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Erklärungen des Auswärtigen Amts in der Regierungspressekonferenz vom 01.08.2022
- Medienberichte über Gespräche zwischen Russland und den USA zum Zwecke der Freilassung des im Zusammenhang mit dem Mord im Kleinen Tiergarten in Berlin Verurteilten / Reisen nach Russland
- Auslaufen eines Getreideschiffs aus dem Hafen von Odessa
- Ausgabe von Schengen-Visa an russische Staatsbürger
- Atomwaffensperrvertrag
- Spannungen zwischen Serbien und Kosovo
- Asienreise von Nancy Pelosi
Medienberichte über Gespräche zwischen Russland und den USA zum Zwecke der Freilassung des im Zusammenhang mit dem Mord im Kleinen Tiergarten in Berlin Verurteilten / Reisen nach Russland
FRAGE: Ich habe eine Frage an die Bundesregierung und das Auswärtige Amt. Hat es Gespräche mit US-Vertretern oder mit Vertretern der russischen Regierung über die Freilassung des Mörders im Mordfall im Tiergarten gegeben?
BÜCHNER (BReg): Ich kann gern anfangen. Wir kennen die Berichte darüber, aber wir kommentieren den ganzen Zusammenhang nicht.
ZUSATZFRAGE: Laut diesen Berichten soll es Gespräche zwischen Vertretern der Bundesregierung und der USA gegeben haben. Können Sie das wenigstens bestätigen?
BÜCHNER: Wir wurden über das Gespräch des Außenministers Blinken mit dem russischen Außenminister Lawrow informiert. Aber darüber hinaus kann ich mich nicht äußern.
ZUSATZFRAGE: Schließen Sie es kategorisch aus, dass es zu solch einer Art von Gefangenenaustausch kommt?
Besteht aus Ihrer Sicht die Gefahr, dass Deutsche in Russland jetzt möglicherweise in Haft genommen werden könnten, wenn jetzt offensichtlich versucht wird, zu erreichen, dass dieser Mann freigelassen wird?
BÜCHNER: Das alles ist hochspekulativ. Zu Was-wäre-wenn-Fragen wollen wir normalerweise nichts sagen.
Außerdem ist dieses ganze Thema, wenn ich es richtig sehe, ohnehin vom Tisch. Deshalb muss man jetzt gar nicht mehr darüber spekulieren, ob solch eine Form des Gefangenenaustausches stattfinden könnte.
VORS. FELDHOFF: Gibt es Ergänzungen durch das AA?
BURGER (AA): Auch ich werde mich zu der Berichterstattung jetzt nicht weiter einlassen.
Vielleicht noch zu Ihrer Frage nach Reisen nach Russland: Von solchen Reisen raten wir ohnehin bereits ab, weil sie aus unserer Sicht mit erheblichen Risiken verbunden sind. Die Einzelheiten dazu finden Sie in unseren Reise- und Sicherheitshinweisen für Russland. Die halten wir wie für jedes Land der Welt ständig aktuell, und der Stand, den Sie dazu auf unserer Webseite finden, gibt auch immer unsere aktuelle Einschätzung zu möglichen Risiken von Reisen in ein bestimmtes Land wieder.
FRAGE: Herr Büchner, weil Sie gerade das Gespräch von Herrn Lawrow mit Herrn Blinken erwähnten: Hat denn in diesem Gespräch die Einbeziehung des Tiergartenmörders in so einen Gefangenenaustausch noch eine Rolle gespielt?
BÜCHNER: Ich kann Ihnen nur ganz allgemein sagen, dass wir darüber informiert wurden, aber zu Details und Inhalten des Gesprächs kann ich mich nicht äußern.
ZUSATZFRAGE: Herr Burger?
BURGER: Nein. Es wäre ja auch völlig unüblich, dass wir hier Auskunft über Inhalte eines Gesprächs zwischen den Außenministern zweier anderer Staaten gäben.
FRAGE: An das Bundesministerium der Justiz wäre die erste Frage, wo sich Herr Krasikov gerade befindet. Die zweite Frage wäre, ob Sie von der amerikanischen Seite oder von der russischen Seite in irgendeiner Form Anfragen in Bezug auf Herrn Krasikov erhalten haben.
BÖNNIGHAUSEN (BMJ): Ich glaube, da würde ich es genauso wie die Kollegen rechts von mir halten. Ich habe dem eigentlich nichts hinzuzufügen.
