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Erklärungen des Auswärtigen Amts in der Regierungspressekonferenz vom 21.11.2022
UN-Klimakonferenz
FRAGE: Herr Hebestreit, zu Beginn der Weltklimakonferenz hat der Bundeskanzler, wenn ich mich richtig erinnere, für diesen neuen Fonds 170 Millionen Euro zur Verfügung gestellt. Danach wurde lange verhandelt. Am Schluss ist zwar die Gründung des Fonds herausgekommen, aber es steht nicht fest, wer wie viel einzahlt. Deswegen hätte ich ganz gerne gewusst, ob diese Zusage von 170 Millionen Euro noch steht oder ob sich dieser Betrag in der Zwischenzeit geändert hat. Wann wird eigentlich gezahlt?
HEBESTREIT: Ich möchte einen Satz vorweg sagen und sagen, dass die Ergebnisse der diesjährigen Weltklimakonferenz insbesondere im Bereich der Treibhausgasminderung unter unseren Erwartungen geblieben sind. Ich glaube, das muss man so klar sagen. Es wurden erhebliche Anstrengungen unternommen. Aber das Ergebnis ist, wie es ist.
Dennoch hat es einige Fortschritte gegeben. Wir sind einen guten und wichtigen Schritt bei der Finanzierung von Klimaschäden für ärmere und verwundbare Staaten – darauf spielen Sie ja an – nach vorne gekommen. Hierfür hatte sich auch, wie Sie wissen, der Bundeskanzler verwandt. Wer genau zu dem neu aufzubauenden “Loss and Damage” Fund beitragen wird und wer Mittel daraus erhalten kann, muss jetzt allerdings noch ausbuchstabiert werden. Die Bundesregierung bleibt aber ihrem Angebot, ihrer Zusage der 170 Millionen Euro, von denen Sie gesprochen haben. Das ist eine Anschubfinanzierung, die insbesondere in die Administration dieses Fonds laufen wird. Dies wird auf jeden Fall kommen.
Im Weiteren wurde während der COP 27 der globale Schutzschirm gegen Klimarisiken verkündet. Das ist die deutsche Initiative, die während der G7-Präsidentschaft zusammen mit der Gruppe der V20 ‑ besonders vom Klimawandel betroffene Länder ‑ entwickelt wurde. Dafür beteiligen wir uns mit den 170 Millionen Euro. Das ist das Global Shield. Diese Initiative wurde im Übrigen auch am Rande mit einem eigenen Preis gewürdigt.
Zudem bewertet die Bundesregierung es als ein wichtiges Signal, dass sich auch die G20 zu einer vollständigen und effektiven Umsetzung des Pariser Klimaschutzabkommens und dem 1,5-Grad-Ziel bekennen. Sie haben damit ein wichtiges Signal an die Weltgemeinschaft gesendet, sich hoffentlich und spätestens zur nächsten Weltklimakonferenz mit konkreten Maßnahmen über die Erreichung dieses Ziels zu verständigen. Deutschland wird seinem Anteil mit dem erheblichen Ausbau der erneuerbaren Energien weiter gerecht werden.
Noch einmal zur Klarstellung: Das Global Shield sind die 170 Millionen Euro. Bei dem anderen Fonds geht es sowohl um die, die einzahlen, als auch um die, die etwas herauskriegen. Das wird noch diskutiert werden.
FICHTNER (BMZ): Das hätte ich sonst auch noch klargestellt. Wunderbar!
Den globalen Schutzschirm, den wir gemeinsam mit den V20 am Montag vor einer Woche vorgestellt haben, werden wir mit 170 Millionen Euro Startkapital ausstatten. Das läuft bereits. Nachdem wir das getan haben, haben sich auch andere Geber beteiligt ‑ Dänemark, Irland, Kanada, Frankreich ‑, und auch die EU-Kommission beteiligt sich daran. Diesen Schutzschirm haben wir schon vor der Klimakonferenz vorbereitet, weil wir gemeinsam mit den Verwundbaren ein Instrument brauchen, das sofort startet. Da kann man nicht darauf warten, dass die Verhandlungen innerhalb der Klimakonvention zu Ergebnissen kommen.
