls sie nicht geschaffen sind, warum soll dann doch verlängert werden?
HOFFMANN: Ich glaube, die Frage bezieht sich vor allen Dingen auf EUTM Mali. Dort wird in deutlich veränderter Form verlängert; denn die Ausbildungsmission wird dort ja ausgesetzt, wie ich gesagt habe. Fortgesetzt wird das in Niger und nicht in Mali selbst. Diese Veränderungen tragen auch der veränderten Lage, die Sie beschrieben haben, Rechnung.
ZUSATZFRAGE: Wenn ich mich recht entsinne, hat die Verteidigungsministerin bei ihrem Besuch in Mali vor etwa vier Wochen explizit gesagt ‑ das bezog sich auf beide Mandate ‑, die Voraussetzung für eine Verlängerung sei, dass Termine für die Abhaltung demokratischer Wahlen nicht auf den Sankt-Nimmerleins-Tag verschoben werden, sondern dass man da eine Perspektive haben müsste. Ist diese Perspektive inzwischen da? Wenn nicht, warum empfehlen Sie jetzt dennoch eine Verlängerung?
COLLATZ: Die Worte der Ministerin kann ich bestätigen. Für EUTM ist das eindeutig so in das Mandat eingeflossen, wie Frau Hoffmann es eben dargestellt hat: Die Hauptsorgen in Mali bleiben. Der Transitionsprozess stockt. Der russische Einfluss nimmt zu. Die Berichte über Menschenrechtsverletzungen der malischen Streitkräfte, und das auch noch im Zusammenwirken mit russischen Sicherheitskräften, sind die Hauptsorgen; das ist so. Für EUTM wird deswegen sofort die Ausbildung eingestellt. Es bleibt nur eine Rumpfbesatzung in Mali. Die Ministerin hat auch das deutlich gemacht und festgestellt, dass die Ausbildung in Mali einzustellen ist.
Für unser Engagement im Rahmen der UN bestehen natürlich jenseits der aktuellen Lage vor Ort auch noch Verpflichtungen gegenüber unserem Bündnis und den Vereinten Nationen. Hier ist die Lage deutlich komplexer. Das jetzige Mandat spiegelt diese Komplexität wider.
ZUSATZFRAGE: Diese Frage ist nicht beantwortet. Auch die Außenministerin hatte sich entsprechend geäußert. Sie hatte gesagt, eine Verlängerung sei nur möglich, wenn demokratische Wahlen in Mali konkret absehbar seien. Ist das gegeben? Gibt es einen solchen Zeitpunkt, eine solche Perspektive, oder verzichten Sie mit dem jetzigen Beschluss auf dieses Kriterium?
COLLATZ: Nein, das tun wir nicht. Für MINUSMA gilt, dass MINUSMA auch derzeit ein Stabilitätsanker in der Region ist. Mit der Absicht der Vereinten Nationen verbunden ist, dass man dieses Engagement weiterhin aufrechterhalten will, solange es Aussicht auf Erfolg haben könnte.
FRAGE: An das Auswärtige Amt: Warum sind demokratische Wahlen in Mali für die Ministerin keine Bedingung mehr, wie sie ja auch selbst monatelang immer gesagt hat? Dasselbe an das BMZ. Auch die Entwicklungsministerin hat gesagt: Für Mali gibt es nur dann weitere Entwicklungshilfe, wenn es Wahlen gibt. ‑ Warum haben beide Ministerinnen jetzt dieser Verlängerung zugestimmt?
SASSE (AA): Zum einen gibt mir das Gelegenheit, das Ganze noch ein bisschen einzuordnen. Sie haben schon auf die verschiedenen Reisen Bezug genommen. Die Bundesregierung insgesamt hat sich in den vergangenen Wochen und Monaten durch Reisen in die Region ein sehr umfassendes Bild von der Lage gemacht. Die ist, wie die Kollegen auch schon ausgeführt haben, sehr komplex. Die lässt sich nicht einfach auf die Tatsache herunterbrechen, dass demokratische Wahlen bisher nicht stattgefunden haben. Insbesondere zu diesem konkreten Punkt hat sich die Außenministerin ganz gezielt auch mit dem Staatspräsidenten Malis auf ihrer Reise ausgetauscht.
