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Erklärungen des Auswärtigen Amts in der Regierungs­­­­­pressekonferenz vom 31.07.2023

31.07.2023 - Artikel

Putsch in Niger

FRAGE: An das Auswärtige Amt: Herr Fischer, wie viele deutsche Staatsbürger halten sich derzeit in Niger auf, und inwieweit gibt es Evakuierungspläne?

FISCHER (AA): Vielen Dank für die Frage. Wir können Ihnen natürlich nicht genau sagen, wie viele Deutsche sich genau in Niger aufhalten. Sie wissen, dass es das ELEFAND-System gibt, mit dem wir den deutschen Staatsangehörigen in dem Land die Möglichkeit geben, sich zu registrieren. Wir gehen derzeit davon aus, dass eine hohe zweistellige Zahl an deutschen Staatsbürgerinnen und Staatsbürgern sich in Niger aufhält, die nicht mit der Bundeswehr oder der Botschaft verbunden sind.

ZUSATZFRAGE: Noch einmal die Frage: Inwieweit gibt es Evakuierungspläne?

FISCHER: Bis jetzt haben wir keine Evakuierungspläne getroffen. Wir sind auf alles vorbereitet. Aber die Lageeinschätzung ist derzeit so, dass das noch nicht notwendig ist. Wir sind natürlich auf mögliche Lageverschlechterungen vorbereitet. Aber sie zeichnen sich derzeit noch nicht ab. Heute Nachmittag tagt noch einmal der Krisenstab der Bundesregierung und wird sich dieses Thema genau ansehen. Aber bis jetzt haben wir keine Hinweise auf eine konkrete Gefährdung für deutsches Personal aufgrund des Putsches in Niger.

FRAGE: Herr Fischer, gibt es Gespräche mit den neuen Machthabern in Niger, was den Abzug der Soldaten aus Mali angeht, der maßgeblich über Niger läuft?

FISCHER: Für die Bundesregierung kann ich sagen, dass wir derzeit nicht im direkten Kontakt mit den Führern des Putsches stehen. Aber natürlich unterhält die Botschaft ‑ ich nehme auch an, dass das für die Kolleginnen und Kollegen aus dem Verteidigungsministerium gilt ‑ weiterhin Kontakte mit den nigrischen Ministerien und ihren Ansprechpartnern auf Arbeitsebene.

Wie Sie wissen, haben ja der Bundeskanzler, aber auch die Außenministerin, in der letzten Woche mit den demokratisch gewählten Vertretern der nigrischen Regierung telefoniert.

FRAGE: Suchen Sie denn den Kontakt mit den Putschisten? Es gibt ja die Afrikanische Gemeinschaft, die sagt, die verfassungsgemäße Ordnung solle wiederhergestellt werden. Oder wollen Sie sich mit den Putschisten arrangieren?

FISCHER: Wenn Sie die Äußerungen aus der Bundesregierung in der letzten Woche und auch über das Wochenende verfolgt haben, dann ist klar, dass wir uns für die Wiederherstellung der verfassungsmäßigen Ordnung einsetzen und auch auf die sofortige Freilassung des demokratisch gewählten Präsidenten Bazoum drängen. Wenn ich sage, dass wir derzeit nicht in direktem Kontakt mit den Führern des Putsches stehen, dann spricht es, glaube ich, für sich.

ZUSATZFRAGE: Das könnte bedeuten, dass Sie indirekt mit denen in Kontakt stehen.

FISCHER: Wie ich vorhin ausgeführt habe, gibt es natürlich Arbeitskontakte, um Dinge des täglichen Lebens zu regeln, aber auf niedriger Ebene mit unseren Ansprechpartnerinnen und Ansprechpartnern, die bereits vor dem Putsch da waren.

FRAGE: Herr Fischer, die UN hatte die humanitäre Hilfe zeitweise ausgesetzt, pausiert. Jetzt läuft es wohl wieder weiter. Wie ist denn da das Vorgehen der Bundesregierung?

Und vielleicht noch eine Frage an das Entwicklungsministerium: Wie geht es mit der Entwicklungszusammenarbeit weiter?

FISCHER: Sie haben wahrscheinlich mitbekommen, dass die EU bereits die laufenden Maßnahmen der Budgethilfe ausgesetzt hat. Auch seitens der Bundesregierung haben wir alle direkten Unterstützungszahlungen an die Zentralregierung Nigers bis auf Weiteres ausgesetzt. Darüber hinaus stellen wir derzeit unser gesamtes bilaterales Engagement in Niger auf den Prüfstand und werden, natürlich abhängig von den Entwicklungen den nächsten Tagen, gegebenenfalls auch weitere Maßnahmen treffen. Dazu läuft gerade die Ressortabstimmung. Zu den Details kann wahrscheinlich die Kollegin besser ausführen als ich.

