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Erklärungen des Auswärtigen Amts in der Regierungspressekonferenz vom 06.09.2023
- Situation in Tunesien
- Russischer Angriffskrieg auf die Ukraine
- Humanitäre Hilfe für Afghanistan
- Nicht eingereichte Stellungnahme der Bundesregierung im Gutachtenverfahren des Internationalen Gerichtshof zu den von Israel besetzten Gebieten
- Beschluss zur Einstellung der konsularischen Betreuung für im Ausland lebende Staatsbürger durch Belarus
Situation in Tunesien
FRAGE: Eine Frage zur Situation in Tunesien. Präsident Kais Saied ist angeblich Diktator geworden. Gestern gab es in Tunesien eine Verhaftungswelle. Vertraut die Bundesregierung noch diesem Diktator?
FISCHER (AA): Lassen Sie mich ein Wort dazu sagen: Wir verfolgen diese Vorgänge mit Sorge.
Russischer Angriffskrieg auf die Ukraine
FRAGE: Ich habe eine Frage zu den ukrainischen Flüchtlingen, die sich wahrscheinlich an Herrn Kall oder an das Auswärtige Amt richtet. In Kiew gibt es laute Stimmen, auch aus der Präsidialadministration, die fordern, dass männliche wehrpflichtige Ukrainer, die sich unter den Flüchtlingen aus der Ukraine in Deutschland befinden, an die Ukraine ausgeliefert werden. Es geht um Personen, die illegal aus der Ukraine ausgereist sind, um sich der Einberufung in die ukrainische Armee zu entziehen.
Frage: Wird die Bundesregierung dafür Sorge tragen, dass diese Personen wieder in die Ukraine zurückgeschickt werden?
KALL (BMI): Ich möchte das für das Bundesinnenministerium noch nicht kommentieren, weil uns diese Information bisher auf offiziellen Wegen nicht erreicht hat. Wir kennen eine solche Anfrage, ein solches Anliegen der ukrainischen Regierung nicht. Wir können nur darauf hinweisen, dass alle Personen, die vor dem russischen Angriffskrieg aus der Ukraine geflohen sind, einen einheitlichen, europarechtlichen Schutzstatuts haben, auf den sich alle EU-Staaten verständigt haben. Insofern wäre das eine Frage, die vor diesem Hintergrund zu prüfen wäre.
Noch einmal: Uns hat ein solches Anliegen bislang nicht erreicht.
ZUSATZFRAGE: Wie ist denn jetzt die Rechtslage, wenn ein Staat einen anderen Staat um Auslieferung eines Bürgers bittet, weil er fahnenflüchtig geworden ist? Kann Deutschland in diesem Fall diese Person abschieben?
KALL: Noch einmal: Ich halte das für eine hypothetische Frage, solange uns ein solches Anliegen nicht erreicht hat. Die Geflüchteten aus der Ukraine haben in der gesamten Europäischen Union den gleichen Schutzstatus, der inzwischen mehrfach verlängert wurde, weil dieser furchtbare Krieg andauert. Vor diesem Hintergrund wäre das dann zu prüfen. Aber das hat uns, wie gesagt, bisher nicht erreicht.
FRAGE: Herr Kall, ich hätte gerne nach den russischen Wehrpflichtigen gefragt. Gibt es irgendwelche Zahlen neuerer Natur, wie viele junge Männer aus Russland hier Asyl beantragt haben, weil sie in Russland keinen Wehrdienst ableisten wollen?
KALL: Verlässliche Zahlen dazu gibt es nicht und wird es auch weiterhin nicht geben, weil die Asylgründe, die sehr individuell sind, statistisch nicht erfasst werden. Das heißt, aus den Statistiken des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge gehen die genauen Gründe nicht hervor. Wir haben immer gesagt: Im Regelfall wird ein sogenannter internationaler Schutz den Russen gewährt, die sich dem Krieg entziehen und gegen den russischen Angriffskrieg stellen. Selbstverständlich gibt es davon Ausnahmen, beispielsweise Soldaten, die an Kriegsverbrechen beteiligt waren, sich an diesem Krieg beteiligt haben oder ansonsten irgendwie mit dem russischen Regime verbunden sind. Aber im Regelfall wird internationaler Schutz gewährt. Zahlen dazu gibt es nicht, weil die Asylgründe nicht erfasst werden.
