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Erklärungen des Auswärtigen Amts in der Regierungspressekonferenz vom 04.12.2023
Nahostkonflikt
[…]
Frage
Herr Fischer, die amerikanische Vizepräsidentin Kamala Harris hat das israelische militärische Vorgehen in Gaza sehr scharf kritisiert und hat gesagt, dass Israel nicht genug tue, um das Leben der Zivilisten zu schützen. Der UNICEF-Sprecher James Elder hat von einem Blutbad in Gaza gesprochen. Wie ist Ihre Reaktion darauf?
Fischer (AA)
Lassen Sie mich so anfangen: Das Ende der Feuerpause am Freitag war ein herber Rückschlag sowohl für die Geiseln, die sich noch in den Händen der Terrororganisation befinden und in den dunklen Tunneln, in denen sie gefangen gehalten werden, auf Freilassung hoffen, als auch für die Menschen in Gaza, die weiterhin dringend humanitäre Hilfe benötigen und bei den jetzt fortgesetzten Kämpfen um ihr Leben und das Leben ihrer Familien fürchten müssen. Die Sicherheitslage in Gaza ist ja schon seit einiger Zeit äußerst prekär. Jetzt haben sich die Kämpfe auf den gesamten Gazastreifen ausgeweitet, also auch dorthin, wo die Menschen auf Aufforderung Israels Schutz gesucht haben. Die humanitäre Not droht, sich zu verstärken. Deshalb unser Appell von dieser Stelle in den letzten Wochen und jetzt auch wieder, die notwendige humanitäre Hilfe einschließlich Treibstoffe in den Gazastreifen hineinzulassen, um die Menschen zu versorgen.
Ich sprach schon davon, dass die Menschen aus dem nördlichen Teil des Gazastreifens in den südlichen Gazastreifen geflüchtet sind. Dort sollen sich jetzt ungefähr 1,6 Millionen Menschen aufhalten. Das sind 80 Prozent der Bevölkerung. Dies erhöht noch einmal das Risiko, dass Zivilistinnen und Zivilisten bei Militäroperationen zu Schaden kommen.
Daher ist es uns besonders wichtig, dass Israels Vorgehen diesem Umstand Rechnung trägt und ziviles Leid vermeidet. Es ist genauso wichtig, dass sich Israel an das humanitäre Völkerrecht hält. Das betonen wir auch in all unseren Gesprächen und auf all unseren Kanälen im Gespräch mit unseren israelischen Partnern.
Zusatzfrage
Herr Fischer, in den letzten 24 Stunden sind fast 700 Menschen ums Leben gekommen. Wie besorgt sind Sie über diese hohe Zahl der Zivilisten, unter ihnen viele Kinder?
Fischer (AA)
Wir haben immer wieder, auch von dieser Stelle aus, erklärt, dass wir das Leid in diesem Konflikt sehen. Wir haben das Leid der Israelis nach dem 7. Oktober gesehen, aber wir sehen natürlich auch das Leid der palästinensischen Bevölkerung. Es sind in diesem Krieg schon viel zu viele Zivilistinnen und Zivilisten getötet worden.
Frage
Herr Fischer, Israel hat auch die Bevölkerung im Süden Gazas aufgefordert, sich zu evakuieren. Weiß die Bundesregierung, wohin, oder verstehen Sie, wohin die Menschen gehen sollen?
Fischer (AA)
Ich weiß, dass die israelische Armee vor Angriffen in bestimmten Gegenden und auf bestimmte Ziele warnt und die Bevölkerung auffordert, diese Gebiete zu verlassen. Ich kann Ihnen nicht im Einzelnen sagen, auf welche Gebiete sich diese Warnungen beziehen. Aber wir gehen davon aus, dass es weiterhin die Möglichkeit gibt, sich aus der Gefahrenzone zu begeben. Das ist auch etwas, was wir von Israel erwarten. Wir erwarten, dass es die Zivilistinnen und Zivilisten nicht nur auffordert, die Gefahrenzone zu verlassen, sondern dass diese auch tatsächlich und faktisch in der Lage sind, an anderer Stelle sichere Unterkunft zu finden.