Auslaufen eines Getreideschiffs aus dem Hafen von Odessa
FRAGE: Ich habe eine Frage an das Außenministerium. Der erste Getreideschiffstransport aus der Ukraine ist gestartet. Wie schaut die Bundesregierung auf den weiteren Verlauf? Welche Forderungen und Erwartungen gibt es jetzt gegenüber Russland? Werden womöglich Bemühungen für andere Transportwege, also zum Beispiel den Schienentransportweg, zurückgefahren?
BURGER (AA): Vielen Dank. Wir begrüßen, dass nun das erste Getreideschiff aus dem Hafen von Odessa ausgelaufen ist. Das ist ein Hoffnungsschimmer in einer sich zuspitzenden Ernährungskrise. Jetzt ist es wichtig, dass das Getreideabkommen weiter mit Leben gefüllt wird und noch mehr Schiffe auslaufen können.
Gleichzeitig arbeiten wir weiter mit Hochdruck an der Schaffung von alternativen Routen; denn die letzten Monate haben gezeigt, dass es fahrlässig wäre, sich blind auf Zusicherungen zu verlassen. Die Initiative “EU solidarity lanes” der EU-Kommission hat bereits zu einer enormen Steigerung der Getreideexporte über die Schiene und über die Straße nach Europa geführt, eine Route, die vor Kriegsbeginn so quasi gar nicht existierte. Im Juni und Juli wurden so jeweils etwa 2,5 Millionen Tonnen Getreide transportiert.
Aber richtig ist auch: Wir brauchen den Seeweg, um eine internationale Ernährungskrise zu verhindern. Zu dem Thema hatte sich die Außenministerin ja im vergangenen Monat auch in Rumänien beim Besuch des Hafens von Constanța informiert. Das ist also ein Thema, an dem wir weiter dran bleiben. Ich sage das ganz bewusst nicht nur für das Auswärtige Amt, sondern das ist ja wirklich etwas, bei dem eine ganze Reihe von Ressorts Hand in Hand arbeitet, jeweils mit ihren Möglichkeiten und mit ihrer Expertise.
ALEXANDRIN (BMDV): Ich möchte nur noch eine Sache ergänzen, die das von Herrn Burger Gesagte noch einmal verdeutlicht: Es geht hier auch ganz klar um die Frage der Kapazität. Das heißt, wir haben einen enormen Stau an Getreide, der dort jetzt abgearbeitet werden muss. Hinzu kommt, dass wir nicht nur über das ukrainische Getreide reden. Wenn wir jetzt zum Beispiel den Hafen von Constanța nehmen, dann geht es dabei ganz genau um den Export des rumänischen Getreides. Das Gleiche gibt es auch in Polen. Das heißt, wir müssen alle Kapazitäten, die uns zur Verfügung stehen, weiter ausbauen, um das Getreide eben auf den Weltmarkt zu bringen.
Ausgabe von Schengen-Visa an russische Staatsbürger
FRAGE: Die Regierung Estlands ruft dazu auf, die Ausgabe von Schengen-Visa an russische Staatsbürger zu stoppen. Würde die Bundesregierung diese Forderung unterstützen? Wie sehen Sie das?
BURGER (AA): Mir ist dieser Vorschlag, ehrlich gesagt, gerade nicht geläufig. Ich würde mich darüber informieren müssen, bevor ich das kommentieren kann. Wir sind solche Pläne derzeit nicht bekannt.
[…]
VORS. FELDHOFF: Das Auswärtige Amt hat noch etwas nachzutragen.
BURGER: Ich war nach der Visavergabe an russische Staatsangehörige gefragt worden. Dazu kann ich nachtragen, dass es im Moment auf europäischer Ebene keine Beschlusslage gibt, die eine Aussetzung der Vergabe von Schengen-Visa an russische Staatsangehörige ermöglichen würde.
Es ist so, dass es im Rahmen der Beschlüsse des Rats für Auswärtige Angelegenheiten vom 25. Februar auf europäischer Ebene die Entscheidung gibt, das Visumerleichterungsabkommen zwischen der EU und Russland teilweise auszusetzen. Das betrifft insbesondere die Aussetzung der visafreien Einreise für russische Diplomatenpassinhaber und Diplomatenpassinhaberinnen und die Aussetzung zur Visavergabe für Regierungs- und Parlamentsmitglieder und ähnliche Personen. Eine Aussetzung der Vergabe von Schengen-Visa an sich könnte aber nur im Konsens zwischen den Schengen-Staaten vereinbart werden. Eine solche Beschlusslage gibt es im Moment nicht.