ZUSATZFRAGE: Eine Frage an das Auswärtige Amt. Die britische Regierung hat angekündigt, dass sie die Gruppe Wagner als Terrororganisation einstufen will. Ich hätte ganz gerne gewusst, ob es in der Bundesregierung ähnliche Überlegungen gibt.
FISCHER (AA): Sie wissen, dass die Einstufung einer Terrororganisation auf europäischer Ebene erfolgt und dafür sehr klare Voraussetzungen erfüllt sein müssen. Dieses Thema wird selbstverständlich immer wieder einmal in den Blick genommen. Was ich Ihnen aber vor allen Dingen sagen kann, ist, dass natürlich Verantwortliche der Wagner-Organisation schon jetzt gelistet und mit Sanktionen belegt sind. Das sind nicht gerade wenige Personen aus dem Umfeld der Gruppe Wagner.
ZUSATZFRAGE: Wird die Bundesregierung in Brüssel aktiv betreiben, dass man diese Diskussion über die Einstufung als Terrororganisation führt?
FISCHER: Wir prüfen natürlich immer wieder den Umgang mit Organisationen wie die Gruppe Wagner. Aber Sie wissen ja, dass auf europäischer Ebene die Hürde für die Listung einer Organisation als Terrororganisation sehr hoch ist. Darüber zu entscheiden, ob es sich zum Beispiel im inländischen Sinne bei der Gruppe Wagner um eine terroristische Vereinigung im Ausland handelt, obliegt unabhängigen Strafgerichten hier in der Bundesrepublik Deutschland. Das heißt, im Inland kann die Bundesregierung gar keine solche Listung vornehmen.
FRAGE: Ist denn der Bundesregierung bekannt, auf welche Größe die Gruppe Wagner inzwischen zusammengeschrumpft ist?
FISCHER: Nein. Ich kann dazu nur sagen, dass wir die Verfallserscheinungen wahrgenommen haben, uns aber keine aktuellen Zahlen über die Stärke der Gruppe Wagner zur Verfügung stehen.
FRAGE: Ich weiß nicht, ob das Verteidigungsministerium der richtige Ansprechpartner ist. Der ukrainische Verteidigungsminister wurde oder wird ausgetauscht. Es gibt als Erklärung dafür zum einen Korruptionsvorwürfe gegen die Spitze des Verteidigungsministeriums. Üblicherweise werden Spitzenmilitärs auch dann ausgetauscht, wenn man den Eindruck hat, dass ihre Funktion, also die Verteidigung/den Krieg erfolgreich zu organisieren, nicht so wahrgenommen wird, wie man sich das wünscht. Was ist aus Sicht der Bundesregierung die Ursache für diesen Wechsel?
COLLATZ (BMVg): Es steht mir nicht zu, die internen Motivationen für den Personalwechsel in der Ukraine auch nur annähernd zu erläutern. Wir haben immer gut, eng und vertrauensvoll mit dem bisherigen Verteidigungsminister der Ukraine zusammengearbeitet. Sie kennen auch die Produkte, die daraus entstanden sind, die Unterstützungsleistungen für die Ukraine. Wir gehen davon aus, dass das auch mit einem noch formell zu benennenden Nachfolger genauso laufen wird.
ZUSATZFRAGE: Waren der Bundesregierung Korruptionsvorwürfe gegen die alte Leitung des Verteidigungsministeriums bekannt? Sind Sie von diesem angekündigten Wechsel an der Spitze überrascht worden?
