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Erklärungen des Auswärtigen Amts in der Regierungs­­­­­pressekonferenz vom 10.01.2024

10.01.2024 - Artikel

Angriffe der Huthi auf die internationale Schifffahrt im Roten Meer

Fischer (AA)

Guten Tag, meine Damen und Herren! Es geht um die Angriffe der Huthi in der letzten Nacht auf die internationale Schifffahrt im Roten Meer. Wir verurteilen den Angriff der Huthi auf internationale Schiffe im südlichen Roten Meer in der letzten Nacht auf das Schärfste. Die Attacke stellt nach jetziger Kenntnis den umfangreichsten Angriff der Huthi auf den internationalen Schiffsverkehr seit Mitte Oktober dar. Dieser Angriff und die anhaltenden Angriffe zeigen, dass die Huthi klar auf Eskalation gegenüber der internationalen Handelsschifffahrt sowie gegenüber den Schiffen unserer Partner und Verbündeten in der Region setzen. Deutschland hat ‑ das wissen Sie ‑ dazu gemeinsam mit anderen Staaten bereits am 3. Januar eine Erklärung veröffentlicht, in der wir die anhaltenden Angriffe der Huthi als illegal, inakzeptabel und zutiefst destabilisierend bezeichnet haben. Unser Appell bleibt derselbe wie damals: Die Angriffe müssen sofort aufhören.

Frage

Gibt es irgendetwas Neues in Sachen EU-Missionen oder deutsche Einsätze dort?

Fischer (AA)

Ich habe bereits in der letzten Woche ausführlich Stellung dazu genommen. Sie wissen, die EU-internen Prüfungen eines neuen maritimen Einsatzes der Europäischen Union dauern an. Wenn ich das richtig sehe, soll bereits in der kommenden Woche eine erste Befassung der Mitgliedstaaten mit einem solchen neuen europäischen Einsatz stattfinden. Auch da gilt fort, was ich letzte Woche gesagt habe: Wir als Bundesregierung stehen bereit, uns an einer Mission im Roten Meer zu beteiligen, und sind dazu weiter im engen Kontakt mit dem Europäischen Auswärtigen Dienst und den anderen Mitgliedstaaten in der EU.

Zusatzfrage

Zu dem Bereitstehen: Herr Stempfle, halten Sie da irgendetwas vor, oder warten Sie jetzt erst einmal das Mandat ab? Wir haben ja hier auch schon verschiedentlich darüber gesprochen, welche Schiffe und welches Material überhaupt infrage kämen.

Stempfle (BMVg)

Es bleibt dabei: Wir sind bereit und warten in der Tat das Mandat ab.

Frage

Herr Fischer, ein bisschen eine hintergründigere Frage: Liegt der Friedensprozess unter der UN-Schirmherrschaft in Bezug auf den Jemen jetzt endgültig auf Eis, oder wie ist da Ihrer Einschätzung nach aktuell die Lage?

Fischer (AA)

Der Friedensprozess geht weiter. Die Angriffe im Roten Meer machen das natürlich nicht einfacher, aber das ist sozusagen ein anderer Komplex. Dabei geht es um die innerjemenitische Lage sowie um die regionale Lage mit Blick auf die Nachbarstaaten. Dieser Prozess wird fortgesetzt.

Frage

Herr Fischer, Sie haben eben auf die Debatten zu der EU-Mission hingewiesen. Wenn die jetzt nicht zustande kommen sollte, wäre Deutschland dann auch bereit, sich doch an einer zum Beispiel von den USA angeführten Mission zu beteiligen?

Fischer (AA)

Wir arbeiten derzeit aktiv mit unseren EU-Partnern daran, dass diese Mission zustande kommt. Für alle Spekulationen gilt, dass wir uns natürlich nur an Dingen beteiligen, die sowohl völker- als auch verfassungsrechtlich möglich sind.

Zusatzfrage

Ich darf noch nach einer Einschätzung fragen ‑ entweder an das Verteidigungsministerium oder an das Außenministerium ‑ zu den Kapazitäten der Huthi, die ja doch einige überrascht haben, auch die Vielzahl an Raketen, die mittlerweile auf Schiffe abgeschossen werden. Haben Sie irgendwelche Erkenntnisse, woher diese Waffen stammen?

Fischer (AA)

Woher diese Waffen konkret stammen, werde ich Ihnen im Einzelnen nicht beantworten können. Aber es ist schon so, dass die Huthi seit Jahren durch den Iran unterstützt werden und dass die jüngsten Angriffe ohne die langjährige Unterstützung des Iran für die Huthi nicht möglich gewesen wären. Aber zur konkreten Herkunft einzelner verwendeter Waffen kann ich Ihnen hier keine Auskunft geben.