Es geht darum, dass die Lage insgesamt bei der Verlängerung der beiden Mandate, um die es geht, EUTM und MINUSMA, komplex ist. Es geht darum, dass diese Mandate und die dahinterstehenden Missionen unterschiedliche Zielsetzungen haben. Die Ziele, die mit dem Missionen verfolgt werden, sind weiterhin aktuell. Bei MINUSMA geht es unter anderem um die Stabilisierung. Es geht darum, dass staatliche Strukturen fehlen und dass der Konflikt um Ressourcen auch durch die Folgen des Klimawandels in der Region immer mehr zunimmt. Es geht natürlich auch darum, dass durch den Abzug Frankreichs in Mali eine gewisse Sicherheitslücke entstehen wird, mit der wir umgehen wollen, indem wir weiterhin Soldaten vor Ort haben.
Alle diese Aspekte sind im Vorfeld der Mandate, wie sie heute im Kabinett beschlossen wurden, natürlich abgewogen worden. Ich kann Ihnen versichern, dass es dabei nicht ausschließlich um die Verschiebung des Wahlprozesses in Mali ging. Das ist im Übrigen auch ein Aspekt, um den sich die regionale Organisation ECOWAS sehr entschieden bemüht und zu dem sie auch mit der malischen Regierung im Gespräch ist. Alle diese Aspekte sind Teil eines Gesamtkomplexes. Dieser Gesamtkomplex hat in der Abwägung dazu geführt, dass das Kabinett heute bei EUTM und bei MINUSMA die entsprechenden Entscheidungen getroffen hat.
HUMMEL (BMZ): Ich kann noch ergänzend für das BMZ sagen: Wir sehen in Mali eine erhebliche Verschärfung der Ernährungssicherungslage. Unsere Ministerin hat mehrfach darauf hingewiesen, dass es in Folge des Ukraine-Kriegs massive Gefahren für Hungerkrisen auch in Afrika gibt.
Ergänzend zu dem, was die Kollegin vom Auswärtigen Amt gesagt hat, kann ich nur hinzufügen: Auch die Entwicklungszusammenarbeit will regierungsfern ‑ das heißt, nicht in direkter Unterstützung der Regierung in Bamako, aber in Unterstützung der Bevölkerung in Mali ‑ auch dazu beitragen, dass sich die Lage im Norden stabilisiert und dass im Dialog mit der malischen Regierung Fortschritte in Richtung Wahlen erzielt werden können, aber auch zur Unterstützung der malischen Bevölkerung, die erheblich von Ernährungsunsicherheit bedroht ist.
SASSE: Vielleicht darf ich noch etwas klarstellen, um noch auf Ihre konkrete Frage einzugehen. Wenn Sie auf die Demokratie in Mali abzielen, geht es um die Zusammenarbeit vor allem im Rahmen von EUTM Mali. Ich habe geschildert, dass MINUSMA andere Ziele verfolgt. Gerade vor dem Hintergrund, dass die Regierung in Mali nicht so agiert, wie wir das gefordert haben und auch weiterhin verlangen, haben wir das Mandat von EUTM jetzt angepasst. Das ist einer der Gründe, die Frau Hoffmann eben vorgetragen hat. Wir ziehen daraus durchaus Konsequenzen und lassen das nicht einfach so geschehen.
ZUSATZFRAGE: Sie sprachen gerade von einer Verschiebung von Wahlen. Haben Sie Neuigkeiten dazu? Denn im Prinzip hat die Junta ja die Wahlen abgeschafft. Sie fordern, dass es überhaupt noch einmal Wahlen gibt. „Verschiebung“ hört sich so an, als ob es irgendwann doch Wahlen geben wird.
Die Bundesregierung hat auch immer kritisiert, dass die malische Militärjunta auf russische Söldnertruppen baut. Ist auch das kein Problem mehr?
HOFFMANN: Das ist, wie bereits ausgeführt, einer der Gründe, warum die Ausbildungsmission ausgesetzt wird. Es fehlen Garantien dafür, dass malische Sicherheitskräfte, die auch mithilfe der EU ausgebildet werden, dann nicht mit russischen Kräften vor Ort eingesetzt werden. Genau das ist einer der Gründe, warum das Mandat verändert wurde.
FRAGE: Ich habe eine Lernfrage: Wer wird in Niger ausgebildet, wenn EUTM dorthin verlagert wird?