KOUFEN (BMZ): Vorab noch einmal: Wir verurteilen den Putsch in Niger. Wir beobachten die Lage kontinuierlich und schließen uns den Forderungen der Afrikanischen Union und von ECOWAS an, dass das Land zur demokratischen Ordnung zurückkehren muss. Die Putschisten müssen die Macht an den demokratisch gewählten Präsidenten zurückgeben.

Wir haben als Entwicklungsministerium bereits letzte Woche alle Zahlungen an die Regierung von Niger eingestellt. Heute Morgen wurde außerdem entschieden, die bilaterale Entwicklungszusammenarbeit auszusetzen. Wir sind innerhalb der Bundesregierung und mit unseren Partnern im engen Austausch, um die Entwicklung in Niger zu beobachten und zu bewerten.

ZUSATZFRAGE: Herr Fischer, wenn Sie sagen, das Budget der humanitären Hilfe sei ausgesetzt, ist das jetzt aus Sicherheitsgründen passiert? Denn humanitäre Hilfe ist ja anders als Entwicklungszusammenarbeit letztlich nicht politisch, sondern wird rein auf Basis von Neutralität, Unabhängigkeit und Menschlichkeit geleistet, also für die, die es am ehesten brauchen.

FISCHER: Ich glaube gesagt zu haben, dass wir die direkten Unterstützungszahlen an die Zentralregierung Nigers ausgesetzt haben.

FRAGE: Noch eine Frage an Herrn Collatz aus dem Verteidigungsministerium: Herr Collatz, können Sie einmal eine Lageeinschätzung geben, wie aktuell die Situation auf dem Lufttransportstützpunkt in Niger ist und wie möglicherweise Notfallpläne aussehen, wenn die Lage weiter eskaliert? Sie brauchen diesen Transportstützpunkt ja für den Abzug aus Mali.

COLLATZ: Gern. Im Grunde hat sich seit den letzten Äußerungen dort die Bedrohungslage nicht geändert. Nach wie vor ist es so, dass aus dem Putsch selber heraus keine direkte Bedrohungslage für das Personal am Luftstützpunkt entstanden ist. Insofern sind unverändert alle wohlauf. Es geht ihnen gut. Die Tätigkeiten sind natürlich eingestellt, soweit es das Operative angeht.

Wie wir das eben schon gehört haben, versuchen wir, auf Arbeitsebene den Kontakt herzustellen bzw. aufrechtzuerhalten ‑ natürlich nicht zu den Putschisten direkt an der Spitze, sondern dort, wo wir auch bisher immer Kontakte hatten, um zu versuchen, ein wenig Griff an die Dinge zu bekommen. Das ist im Moment noch nicht so, weil die Lage eben so ist, wie sie ist. Wie die Lage sich entwickeln wird, das kann ich hier nicht sagen und vorhersehen. Ich möchte da auch nicht spekulieren.

FRAGE: An das Auswärtige Amt und das Verteidigungsministerium: Gibt es neue Erkenntnisse, inwieweit von Deutschland ausgebildete Soldaten in Niger am Putsch beteiligt waren?

COLLATZ (BMVg): Von meiner Seite aus gibt es da keine neuen Erkenntnisse.

FISCHER: Bei uns genauso.

FRAGE: Noch einmal an das Entwicklungsministerium: Die Ministerin ist ja Vorsitzende der Sahelallianz. Jetzt sind ja nicht mehr so viele Länder übrig, mit denen wir direkt zusammenarbeiten. Wie geht denn die Sahelstrategie jetzt weiter?

KOUFEN: Ich kann Ihnen dazu sagen, dass die Ministerin auch Gespräche mit führenden Personen von ECOWAS in der Afrikanischen Union führen wird, dass wir uns außerdem mit den Partnern in Europa und natürlich auch innerhalb der Bundesregierung eng abstimmen und dass wir die Lage weiter beobachten und schauen müssen, wie wir jetzt weiter vorgehen werden.

ZUSATZFRAGE: Haben Sie denn schon ein Alternativland zum Niger gefunden? Wird jetzt zum Beispiel ein Schwerpunkt stärker auf den Senegal liegen?

KOUFEN: Da müssen Sie uns, glaube ich, noch ein bisschen Zeit geben. Da kann ich Ihnen zum heutigen Tage noch kein Alternativland sagen. Wir werden mit Sicherheit weiter darüber sprechen, wie es jetzt weitergehen soll. Aber das ist der Stand der Dinge, den ich Ihnen heute sagen kann.

