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Erklärungen des Auswärtigen Amts in der Regierungspressekonferenz vom 30.09.2022
Reise der Außenministerin nach Polen
BURGER (AA): Ich möchte Ihnen heute eine Reise der Außenministerin nach Polen ankündigen. Am Montagnachmittag, dem 3. Oktober, wird Ministerin Baerbock nach Warschau reisen. Dort wird sie am Montagabend an den Feierlichkeiten der deutschen Botschaft Warschau zum Tag der Deutschen Einheit teilnehmen und eine Rede halten. Am Dienstagmorgen wird die Außenministerin dann ihren polnischen Amtskollegen Zbigniew Rau zu einem Gespräch im Außenministerium treffen. Gegen 11 Uhr ist dort eine gemeinsame Pressekonferenz vorgesehen. Anschließend wird die Außenministerin an Teilen des Programms des Warschauer Sicherheitsforums, des Warsaw Security Forum, teilnehmen. Geplant ist dort unter anderem, dass Ministerin Baerbock ab 14.20 Uhr bei einer Paneldiskussion mit dem Thema „United we stand, divided we fall. Our response to the war in Ukraine“ sprechen wird. Am Dienstagnachmittag reist die Außenministerin dann zurück nach Berlin.
Waffenexporte
FRAGE: Ich habe eine Frage an das BMWK zu Waffenexporten. Frau Ungrad, Herr Minister Habeck hat noch Mitte September gesagt ‑ Zitat ‑: „Klar ist: Waffen gehören nicht an Menschenrechtsverletzer.“ Warum gehören dann jetzt Waffen nach Saudi-Arabien und Ägypten?
UNGRAD (BMWK): Die Bundesregierung bleibt bei ihrer restriktiven Grundhaltung und hat ihre Entscheidungen weiterhin getroffen. Dazu zählt auch: Es gibt keine Waffenlieferungen aus Deutschland nach Saudi-Arabien.
Gleichzeitig betrifft das Ganze aber sogenannte regierungsseitige Gemeinschaftsprogramme bzw. Kooperationsprojekte, das heißt Systeme, bei denen wir mit unseren engsten Verbündeten Abkommen haben. Diese Abkommen beinhalten, dass wir Lieferungen für unsere Bündnispartner machen müssen. Dazu sind wir innerhalb der Bundesregierung verpflichtet. Das ist keine Entscheidung des BMWK allein, sondern das ist eine Entscheidung der Bundesregierung, der wir Folge leisten müssen. Aber generell gilt unsere restriktive Rüstungspolitik, dass direkt von Deutschland keine Waffen nach Saudi-Arabien gehen und wir generell schauen, wo es Menschenrechtsverletzungen gibt und wohin wir Waffen liefern.
ZUSATZFRAGE: Ich hatte auch nach Ägypten gefragt. Richtiger wäre jetzt eigentlich der Satz von Herrn Habeck: Waffen aus Kooperationsprojekten gehören auch an Menschenrechtsverletzer.
Herr Burger, wie steht denn die Außenministerin zu diesen aktuellen Genehmigungen kurz vor der Reise des Kanzlers nach Saudi-Arabien? Sie hat sich ja in der Vergangenheit immer lauthals gegen jegliche Lieferungen an die ägyptische und saudische Diktatur ausgesprochen.
BURGER (AA): Ich kann nur noch einmal das unterstreichen, was die Kollegin aus dem BMWK gesagt hat. Ich glaube, man muss da sehr ehrlich sein. Das ist natürlich in solchen Situationen ein Dilemma und eine sehr schwierige Entscheidung.
Wir machen uns einerseits natürlich überhaupt keine Illusionen, was die Menschenrechtslage in Saudi-Arabien angeht. Beispiele wie die massenhafte Anwendung der Todesstrafe kennen Sie. Das haben wir hier immer wieder diskutiert.
Zum anderen sind wir in Kooperationsprojekten mit unseren engsten Bündnispartnern Verpflichtungen eingegangen. Die Weltlage nach dem 24. Februar, insbesondere angesichts des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine, und das, was das auch für die veränderte Sicherheitslage in Europa bedeutet, machen es umso dringlicher, dass wir für unsere engsten Bündnispartner in Europa, in der Europäischen Union und in der NATO klarmachen, dass wir verlässliche Bündnispartner auch bei gemeinsamen Verteidigungsprojekten sind.
Vor diesem Zwiespalt stehen wir. In diesem Zwiespalt haben wir die Entscheidungen getroffen, die wir getroffen haben.