COLLATZ: Wir alle haben aus den Medien schon seit geraumer Zeit Meldungen dazu wahrnehmen können. Diese haben auch wir wahrgenommen. Insofern gab es eine gewisse Vorgefasstheit. Noch einmal: Es steht mir aber nicht zu, die internen Dinge in der Ukraine hier zu kommentieren.
Humanitäre Hilfe für Afghanistan
FRAGE: Eine Frage zum Thema Afghanistan an das Auswärtige Amt. Es geht um die humanitäre Hilfe zur Bekämpfung des Hungers. Der deutsche Beitrag aus Ihrem Etat lag im vergangenen Jahr noch bei 122 Millionen Euro. In diesem Jahr sind es bislang 5 Millionen Euro. Was ist der Grund für diesen Einschnitt?
FISCHER (AA): Handelt es sich dabei um abgeflossene Mittel?
ZUSATZ: Um bislang konkret zugesagte Mittel.
FISCHER: Wenn es um den Haushalt für das nächste Jahr geht ‑ ‑ ‑
ZUSATZ: Nein, um dieses Jahr.
FISCHER: Nach meiner Kenntnis haben wir in diesem Bereich 100 Millionen Euro zugesagt. Ein Viertel davon – darauf zielt möglicherweise Ihre Frage – kommt dem World Food Programme zugute.
ZUSATZFRAGE: In diesem Jahr kommen also 25 Millionen Euro dem World Food Programme zugute?
FISCHER: Ja.
ZUSATZ: Das ist aber weniger als im letzten Jahr.
FISCHER: Das kann ich so nicht bestätigen, weil mir die Zahlen des letzten Jahres nicht vorliegen. Es ist eine sehr beträchtliche Summe: 100 Millionen Euro in diesem Jahr für humanitäre Hilfe für Afghanistan, davon ein Viertel für das World Food Programme. Das sind immerhin 25 Millionen Euro.
ZUSATZ: Dann hatte ich falsche Angaben. ‑ Danke.
[…]
FRAGE: Ich würde gerne noch einmal auf das Thema Hungerhilfe Afghanistan zurückkommen, weil Herr Fischer vorhin aus meiner Sicht eine Antwort vermieden hat. Das World Food Programme kann nach eigenen Aussagen in den nächsten Wochen wegen mangelnder finanzieller Unterstützung 10 Millionen Menschen, die Lebensmittel bräuchten, nicht versorgen. Das World Food Programme sagt ausdrücklich, das liege an den ausbleibenden Zuwendungen der Unterstützerstaaten. Deutschland war in den vergangenen Jahren nach den USA der zweitgrößte Unterstützerstaat des World Food Programme, allerdings seien für dieses Jahr, sagt das World Food Programme, nur 5 Millionen Euro seitens Deutschlands zugesichert. Im vergangenen Jahr waren das noch über 120 Millionen Euro, und im Jahr davor 98 Millionen Euro. Ich frage jetzt deswegen noch einmal Sie, Herrn Fischer, weil Ihr Haus um eine Stellungnahme zu diesen Zahlen gebeten worden war, die aber offenbar nicht gekommen ist. Können Sie diese Stellungnahme jetzt abgeben oder nachliefern? Eine Reduzierung von 122 Millionen Euro auf 5 Millionen Euro Förderung wäre ja ungewöhnlich drastisch.
FISCHER: Ich glaube, ich habe mich vorhin schon dazu geäußert. Das, was wir in unserem Etat für die humanitäre Hilfe für Afghanistan bislang in diesem Jahr bereitgestellt haben, sind 100 Millionen Euro, und davon kommt ein Viertel, also 25 Millionen Euro, dem World Food Programme zugute.
Ich möchte auch noch einmal darauf hinweisen, dass Deutschland nicht der einzige Unterstützer des World Food Programme ist, sondern dass das von der internationalen Gemeinschaft getragen wird und wir in einer gemeinsamen Anstrengung natürlich versuchen müssen, das World Food Programme auch so auszustatten, dass es seiner Aufgabe nachkommen kann. Deutschland tut dies, und wir prüfen auch weitere Unterstützung.