Zusatzfrage
Da Sie gerade meinten, dass sich die Kämpfe jetzt dorthin ausweiteten, wo Zivilisten Schutz suchen: Unterstützt denn die Bundesregierung grundsätzlich die Ausweitung der Gaza-Invasion in den Süden?
Fischer (AA)
Wir haben immer gesagt, dass, solange die Hamas-Angriffe auf Israel fortgesetzt werden, Israel das Recht auf Selbstverteidigung hat. Sie und wir alle wissen, dass die Hamas auch über Stellungen im Süden des Gazastreifens verfügt. Deshalb auch unser Appell an die Hamas, die Waffen niederzulegen, um das Leiden zu beenden.
[…]
Frage
Ich müsste noch einmal auf das Nahostthema zurückkommen. Eine Frage an Herrn Fischer: Es gibt in Brüssel Diskussionen darum, ob man die Hamas mit Sanktionen belegt. Ich hätte ganz gerne gewusst, was da das Ziel und die Einstellung der Bundesregierung ist?
Fischer (AA)
Wir haben beim letzten Treffen des Außenrats der Europäischen Union, des sogenannten Rats für Auswärtige Angelegenheiten, deutlich gemacht, dass unser Ziel die internationale Isolierung und Schwächung der Terrororganisation Hamas ist, dass das für uns von zentraler Bedeutung ist. Vorschläge, wie man dorthin kommen kann, werden derzeit im Kreis der Mitgliedstaaten diskutiert. Dazu gehören auch konkrete Maßnahmen. Diese konkreten Maßnahmen schließen auch die Verhängung von Sanktionen nicht aus.
Zusatzfrage
Können Sie uns sagen, wie weit dieser Prozess gediehen ist? Fallen da in diesem Jahr noch Entscheidungen? Denn der Überfall auf Israel ist ja nun auch schon wieder ein paar Wochen her.
Fischer (AA)
Die Verhandlungen oder die Gespräche laufen in Brüssel. Ich kann Ihnen sagen, dass wir uns dazu eng mit unseren internationalen Partnern abstimmen, sowohl in der EU als auch auf internationaler Ebene.
Frage
Sie kennen die Medienberichte, denen zufolge die US-Administration sowohl Israel als auch die Hamas zur Fortsetzung von Gesprächen zu Problemlösungen auffordert. Ist das auch die Position der Bundesregierung? Fordern oder wünschen Sie sich auch, dass es zwischen den faktischen Kriegsparteien weiterhin direkte Gesprächskontakte gibt?
Fischer (AA)
Ich glaube, Sie haben die Äußerungen der Außenministerin vom letzten Freitag gesehen, wo sie gesagt hat, dass wir alles dafür tun müssen, damit die humanitären Feuerpausen fortgeführt werden. Das bedingt ja nun, dass die Gespräche über die Feuerpausen und auch über die Geiselfreilassungen fortgesetzt werden.
Zusatzfrage
Haben Sie Kenntnis davon, dass das derzeit geschieht, oder ist das sozusagen nur der Appell vom Freitag?
Fischer (AA)
Wir stehen, wie Sie wissen, mit den arabischen Partnern in der Region, aber natürlich auch mit Israel, auf allen Ebenen und allen Kanälen in Kontakt und arbeiten darauf hin, dass diese Kontakte fortgesetzt werden. Es würde mich jetzt überraschen, wenn es diese nicht gäbe.
COP28
Frage
Meine Frage geht an das BMWK. Wir haben auf der COP in Dubai ein breites Bündnis für die Kernkraft gesehen. Deutschland hat sich mit seinem Modell aus Ökostrom und fossilen Energieträgern in der Reserve bisher immer als Vorreiter angesehen. Muss man angesichts dieser Entwicklung sagen, dass dieses Bestreben gescheitert ist?