Dieses Instrument muss man getrennt von dem Fonds betrachtet, der jetzt tatsächlich am Sonntag beschlossen wurde. Mit diesem “Loss and Damage”-Fonds haben wir eine Entscheidung aller Vertragsstaaten. Das heißt aber noch nicht, dass er schon morgen funktioniert. Das ist ein Prozess, der aufgesetzt wurde. Es wird eine Arbeitsgruppe mit 24 Vertreterinnen und Vertretern von Vertragsstaaten aus aller Welt geben, die den Auftrag haben, bis zur nächsten Klimakonferenz in den Vereinigten Arabischen Staaten einen Vorschlag zu machen. Es gibt erste Eckpunkte in der Entscheidung dieser Konferenz, was dieser Fonds leisten soll, wer einzahlt und an wen das Geld fließt. Mit dem Teil, an wen das Geld fließt, sind wir zufrieden. Dabei geht es um Entwicklungsländer, die besonders verwundbar sind, was die Folgen des Klimawandels angeht. Mit dem Teil, wer in diesen Fonds einzahlt, sind wir noch nicht zufrieden. Festgelegt wurde, dass es neue Ressourcen sein sollen. Es wurde auch der Auftrag an die Arbeitsgruppe ausgesprochen, weitere “sources of funding”, also Finanzquellen, zu identifizieren.
Wir haben als Europa in Sharm el-Sheik die Frage aufgeworfen, wie lange China sich noch dahinter verstecken kann, als Entwicklungsland eingestuft zu werden. Die Frage wurde bei der Konferenz noch nicht abschließend beantwortet, aber wir werden sie weiter stellen. Soweit zum Thema Fonds.
BURGER (AA): Ich würde gerne eine kleine Ergänzung zur Frage des Verhältnisses zwischen Global Shield und dem Fonds machen, weil in dem Beschluss, der in Sharm-el-Sheikh gefasst wurde, ausdrücklich die Rede von “funding arrangements”, also Plural, die Rede ist, die geschaffen werden sollen. Davon ist eines der neu zu schaffende Fonds. Es ist ausdrücklich vorgesehen, dass es verschiedene solcher “funding arrangements” gibt, wie wir eben mit dem Global Shield schon ein Instrument vorgestellt haben.
ZUSATZFRAGE: Gilt für das Global Shield die gleiche Erwartung wie für den anderen Fonds, dass sich nämlich China beteiligt?
FICHTNER: Was den anderen Fonds angeht, ist ausdrücklich festgelegt, dass das Instrumente sind, die unter der Klimakonvention von 1992, aber auch unter dem Pariser Abkommen von 2015 stattfinden. Das heißt, bei dem Pariser Abkommen ist China in einer anderen Verantwortung als unter der Klimarahmenkonvention von 1992. Das spricht dafür, dass diese Frage im Grunde jetzt noch nicht abschließend beantwortet ist.
Das Global Shield ist etwas, das wir angeschoben haben. Wir freuen uns, wenn noch weitere Geberländer mitmachen. Es ist aber vor allem auch etwas, was in der Praxis konkret zeigen soll, wie konkret Unterstützung funktioniert, wie verwundbare Entwicklungsländer nicht nur mit Klimaschäden reparieren können, sondern möglichst gleichzeitig auch noch durch kluge Anpassungen Klimaschäden so weit wie möglich minimieren können. Wenn wir das Land für Land mit konkreten Fallbeispielen durchgehen, sind wir ziemlich zuversichtlich, dass wir in den nächsten Jahren auch weitere Geber dafür gewinnen können.
FRAGE: Eine Frage an das AA als federführendes Ministerium bei der COP: Der angesprochene “Loss and Damage”-Fonds hat ja nichts mit der Einhaltung des 1,5-Grad-Ziels zu tun, sondern das ist Symptom- statt Ursachenbekämpfung. Mich würde interessieren, ob die Bundesregierung sich für das Ende von Öl und Gas als eine der Ursachen für den Klimawandel eingesetzt hat. Wurde das kapitalistische Wirtschaftswachstum von Ihnen überhaupt als Ursache thematisiert?