COLLATZ: Die Priorität bei EUTM Mali wird die Fortsetzung der doch als erfolgreich zu bezeichnenden Spezialkräfteausbildung GAZELLE in Niger bis Ende 2022 bleiben.
ZUSATZFRAGE: Sind das Soldaten, ich sage einmal, des malischen Regimes, der malischen Junta oder Sicherheitskräfte, die dort ausgebildet werden, oder gibt es da eine Unabhängigkeit?
COLLATZ: Das ist getrennt voneinander.
Sanktionsdurchsetzungsgesetz
HOFFMANN (BReg): Dann sind wir bei dem Sanktionsdurchsetzungsgesetz. Am 10. Mai, also gestern, hat das Bundeskabinett eine Formulierungshilfe für die Koalitionsfraktionen für ein aus der Mitte des Deutschen Bundestages einzubringendes erstes Gesetz zur effektiveren Durchsetzung von Sanktionen (Sanktionsdurchsetzungsgesetz I) beschlossen.
Da die EU-Listungen von sanktionierten ‑ natürlichen und juristischen ‑ Personen inzwischen einen beachtlichen Umfang erreicht haben und die Vermögensermittlung gelisteter Personen in den EU-Mitgliedstaaten die deutschen Behörden vor neue große Herausforderungen stellt, will die Formulierungshilfe hier kurzfristig umsetzbare Verbesserungen zur effizienten Sanktionsdurchsetzung schaffen.
Dazu sind unter anderem folgende Maßnahmen vorgesehen: Möglichkeit der Vermögensermittlung und der Sicherstellung von Vermögensgegenständen bis zur Aufklärung der Eigentumsverhältnisse, Klarstellung der Zuständigkeit der Landesbehörden für die Anwendung und Durchsetzung außenwirtschaftsrechtlicher Bestimmungen, Erweiterung der Datenübermittlungsbefugnisse beteiligter Behörden, zum Beispiel der Bundesbank an die Zentralstelle für Finanztransaktionsuntersuchungen, Klarstellung, dass auch Sende-, Übertragungs- oder Verbreitungsverbote unter Dienstleistungsverbote zu fassen sind, Erweiterung der Auskunftspflicht nach dem Außenwirtschaftsgesetz auf Auslagerungsunternehmen, straf- und bußgeldbewehrte Anzeigepflichten der sanktionierten Personen, Erweiterung des Zugangs zum Transparenzregister sowie zum Kontenabrufverfahren für an der Sanktionsdurchsetzung beteiligte Behörden.
Außerdem hat das Bundeskabinett ein Eckpunktepapier von BMF und BMWK zur weiteren Sanktionsdurchsetzung zur Kenntnis genommen, bei dem es um strukturelle Maßnahmen geht, die einer ausführlicheren Vorbereitung bedürfen und die ab Mitte des Jahres umgesetzt werden sollen.
[…]
FRAGE: Ich möchte an einer Stelle gerne nachfragen, die ich kurzfristig auch nicht in der Pressemitteilung von gestern gefunden habe. Frau Hoffmann, Sie sprachen davon ‑ das ging so schnell; ich hoffe, ich gebe es richtig wieder ‑, es soll klargestellt werden, dass ein Sendeverbot auch ein Dienstleistungsverbot ist. Können Sie noch ausführen, worauf das zielt? Hängt das irgendwie mit dem Verbot für russische Staatsmedien zusammen? Soweit ich weiß, gibt es da noch immer pricklige rechtliche Auseinandersetzungen, was das RT-Verbot angeht.
HOFFMANN: Die Formulierung war, dass klargestellt werden soll, dass auch Sende-, Übertragungs- und Verbreitungsverbote unter Dienstleistungsverbote zu fassen sind. Das haben Sie richtig verstanden. Zur Erläuterung würde ich gern an die Kollegin vom BMWK abgeben.
EINHORN (BMWK): Zu diesem Detailpunkt kann ich gerade nichts weiter hinzufügen. Wenn wir etwas nachzureichen haben, dann tun wir das.
VORS. SZENT-IVÁNYI: Dann habe ich eine Frage eines Kollegen, auch noch zum Sanktionsdurchsetzungsgesetz: Wie viel Vermögen ist bisher in Deutschland im Rahmen der Sanktionen wegen des russischen Angriffs auf die Ukraine beschlagnahmt bzw. festgesetzt worden? Wann soll das Gesetz in Kraft treten?
