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Erklärungen des Auswärtigen Amts in der Regierungspressekonferenz vom 22.11.2023
Nahostkonflikt
Frage
Ich habe eine Frage zu dem Abkommen zwischen Hamas und den Israelis: Der ehemalige israelische Ministerpräsident Ehud Barak hat in einem Interview des amerikanischen Senders CNN gesagt, die Bunker, bei denen die israelischen Soldaten gewesen sind, seien von den Israelis selber gebaut worden. Jetzt gibt es viele Forderungen, einen Untersuchungsausschuss einzurichten. Unterstützt die Bundesregierung die Einrichtung eines Untersuchungsausschusses, der die Behauptung Israels untersucht, dass sich in Krankenhäusern Waffen befinden?
Wagner (AA)
Sie wissen ja, dass Israel sich gegen den Terror der Hamas verteidigt, und es ist auch unstrittig, dass die Hamas sich hinter der Zivilbevölkerung in Gaza versteckt. Es gibt genug Berichte, die belegen, dass dort auch zivile Infrastruktur dafür genutzt wird. Insofern verstehe ich Ihre Frage nicht ganz, aber Sie sehen ja auch, dass die israelischen Behörden und die israelische Regierung sehr darum bemüht sind, der Öffentlichkeit Informationen zu präsentieren, die gerade dieses Vorlegen belegen.
Frage
Außenministerin Baerbock hat am 20. November gegenüber dem bundesdeutschen Auslandssender Deutsche Welle noch einmal ein Interview gegeben und sich dort noch einmal sehr explizit gegen einen Waffenstillstand im Gazastreifen ausgesprochen. Argumentiert hat sie ‑ wenn ich ganz kurz zitieren darf ‑, Waffenstillstand hieße ja, dass Israel mit der Hamas darüber verhandeln müsse, dass man sich nicht mehr gegenseitig beschieße, und das würde bedeuten, dass sich Israel gegen den “ongoing” Raketenterror nicht verteidigen könne.
Herr Wagner, können Sie mir erklären, was die Außenministerin uns damit vermitteln will? Wenn sie wirklich so explizit und grundsätzlich gegen einen Waffenstillstand im Gazastreifen ist, was ist denn dann aus Sicht des Auswärtigen Amtes eingedenk der fünfstelligen Zahl an zivilen Toten das Alternativszenario zu einem Waffenstillstand?
Wagner (AA)
Hier war ja schon öfter Thema, dass wir den Forderungen nach einem dauerhaften Waffenstillstand, die es ja von verschiedener Seite gab, die Frage entgegenstellen müssen, was dann Israel gegen den andauernden Raketenbeschuss, den die Hamas ja weiterhin aus Gaza vollzieht, tun soll. Israel hat das völkerrechtlich verbriefte Recht, sich gegen den Angriff der Hamas zu wehren. Insofern war unsere Haltung da immer sehr klar. Die Außenministerin hat an verschiedenen Punkten immer wieder klar gemacht ‑ auch der Kanzler hat sich entsprechend eingelassen ‑, dass wir humanitäre Pausen gefordert haben, die es ermöglichen, humanitäre Hilfe, die dringend notwendig ist, zu den Menschen in Gaza zu bringen, dass wir aber der Forderung eines dauerhaften Waffenstillstands zu einem Zeitpunkt, wo Israel weiterhin aus Gaza angegriffen wird, nicht folgen.
Jetzt haben Sie ja verfolgt, dass gestern offensichtlich eine Vereinbarung angekündigt worden ist, die jetzt eine humanitäre Pause vorsieht. Das begrüßen wir sehr. Das hat der Kanzler auf X gemacht, das hat die Außenministerin auf X gemacht; insofern verweise ich Sie da auf diese Äußerung.