BURGER (AA): Ja, wir haben uns für das Ende von Öl und Gas eingesetzt. Nicht nur wir, sondern die ganze EU und insgesamt über 80 verschiedene Staaten haben das getan. Darunter waren auch Staaten wie Indien, die das öffentlich getan haben, aber auch viele andere haben sich in den geschlossenen Sitzungen sehr klar dafür ausgesprochen. Das ist einer der Gründe, warum es aus unserer Sicht so frustrierend ist, dass es in dieser Hinsicht überhaupt keine Entscheidungsfindung gegeben hat. Das ist ein Thema, an dem weiter arbeiten werden, dass wir dort eine effektive Allianz mit den Ländern bilden, die auch heute schon am stärksten von den Auswirkungen der Klimakrise betroffen sind.
Sie sagen es ganz richtig: Es ist eine Sache, für die jetzt schon entstehenden und nicht mehr zu vermeidenden Klimaschäden aufzukommen und dabei den Menschen und Ländern, die davon betroffen sind, zur Seite zu stehen. Aber mindestens genauso wichtig ‑ eigentlich noch wichtiger ‑ ist es natürlich, zu verhindern und zu begrenzen, dass solche Klimaschäden in Zukunft weiter entstehen. Deswegen sind die Emissionsminderung und der Abschied vom fossilen Zeitalter so wichtig. Der Bundeskanzler hat ja auch gleich zu Beginn der COP deutlich gemacht, dass Deutschland selbst ohne Wenn und Aber zum fossilen Ausstieg steht. Wir möchten natürlich, dass so viele Länder wie möglich das auch tun.
HAUFE (BMWK): Ich will das gerne ergänzen. Die Weltklimakonferenzen bewegen sich ja immer mehr dahin, dass sie neben dem Verhandlungsstrang ‑ den haben Sie angesprochen, wenn Sie über “loss and damage” sprechen, also Schadensbegrenzung und Stichwort „Klimaversicherung“ ‑ einen weiteren Strang behandeln, nämlich den der Umsetzung. Wir sind ja mittlerweile in einer Phase, in der wir das Weltklimaabkommen ganz konkret umsetzen müssen. Der Minister hat darauf hingewiesen, dass jetzt ganz zentral die Abkehr von den fossilen Energien ‑ Kohle, Öl und Gas, und zwar genau in dieser Reihenfolge ‑ ansteht und wir uns auch nicht von einem Ergebnis, das für uns nicht komplett befriedigend ist, irritieren lassen. Wir wissen, was zu tun ist, und haben auf der Weltklimakonferenz dazu auch erste Vereinbarungen getroffen.
Es gibt von Frankreich, Deutschland, Spanien und Portugal die Vereinbarung mit Marokko, in den nächsten zwei Jahren ein Erdkabel zu installieren, damit die Stromnetze angebunden werden und generell die Energieversorgung, im Speziellen in Nordafrika selbst, verbessert wird, aber eben auch den Afrikanern die Hemmnisse genommen werden, dass sie Solarstrom nach Europa liefern können. Unsere Schwerpunktregion ist ja die MENA-Region, also Nordafrika und der Mittlere und Nahe Osten, wo wir verstärkt Energiepartnerschaften aufgebaut haben. Das sind Länder, die sehr hohe Emissionen haben und momentan mit einem fossilen Geschäftsmodell agieren, das sie in dieser Weise natürlich so nicht halten können, wenn wir unsere Klimaziele erreichen wollen.
Deswegen wurde auf der Weltklimakonferenz zum Beispiel auch eine Partnerschaft mit Israel und den Vereinigten Arabischen Emirate noch einmal bestärkt. Wir hatten diese bereits Anfang des Jahres, im Laufe des ersten und zweiten Quartals, angebahnt und konnten sie jetzt entsprechend abschließen. Auch das ist ein wichtiger Punkt.
Der Aufbau von internationalen, von globalen klimaneutralen Energienetzen, das ist der Fokus, den wir bei der Umsetzung setzen; denn eine globale Energiewende ist Grundvoraussetzung dafür, dass wir das 1,5-Grad-Ziel gerade so schaffen können.