Frage

Eine Verständnisfrage, Herr Fischer: Wie erklärt sich das Auswärtige Amt, dass die bisherige Koalition der Amerikaner, also die Operation Prosperity Guardian, bisher keine der Anrainerstaaten des Roten Meeres beinhaltet? Die Saudis sind nicht dabei, die ja im Jemen Krieg führen, auch die Ägypter nicht. Das alles sind westliche Wertepartner.

Fischer (AA)

Zum einen weise ich zurück, dass Saudi-Arabien derzeit im Jemen Krieg führt. 2022 hat es einen Waffenstillstand gegeben, der fortgesetzt wird. Saudi-Arabien und Jemen arbeiten derzeit an einer Roadmap, um das Verhältnis zu verstetigen und auszutarieren. Der Prozess der Verständigung zwischen den beiden Parteien hat sich ‑ das wissen Sie ‑ in der Jemen-Klausel der Bundesregierung niedergeschlagen. Auch Bahrain hat diese Erklärung unterzeichnet. Am 19. Dezember wurde ein multilaterales Statement veröffentlicht, an dem sich die USA, die EU, die NATO und auch der Jemen selbst, also die jemenitische Regierung, beteiligt haben. Ich möchte Sie noch darauf hinweisen, dass es am 1. Dezember eine gemeinsame Pressemitteilung des UN-Sicherheitsrats gab, der die Angriffe verurteilt hat.

Zusatz

Bahrain ist kein Anrainerstaat des Roten Meeres.

Fischer (AA)

Aber es ist ein Regionalstaat.

Zusatzfrage

Aber warum sind Ägypten und Saudi-Arabien bisher nicht dabei?

Fischer (AA)

Das müssen Sie diese Länder fragen. Ich sagte ja: Es gibt gleichzeitig noch einen Prozess der innerjemenitischen Verständigung und der Gespräche zum Beispiel zwischen Saudi-Arabien und den Huthi, die UN-fazilitiert sind. Ich vermute, dass das damit zusammenhängt.

Frage

Das Auswärtige Amt spricht Reisewarnungen für Krisen- und Kriegsgebiete aus. Gibt es etwas Adäquates auch als Warnung an die Handelsschifffahrt? Hapag-Lloyd beispielsweise meidet von sich aus bereits seit einiger Zeit Fahrten durch den Suezkanal und das Rote Meer.

Fischer (AA)

Es gibt eine Reisewarnung für den Jemen. Ich glaube, was die internationale Handelsschifffahrt angeht, wird das durch die International Maritime Organization gemacht. Möglicherweise ist der Kollege aus dem Verkehrsministerium besser im Bilde als ich, wie das im Bereich der Warnung für die internationale Schifffahrt läuft.

Alexandrin (BMDV)

Ich kann dazu gern ergänzen. ‑ Das System, das dahinterliegt, ist im SOLAS-Regelwerk niedergeschrieben. Die Kollegen, die hierzu die Gefahreneinschätzung machen, sitzen allerdings beim Bundesinnenministerium.

Zusatzfrage

Dann frage ich etwas allgemeiner nach: Steht die Bundesregierung im direkten Austausch und Kontakt über die Krisenlage und mögliche Konsequenzen in der Region?

Beylage-Haarmann (BMI)

Fragen Sie doch mal konkreter: mit wem im Kontakt?

Zusatzfrage

Das Außenministerium meinte, das Verkehrsministerium sei vielleicht zuständig. Jetzt sind Sie es. Deswegen frage ich gerne Sie.

Beylage-Haarmann (BMI)

Wir sind zu dem Thema selbstverständlich zu allen Aspekten im Austausch.

Fischer (AA)

Das hätte auch ich Ihnen beantworten können.

Lieferung von 150 IRIS-T-Raketen an Saudi-Arabien

Frage

Ich habe eine Frage an Herrn Hebestreit, nämlich ob Sie bestätigen können, dass die Bundesregierung die Lieferung von 150 IRIS-T-Raketen an Saudi-Arabien genehmigt hat. Das sind, soweit ich weiß, die Raketen, mit denen die Raketen abgeschossen werden, die dann auf Israel zielen.

Hebestreit (BReg)

Dazu liegen mir zum jetzigen Zeitpunkt keine Informationen vor.

Zusatzfrage

Könnten Sie das vielleicht nachliefern? Es gibt einen entsprechenden Bericht.