Atomwaffensperrvertrag
FRAGE: Herr Burger, wird die Außenministerin bei ihrem Besuch in New York im Namen der Bundesregierung Indien, Pakistan, Israel und Nordkorea dazu aufrufen, dem Atomwaffensperrvertrag beizutreten? Das sind ja bisher nur inoffizielle Atommächte.
BURGER (AA): Dazu, was die Ministerin in New York genau sagen wird: Ich möchte ihren Worten natürlich nicht vorgreifen. Es ist ganz grundsätzlich die Haltung der Bundesregierung, dass wir alle Staaten der Welt auffordern, dem Nichtverbreitungsvertrag beizutreten. Das wäre aus unserer Sicht sinnvoll.
ZUSATZFRAGE: Aber wie ist die Haltung zu den Atomwaffenstaaten Pakistan, Indien, Israel und Nordkorea denn konkret?
BURGER: Das ist die Haltung, die ich gerade genannt habe.
Spannungen zwischen Serbien und Kosovo
FRAGE: Herr Burger, das Kosovo ist ja für Deutschland ein besonderer Einsatzort, allein wegen der KFOR-Mission. Jetzt gibt es verstärkte Spannungen bis hin zu Schüssen zwischen Serbien und dem Kosovo, glaube ich. Es geht darum, dass das Kosovo die Einreise von Serben erschwert. Wie bewertet die Bundesregierung die Situation? Was tut sie, um die Lage möglichst zu entspannen?
BURGER (AA): Ja, das war gestern im Norden Kosovos eine sehr ernstzunehmende Zuspitzung der Lage. Wir standen und stehen dazu in engem Kontakt mit dem EAD, mit den USA und natürlich auch mit den Regierungen vor Ort. Wir begrüßen, dass der Hohe Vertreter der EU, Herr Borell, und der EU-Sonderbeauftragte Lajčák, der Sonderbeauftragte für den Normalisierungsdialog zwischen Serbien und Kosovo, gestern gemeinsam mit den USA vermitteln konnten und dass die kosovarische Regierung die Lage durch eine Verschiebung dieser geplanten Maßnahmen jetzt zunächst einmal entspannt hat. Die EU hat sich klar dahingehend geäußert, dass wir erwarten, dass nun alle Straßenblockaden unmittelbar entfernt werden. Es gibt inzwischen ja auch Meldungen darüber, dass das stattzufinden scheint. Wichtig ist es nun, dass im Rahmen des von der EU vermittelten Dialogs zwischen Kosovo und Serbien bald ein hochrangiges Treffen stattfinden kann, damit eine erneute Eskalation vermieden werden kann.
ZUSATZFRAGE: Haben die Spannungen für eine veränderte Situation bei den deutschen Einheiten der KFOR-Truppe gesorgt? Gab es besondere Vorfälle? Gibt es einen anderen Alarmzustand oder so etwas? Die Frage richtet sich möglicherweise zum Teil auch an das Verteidigungsministerium, aber vielleicht können Sie sie auch beantworten.
BURGER: Ich habe dazu keinen aktuellen Stand vorliegen. Ich weiß nicht, ob Frau Krüger etwas ergänzen kann.
BÜCHNER (BReg): Vielleicht kann ich in der Zwischenzeit zu dem Komplex noch ergänzen, dass sich der Bundeskanzler selbst auch intensiv um diese Thematik kümmert. Er steht ja mit den Regierungschefs von Kosovo und Serbien in engsten Gesprächen und bemüht sich darum, dass dieser Konflikt deeskaliert wird und dass dort ein gutes Miteinander ermöglicht wird. Kurti und Vučić waren ja auch in Deutschland und haben sich hier getroffen. Deutschland bemüht sich sehr darum, in diesem Zusammenhang hilfreich zu sein.
KRÜGER (BMVg): Was ich vielleicht noch ergänzen kann ‑ Herr Burger hat sich ja schon ausführlich dazu eingelassen ‑, ist zunächst einmal: Die Verteidigungsministerin hat sich heute auch schon zu der Lage geäußert. Vielleicht kann ich das eingangs kurz noch einmal skizzieren. Sie hat ‑ ich glaube, das lässt sich inzwischen auch nachlesen ‑ dazu gesagt: Die Lage an der Grenze zwischen Kosovo und Serbien beobachte ich besorgt. Es ist gut, dass die kosovarische Regierung jetzt zunächst besonnen reagiert hat und so zur Entspannung beiträgt. Auch die NATO-Mission KFOR beobachtet die Situation genau und ist bereit, einzugreifen, sollte die Stabilität gefährdet sein, wie ihr Mandat es vorsieht. Die Bundeswehr bleibt in der NATO und mit KFOR engagiert, ein sicheres Umfeld und die Bewegungsfreiheit für alle Menschen im Kosovo zu garantieren. – Das deckt sich ja mit dem, was Herr Burger auch schon gesagt hat.