BURGER: Ich würde eine Sache gerne noch ergänzen, weil Sie nach dem Kapitalismus gefragt haben: Die Abschaffung des Kapitalismus war jetzt, glaube ich, nicht Thema, aber eine Reform des globalen Finanzsystems ist etwas, für das wir uns sehr eingesetzt haben, und in der Abschlusserklärung von Sharm El-Sheikh haben wir jetzt wirklich zum ersten Mal in diesem COP-Rahmen Bewegung in die Richtung hinbekommen, dass es dort ein klares Bekenntnis dazu gibt, dass internationale Finanzinstitutionen wie beispielsweise die Weltbank bzw. deren Instrumente so reformiert werden müssen, dass eine gezielte Finanzierung von klimaneutralem Wachstum und von Investitionen in erneuerbare Energien und nicht mehr in fossile Energien systematisch gefördert wird und es auf diese Weise auch gelingen muss, in massivem Umfang private Investitionen umzulenken von Investitionen in bisherige Industriestrukturen in klimaneutrales Wachstum und klimaneutrale Investitionen der Zukunft.
ZUSATZFRAGE: Weil Sie es so formuliert haben: Warum war denn die Abschaffung des Kapitalismus kein Thema? Das ist ja eine Ursache für den Klimawandel.
Können Sie uns ein Beispiel sagen, wie eine Ursache für den Klimawandel bei der COP verhandelt wurde?
BURGER: Zur ersten Frage: Ich wüsste nicht, dass ein Teilnehmerstaat der COP dieses Thema dort auf die Agenda gesetzt hätte. Mir ist aus den Beratungen zur Tagesordnung nicht bekannt, dass das dort von irgendeiner Seite vorgebracht worden wäre. Die Tagesordnung für die COP muss ja auch im Konsens beschlossen werden.
Zu Ihrer zweiten Frage: Irgendeine Ursache des Klimawandels ‑ ‑ Sie hatten ja gerade über Kohle und Gas gesprochen. Das war ein intensives Thema, über das bis in die vergangene Nacht hinein verhandelt wurde ‑ ich habe das Zeitgefühl ein kleines bisschen verloren; das war die vorvergangene Nacht, also die Nacht von Samstag auf Sonntag ‑, weil wir und auch viele andere Staaten, vor allem auch viele von den besonders betroffenen Staaten, sich sehr dafür eingesetzt haben, dort ein Bekenntnis zum Ausstieg aus allen fossilen Energieformen zu verabschieden. Das ist an der Blockade einiger Staaten, die daran kein Interesse haben, gescheitert.
HAUFE: Ich habe das jetzt so gehört, als ob Ihr Verständnis wäre, dass wir Teile des Pariser Klimaabkommens noch einmal neu verhandeln oder ausverhandeln müssten. Der Teil, der konkret dazu beiträgt, die Emissionsminderung voranzutreiben, ist ausverhandelt.
Der 1,5-Grad-Bericht des Weltklimarates sagt ganz klar: Die Periode, in der wir jetzt sind, die Dekade bis 2030, ist entscheidend dafür ‑ da müssen die Emissionen deutlich abnehmen. Deswegen hat die EU auf der Weltklimakonferenz auch einen Vorschlag gemacht, wie man bis 2030 insgesamt als internationale Gemeinschaft diesen Weg gehen kann, indem man jedes Jahr seine Emissionen in verschiedenen Bereichen kontrolliert. Das war der Vorschlag der Europäischen Union. Dieser ist nicht in der Weise durchgekommen, wie wir uns das gewünscht hätten. Zumindest wir haben uns dazu sehr klar positioniert.
Das ist ja auch der Geist, mit dem wir die Weltklimakonferenzen letztlich bespielen: Uns geht es momentan extrem darum, es in dieser Dekade wirklich zu realisieren, mit so vielen Staaten wie möglich die Emissionsminderungen hinzubekommen. Dafür ist es wichtig, dass viele Staaten ihre NDCs, ihre Klimaziele anschärfen. Das unterstützen wir auch durch verschiedene Initiativen, damit auch andere Länder dazu motiviert werden. Das ist ganz entscheidend, denn das können nicht nur wenige Länder machen. Wir müssen eine Dynamik hinbekommen, damit sich viele Länder dazu bereiterklären.
Das ist natürlich auch eine Frage von Ressourcen und Finanzen, das wissen wir. Das muss aber alles nicht mehr ausverhandelt werden, sondern das ist klar. Dafür sind die Weltklimakonferenzen der wichtige Ort, um uns der Verantwortung, die wir als Menschheit haben, auch entsprechend zu stellen.