Hebestreit (BReg)

Wenn ich das sagen darf und das nachliefern kann, tue ich das sehr gerne.

[…]

Hebestreit (BReg)

Ich habe eine Nachlieferung zu der Frage von vorhin. Ich kann diesen Bericht jetzt bestätigen. Es ist eine Zulieferung des zuständigen Bundesministeriums für Wirtschaft und Klimaschutz, die turnusgemäß den Bundestag über Entscheidungen des Bundessicherheitsrates im Nachgang zu Sitzungen unterrichtet. Soweit ich das überblicken konnte, sind die Angaben dieses Artikels zutreffend.

Ich kann zu IRIS-T vielleicht noch ergänzen: Das ist nicht das IRIS-T-System, das Sie aus der Ukraine kennen, sondern das ist ein System, eine Entwicklung, die von Flugzeugen gegen Flugziele, also Raketen, Drohnen und Ähnliches, eingesetzt werden kann und nicht vom Boden aus.

Frage

Wenn Sie schon beim Bundessicherheitsrat sind: Eurofighter, gibt es da dann auch eine neue Entwicklung oder Beschlusslage?

Hebestreit (BReg)

Nein. Die Situation, die wir hier am Montag besprochen haben, ist der Status quo.

Frage

Kann das Wirtschaftsministerium ausführen, welche Gründe es für die doch, so würde ich sagen, abrupte Richtungsänderungen bei Exportregulierungen gegeben hat, gerade was Saudi-Arabien betrifft? Welche Gründe hat es für dieses Umdenken gegeben?

Einhorn (BMWK)

Wenn Sie die Einschätzung der Menschenrechtslage oder der Lage vor Ort meinen, dann würde ich ans Auswärtige Amt verweisen wollen. Ansonsten kann ich mich hier zu einzelnen Genehmigungen oder möglichen ausstehenden Genehmigungen nicht äußern. Ich verweise darauf, dass das immer Entscheidungen der gesamten Bundesregierung sind. Aber zur Einschätzung der Lage vor Ort trägt in diesen Runden, wie gesagt, immer das Auswärtige Amt bei.

Hebestreit (BReg)

Da Sie von einer abrupten Richtungsänderung geredet haben: Ich weiß nicht, ob Sie Montag hier waren. Da haben wir das mit Blick auf den Eurofighter und die veränderte Einschätzung, was Saudi-Arabien und die Rolle Saudi-Arabiens in der Region, insbesondere in den Beziehungen zu Israel, angeht, eingehend besprochen. Darauf würde ich Sie verweisen. Da bekommen Sie vielleicht ein paar Antworten auf Ihre Fragen.

Zur Einschätzung jetzt vielleicht noch das Auswärtige Amt!

Zusatzfrage

Wenn ich das in den Agenturmeldungen richtig gelesen habe, ist das ja eine direkte Lieferung an Saudi-Arabien. Das ist schon eine grundlegende Änderung, zumindest in meiner Interpretation. Welche Gründe hat es dafür gegeben, Herr Fischer?

Fischer (AA)

Wir haben hier am Montag ja ausführlich ‑ ‑ ‑

Vorsitzende Wefers

Wenn ich das einmal kurz sagen darf: Die Montagspressekonferenz wollen wir jetzt nicht wiederholen.

Fischer (AA)

Genau, deshalb verweise ich darauf. Da haben wir uns ja auch ausführlich zur Rolle Saudi-Arabiens geäußert, und diese Äußerungen gelten immer noch.

Vorsitzende Wefers

Wären Sie bereit, das Protokoll nachzulesen?

Zusatz

Das kann ich gerne machen, aber ich nehme zur Kenntnis, dass sich die grundsätzliche Einschätzung zu Saudi-Arabien als Player in der Region geändert hat.

Fischer (AA)

Vielleicht nur noch ein Hinweis: Es hat ja auch im Sommer eine Verständigung der Bundesregierung auf die sogenannte Jemen-Klausel gegeben, von daher hat es ja schon veränderte Einschätzungen gegeben; und dann hat sozusagen die Zäsur des 7. Oktobers stattgefunden. Wir haben am Montag besprochen, dass Saudi-Arabien auch Raketen der Huthi in Richtung Israel abgeschossen hat. Das alles fließt natürlich in die außen- und sicherheitspolitische sowie die menschenrechtliche Bewertung ein und ist Teil der restriktiven Rüstungsexportpolitik der Bundesregierung.

Nahostkonflikt

Frage

Herr Fischer, die letzten Tage hat sich in Sachen Vermehrung der humanitären Lieferungen nach Gaza nichts getan. