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Erklärungen des Auswärtigen Amts in der Regierungs­­­pressekonferenz vom 01.06.2022

01.06.2022 - Artikel

Angriff Russlands auf die Ukraine

FRAGE: Ich habe Fragen an das Verteidigungsministerium, aber auch an Herrn Büchner. Der Bundeskanzler hat heute angekündigt, dass die Bundesregierung plant, ein Flugabwehrsystem und ein Radarsystem an die Ukraine zu liefern. Könnten Sie mir noch die genaue Bezeichnung dieser Systeme geben? Ich glaube, die waren in der Rede etwas verkürzt oder nicht genau.

Herr Helmbold, können Sie uns sagen, wozu diese Systeme fähig sind, also inwiefern die Ukraine damit etwas bekommt, was sie nicht schon kann?

FELDHOFF (Vorsitz): Ich darf diese Frage, bevor Sie anfangen, um die Frage von einem Kollegen erweitern. Er fragt, ob es sich bei der Ankündigung um die Lieferung des sogenannten Systems IRIS-T SLM handelt oder ob die Ukraine über eigene Luftfahrzeuge verfügt, die dieses System transportieren können.

BÜCHNER (BReg): Dann fange ich einmal an. ‑ Der Bundeskanzler hat in seiner Rede im Bundestag gerade gesagt, dass die Bundesregierung entschieden hat, das modernste Flugabwehrsystem zu liefern, über das Deutschland verfügt. Das ist das System IRIS-T. Darüber hinaus hat er gesagt: Wir werden der Ukraine ein hochmodernes Ortungsradar liefern, das feindliche Haubitzen, Mörser und Raketenartillerie aufklärt. ‑ Für das Weitere gebe ich jetzt gerne an Herrn Helmbold ab.

HELMBOLD (BMVg): Ich glaube, wir hatten jetzt sehr unterschiedliche Fragen. Zu IRIS-T und dem Ortungsradar habe ich im Moment keine weiteren Informationen, die ich Ihnen geben kann. Über die grundsätzliche Leistungsfähigkeit von entsprechenden Systemen können Sie sich auf unseren Webseiten informieren. Ich weiß nicht, ob noch weitere Waffensysteme angesprochen wurden oder ob es erst einmal nur um diese beiden Anteile geht.

FELDHOFF: Bisher wurden nur diese angesprochen. Aber wenn Sie weitere nennen wollen, machen Sie es ruhig.

ZUSATZFRAGE: Ich habe noch eine Nachfrage, weil Sie nur das IRIS-T-System angesprochen haben. Das ist, soweit ich weiß, eigentlich ein Luft-Luft-Raketensystem, es sei denn, man hat irgendwelche Vorrichtungen, um sie auch vom Boden abzuschießen. Aber ich bin dafür kein Experte. Können Sie das klären? Die Ukraine hat ja kaum noch funktionsfähige Flugzeuge. Es bringt dann nichts, ihnen Luft-Luft-Raketen zu geben.

BÜCHNER: Dazu muss auch ich passen; denn das ist eine Fachfrage.

HELMBOLD: Das ist eine Frage, die sich letztlich an die Industrie richtet; denn wir haben diese Systeme bei uns nicht in der Nutzung. Das ist kein Thema, das ich für das BMVg beantworten kann, weil wir diese Systeme bei uns nicht im Bestand führen.

ZUSATZFRAGE: Wäre es möglich herauszufinden, was die Bundesregierung genau liefert?

FELDHOFF: Wir geben das der Bundesregierung einmal mit und hoffen auf eine Nachlieferung bis spätestens Freitag.

BÜCHNER: Stand jetzt würde ich mich auf das beziehen, was der Bundeskanzler in der Regierungserklärung gerade gesagt hat. Wenn wir mehr mitteilen können, tun wir das. Aber das kann ich jetzt noch nicht versprechen.

ZUSATZ: Okay. ‑ Aber er hat auch gesagt, das sei das modernste System, das Deutschland hat.

BÜCHNER: So ist es.

ZUSATZ: Jetzt erfahren wir, dass Deutschland das gar nicht hat. Da bin ich jetzt etwas verwirrt.

BÜCHNER: Ich kann jetzt hier nur das wiedergeben, was der Bundeskanzler gerade gesagt hat.

HELMBOLD: Sie müssen auch unterscheiden: Deutschland ist ja nicht nur die Bundeswehr. So, wie ich das verstanden habe, bezieht sich das auch auf Möglichkeiten der Industrie.

FELDHOFF: Ein Kollege fragt nach: War das BMVg demnach, wenn Sie heute hier nicht sprechfähig sind, Herr Helmbold, nicht in diese Ankündigung des Bundeskanzlers einbezogen?

HELMBOLD: Es gibt eine große Zahl von Abstimmungen, die laufen und bei denen das BMVg häufig beteiligt ist. Generell muss man sagen: Für Industrieabgaben sind wir grundsätzlich nicht zuständig. Aber wir sind natürlich immer dabei, wenn es darum geht, dass unsere Expertise gefragt ist.

Es gibt sehr viele Absprachen im Bereich der Bundesregierung. Auch gibt es Konsultationen mit unseren Partnern und mit der Industrie. Ich kann aber hier im Einzelnen nicht auf solche Gespräche eingehen. Wichtig ist uns: Wenn wir weitere Informationen mit Blick auf die Lieferungen für Sie haben, dann werden wir Sie entsprechend informieren.

Kern meiner Aussagen wird immer sein, über Abgaben aus Bundeswehrbeständen zu informieren. Dazu kann ich Ihnen natürlich ein paar mehr Details geben, wenn es darum geht, die Leistungsfähigkeit von bestimmten Systemen zu nennen, die wir in der Bundeswehr verfügbar haben.

FRAGE: Herr Büchner, zu den Worten des Bundeskanzlers: Er hat vorhin ausgeführt, Deutschland habe mit der Tradition gebrochen, keine Waffen in Kriegsgebiete zu liefern. Vor dem Hintergrund dieser Aussage: Was ist mit den Waffenlieferungen an die Kurden? Waren das keine Waffenlieferungen in eine Kriegssituation? Was ist mit Waffenlieferungen an Israel? Auch das gilt wegen der militärischen Besetzung, die Israel verantwortet, international als Kriegsgebiet.

BÜCHNER: Ich glaube, dass wir diese Situationen nicht miteinander vergleichen können. Wir haben es hierbei mit einem Angriffskrieg Russlands auf ein freies Land zu tun. In der Tat hatten wir so eine Situation noch nie mitten in Europa. In dieser Form und in diesem Umfang hat Deutschland noch nie Waffen in ein Kriegsgebiet geliefert. Ich glaube, darüber hinaus muss ich die Worte des Bundeskanzlers aus der Regierungserklärung gerade nicht interpretieren.

ZUSATZFRAGE: Ich frage deswegen, weil Sie den Begriff der Kriegsgebiete jetzt in sehr unterschiedliche Ebenen teilen. Der Bundeskanzler hat diesen Begriff allerdings in seiner Allgemeinheit verwendet. Im Rahmen der Allgemeinheit würden doch wohl Waffenlieferungen an die Kurden oder gegebenenfalls auch an Israel auch als Waffenlieferungen in ein Kriegsgebiet gelten. Da war vielleicht die Wortwahl des Bundeskanzlers nicht so differenziert wie Ihre jetzt.

BÜCHNER: Ich bleibe jetzt dabei, dass ich den Worten des Bundeskanzlers von eben nichts mehr hinzufüge.

FELDHOFF: Der Kollege fragt online noch einmal nach: Herr Helmbold, habe ich Sie richtig verstanden, dass die Bundeswehr kein IRIS-T einsetzt?

HELMBOLD: So, wie ich das jetzt verstanden habe, bezog sich die Frage auch darauf, von wo aus IRIS-T eingesetzt wird. Ansonsten müsste ich das noch korrigieren. Aber so, wie ich es verstanden habe ‑ vielleicht bekomme ich noch eine Antwort über die Verbindung ‑, geht es bei IRIS-T um eine feste, am Boden eingesetzte Abschussvorrichtung.

Über SLM-Systeme, von denen hier die Rede war, verfügt die Bundeswehr nicht. Die Bundeswehr verfügt über andere Systeme. Aber das ist erst einmal nicht unbedingt das, worauf wir hier Bezug genommen haben.

FRAGE: Herr Büchner oder Herr Helmbold, die immer sehr gut informierten Kollegen der dpa berichten gerade, dass Deutschland auch vier Mehrfachraketenwerfer aus Beständen der Bundeswehr an die Ukraine liefern will. Können Sie das bestätigen?

BÜCHNER: Ich kann bisher nur das bestätigen, was der Bundeskanzler in der Rede im Bundestag gesagt hat. Alles darüber hinaus müssten wir klären. Wenn das zutrifft, liefern wir es gerne nach.

HELMBOLD: Der Bundeskanzler hat es angesprochen: Wir sind mit den USA in Abstimmungen zur Bereitstellung von Raketenartillerie. Dabei geht es auch darum, was die Bundeswehr abgeben kann, also konkret um die Systeme von Raketenartillerie. Davon hat die Bundeswehr nur ein System. Auch darüber können Sie sich auf unseren Webseiten informieren.

FRAGE: Nur noch einmal zum Verständnis: Die Luft-Luft-Rakete ist in den Beständen der Bundeswehr an Flugzeugen, aber nicht an stationären Abschussvorrichtungen vorhanden?

HELMBOLD: IRIS-T wird bei uns als Luft-Luft-Rakete an Kampfflugzeugen der Bundeswehr eingesetzt, aber nicht von, wie Sie sagen, stationären Abschusseinrichtungen vom Boden aus.