FRAGE: Herr Burger, können Sie uns daran teilhaben lassen, wer zu den „einigen Staaten“ gehört, die zu Ihrer Enttäuschung nicht zur Diskussion bereit waren?
BURGER: Ich könnte anbieten, „unter drei“ ein kleines bisschen etwas zum Verhandlungsverlauf zu sagen.
ZUSATZ: Gerne.
(es folgt ein Teil „unter drei“)
VORS. BUSCHOW: Wir gehen wieder „unter eins“ ‑ vielen Dank dafür.
Lage in Iran
FRAGE: An Herrn Burger zur Lage im Iran: UNICEF hat gestern seine Sorge über Berichte aus dem Iran geäußert, wonach Dutzenden von Kindern in den sozialen Protesten von Sicherheitskräften erschossen worden seien. Dazu hätte ich gerne eine Stellungnahme von Ihnen.
BURGER (AA): Auch die Bundesregierung hat sich immer wieder mit großer Sorge über die massive Gewalt geäußert, die vonseiten iranischer Sicherheitskräfte gegenüber Protestierenden, gegenüber der iranischen Zivilbevölkerung, ausgeübt wird. Zuletzt hat sich auch der Bundeskanzler sehr deutlich geäußert, was dieses Vorgehen des iranischen Regimes angeht. Ich kann an dieser Stelle nur unsere Forderung an das Regime erneuern, dass Gewalt gegen Menschen, die ihre Meinung frei äußern und von ihrem Recht auf Versammlung Gebrauch machen, umgehend beendet werden muss. Natürlich ist es besonders schockierend, wenn Kinder zum Opfer dieser völlig unverhältnismäßigen Gewalt werden.
Es ist aus unserer Sicht auch eine rechtliche Verpflichtung Irans, seine Bevölkerung zu schützen. Deswegen haben wir für diese Woche auch gemeinsam mit vielen weiteren Staaten eine Sondersitzung des Menschenrechtsrats der Vereinten Nationen in Genf beantragt. Dort wollen wir eine Resolution beschließen, die das Vorgehen verurteilt und Maßnahmen dagegen beschließt. Insbesondere sollte dort aus unserer Sicht eine unabhängige Untersuchungsmission beauftragt werden, die Menschenrechtsverletzungen dokumentieren soll.
FRAGE: Auch noch zum Iran, Herr Burger: Es gibt ja auch immer den Zusammenhang zwischen dem Nuklearabkommen mit Iran und der Unterdrückung der Demonstrationen. Die USA scheinen da ein Stück weiter zu sein und verabschieden sich von dem Nuklearabkommen. Hält die Bundesregierung an den Verhandlungen fest und glaubt sie immer noch, dass man mit der Regierung in Teheran ein solches Abkommen wiederbeleben kann?
BURGER: Ich würde da gerne auf die Äußerungen der Ministerin verweisen, die zuletzt auch im Bundestag klar gemacht hat: Es gibt derzeit keine Verhandlungen. Ich kann auch überhaupt keinen Unterschied zwischen der Haltung der USA und der Haltung der Bundesregierung feststellen. Ich würde da gerne auf die Abschlusserklärung des G7-Außenministerinnen- und -ministertreffens in Münster verweisen, wo dieses Thema noch einmal Gegenstand intensiver Abstimmungen gerade auch mit den USA war. Wir bewegen uns da wirklich genau auf derselben Linie.
ZUSATZFRAGE: Könnte man dann sagen, dass das internationale Atomabkommen tot ist?
BURGER: Ich würde wirklich gerne bei dem Wortlaut bleiben, den wir verwendet haben und den auch die Außenministerin verwendet hat.
FRAGE: Noch eine Frage zum Iran: Hat die Bundesregierung Kenntnis von den Angriffen, die es jetzt in der kurdischen Region im Iran gibt? Dazu äußern sich verschiedene “public figures” seit dem Wochenende. Was ist die Reaktion der Bundesregierung darauf?