Einhorn (BMWK)
Bezüglich der COP würde ich zunächst einmal an das Auswärtige Amt abgeben wollen.
Fischer (AA)
Sehr gerne! Wir haben diesen Aufruf der 22 Staaten zur Kenntnis genommen. Vielleicht zur Einordnung auch für Sie: Der Aufruf hat keinen verbindlichen Charakter und ist nicht Teil der Textverhandlungen dieser Weltklimakonferenz. Sie wissen, dass dort rund 200 Staaten teilnehmen. Das stellt, glaube ich, auch die 22, die an dieser Erklärung teilgenommen haben, ins Verhältnis.
Aber um es auch klar zu sagen: Unsere Haltung zur Kernkraft ist unverändert. Die Atomenergie ist eine gefährliche, nicht nachhaltige Hochrisikotechnologie. Das gilt vom Abbau des benötigten Urans über den Betrieb der Atomkraftwerke bis hin zur Entsorgung des sehr gefährlichen, über Jahrtausende strahlenden Atommülls.
Zusatzfrage
Jetzt hatte ich eigentlich gefragt, ob unser eigenes Modell in anderen Staaten Schule macht. Können Sie uns einen Staat nennen, der das Modell von Deutschland gewählt und „Das machen wir auch so, dass hat sich in Deutschland bewährt“ gesagt hat, oder ist es so, dass wir sehen, dass sich die großen Industriestaaten eben für einen anderen Weg entschieden haben?
Fischer (AA)
Ich glaube, es gibt Unterschiede. Es gibt Staaten auf der Welt, die nicht auf Atomkraft setzen. Es gibt andere, die darauf setzen. Die Entscheidung über den nationalen Energiemix ist immer eine nationale Entscheidung. Darauf haben wir uns ja auch in der EU verständigt. Dieses Thema begleitet uns in der G7 und in der G20, aber es ist ja jetzt nicht so, dass man dem Aufruf von 22 Staaten entnehmen kann, dass plötzlich die ganze Welt anfängt, auf Atomkraft zu setzen.
Übrigen möchte ich noch einmal darauf hinweisen, dass Atomkraft auch eine hochkomplexe und sehr teure Technologie ist und mit Planungs- und Bauzeiten von zwei Jahrzehnten sehr konkret wahrscheinlich nichts oder nicht sehr viel zur Bekämpfung des Klimawandels beitragen kann, jedenfalls keinen wesentlichen Beitrag in den nächsten Jahren leisten kann. Wenn man jetzt anfängt, ein Atomkraftwerk zu planen, das in 20 Jahren fertig ist, dann gilt: In 20 Jahren wollen wir den Großteil der Emissionsreduktion schon erreicht haben.
Frage
Herr Fischer, ist ein Aufruf von ca. 20 Staaten aus Ihrer Sicht denn eine gewaltige Stimme? Ich habe jetzt nicht so viel Erfahrung in Sachen Weltklimakonferenzen, Beschlüsse und Aufrufe. Ist so eine Gruppe von 20 Staaten eine gewichtige Stimme oder eine kleine Minderheit?
Fischer (AA)
Ich habe es ja schon gesagt: Es nehmen rund 200 Staaten teil. 22 Staaten sind zehn Prozent der teilnehmenden Staaten. Das stellt das, glaube ich, ins Verhältnis.
[…]
Zusatzfrage
Vielleicht kann Herr Hebestreit die Frage beantworten, warum Herr Özdemir seine Reise zur COP28 abgesagt hat. Welche Gründe gab es dafür? Ansonsten bitte ich darum, das nachzureichen.
In diesem Zusammenhang habe ich eine Frage an Herrn Fischer: Ist denn denkbar, dass Frau Baerbock ihre Reise zur COP auch absagt ‑ Sie fährt ja traditionell zum Ende der Weltklimakonferenz dorthin, um zu verhandeln ‑, oder wird sie für die Haushaltsgespräche nicht benötigt?