Aber lassen Sie mich in diesem Zusammenhang auch noch einmal klar machen, dass für die wirklich desolate und wirklich furchtbare humanitäre Lage in Afghanistan nicht die internationale Gemeinschaft verantwortlich ist, sondern dass dafür die Taliban verantwortlich sind, die ja auch Afghaninnen, die in NGOs und Organisationen der Vereinten Nationen arbeiten, den Zugang zu Beschäftigung in Hilfsorganisationen einschränken oder sogar unterbinden, und die in vielen Bereichen alles dafür tun, dass die wirtschaftliche Entwicklung des Landes zum Stehen kommt, und die dementsprechend für diese furchtbare Lage verantwortlich sind. Die internationale Gemeinschaft tut, was sie tun kann, um den hiervon betroffenen Menschen in Afghanistan zu helfen. Die Unterstützung der Bundesregierung mit 25 Millionen Euro allein in diesem Jahr und der Prüfung von weiterer Unterstützung kann sich in diesem Zusammenhang aus meiner Sicht sehen lassen.
ZUSATZFRAGE: Die Verantwortung der Taliban für die katastrophale humanitäre Situation ist völlig unbestritten. Gleichwohl bleibt die Frage „Wie hilft die Weltgemeinschaft?“ davon ja unberührt bzw. ist dadurch nicht obsolet. Das, was Sie sagen, bedeutet, dass die Zahl, die vom World Food Programme genannt worden war ‑ nur 5 Millionen Euro für dieses Jahr seien bestätigt ‑, definitiv falsch ist, richtig?
FISCHER: Ich kann hier bestätigen, dass es bislang Zusagen in Höhe von 25 Millionen Euro gibt. Wie immer müssen wir gerade bei der humanitären Hilfe, wenn wir am Anfang des Jahres Planungen machen, auch einen Puffer für unvorhergesehene Krisen lassen, um auch darauf reagieren zu können. Das heißt, im Laufe des Jahres werden sich die Unterstützungszahlen immer noch einmal angeschaut, wird geschaut: Wo sind die Bedarfe am größten, was können wir noch tun und welche Mittel haben wir noch zur Verfügung? Das heißt, wir haben bislang 25 Millionen Euro zugesagt und prüfen angesichts der Lage in Afghanistan, aber auch in anderen Ländern, ob wir noch mehr tun können.
FRAGE: Ich nehme das zum Anlass nachzufragen ‑ was ich sonst bilateral gemacht hätte ‑: Es ist aber schon so, dass 2022 an das World Food Programme 122 Millionen Euro geflossen sind und dieses Jahr 25 Millionen Euro zugesagt sind, ist das richtig?
FISCHER: Ich kann Ihnen die Zahl vom letzten Jahr nicht bestätigen, weil ich sie nicht dabei habe. Das müssten wir gegebenenfalls nachliefern. Der Punkt ist aber: Das Haushaltsjahr ist noch nicht abgeschlossen, und wenn Sie mich im letzten Jahr um diese Zeit gefragt hätten, dann wäre die Antwort auch nicht der vollständige Jahresbetrag gewesen. Insofern würde ich im Laufe des Jahres diese Zahlen immer auch mit Vorsicht anschauen, weil wir erst am Ende des Jahres tatsächlich wissen, wie viele Gelder für welche Krise zur Verfügung stehen. Was ich jetzt gesagt habe, nämlich dass wir bereits 100 Millionen Euro zugesagt und ein Viertel davon für das World Food Programme vorgemerkt haben, heißt nicht, dass es am Ende des Jahres auch 25 Millionen Euro sein werden. Da gibt es also durchaus noch Spielraum.