BURGER: Auch wir sehen die schockierenden Bilder, die es dort von offensichtlich massiver Gewalt vonseiten der Sicherheitskräfte gibt, wo Demonstrierende eingeschüchtert werden sollen und Proteste mit roher Gewalt unterdrückt werden. Es ist im Moment aufgrund der Lage vor Ort extrem schwierig, solche Berichte unabhängig zu verifizieren. Wir verfolgen das aber mit unseren Möglichkeiten sehr genau, und alles, was ich gerade gesagt habe, gilt natürlich umso mehr für Situationen, in denen es Bericht darüber gibt, dass militärische Gewalt gegen die Zivilbevölkerung eingesetzt wird.
ZUSATZFRAGE: Wenn Sie jetzt davon sprechen, dass Sie eine Untersuchungsmission nach vorne bringen wollen: Würde sich das dann auch auf diese Region ausdehnen?
BURGER: Das ist ja Teil Irans. Wie gesagt, unser Vorschlag ist eine Untersuchungsmission, die Menschenrechtsverletzungen insgesamt ‑ und dazu gehört natürlich ein Einsatz von militärischer Gewalt gegen die Zivilbevölkerung ‑ untersuchen und aufklären soll. Das bezieht sich natürlich auf das gesamte iranische Staatsgebiet.
FRAGE: Herr Burger, noch einmal zum Nuklearabkommen: Sie haben gesagt, es gebe derzeit keine Verhandlungen. Was müsste denn passieren, damit Verhandlungen wieder zustande kommen?
BURGER: Ich glaube, das haben die amerikanischen Kollegen neulich in einer Art und Weise ausgedrückt, wie wir das ganz ähnlich sagen würden: Im Moment stehen für uns die Unterstützung der iranischen Bevölkerung und der Druck auf das iranische Regime, die Rechte seiner Menschen nicht weiter so systematisch mit Füßen zu treten, im Fokus. Dazu haben wir in der Europäischen Union allein in den letzten Wochen zwei Sanktionsrunden beschlossen. Die Außenministerin hatte dazu vor einiger Zeit ein ganzes Paket von Maßnahmen vorgestellt, das wir derzeit umsetzen. Das ist das, worauf wir uns im Moment fokussieren.
Chinastrategie der Bundesregierung
FRAGE: An das Auswärtige Amt: Herr Burger, diverse Redaktionen zitieren aus einem 65-seitigen Entwurf zur Chinastrategie der Bundesregierung. Können Sie bestätigen, dass Ihr Ministerium einen Entwurf zur Chinastrategie bereits erarbeitet hat? Was ist der Stand der Arbeit an der Chinastrategie der Bundesregierung, bis wann ist damit zu rechnen, dass die kommt?
BURGER (AA): Der Stand ist, dass wir daran arbeiten und dass wir daran in einer engen Ressortabstimmung arbeiten. Ich bitte um Verständnis, dass wir hier wie immer zu Details aus laufender Ressortabstimmung keine Auskunft geben.
FRAGE: An Herrn Hebestreit: In diesem Entwurf wird ja indirekt zumindest noch einmal der Einstieg von chinesischen Investoren in Häfen oder kritische Infrastruktur kritisch erwähnt. Deswegen wüsste ich gerne: Hält der Bundeskanzler im Nachhinein die Entscheidung für den Einstieg von Cosco im Hamburger Hafen für eine falsche Entscheidung?
HEBESTREIT (BReg): Nein, das tut er nicht. Herr Burger hat ja zu Recht gesagt: Wir befinden uns am Anfang einer Diskussion, dieses Papier ist jetzt in einer ersten Phase in die Ressortabstimmung gegangen. Dort werden sich alle relevanten Akteure dazu äußern, und dann wird es in weiteren Abstimmungsrunden so entstehen, bis wir Ihnen irgendwann die neue Chinastrategie der Bundesregierung vorstellen können.
ZUSATZFRAGE: An das Wirtschaftsministerium: Waren die Passagen, die die Wirtschaft und mögliche Informationspflichten ‑ etwa mit Blick auf Stresstests für Unternehmen ‑ betreffen, mit dem Wirtschaftsministerium abgesprochen?
HAUFE (BMWK): Sie sprechen jetzt einen Bericht an, den wir innerhalb der Regierung gerade erst zusammenstellen.
ZUSATZFRAGE: Genau, und ich hätte ganz gerne gewusst, ob schon Input des Wirtschaftsministeriums in dieses Papier eingeflossen ist.