FISCHER: Vielleicht darf ich noch ergänzen: Die Lage in Niger ist weiterhin im Fluss. Mir scheint, dass Sie hier unterstellen, dass der Putsch schon erfolgreich war. Aber alle Anstrengungen der internationalen Gemeinschaft ‑ ob das nun der UN-Sicherheitsrat, die Afrikanische Union, ECOWAS oder auch die Äußerungen aus Europa und den USA sind ‑ gehen ja in die Richtung der Wiederherstellung der verfassungsmäßigen Ordnung und der Freilassung von Präsident Bazoum. Von daher sind da noch viele Dinge im Fluss. Es gibt durchaus noch die Möglichkeit, dass dieser Putsch scheitert.

KOUFEN: Das wollte ich damit natürlich auch sagen, dass unsere Ministerin, wenn sie Gespräche führt, dahingehend einwirken möchte, dass möglichst die demokratische Ordnung in Niger wiederhergestellt wird.

FRAGE: Nur zwei Verständnisfragen. Herr Collatz, gehört denn zu Ausbildungsinhalten, dass man seine demokratisch gewählte Regierung nicht wegputscht? In Mali gab es ja auch schon die Vorwürfe ‑ das konnten Sie nicht ausräumen ‑, dass Sie deutsche Putschisten ausgebildet haben.

Herr Fischer, gibt es eine grundsätzliche Erklärung seitens des Auswärtigen Amts, warum es jetzt in der Sahelzone seit ein paar Monaten oder in den letzten Jahren immer wieder zu Putschen kommt, also Sudan, Mali, jetzt Niger, Tschad?

COLLATZ: Wenn ich anfangen soll: Ich nehme das einmal als kleine Polemik. Ich würde jetzt nicht gern direkt darauf eingehen wollen.

ZURUF: Das ist keine Polemik.

COLLATZ: Das haben wir ja schon öfter hier behandelt, wenn es darum geht, wie sich politische Dinge entwickeln, wo wir auch mit Unterstützung versucht haben, einen Beitrag zu einer stabilen Entwicklung zu leisten. Da gibt es natürlich keine Garantien. Mehr möchte ich dazu gar nicht sagen und auf immer wiederkehrende Berichterstattung dazu, auch aus meinem eigenen Haus, verweisen.

FISCHER: Der Anlass für einen Putsch liegt wahrscheinlich jeweils in dem betroffenen Land. Aber natürlich lassen sich Dinge für die gesamte Region festhalten, die möglicherweise dazu beitragen, dass es dort in den vergangenen Monaten und Jahren zu Putschen gekommen ist und die verfassungsmäßige Ordnung in den jeweiligen Ländern abgeschafft wurde. Das liegt daran, dass diese Länder sehr, sehr fragil sind. Sie sind von vielen unterschiedlichen Problemen geplagt.

Wenn man das jetzt auf Niger herunterbricht, dann ist es das Bevölkerungswachstum. In allen Ländern, in denen wir Putsche gesehen haben, hat es auch terroristische Aktivitäten gegeben. Grenzüberschreitender Terrorismus im Sahel ist also ein Problem. Hinzu kommen die Folgen der Klimakrise, die die Lebensgrundlagen gerade der ländlichen Bevölkerung in Mitleidenschaft ziehen. Dann gibt es natürlich auch die Migrationsfrage. Das heißt, wir haben es in vielen dieser Länder mit einer sehr fragilen Staatlichkeit zu tun. In dem Moment, wo es dann zu Druck und zu größeren internen Problemen kommt, wächst auch die Wahrscheinlichkeit eines Putsches. Gerade deshalb haben wir uns ja engagiert, um diese fragilen Staaten auch zu stabilisieren.

Aber ‑ auch das muss man sagen ‑ die Dinge entwickeln sich dann manchmal, wie jetzt in Niger, von selbst weiter. In Niger war es ja so, dass Mitte der letzten Woche zuerst Teile der Präsidentengarde geputscht haben, denen sich dann nach und nach immer mehr Militärs angeschlossen haben. Das heißt, dieser Putsch ist durchaus auch für die meisten Nigrer überraschend gekommen. Diese Dinge sind nur schwierig vorherzusehen, wenn sie selbst im Land noch nicht einmal vorhersehbar sind.