HOFFMANN: Ich glaube nicht, dass es für das Gesetz schon einen Termin gibt, weil das dann aus dem Parlament eingebracht werden wird. Wenn wir dazu einen Zeitrahmen haben, würde ich ihn nachreichen. Aber ich glaube, das liegt nicht bei uns; das liegt im Grunde beim Parlament.
NIMINDÉ-DUNDADENGAR (BMF): Zu den festgesetzten Vermögenswerten hatten wir hier schon wiederholt ausgeführt. Dabei muss man unterscheiden. Ein Kollege des BMWK hatte dazu schon detailliert Ausführungen gemacht. Die Werte schwanken auch durchaus. Deshalb werde ich davon absehen, jetzt den aktuellen Stand mitzuteilen, den ich aktuell auch nicht vorliegen habe.
VORS. SZENT-IVÁNYI: Vielleicht können Sie das nachreichen.
NIMINDÉ-DUNDADENGAR: Wenn ich etwas nachreichen kann, mache ich das.
[…]
VORS. SZENT-IVÁNYI: Malte Kreutzfeldt sagt, an das BMF gerichtet, er wünsche sich tatsächlich eine Antwort auf die Frage nach dem Vermögen, weil er sagt, der letzte Stand sei von Anfang April.
NIMINDÉ-DUNDADENGAR: Ich hatte schon ausgeführt, dass der Stand schwankt. Aber mit zuletzt bekanntem Stand vom 29. April wurden Gelder in Höhe von 137,9 Millionen Euro eingefroren. Zu operativen Einzelheiten geben wir hier wie üblich keine Auskunft.
FRAGE: Geht es bei dem Betrag, den Sie jetzt genannt haben, nur um Geldvermögen, das eingefroren wurde, oder betrifft das zum Beispiel auch den Wert von Sachgegenständen, die beschlagnahmt wurden?
NIMINDÉ-DUNDADENGAR: Der Betrag betrifft die aufgrund der Russland-Sanktionen eingefrorenen Gelder. Summen dazu haben wir schon öfter bekanntgegeben. Das betrifft allein die eingefrorenen Vermögenswerte, also Gelder, Bankkonten und dergleichen. Zum Wert anderer Vermögensgüter hat der Kollege vom BMWK schon wiederholt ausgeführt.
Treffen der G7-Außenministerinnen und ‑Außenminister in Wangels
SASSE (AA): Außenministerin Baerbock wird morgen nach Wangels in Schleswig-Holstein reisen, wo vom 12. bis 14. Mai das Treffen der G7-Außenministerinnen und ‑Außenminister stattfinden wird. Zu diesem Treffen hat Außenministerin Baerbock im Rahmen des deutschen G7-Vorsitzes eingeladen.
Im Fokus des Treffens stehen der russische Angriffskrieg gegen die Ukraine und seine Auswirkungen, beispielsweise auf die Energie- und Ernährungssicherheit. Weitere Themen sind die Rolle Chinas und die Lage im Indopazifik, Afghanistan, Afrika und die Lage im Nahen Osten sowie der gemeinsame Kampf gegen die Klimakrise, die Coronapandemie und ihre Folgen.
Als Gäste vor Ort nehmen an Teilen des Programms auch der Außenminister der Ukraine, Kuleba, und der Außenminister der Republik Moldau, Popescu, teil. Virtuell ist zu Teilen des Programms die Außenministerin Indonesiens, Marsudi, zugeschaltet. Indonesien hat in diesem Jahr den Vorsitz der G20 inne.
[…]
VORS. SZENT-IVÁNYI: Es gibt noch eine Frage zur Ukraine: Werden Unterstützungsleistungen für den Wiederaufbau von Infrastruktur und Wirtschaft der Ukraine ein Thema der G7-Außenministerberatungen sein?
SASSE: Es wird bei dem Treffen der G7-Außenministerinnen und -Außenminister um den russischen Angriffskrieg und seine Auswirkungen gehen, das habe ich eingangs geschildert. Da geht es um Energiefragen und um Ernährungssicherheitsfragen. Die Fragen eines Wiederaufbaus stehen jetzt nicht konkret auf der Tagesordnung. Das wird aber in den kommenden Wochen und Monaten sicherlich der Fall werden.
Informelles Treffen der NATO-Außenministerinnen und ‑Außenminister in Berlin
SASSE (AA): Im Anschluss an das G7-Treffen, über das ich gerade berichtet habe, wird am Samstag und Sonntag in Berlin, ebenfalls auf Einladung von Außenministerin Baerbock und auf Einladung des NATO-Generalsekretärs Stoltenberg, ein informelles Treffen der NATO-Außenministerinnen und ‑Außenminister stattfinden. Dieses informelle Format findet zum ersten Mal statt und soll den bisherigen Rahmen der formellen Treffen bewusst aufbrechen. Es sind unter anderem sehr kleine, vertrauliche Formate vorgesehen, die einen direkten Austausch und ein offenes, unmittelbares Gespräch fördern. Das informelle Format soll außerdem dazu dienen, bewusst die politische Dimension der NATO und politische Konsultationen in der NATO zu stärken.
Am ersten Abend des Treffens werden auch die Außenministerin von Schweden, Ann Linde, und der Außenminister von Finnland, Pekka Haavisto, teilnehmen.
Gasversorgung in Deutschland
FRAGE: Guten Tag! Meine Frage geht wahrscheinlich an das BMWK. Sie betrifft die verringerten Gaslieferungen aus Russland durch die Ukraine. Gibt es schon irgendwelche Auswirkungen auf die Gasversorgung in Deutschland, oder befürchtet die Bundesregierung solche, da je nachdem, wem man glaubt, bis zu 25 Prozent oder 33 Prozent weniger durch diese Pipeline laufen.
VORS. SZENT-IVÁNYI: Das fragt auch eine Kollegin. Sie fügt hinzu: Können Sie schon sagen, was sich daraus für Verbraucher und Gaspreise ergeben könnte?
EINHORN (BMWK): Vielen Dank für die Fragen. Ich kann Ihnen sagen, dass wir die Lage und auch die aktuellen Entwicklungen ganz genau beobachten. Auch das Krisenteam Gas und die Fernleitungsnetzbetreiber beobachten die Lage bereits. Wichtig ist, zu sagen: Die Versorgungssicherheit in Deutschland ist aktuell weiterhin gewährleistet.
Die Bundesnetzagentur hat sich auch in ihrem heutigen täglichen Lagebericht bereits zu der neuen Lage geäußert. Das ist seit ca. einer halben Stunde online. Daraus kann ich kurz zitieren, da das auch die Frage der Kollegin beantwortet:
- „Die Bundesnetzagentur beobachtet mögliche Auswirkungen der Reduktion der Gastransite über die Ukraine für Deutschland und Europa sehr genau.
- Die Gasversorgung in Deutschland ist stabil. Die Versorgungssicherheit ist weiterhin gewährleistet.
- Die Gasmengen, die über die Ukraine in Waidhaus nach Deutschland fließen, gehen in der Folge der Reduzierung der Transite gegenüber gestern um gut 25 Prozent zurück. Diese Mengen werden aktuell durch höhere Flüsse insb. aus Norwegen und aus den Niederlanden ausgeglichen.“
Jetzt zur Frage der Preise:
- „Ein nennenswerter Anstieg der Großhandelspreise ist aktuell nicht zu verzeichnen.“
Die Füllstände steigen seit geraumer Zeit, schon seit Wochen, kontinuierlich an. Die Gasspeicher werden kontinuierlich gefüllt. Aktuell liegt der Füllstand bei ca. 38,6 Prozent. Auch hier haben wir also einen weiteren Anstieg zu verzeichnen.
ZUSATZFRAGE: Wenn man das russische Gas also einfach so durch höhere Flüsse aus Norwegen und den Niederlanden ausgleichen könnte, wären viele Probleme gelöst, aber das geht ja nicht ‑ jedenfalls nicht auf Dauer. Überlegt die Bundesregierung, zumindest temporär die Nord-Stream-2-Pipeline zu aktivieren, um diesen Engpass durch die Ukraine auszugleichen?