HAUFE: Ich glaube, meine beiden Vorredner haben klar gesagt, dass wir innerhalb der Regierung gerade miteinander diese Strategie erstellen und besprechen. Selbstverständlich ist das Wirtschaftsministerium mit einbezogen und arbeitet da aktiv mit; das versteht sich doch von selbst.
Türkische Angriffe in Syrien und in Irak
FRAGE: Mit Blick auf die türkischen Angriffe in Syrien und im Irak: Es gibt einige Parlamentarier, die sich schon dazu geäußert haben und von nicht zu ertragenden und völkerrechtswidrigen Angriffen sprechen. Wie ist denn der Blick der Bundesregierung auf das Verhältnis zur Türkei angesichts dieser Angriffe in den Nachbarstaaten?
BURGER (AA): Wir haben diese Berichte über massive Luft- und Artillerieschläge der Türkei auf verschiedene Orte in Nordsyrien und Nordirak gesehen. Sie erinnern sich, dass die Bundesregierung nach dem verheerenden Terroranschlag in Istanbul sehr deutlich ihre Solidarität mit der Türkei zum Ausdruck gebracht hat. Wir nehmen auch vorliegende Hinweise zu einer Verantwortung der PKK bzw. von Gruppen in der Türkei, die mit ihr in Verbindung stehen, sehr ernst. Sie wissen, dass die PKK auch in der EU als Terrororganisation gelistet ist. Die Türkei beruft sich bei ihrem Vorgehen auf ihr Selbstverteidigungsrecht. Wir fordern die Türkei auf, verhältnismäßig zu agieren und dabei das Völkerrecht zu achten. Dazu gehört insbesondere, dass Zivilistinnen und Zivilisten zu jeder Zeit geschützt werden müssen. Die Berichte über mögliche zivile Opfer dieser türkischen Luftschläge sind extrem besorgniserregend. Wir fordern die Türkei wie alle anderen Beteiligten auf, nichts zu unternehmen, was die ohnehin angespannte Lage im Norden Syriens und Iraks weiter verschärfen würde.
ZUSATZFRAGE: Ist das Verhältnis zwischen Deutschland und der Türkei mit Blick auf diese Ereignisse, ich will nicht sagen, erschüttert, aber wirft das zumindest einen Schatten auf das Verhältnis?
BURGER: Ich würde gerne bei der Bewertung bleiben, die ich hier gerade abgegeben habe.
FRAGE: Herr Burger, die türkische Regierung hat ja offiziell gesagt, dass diese Angriffe eine Vergeltung für den Anschlag der letzten Woche sind. Ist das ein legitimer Grund, militärische Luftangriffe im Ausland zu fliegen?
Sie sagten ja auch schon, dass sie sich auf das Recht von Staaten auf Selbstverteidigung beziehen. Ich war auf dem Stand, dass es mindestens umstritten ist, sich ohne Beschluss des UN-Sicherheitsrates darauf zu beziehen.
BURGER: Da würde ich Ihnen einen Blick in Artikel 51 der UN-Charta nahelegen. Das Recht auf Selbstverteidigung beinhaltet nicht ein Recht auf Vergeltung.
FRAGE: Eine Frage an das Innenministerium: Bundesinnenministerin Faeser reist ja in die Türkei. Wird sie das Thema ansprechen? Es geht ja auch um Terrorismusbekämpfung. Sind diese Luftangriffe aus Sicht des Bundesinnenministeriums ein akzeptabler Akt? Sind sie also im Rahmen der Terrorismusbekämpfung akzeptabel?
LAWRENZ (BMI): Die Bundesinnenministerin wird bei ihrem Türkeibesuch alle aktuellen Fragen ansprechen, die Sicherheit und Migration betreffen und sich morgen Vormittag in Ankara äußern.
ZUSATZFRAGE: Die zweite Frage war ja, ob solche Luftangriffe im Sinne der Terrorismusbekämpfung aus Sicht der Bundesregierung zu den akzeptablen Instrumenten gehören.
LAWRENZ: Dazu kann ich Ihnen nichts sagen.