ZUSATZFRAGE: Das heißt, das Unternehmen, das diese Raketen herstellt ‑ wenn ich das richtig gesehen habe, ist das in Deutschland ‑, müsste das dann liefern? Das ist also ein Appell an die Wirtschaft, das zu liefern?

HELMBOLD: Das wäre in dem Augenblick die Aufgabe der Industrie, richtig.

FRAGE: Ist es richtig, dass die Bundeswehr das Flugabwehrsystem IRIS-T beschaffen möchte?

HELMBOLD: Das Flugabwehrsystem IRIS-T beschaffen möchte?

ZUSATZFRAGE: Ja. Sie sagen, die Bundeswehr hat das noch nicht. Aber ich habe gehört, dass die Bundeswehr plant, dieses Flugabwehrsystem im Rahmen des 100-Milliarden-Sondervermögens zu bekommen. Können Sie das bestätigen?

HELMBOLD: Erst einmal: Das Sondervermögen ist im Moment noch in der Abstimmung. Dazu kann ich noch nicht ins Detail gehen. Aber wir planen mit Blick auf dieses System durchaus, Kunde zu werden, ja.

FRAGE: Kann das Auswärtige Amt oder das BMWK ‑ ich weiß nicht, wer zuständig ist ‑ bestätigen, dass man mit Ägypten in Gesprächen ist, von einer Lieferung des IRIS-T-Systems erst einmal zurückzutreten, es der Ukraine zu überlassen und dann eine spätere Lieferung anzunehmen?

UNGRAD (BMWK): Ich kann dazu nichts liefern. Dazu liegen mir keine Informationen vor.

SASSE (AA): Auch ich kann Ihnen dazu nichts berichten.

FELDHOFF: Der Kollege hat noch eine Frage: Wenn das System nicht aus dem Bundeswehrbestand kommt, wer bezahlt dann das System IRIS-T SLM für die Ukraine?

HELMBOLD: Ich kann mich dazu nicht äußern.

BÜCHNER: Die Ukraine kann Waffen kaufen. Die Europäische Union hat für Waffenkäufe Geld zur Verfügung gestellt. Deutschland ist an der Gesamtsumme erheblich beteiligt. Ich denke, das ist der Weg, über den die Ukraine westliche Waffen beschafft, wenn es sich nicht um direkte Abgaben handelt.

FRAGE: Hat die Firma Diehl diese Systeme schon an Ägypten geliefert oder noch nicht? Das ist mir jetzt nicht klar. Ich habe die Information gehabt, es habe schon Lieferungen gegeben. Derzeit sei eine weitere in Vorbereitung. Die könne eventuell umgeleitet werden. Ist dieser Informationsstand korrekt?

HELMBOLD: Das ist eine Frage, die Sie an das Wirtschaftsministerium richten müssten.

UNGRAD: Ich kann das nur bestätigen: Mir liegen keine Informationen dazu vor. Ich kann mich gerne erkundigen und das nachliefern. Aber ich habe im Moment keine Informationen dazu.

Einberufung des deutschen Botschafters in Ankara

FRAGE: Frau Sasse, was ist denn aus der Einberufung des Botschafters in Ankara geworden? Wie ist das gelaufen?

SASSE (AA): Sie sprechen von dem deutschen Botschafter in Ankara, richtig?

ZUSATZ: Ja. Der deutsche und der französische Botschafter wurden einbestellt.

SASSE: Ich kann bestätigen, dass es vorgestern, am 30. Mai, ein Gespräch im türkischen Außenministerium gegeben hat. Botschafter Schulz ist zu einem Gespräch in das türkische Außenministerium gebeten worden. Themen des Gesprächs waren Maßnahmen, die von deutscher Seite gegen Aktivitäten terroristischer Organisationen in Deutschland, insbesondere der PKK, ergriffen wurden. Wenn das BMI dazu noch genauer ausführen möchte, würde ich ihm das Wort überlassen. Es ist natürlich so, dass der gemeinsame Kampf gegen den Terrorismus regelmäßig Gegenstand von Gesprächen mit der türkischen Regierung ist.

LAWRENZ (BMI): Ich kann derzeit dazu nichts ergänzen.

ZUSATZFRAGE JUNG: Sind Sie überrascht gewesen, dass die türkische Seite wegen des PKK-Themas einbestellt? Gibt es darüber überhaupt irgendetwas zu bereden?

SASSE: Wie gesagt: Das Thema Terrorismus ist regelmäßig Gegenstand von Gesprächen mit der türkischen Regierung. Insofern sind wir nicht wirklich überrascht gewesen, weil diese Gespräche eben regelmäßig geführt werden. Wir alle wissen natürlich um die Sensibilität des Themas PKK für die türkische Seite.

ZUSATZFRAGE: Wird der Botschafter dann regelmäßig einbestellt?

SASSE: Das habe ich so nicht formuliert. Ich habe nur auf Ihren Ausdruck „überrascht“ Bezug genommen und gesagt, dass diese Gespräche mit der türkischen Seite regelmäßig geführt werden.

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