FRAGE: Da Sie von Kooperationsprojekten sprechen: Die Lieferungen an Ägypten sind doch in keine Kooperationsprojekte eingebunden, wenn ich das richtig sehe. Warum bekommt Ägypten dann Zugang zu insgesamt über 200 Such- oder Gefechtsköpfen?
BURGER: Sie haben recht: Es gibt teilweise Entscheidungen, die auch aus vergangenen Legislaturperioden stammen und die noch fortwirken. Auch im Verhältnis zu Ägypten haben wir schwierige Abwägungen zu treffen. Auch hier gibt es Bezüge zu unserer Unterstützung für die Ukraine, die für uns in der jetzigen Situation enorme Priorität hat. Ich muss um Verständnis bitten, dass ich das im Einzelnen nicht weiter ausführen kann.
Es ist aber ganz grundsätzlich so, dass wir uns keine dieser Entscheidungen leicht machen. Alle diese Entscheidungen werden intensivst abgewogen. Es sind einfach enorm schwierige widerstreitende Interessen zu berücksichtigen. Wir können hier nicht darüber Auskunft geben, welchen Anträgen oder welchen Voranträgen wir nicht zustimmen. Gehen Sie davon aus, dass wir mit allerstrengsten Maßstäben vorgehen und uns keine der Entscheidungen, die Länder betreffen, bei denen wir die Menschenrechtslage extrem kritisch beurteilen müssen, leicht machen.
ZUSATZFRAGE: Ich wollte auch nicht unterstellt haben, dass Sie sich das leicht machen würden. Aber das, was Sie jetzt angedeutet haben, bedeutet doch in der Konsequenz, dass Ihr bisheriges Ausschlusskriterium Menschenrechtsverletzungen relativiert oder geringer gewichtet wird, wenn da ein Kriterium ist, dieser Staat, dieses System unterstützt die Ukraine. Das ist die Abwägung. Sie sagen dann: Im konkreten Fall liegt dieser andere Faktor höher. So ist es doch.
BURGER: Ich folge Ihrer Interpretation nicht. Menschenrechte sind nach wie vor ein entscheidendes Kriterium. Wir haben innerhalb der Koalition sogar verabredet, dass wir das im Rahmen eines Rüstungsexportkontrollgesetzes noch weiter kodifizieren.
Trotzdem ist in jedem Einzelfall immer wieder die Abwägung zu treffen. Dabei muss man die Ehrlichkeit haben und die weltpolitische Lage insgesamt betrachten und bewerten, welche Folge eine Entscheidung hat ‑ natürlich mit Blick auf die Menschenrechtslage und auf die Frage: Können Güter verwendet werden, um Menschenrechtsverletzungen zu begehen oder sich daran zu beteiligen? ‑ Insbesondere darauf haben wir auch bei diesen Entscheidungen sehr genau geschaut.
Gleichzeitig ist die Frage: Was bedeuten Entscheidungen für unsere Fähigkeit, in der nationalen Gemeinschaft die Unterstützung für die Ukraine in ihrem Kampf um ihre Unabhängigkeit aufrechtzuerhalten und insbesondere die internationale Gemeinschaft geschlossen zu halten in der Zurückweisung des russischen Angriffskriegs und des russischen Versuchs, Grundlagen der internationalen regelbasierten Ordnung außer Kraft zu setzen?
[…]
Mutmaßliche Sabotage an Nord-Stream-Pipelines
[…]
FRAGE: Ich habe eine Frage an das BMUV. Herr Stolzenberg, das Ganze ist ja auch eine Umweltkatastrophe von riesigem Ausmaß. Können Sie uns sagen, ob es irgendeinen Mechanismus gibt, gegebenenfalls den Verursacher international oder national haftbar zu machen?
STOLZENBERG (BMUV): Da fällt mir kein Mechanismus ein.
Wir hatten ja schon am Mittwoch gesagt, dass aus diesen Pipelines Methan austritt, ein fünfundzwanzigfach klimaschädlicheres Treibhausgas als CO2. Ich hatte auch nachgeliefert, was das UBA berechnet hat, wie groß die Mengen sind, die entweichen werden, nämlich ein Prozent dessen, was in Deutschland an CO2 in einem Jahr ausgestoßen wird. Ein Großteil davon wird wahrscheinlich Dänemark zugerechnet werden. Die Regularien, wie das berechnet wird, sind auf internationaler Ebene die nach der IPCC-Methodik. Aber dass ein Verursacher oder in irgendeiner Weise ein strafrechtliches Verfahren dahintersteckt, kann ich jetzt nicht erkennen.