Präsidentschaftswahlen in Kasachstan
FRAGE: Herr Burger oder Herr Hebestreit, mich würde Ihre Bewertung der gestrigen vorgezogenen Präsidentenwahlen in Kasachstan interessieren. Waren nach Ihrer Einschätzung diese Wahlen frei, fair und demokratisch?
BURGER (AA): Nach meinem Kenntnisstand gibt es dort ja eine Wahlbeobachtungsmission der OSZE. Ich glaube, wir sollten abwarten, dass sie sich dazu äußert.
Lieferung von russischem Gas nach Aserbaidschan
FRAGE: Die Frage zum Thema Energieversorgung geht an das BMWK. Im Sommer hat die EU mit Aserbaidschan verabredet, dass mehr aserbaidschanisches Gas geliefert werden soll. Die Begründung von Frau von der Leyen war, man wolle unabhängig von russischem Gas werden. Nun ist bekanntgeworden, dass Aserbaidschan mit Gazprom Export einen Liefervertrag über eine Milliarde Kubikmeter russisches Gas abgeschlossen hat. Das bedeutet ja, dass über den Umweg Aserbaidschan am Ende doch wieder russisches Gas an die EU geliefert wird. Können Sie ausschließen, dass diese Lieferung über den Umweg stattfindet?
HAUFE (BMWK): Sie haben ja schon richtig gesagt: Vor Ort in Aserbaidschan war die EU-Kommissionspräsidentin. Das ist eine Initiative der EU-Kommission, die ich an der Stelle nicht weiter kommentieren kann.
Wir haben für uns klar gesagt, wie wir vorgehen, dass wir unabhängig von russischen Gasimporten nach Deutschland werden wollen. Soweit ich weiß, soweit Sie das auch selbst überprüfen können ‑ das ist ja ein transparenter Prozess ‑, kann ich nirgendwo feststellen, dass russisches Gas über Leitungen nach Deutschland fließt.
ZUSATZFRAGE: Aber wie können Sie das ausschließen? Wenn Aserbaidschan von Russland eine Milliarde Kubikmeter russisches Gas kauft, dieses ins eigene System einspeist und dann aus dem eigenen System Gas an die EU und damit auch an Deutschland weiterliefert, dann ist die Wahrscheinlichkeit doch relativ hoch, wenn nicht sogar Gewissheit, dass über diesen Umweg doch russisches Gas hier ankommt.
HAUFE: Wie gesagt: Ich kann hier an der Stelle jetzt nicht diese Initiative kommentieren, die die Europäische Kommission vorgenommen hat, die den Kontakt aufgebaut hat.
Sie haben natürlich auch Recht: Ich kann hier gar nichts ausschließen. Wir haben einen globalen Gasmarkt, und sicherlich ist es so, dass bei Flüssiggas zum Beispiel der genaue Herkunftsort nicht immer genau bestimmbar ist. Das ist eine Angelegenheit, die die Unternehmen für sich selbst regeln, wo sie das Flüssiggas beziehen, wie sie es mischen, in welcher Mischung von verschiedenen Herkünften sie es nach Europa bringen. Insofern schließe ich hier nichts aus.
Ich habe Ihnen aber klar gesagt, dass über die Erdgasleitungen, die nach Deutschland kommen ‑ die Nordstream-1-Leitung aus den zwei Leitungen und, soweit ich weiß, auch die Transgas-Net-Leitung ‑, gar kein Gas aus Russland nach Deutschland fließt.
BURGER (AA): Ich würde vielleicht noch eine Sache ergänzen und klarstellen ‑ der Kollege möge mich korrigieren, wenn das falsch ist, was ich sage ‑, weil Sie gefragt haben, ob man ausschließen könne, dass da auch irgendwie Gas mit herüberfließen könnte.
Wir haben im Moment in der EU meines Wissens keine Sanktionen gegen den Import von Gas aus Russland. Wir haben uns als Bundesregierung vorgenommen, unabhängig von russischem Gas zu werden. De facto importieren wir derzeit keines. Aber es gibt auf EU-Ebene derzeit keine Sanktionen gegen Gas, anders als es bei Kohle und bei Öl der Fall ist.
HAUFE: Das war noch einmal ein wichtiger Hinweis zum EU-Recht. Das hatte ich jetzt nicht im Blick. Genau.