Möglicherweise kann ich auch dazu beitragen, wie diese 5 Millionen Euro und 25 Millionen Euro zustande kommen: Es kann sein ‑ das müssten wir noch einmal genauer prüfen ‑, dass die 5 Millionen Euro der Betrag ist, der bislang abgerufen worden ist, und dass 20 Millionen Euro noch nicht abgerufen worden sind. Das heißt, beim World Food Programme hätte man möglicherweise 5 Millionen Euro stehen, aber zugesagt ‑ und das weiß man, glaube ich, auch beim World Food Programme ‑ sind 25 Millionen Euro.
ZUSATZFRAGE: Das Geld müsste laut World Food Programme aber bis spätestens Oktober fließen, damit die Hilfe im Winter auch rechtzeitig ankommen kann. Wie läuft das bei Ihnen? Werden die Gelder dann bis Ende September ausgezahlt, oder wie ist da der Zeitverlauf?
FISCHER: Gerade im Bereich der humanitären Hilfe sind wir ja darauf konzentriert, jederzeit flexibel auf Krisen reagieren zu können. Das heißt, wir sind immer in der Lage, Gelder bei entsprechenden Anträgen und bei entsprechenden Bedarfen auch schnell zur Verfügung zu stellen. Wir haben jetzt Anfang September, und bis Oktober ist ja noch ein wenig Zeit.
FRAGE: Da knüpfe ich noch einmal an: Können Sie sagen, ob aufgrund der Situation in Afghanistan ‑ Sie haben den Zugang von Frauen bei NGOs genannt ‑ die Bundesregierung geplante Mittel für humanitäre Hilfe gekürzt, konditioniert oder sonstwie zurückgehalten hat?
FISCHER: Es gibt ja einen internationalen Konsens darüber, wie humanitäre Hilfe in Afghanistan in die Projekte fließt. Wir orientieren uns an diesem Geberkonsens und leisten sie gemäß den humanitären Prinzipien nur dort, wo Frauen weiterarbeiten und auch Kinder erreicht werden können.
FRAGE: Das World Food Programme arbeitet regierungsfern, also so, dass es nicht über die Taliban läuft. Bei vielen Organisationen arbeiten Frauen nach wie vor ‑ in Anführungszeichen ‑ im Homeoffice, von zu Hause, also nicht sichtbar. Berücksichtigen Sie auch dies?
FISCHER: Ja. Wir unterstützen ausschließlich regierungsfern. Wir haben auch im Blick, bei welchen Organisationen Frauen noch in die Arbeit eingebunden werden können.
Ganz grundsätzlich gilt: Die Bundesregierung steht weiterhin klar an der Seite der Frauen und Mädchen in Afghanistan. ‑ Noch einmal: Die systematische Einschränkung der Rechte von Frauen und Mädchen in diesem Land durch die Taliban ist weltweit präzedenzlos. Wir verurteilen diese Beschränkungen für Frauen und Mädchen im öffentlichen Leben auf das Schärfste und rufen die Taliban jetzt, wie wir es auch schon in der Vergangenheit getan haben, dazu auf, diese Diskriminierung umgehend zu beenden.
Nicht eingereichte Stellungnahme der Bundesregierung im Gutachtenverfahren des Internationalen Gerichtshof zu den von Israel besetzten Gebieten
FRAGE: Herr Fischer, Thema „besetzte Gebiete Israels“. Es gab eine nicht eingereichte Stellungnahme Deutschlands im Gutachtenverfahren des Internationalen Gerichtshofs. Sie hatten schon öffentlich eingeräumt, dass Sie die Stellungnahme nicht abgegeben haben. Sie haben aber noch nicht erzählt oder begründet, warum Sie diese Stellungnahme, die Sie ausgearbeitet haben, nicht eingereicht haben.
Herr Hebestreit, warum hat das Kanzleramt diese Stellungnahme blockiert?
FISCHER (AA): Ich muss jetzt in meiner Erinnerung kramen. Ich glaube, hier gab es eine Abstimmung innerhalb der Bundesregierung, auf deren Grundlage wir gemeinsam entschieden haben, in diesem Verfahren keine Stellungnahme abzugeben.