Fischer (AA)
Sie wird für alles benötigt, ganz besonders natürlich bei der COP, bei der sie die Verhandlungsführerin der deutschen Delegation ist und daran mitarbeiten wird, dass es ein gutes Gesamtergebnis gibt. Insofern stehen die Reisepläne weiterhin, und wir sind auch zuversichtlich, dass sie dann aufbrechen wird.
Zusatz
„Zuversichtlich“ heißt ja nicht, dass Sie vollkommen ausschließen können, dass auch Frau Baerbock ihre Reise absagen muss!
Fischer (AA)
Die Welt ist so aufregend und unübersichtlich, dass wir Reisen am liebsten immer nur dann bestätigen, wenn unsere Ministerin ersichtlich auf dem Weg ist. Aber gehen Sie davon aus, dass wir optimistisch und zuversichtlich sind, dass sie an der COP teilnehmen wird und während des Abschlusssegments, der technischen Verhandlungen, die dann hoffentlich zu einem guten Ergebnis führen werden, die deutsche Delegation leiten wird.
[…]
Frage
Ich habe noch einmal an Herrn Fischer eine Frage zu der Klimakonferenz. Der Präsident der COP, Herr Sultan Al-Dschaber, hat gestern gesagt, dass es keine Wissenschaft hinter der Forderung nach einem Phase-out von fossilen Energien gebe. Wie reagiert die Bundesregierung darauf? Sie hatten uns ja gesagt, dass das eine Forderung ist.
Fischer (AA)
Zum einen habe ich aus dem Augenwinkel gesehen, dass er seine Aussagen schon selber richtiggestellt hat, wobei ich nicht genau weiß, was er dort gesagt hat.
Für die Bundesregierung gilt aber, was auch für die Wissenschaft völlig unstrittig ist, dass Treibhausgase wie CO₂ für den voranschreitenden Klimawandel verantwortlich sind und der größte Teil der Treibhausgase durch das Verbrennen fossiler Energieträger wie Kohle und Öl entsteht. Das heißt für uns: Um den Klimawandel zu bremsen und möglichst auch zu stoppen, müssen wir schrittweise aus den fossilen Energien aussteigen. Dafür setzen wir uns mit aller Kraft auf der Weltklimakonferenz ein.
Zusatzfrage
Ist es denn aus Sicht der Bundesregierung jetzt so glücklich, dass ein CEO einer emiratischen Ölfirma Präsident der COP ist?
Fischer (AA)
Diesem Thema haben wir uns ja hier schon öfter gewidmet. Er ist der Vorsitzende der COP. Wir haben keinen Zweifel daran, dass er sein Amt mit der notwendigen Neutralität wahrnehmen wird.
Reise der Bundesaußenministerin nach Slowenien
Frage
Herr Fischer, Außenministerin Baerbock reist nach Slowenien oder ist in Slowenien. Können Sie etwas zu der Reise sagen? Warum jetzt? Worum geht es?
Fischer (AA)
Ich glaube, die Reise hat mein Kollege hier am Freitag schon angekündigt. In der Tat wird die Außenministerin heute Abend aufbrechen und dann nach Slowenien reisen. Slowenien ist für Deutschland ein ganz enger europäischer Partner, ein Partner in der EU, ein Partner in der NATO, in den Vereinten Nationen und auch bilateral. Slowenien wird auch im Januar 2024 für zwei Jahre nichtständiges Mitglied des Sicherheitsrats der Vereinten Nationen sein. Vor diesem Hintergrund ist es, glaube ich, sehr gut, dass wir uns auch bilateral eng über die ganze Bandbreite der bilateralen, regionalen und auch internationalen Beziehungen abstimmen. Das wird die Außenministerin gemeinsam mit der slowenischen Außenministerin, ihrer Amtskollegin Fajon, tun. Aber sie wird unter anderem auch Ministerpräsident Golob treffen. Für die, die sich dafür interessieren, wird es morgen auch eine gemeinsame Pressekonferenz mit ihrer Amtskollegin geben.