Zu den Auswirkungen auf das deutsche Einsatzkontingent lässt sich sagen, dass wir dazu aktuell keine Auswirkungen zu verzeichnen haben.
FRAGE: Meine Frage bezog sich auf das, was Herr Büchner jetzt schon von sich aus erwähnt hat, das Engagement des Bundeskanzlers, der ja vor gar nicht langer Zeit in der Region war. Sie sagten, es habe einen engen Kontakt gegeben. Heißt das, dass der Bundeskanzler jetzt aktuell mit den Regierungschefs in der Region telefoniert hat? Welche Möglichkeiten sieht er jetzt für sich, aktuell Einfluss zu nehmen und die Lage zu entspannen?
BÜCHNER: Das bezog sich auf den engen Austausch, den es gerade gab. Aktuell ist mir kein neuer telefonischer Kontakt bekannt. Aber Sie können davon ausgehen, dass der enge Kontakt fortgesetzt wird.
ZUSATZFRAGE: Gibt es irgendwie Überlegungen des Kanzlers, jetzt aktuell in die Situation einzugreifen?
BÜCHNER: Ich würde Ihnen darüber berichten, wenn ich jetzt etwas Frisches hätte. Aber ich habe an der Stelle noch kein Anlass zu neuen Nachrichten.
FRAGE: Herr Burger, macht sich denn das Auswärtige Amt Sorgen, dass die Maßnahmen, die ja zur Spannung gesorgt haben, nur aufgeschoben sind? Kurti, also der kosovarische Premierminister, hat ja angekündigt, dass das erst am 1. September umgesetzt werden soll.
BURGER: Ja. Die kosovarische Regierung hatte ja Ende Juni angekündigt, in diesen Fragen ‑ da geht es ja um die Anerkennung von Ausweisdokumenten und Kfz-Kennzeichen ‑ Reziprozität anwenden zu wollen, das heißt gegenüber serbischen Dokumenten so zu verfahren, wie Serbien seinerseits gegenüber kosovarischen Dokumenten verfährt.
Aus unserer Sicht ist es wichtig, dass dazu eine einvernehmliche Lösung gefunden wird. Es gibt dazu bereits bestehende Vereinbarungen seit 2011. Aber wichtig ist natürlich, dass so etwas besprochen wird und dass auch die Menschen in Kosovo und Serbien ausreichend Zeit haben, sich auf solche Veränderungen vorzubereiten. Insofern ist die Verschiebung dieser Maßnahmen jetzt ein wichtiger Schritt, um hier zu einer Deeskalation beizutragen.
Asienreise von Nancy Pelosi
FRAGE: Eine Frage an das Auswärtige Amt: Der mögliche Besuch von Nancy Pelosi in Taiwan schlägt gerade große Wellen und verstärkt die Spannungen zwischen den USA und China. Ich würde gern wissen, wie die Haltung des Auswärtigen Amtes dazu ist und welche Gefahren Sie in der Region sehen, jetzt auch insbesondere dadurch, dass China ein Militärmanöver in der Taiwanstraße angekündigt hat?
BURGER (AA): Wir haben diverse Äußerungen dazu zur Kenntnis genommen. Ich werde zu diesen möglichen Besuchsplänen hier aber keine Stellung beziehen, weil mir dazu letztlich auch die Kenntnisse aus erster Hand fehlen. Nach unserer Kenntnis halten die USA an ihrer Ein-China-Politik und ihrem Streben nach Frieden und Stabilität in der Straße von Taiwan fest.
Dasselbe kann ich auch für die Bundesregierung sagen. An unserer Ein-China-Politik hat sich nichts geändert. Wir sind der Auffassung, dass alle Akteure hier Frieden und Stabilität in der Straße von Taiwan im Blick behalten sollen.
ZUSATZFRAGE: Aber welche Gefahren sehen Sie da jetzt? Vielleicht können Sie darauf noch einmal eingehen, insbesondere im Hinblick auf dieses Militärmanöver, das die Chinesen dort angekündigt haben.
BURGER: Ich werde das jetzt nicht weiter im Einzelnen kommentieren.