EINHORN: Die Flüsse aus Norwegen und aus den Niederlanden haben wir auch in den vergangenen Wochen schon angepasst und im Austausch mit diesen Partnern erhöhen können. Nord Stream 2 ist nach dem russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine wirklich gestorben, und da denkt jetzt keiner daran, hierauf auszuweichen.
VORS. SZENT-IVÁNYI: Eine Kollegin fragt auch noch einmal nach, weil sie ihre Frage nicht beantwortet sieht. Sei meinte, was sozusagen perspektivisch passiert; es ging ihr also um die Erwartungen für die Zukunft. Das hat also eine ähnliche Zielrichtung.
EINHORN: Ich kann nur berichten, was heute Fakt ist und was heute Stand ist. Ich kann jetzt aber nicht zukünftige Preise prognostizieren, das geht leider nicht.
FRAGE: Frau Einhorn, ich hätte gerne zu den Folgen für andere betroffene EU-Länder gefragt. Gibt es Gespräche mit diesen Ländern, wie sie angesichts geringerer Mengen, die sie erhalten, über Deutschland mitversorgt werden können?
EINHORN: Sie können davon ausgehen, dass wir kontinuierlich im Austausch mit unseren europäischen Nachbarn sind, insbesondere eben zur Gaslage mit denen, die mit uns über Gasleitungen verbunden sind und die der Gastransfer über die Ukraine ebenfalls betrifft. Ich kann heute aber noch keine Auskunft dazu geben, ob und inwieweit das andere betreffen könnte und ob da dann Vorkehrungen oder Maßnahmen zu treffen wären. Dafür ist es heute noch zu früh, weil auch noch nicht ganz klar ist, um welche Mengen es dann letztlich geht.
Es gibt aber auch auf EU-Ebene eine Koordinationsgruppe, die Gas Coordination Group, die sich auch um diese Themen kümmert und die dann die EU selbst auch einberuft, wenn es dort Fragen gibt, die zu klären sind.
FRAGE: Den jetzt verringerten Gasfluss der Leitung, über die wir jetzt sprechen, kann man ja nicht dauerhaft über Norwegen und die Niederlande ausgleichen ‑ wie der Kollege schon sagte, hätten wir dann viele andere Probleme auch nicht. Was bedeutet denn dieser verringerte Gasfluss jetzt für die Einspeicherungen, die wir für den nächsten Winter planen? Das sollen ja mindestens 90 Prozent sein. Ist das dadurch jetzt gefährdet oder ist das aus Ihrer Sicht überhaupt kein Problem?
EINHORN: Ich kann ja nur sagen, was heute ist. Gestern bzw. heute hat sich diese Situation eingestellt. Jetzt gibt es den Lagebericht der Bundesnetzagentur, der sagt: Die Füllstände steigen bisher weiter und es gibt aktuell auch keinen Anlass, die Versorgungssicherheit in Deutschland gefährdet zu sehen ‑ das ist sie nicht. Was morgen oder in einer Woche passiert, kann ich nicht sagen; denn es ist ja noch unklar, wie sich das mit den Gasflüssen jetzt weiterentwickelt. Insofern können wir daraus jetzt noch keine konkreten Rückschlüsse für die Zukunft ziehen.
Es ist aber so, dass der Großteil des Gases, das in Deutschland aus Russland ankommt, über Nord Stream 1 läuft und dass das unser Hauptversorgungsweg ist. Hier geht es um eine andere Leitung. Insofern ist diese Menge an Gas ohnehin schon nicht diejenige, die uns hauptsächlich in Deutschland versorgt.
ZUSATZFRAGE: Vielleicht einmal anders herum gefragt: Es wird ja Berechnungen geben, wie die 90 Prozent im Winter erreicht werden könnten, unter welchen Umständen sie erreichbar sind und unter welchen Umständen nicht. Inwiefern ist denn das, was jetzt fehlt, in dieser Berechnung mit drin?
EINHORN: Es ist ja so, dass Minister Habeck seit Wochen dabei ist, die ganzen Gasflüsse zu diversifizieren, die Lieferländer zu diversifizieren. Da spielt die LNG-Infrastruktur, die wir in Deutschland aufbauen wollen, mit hinein; denn da geht es ja genau darum, unabhängig zu werden vom russischen Gas, hier auf alle Eventualitäten vorbereitet zu sein und dennoch den nächsten Winter gut zu überstehen und die Gasspeicher zu füllen. Insofern laufen ja alle Bemühungen, die wir seit Wochen betreiben, darauf hinaus, dass wir genau in solchen Fällen wie jetzt dennoch genug Gas für die Versorgung zur Verfügung haben.