Zusatzfrage
Dazu habe ich noch eine Verständnisfrage: Wir sprechen da jetzt von einer Waffenpause, die ja völkerrechtlich eigentlich auch nicht wirklich gebunden ist. Ein Waffenstillstand hat aber weit mehr Implikationen und ist eigentlich die Grundvoraussetzung für einen Frieden zwischen zwei Konfliktparteien. Mit der Hamas als nicht staatlichem Akteur ist das natürlich schwierig. Aber die Frage, die Sie mir immer nicht beantwortet haben, ist: Was ist denn das Alternativszenario? Das heißt, wenn die Baerbock und die gesamte Bundesregierung sagen „Wir sind gegen einen Waffenstillstand“, dann müsste die Bundesregierung doch in der Lage sein zu sagen: Wir wollen dafür ‑ ich weiß nicht ‑, dass Gaza bis zur kompletten Zerstörung der Hamas bombardiert wird. ‑ ‑ Es muss ja irgendein Alternativziel formuliert werden. Einfach nur zu sagen „Wir sind gegen einen Waffenstillstand“ ‑ ‑ ‑
Vorsitzende Buschow
Ich glaube, die Nachfrage ist angekommen. ‑ Vielleicht erlauben Sie mir noch einen Hinweis, da wir hier einen gepflegten Ton nutzen: Ich halte das für einen Versprecher, aber Formulierungen wie „die Baerbock“ finde ich nicht auf dem Niveau der Bundespressekonferenz.
Zusatz
Frau Baerbock erlaubt sich auch ein paar Versprecher. Das kann auch mir passieren.
Vorsitzende Buschow
Ich glaube, Ihre Frage ist angekommen und wird wahrscheinlich beantwortet.
Wagner (AA)
Es ist ganz klar, was das Ziel sein muss: Der Terror der Hamas gegen Israel muss aufhören. Die Hamas ist eine Terrororganisation, die nach wie vor Israel angreift und die das Existenzrecht Israels als Staat infragestellt. Sie wissen, dass wir uns als Bundesregierung der Sicherheit des Staates Israel sehr verpflichtet fühlen. Es ist doch vollkommen unstrittig, dass wir ‑ und das ist ja letztlich auch Kern der diplomatischen Bemühungen nicht nur von uns, sondern auch von unseren Partnern in der Region ‑ alle dem Ziel entgegenarbeiten, dass die Menschen in der Region, im Nahen Osten, in Frieden und Sicherheit zusammenleben können. Es ist die Hamas, die das im Moment in Frage stellt.
Frage
Ich habe eine Lernfrage an Herrn Wagner: Ägypten hat erklärt, dass nach seiner Einschätzung bald alle ausländischen Staatsbürger Gaza verlassen haben müssten. Können Sie uns in Bezug auf deutsche Staatsbürger sagen, wie nah dieses „bald“ für sie gekommen ist? Haben Sie Zahlen darüber, wie viele sich noch in Gaza aufhalten?
Wagner (AA)
Das kann ich gern tun. Lassen Sie mich die Zahlen finden. ‑ Sie wissen ja ‑ das habe ich hier auch schon öfter gesagt ‑, dass für die Ausreise deutscher Staatsangehöriger aus Gaza ganz entscheidend ist, dass der Grenzübergang in Rafah geöffnet ist. Insgesamt ‑ das hat auch die Außenministerin schon mitgeteilt ‑ konnten bisher rund 350 Deutsche einschließlich ihrer Familienangehörigen ausreisen. Gestern konnten auch zum ersten Mal lokal beschäftigte Kolleginnen und Kollegen gemeinsam mit ihren Familienangehörigen ausreisen. Wir arbeiten weiter intensiv daran ‑ gemeinsam mit den ägyptischen Partnern, aber auch anderen ‑, dass weitere Ausreisen möglich werden. Auf unserer ELEFAND-Liste, die Sie schon gut kennen, also der Krisenvorsorgeliste, ist weiterhin eine niedrige dreistellige Zahl an Personen registriert. Wir bitten bzw. fordern natürlich weiterhin alle Deutschen auf, Gaza zu verlassen.
Zusatzfrage
Der Hintergrund meiner Frage war, dass die Ansage von Ägypten kam, das da sozusagen den Schlüssel in der Hand hat. Ist es nach Ihrem Eindruck so, dass Ägypten sich aktiv darum bemüht, insbesondere ausländischen ‑ in dem Fall dann auch deutschen ‑ Staatsbürgern die Ausreise über Rafah zu ermöglichen?
Wagner (AA)
Ägypten ist im Moment ein sehr wichtiger und sehr hilfreicher Partner, und ich habe Ihnen ja geschildert, dass das intensive Bemühungen sind, die wir da haben. Wir sind ja auch nicht die einzige Nation, die versucht, den eigenen Staatsangehörigen die Ausreise zu ermöglichen. Insofern ist Ägypten da ein sehr wichtiger Gesprächspartner.