FRAGE: Herr Helmbold, die Ministerin hatte gesagt, dass die Marine die dänischen und schwedischen Behörden bei der Aufklärung unterstützt. Können Sie uns beschreiben, wie aktuell die Hilfe aussieht?
HELMBOLD (BVMg): Sehr gerne. Wir hatten hier in der letzten Regierungspressekonferenz gesagt, dass die Verteidigungsministerin mit ihrem dänischen Amtskollegen telefoniert hat. Natürlich gibt es Dinge, die wir zur Verfügung stellen können. Wir werden immer international zusammenarbeiten, um den Meeresgrund im Bereich des Gaslecks zu untersuchen. Was wir stellen können und auch stellen, ist ein Minenjäger mit Unterwasserdrohne sowie ein Forschungsschiff, das ebenfalls mit Unterwassersensoren ausgerüstet ist.
FRAGE: Herr Stolzenberg, wenn ich das, was Sie gerade gesagt haben, richtig verstanden habe, gehen Sie davon aus, dass es nach der IPCC-Logik Dänemark zugerechnet wird. Jetzt hatte ich das UBA so verstanden, dass es nur dann Dänemark zugerechnet wird, wenn der Austritt auf dänischem Gebiet stattfindet und nicht in der AWZ. Haben Sie eigene Erkenntnisse dazu, dass sich Lecks auf dänischem Hoheitsgebiet im engeren Sinne befinden?
STOLZENBERG: Nein, ich habe dazu keine weiteren Erkenntnisse. Sie haben recht: Das Umweltbundesamt hat sich in der Weise geäußert, dass es gesagt hat, dass natürlich nur der Teil, der eben auf dänischem Hoheitsgebiet ist, dem zugerechnet werden kann.
ZUSATZFRAGE: Wo befinden sich denn jetzt die Lecks?
STOLZENBERG: Dazu kann ich nichts sagen.
ZUSATZFRAGE: Wer kann das?
UNGRAD (BMWK): Zum einen können das exakt die schwedischen und dänischen Behörden vor Ort. Ich kann nachschauen, ob wir diese Daten haben. Meines Wissens liegen sie uns nicht vor, sondern den dänischen und schwedischen Behörden, weil das ja in deren Hoheitsgebiet ist. Ich kann nachschauen und das gegebenenfalls nachliefern. Nach meinem jetzigen Stand liegen die Daten den Behörden vor.
BURGER (AA): Nur präzisionshalber völkerrechtlich: nicht Hoheitsgebiet, sondern ausschließliche Wirtschaftszone.
UNGRAD: Vielen Dank.
ZUSATZFRAGE: Das wäre die Frage. Ist es nur in der AWZ, oder ist es in der eigentlichen direkten Umgebung?
BURGER: Es ist nach unseren Erkenntnissen innerhalb der ausschließlichen Wirtschaftszone außerhalb der Territorialgewässer. Aber die definitive, die autoritative Antwort darauf müssen Ihnen natürlich die Regierungen dieser beiden Staaten geben.
FRAGE: Zu den Klimaschäden. Herr Stolzenberg, würden Sie einräumen, dass die von Ihnen genannten Schäden, also die Emissionen, konservativ berechnet werden? Es gibt ja heftige Kritik an Ihren Zahlen, dass Sie dort veraltete IPCC-Berechnungsgrundlagen verwenden.
STOLZENBERG: Ob die veraltet sind, sei einmal dahingestellt. Es sind die geltenden IPCC-Grundlagen. Sie haben vollkommen recht – das haben wir auch beobachtet ‑: Es gibt verschiedene andere Berechnungen. Aber das, was international gilt, was auch Vergleichbarkeit herstellt, ist das, was die IPCC-Methodik hergibt. Danach ist das berechnet worden. Nach meiner Kenntnis soll diese Methodik vom IPCC im nächsten Jahr womöglich aktualisiert, geupdatet werden. Aber das ist die Methodik, nach der im Augenblick Emissionen berechnet werden. Das ist sozusagen der internationale Standard.
ZUSATZ: Aber wenn man die neue, im nächsten Jahr geltende Grundlage verwenden würde, würden die Emissionen noch viel höher sein. Das ist mein Stand. Darum meinte ich, dass das, was Sie hier sagen, eine konservative Rechnung ist.
STOLZENBERG: Es ist eine wissenschaftliche Frage, ob das eine konservative Rechnung ist. Ich kann nur sagen, dass das Umweltbundesamt das als Grundlage genommen hat, was aktuell gilt.