VORS. SZENT-IVÁNYI: Eine etwas allgemeiner gehaltene Frage: Ist die Ankündigung der Außenministerin, die Öl- und Gasimporte aus Russland „für immer“ auf null zu fahren, innerhalb der Bundesregierung abgesprochen? Wie gedenkt die Bundesregierung neue Abhängigkeiten in der Energiepolitik zu verhindern?
HOFFMANN: Es ist ja bekannt, dass das Ziel der Bundesregierung ist, von fossilen Importen aus Russland unabhängig zu werden. Ein Embargo von Kohl ist innerhalb der EU bereits beschlossen. Eine weitere Sanktion, die Öl betrifft, wird dort im Moment intensiv verhandelt. Weiteres kann ich dazu im Moment nicht sagen.
FRAGE: An das BMWK: Wenn die Bundesnetzagentur sagt, ein Viertel der Lieferungen über die Ukraine liefen jetzt nicht mehr, was heißt das dann insgesamt? Wie viel Prozent der deutschen Gaslieferungen sind das, die dann ausfallen?
EINHORN: Wenn wir das schon so genau beziffern können, dann würden wir das nachreichen.
HOFFMANN: Ich glaube, man kann auch nicht ganz sicher sagen, dass diese 25 Prozent dauerhaft ausfallen; meine Kollegin hat ja auch gesagt, dass das im Moment schwer zu prognostizieren ist. Grundsätzlich geht die Bundesregierung aber erst einmal davon aus, dass die zugesagten Mengen geliefert werden.
FRAGE: Noch einmal zu der vorhin gestellten Frage, ob man die Importe aus Russland auf null reduziert, an Frau Sasse: Ist das eine in der Bundesregierung abgestimmte Position?
SASSE (AA): Ich kann dazu vielleicht einfach noch einmal das aufgreifen, was Frau Hoffmann gerade schon ausgeführt hat. Insgesamt ist es ja die Position der Bundesregierung, die Abhängigkeit von fossilen Energieträgern aus Russland zu reduzieren. Dieses langfristige Ziel hat die Ministerin gestern noch einmal deutlich gemacht, als sie in Kiew diese Worte gewählt hat. Es geht also letztlich darum, unsere Abhängigkeit von fossilen Energieträgern aus Russland auf null zu reduzieren.
FRAGE: Weil Frau Hoffmann gerade gesagt hat, es sei ja nicht sicher, ob da nicht bald doch wieder etwas kommt: Man muss jetzt doch eigentlich davon ausgehen, dass das eine Weile so bleibt. Haben Sie andere Informationen, bzw. was macht Sie sicher, dass das bald wieder geliefert wird?
HOFFMANN: Nein, ich habe ganz bestimmt nicht gesagt, dass ich da irgendwelche gesicherten Informationen hätte. Ich habe nur gesagt, dass ich es für verfrüht halte, jetzt schon ganz klare mittel- und langfristige Prognosen darüber zu machen, was kommt und was nicht kommt. Es gibt dazu im Moment aber keine sichere Prognose.
FRAGE: Gibt es denn in den Verträgen mit Russland einen Passus, der sagt: Wenn nicht über die eine Pipeline, dann über den anderen Weg? Ist Russland also verpflichtet, das Gas zu ersetzen, wenn es nicht durch diese Pipeline fließt?
EINHORN: Die Verträge machen ja nicht wir, sondern die Unternehmen. Insofern kann ich dazu leider keine Auskunft geben.
Tötung einer Journalistin im Westjordanland
VORS. SZENT-IVÁNYI: Wir kommen zu einem neuen Thema und mehreren Fragen von Kollegen aus den arabischen Raum. Ich fasse diese Fragen einmal zusammen. Und zwar geht es um den Tod einer Kollegin: Die Reporterin Schirin Abu Akle von Al Jazeera wurde durch Schüsse israelischer Soldaten mit scharfer Munition getötet. Wie bewertet die Bundesregierung diesen Fall? Wird sie das mit der israelischen Regierung besprechen?