Frage
Herr Wagner, Katar bestätigt eine Feuerpause zwischen Israel und Hamas. Meine Frage ist: Wie bewerten Sie die Rolle Katars mit Blick auf den Konflikt zwischen Israel und Hamas?
Wagner (AA)
Lassen Sie mich noch einmal sagen ‑ das habe ich ja eben schon gesagt ‑, dass wir diese humanitäre Feuerpause begrüßen und natürlich auch jeden Schritt begrüßen, der jetzt in Richtung der Freilassung aller von der Hamas verschleppten Geiseln geht. Da gilt unser besonderer Dank natürlich insbesondere Katar, aber auch Ägypten, und natürlich auch den israelischen Partnern, die gestern im Kabinett offensichtlich eine schwierige Entscheidung treffen mussten. Katar hat bei diesen Bemühungen ‑ das haben wir auch immer wieder betont ‑ eine zentrale Rolle gespielt und spielt diese Rolle natürlich auch weiterhin. Sie wissen, dass wir in enger Abstimmung mit Katar und den relevanten Akteuren in der Region sind.
Frage
Eine Frage an Herrn Wagner zu dem Deal, der zur Freilassung der Geiseln erreicht wurde: Können Sie uns sagen, ob auch deutsche Geiseln unter denen sind, die jetzt freigelassen werden sollen?
Wagner (AA)
Ich kann „unter eins“ gerne noch vorab sagen, dass es wichtig ist, dass diese Vereinbarung ‑ das ist ja erst einmal eine Ankündigung ‑ eingehalten wird und dass alle Verschleppten freigelassen werden und jetzt auch dringend benötigte humanitäre Hilfe nach Gaza kommt. Wir lassen in unseren Bemühungen nicht nach, in den Gesprächen mit unseren Partnern die Freilassung aller Verschleppten zu erreichen.
Zur Einordnung kann ich jetzt gerne auch noch etwas „unter drei“ sagen.
[…]
Vorsitzende Buschow
Wir sind wieder „unter eins“ und immer noch beim Thema Nahost.
Frage
Noch einmal zur humanitären Lage, Herr Wagner: Haben die israelischen Luftangriffe und die israelische Blockade von Lieferungen nichts mit der humanitären Katastrophe in Gaza zu tun? Das hatten Sie vorhin nicht erwähnt.
Wagner (AA)
Israel hat im Rahmen des Völkerrechts das Recht, sich gegen den Terror der Hamas zu verteidigen. Das haben wir an verschiedener Stelle gesagt, das hat die Außenministerin gesagt, und das haben auch andere Mitglieder der Bundesregierung gesagt. Natürlich thematisieren wir gegenüber Israel auch, dass wir erwarten, dass es sich an die Vorgaben des humanitären Völkerrechts hält. Aber noch einmal: Israel verteidigt sich gegen den Terror der Hamas im Rahmen des Völkerrechts, und wenn es einen Akteur in diesem Konflikt gibt, der sich nun wirklich überhaupt nicht an humanitäres Völkerrecht hält, dann ist es die Hamas, die sich hinter der Zivilbevölkerung in Gaza versteckt.
Zusatzfrage
Na ja, aber das hat ja jetzt nichts damit zu tun, dass es israelische Luftangriffe gibt und die Hilfslieferungen blockiert werden, weil Israel die Grenzen kontrolliert. Warum lassen Sie das bei der Bewertung der humanitären Lage weg?
Wagner (AA)
Ich beantworte Ihre Fragen. Ich lasse hier nichts weg.
Zuruf
Doch.
Wagner (AA)
Die Bundesregierung hat mehrfach zum Ausdruck gebracht, dass wir uns sehr dafür einsetzen, die humanitäre Lage in Gaza, die katastrophal ist, die schrecklich ist, wo die Menschen in einer desolaten Lage sind, zu verbessern. Dafür setzen wir uns ein. Wir haben dafür eine Sondergesandtin im Auswärtigen Amt, die mit den internationalen Partnern und mit den Hilfsorganisationen spricht. Wir haben unsere Mittel humanitärer Hilfe noch einmal sehr deutlich erhöht und setzen uns sehr dafür ein, dass mehr humanitäre Hilfe nach Gaza hereinkommt. Es kommt ja humanitäre Hilfe nach Gaza herein. Die letzte Größenordnung, die ich kannte ‑ ich muss aber noch einmal nachschauen ‑ lag bei um die 100 Lkws pro Tag. Es braucht natürlich sehr viel mehr. Wir wissen alle, dass es vor den abscheulichen Terrorangriffen der Hamas am 7. Oktober deutlich mehr Lkws pro Tag waren. Insofern setzen wir uns für diese Geschichten ein und hoffen, damit auch die humanitäre Lage in Gaza zu verbessern.