FRAGE: Herr Collatz, der CDU-Außenpolitiker Kiesewetter befürchtet, dass deutsche Soldaten aus dem Niger evakuiert werden müssen. Inwieweit gibt es da irgendwelche Vorbereitungen seitens der Bundeswehr?

COLLATZ: Ich habe ja an dieser Stelle schon, auch in anderen Zusammenhängen, oft darauf hingewiesen, dass Eventualfallplanungen im Militär im Grunde Synonyme sind. Die Lageeinschätzung habe ich Ihnen vorhin hier auch gegeben. Da bleibe ich bei meinen Worten. Es gibt derzeit keine akute Bedrohung. Das können Sie beides gern so zusammenfügen.

FRAGE: Herr Fischer, würden Sie bitte noch einmal ausführen, warum Sie zu der Erkenntnis kommen, dass der Putsch womöglich nicht erfolgreich ist? Worauf gründet in dem Punkt Ihre Zuversicht?

FISCHER: Ich habe ja vorhin schon angefangen zu erläutern, dass es offensichtlich keine größeren Vorbereitungen auf Seiten der Putschisten gegeben hat. Zuerst hat ja, wie ich ausgeführt hatte, ein Teil der Präsidialgarde den demokratisch gewählten Präsidenten festgesetzt. Dann sind andere Teile des nigrischen Militärs in Richtung Niamey gezogen, zunächst wohl mit dem Ziel ‑ auch das ist immer mit einer gewissen Vorsicht zu betrachten ‑, den Präsidenten freizubekommen. Als sich dann abzeichnete, dass es zu Auseinandersetzungen innerhalb des nigrischen Militärs kam, haben sie sich den Putschisten angeschlossen.

Wenn Sie die öffentlichen Auftritte verfolgt haben, dann war die erste öffentliche Äußerung ja die eines Militärrates. Der General, der Befehlshaber der Präsidentengarde, der sich dann zum neuen Staatsoberhaupt erklärt hat, war bei diesem Fernsehauftritt nicht dabei. Er hat sich erst am nächsten Tag, am Freitag, zum Chef der aus ihrer Sicht bestehenden Übergangsregierung ernannt. Es sind noch immer keine Ministerien besetzt worden, was auch darauf schließen lässt, dass die Dinge noch im Fluss sind. Gleichzeitig gibt es eine sehr klare und starke internationale Reaktion, wie ich vorhin ausgeführt habe, vom UN-Sicherheitsrat über die Afrikanische Union bis hin zu ECOWAS. ECOWAS hat ja gestern auch sehr harte Sanktionen gegen Niger verhängt und gleichzeitig eine Vermittlungsmission gestartet. Wir wissen, dass in Niamey selber ECOWAS versuchen wird zu vermitteln, aber auch noch andere, auch nigrische Akteure, dabei sind, Gespräche zu führen mit dem Ziel, eine Lösung zu finden.

Einstufung von sechs palästinensischen Organisationen als terroristische Organisationen in Israel

FRAGE: Ich habe eine Frage an das BMI und an das Auswärtige Amt. Es gibt Medienberichte, nach denen Israel sechs auch von der Bundesregierung unterstützte palästinensische Organisationen als Terrorfinanzierer eingestuft habe. Was sind jetzt aus Sicht des BMI und des Auswärtigen Amtes die Folgen daraus?

FISCHER (AA): Was ich dazu sagen kann, ist, dass das Auswärtige Amt aktuell keine Nichtregierungsorganisationen in dem Bereich fördert.

KOCK (BMI): Ich kann hier für das BMI noch einmal ausführen: Wir bemühen uns nicht um eine Einstufung der sechs in Rede stehenden palästinensischen Nichtregierungsorganisationen, weder national noch auf EU-Ebene. Für Deutschland existiert auch kein nationales Listungs- oder Einstufungsverfahren für terroristische Organisationen, sondern es gelten vielmehr die Maßnahmen der sogenannten EU-Terrorliste.

FISCHER: Ich kann noch ergänzen: Es gibt Stellungnahmen aus dem Auswärtigen Amt vom 12. und 18. August 2022, die gemeinsam mit acht anderen europäischen Außenministerien veröffentlicht wurden. Bisher liegen uns keine Erkenntnisse vor, die zu einer veränderten Einschätzung führen. Es gilt weiterhin, dass, sollten gegenteilige Belege zur Verfügung gestellt werden, wir dementsprechend handeln würden. Die Bundesregierung steht hierzu auch mit der israelischen Regierung in Kontakt. Aber wir bitten um Verständnis, dass wir keine Details dieses vertraulichen Dialogs nennen. Wir fördern, wie gesagt, aktuell keine der genannten NGOs.

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