SASSE (AA): Ich übernehme das gerne. Wir haben die Berichte natürlich zur Kenntnis genommen, und diese Berichte sind absolut erschütternd für die Bundesregierung. Der Schutz von Pressevertreterinnen und -vertretern ist aus unserer Sicht ein elementarer Bestandteil von Rechtstaatlichkeit, und dazu gehört natürlich auch, sicherzustellen, dass Medienvertreterinnen und -vertreter aus Konfliktsituationen berichten können und damit auch ihren wichtigen Beitrag leisten können. Wir gehen davon aus und erwarten, dass der Tod der Betroffenen jetzt natürlich umfassend und zügig aufgeklärt wird und die Verantwortlichen zur Rechenschaft gezogen werden.
Gleichzeitig möchte ich noch einmal zum Ausdruck bringen, dass wir natürlich ein tief empfundenes Mitgefühl mit den Angehörigen, Freunden und Familienangehörigen des Opfers haben. Dem Journalisten, der bei diesem Vorfall verletzt wurde, wünschen wir eine baldige und vollständige Genesung.
FRAGE: Wie soll denn, wenn sich das als wahr herausstellt, israelische Armee zur Rechenschaft gezogen werden? Von Menschenrechtsorganisationen wird ja seit Jahrzehnten kritisiert, dass das israelische Militär selten Rechenschaft ablegen muss, wenn es in den besetzten Gebieten agiert. Wie soll das jetzt also passieren?
SASSE: Diese Frage haben Sie hier ja schon in anderem Zusammenhang wiederholt in der Vergangenheit gestellt. Ich kann zu diesem konkreten Vorfall nur sagen: Wir erwarten, dass die Tat da aufgeklärt wird, und stehen dazu natürlich mit allen Betroffenen und Beteiligten in Kontakt.
ZUSATZFRAGE: Dass das aufgeklärt werden soll, ist ja klar, aber wer soll da wie zur Rechenschaft gezogen werden? Wie soll da also eine Rechenschaft hergestellt werden? Das ist ja das Problem.
SASSE: Uns ist das natürlich bewusst. Wir haben hier in der Vergangenheit immer wieder ausgeführt, dass es beispielsweise aufseiten der israelischen Streitkräfte gewisse Mechanismen gibt, um Vorfälle aufzuklären. In dieser Situation geht es aber erst einmal darum, den Vorfall tatsächlich aufzuklären.
Wahlen auf den Philippinen
FRAGE: Ich habe eine Frage an das Außenministerium zu den Wahlen auf den Philippinen. Diktatorensohn Ferdinand Marcos, genannt „Bongbong“, hat sich zum Wahlsieger erklärt. Ein Erdrutschsieg sei es gewesen. War das nach Einschätzung der Bundesregierung das Resultat einer fairen, demokratischen Wahl? Gab es die?
SASSE (AA): Vielen Dank für Ihre Frage. Ich kann vielleicht noch einmal als grundsätzliche Einschätzung feststellen, dass die Philippinen für die Bundesregierung ein wichtiger Akteur im Indo-Pazifik sind und bleiben. Wir arbeiten mit den Philippinen bei der Aufrechterhaltung der regelbasierten internationalen Ordnung und bei der Bewältigung der Klimakrise, von deren Folgen ja gerade die Philippinen besonders betroffen sind, eng zusammen. Es ist natürlich so, dass wir auch mit einer neuen Regierung auf den Philippinen, sobald sie im Amt sein wird ‑ das ist ja noch nicht der Fall ‑, den Dialog weiterführen werden, und zwar über die gesamte Bandbreite der bilateralen Beziehungen, über regionale und globale Themen sowie ebenso über Menschenrechtsfragen.
ZUSATZ: Die Frage war ja gewesen, ob es nach Einschätzung der Bundesregierung faire und demokratische Wahlen auf den Philippinen gab.
SASSE: Wir haben den Wahlkampf und auch die Durchführung der Wahlen eng verfolgt. Nach dem, was wir beobachten konnten, war Wahlbeobachtung uneingeschränkt möglich und ist ja im Übrigen auch durch Organisationen der Zivilgesellschaft sowie durch internationale Vertreter einschließlich Diplomatinnen und Diplomaten erfolgt.
ZUSATZFRAGE: War das ein Ja?
SASSE: Das war das, was ich gerade gesagt habe.