Frage
Ich hätte auch eine Frage zur Waffenruhe. Die Länder in der Region äußern die Hoffnung, dass diese Feuerpause auch zu einem Ende des Kriegs oder der Bombardierung führt. Würden Sie diese Bemühungen unterstützen?
Wagner (AA)
Ich glaube, wir müssen jetzt erst einmal abwarten. Das ist jetzt eine Ankündigung. Ich habe ja eben schon gesagt, dass wir hoffen, dass sich diese Ankündigung, dass es zu dieser humanitären Pause kommt, jetzt materialisiert und dass sie neben der Freilassung einer größeren Gruppe von Geiseln dann auch noch erlaubt, humanitäre Hilfe nach Gaza zu bekommen. Ich würde hier jetzt aber nicht in die Zukunft gewandt spekulieren.
Embargo der USA gegen Kuba
Frage
Am Wochenende des 18. und 19. Novembers fand in dem Räumen des EU-Parlaments ein Tribunal zu dem US-Embargo gegen Kuba statt. Das abschließende Urteil lautete, ich zitiere kurz: Die umfassenden politischen und wirtschaftlichen Sanktionen, die seit 1960 gegen die Republik Kuba verhängt wurden, verstoßen gegen das Völkerrecht. – Da würde mich interessieren: Teilt denn die Bundesregierung diese Einschätzung des Brüsseler Tribunals? Die Frage geht an das Auswärtige Amt.
Wagner (AA)
Ich weiß nicht, auf welches Tribunal Sie sich beziehen, aber ich kommentiere das hier nicht.
Zusatz
Aber Sie können ja grundsätzlich sagen, ob die Bundesregierung die US-Blockade, die sie ja auch erst am 3. November verurteilt hat, als völkerrechtswidrig bezeichnet oder nicht.
Wagner (AA)
Ich werde mich jetzt hier nicht mit Ihnen auf Diskussionen über Kuba einlassen. Ich kenne den Bezug nicht, den Sie herstellen. Ich kenne dieses Tribunal nicht, das Sie zitieren. Insofern habe ich dem nichts hinzuzufügen.
Zuruf
(ohne Mikrofon, akustisch unverständlich).
Wagner (AA)
Ich kann gerne schauen, ob wir etwas nachreichen können. Das mache ich gerne.
Parlamentswahl in den Niederlanden
Frage
Es gibt in den Niederlanden heute eine Wahl. Herr Wagner, in den Umfragen in den Niederlanden führt der verurteilte Anführer der PVV-Partei, der pro-russische Euroskeptiker Geert Wilders. Vielleicht kennen Sie den oder haben schon einmal von ihm gehört. Er führt dort in den Umfragen. Was könnte das für die deutsch-niederländische Zusammenarbeit bedeuten?
Wagner (AA)
Sie werden mich hier nicht zu Spekulationen über Wahlen bei einem engen Partner Deutschlands verleiten, die ja auch noch laufen. Wenn ich recht informiert bin, werden die Wahllokale, glaube ich, um 21 Uhr schließen. Insofern kein Kommentar!
Zusatzfrage
Wenn ich eine Nachfrage anschließen darf: Diese Wahl bedeutet eigentlich, dass Mark Rutte, der Ministerpräsident, nicht in das Amt zurückkehren wird. Er hat selbst gesagt, er würde gerne nach Brüssel gehen, und zwar als Generalsekretär der NATO. Wie bewerten Sie rückblickend seine Amtszeit von fast 13 Jahren?
Wagner (AA)
Auch das werden wir bei einem europäischen Partner nicht kommentieren. Wir überlassen es Ihnen, wie Sie die Amtszeit Mark Ruttes kommentieren. Das ist, glaube ich, eher Ihr Job als unserer.