ZUSATZFRAGE: Es ist interessant, wenn das Auswärtige Amt, wie viele andere EU-Staaten, monatelang eine juristische Stellungnahme zu dem Thema ausarbeitet, das Auswärtige Amt damit zufrieden ist und dann ‑ nach meinen Informationen ‑ das Kanzleramt diese Stellungnahme blockiert. Frau Baerbock bzw. das Auswärtige Amt wollte das an den Internationalen Gerichtshof abgeben, und das Kanzleramt mochte das nicht. Herr Hebestreit, können Sie sagen, warum der Kanzler das nicht wollte?
FISCHER (AA): Lassen Sie mich vorwegsagen: Es ist durchaus ein übliches Verfahren, dass sich die Bundesregierung gerade bei komplexen juristischen Fragen Rat von außen holt. Diesen setzen wir aber in seltenen Fällen eins zu eins um. Das haben wir in diesem Fall getan – das ist richtig – und sind gemeinsam zu der Entscheidung gekommen, keine Stellungnahme abzugeben, zumal unsere allgemeine Position zu dieser Frage ja bekannt ist.
ZUSATZ: Ich habe jetzt zweimal Herrn Hebestreit gefragt. Sie können ja dementieren, aber ‑ ‑ ‑
HEBESTREIT (BReg): Ich muss überhaupt nicht dementieren. Ich sage Ihnen einfach, dass wir zu internen Entscheidungsprozessen innerhalb der Bundesregierung hier grundsätzlich nicht Stellung nehmen. Herr Fischer hat sogar noch mehr gemacht: Er hat Ihnen das Verfahren dargelegt, das dem zugrunde gelegt ist und das eine gemeinsame Entscheidung dieser Bundesregierung ist ‑ und das ist sie auch.
Beschluss zur Einstellung der konsularischen Betreuung für im Ausland lebende Staatsbürger durch Belarus
FRAGE: Eine Frage Belarus: Das Minsker Regime hat quasi beschlossen, die konsularische Betreuung der Belarussen, die im Ausland leben, einzustellen. Sie können weder ihren Pass in der Konsularabteilung verlängern noch einen neuen Pass beantragen, eine Vollmacht erstellen usw. Sie müssen alle zurück in Ihre Heimat, wo ihnen Repressionen drohen, um irgendetwas mit ihren Sachen zu machen. Wie steht die Bundesregierung dazu? Gibt es da Pläne zu helfen. Unterstützen Sie zum Beispiel die Idee von Frau Zichanouskaja, neue Pässe von einem neuen Belarus auszustellen?
FISCHER (AA): Zu den neuen Pässen: Diese Vorschläge sind mir nicht bekannt, deshalb kann ich sie auch nicht kommentieren.
Was, glaube ich, nach internationalem konsularischem Recht überhaupt nicht geht, ist, seinen eigenen Staatsbürgerinnen und Staatsbürgern im Ausland konsularische Unterstützung und Schutz zu verweigern. Wenn die belarussische Regierung zu diesem Schritten schreiten sollte, wäre das natürlich zu verurteilen, und dann muss man sehen, wie wir damit ausländerrechtlich umgehen. Das ist aber keine Frage, die das AA beantworten kann.
ZUSATZFRAGE: Wer könnte diese Frage denn beantworten? Was macht jetzt ein belarussischer ‑ ‑ ‑
HEBESTREIT (BReg): Zum jetzigen Zeitpunkt können wir diese Frage gar nicht beantworten. Der Kollege Fischer hat Ihnen ja gerade gesagt, dass der Fall, den Sie schildern, bei uns noch nicht bekannt geworden ist. Das ist der erste Schritt. Der zweite Schritt ist dann ‑ wenn sich das so bewahrheiten sollte; und das betrifft dann nicht nur Deutschland, sondern auch viele andere Länder auf der Welt ‑, zu schauen, wie man damit umgeht. An der Stelle sind wir aber noch nicht.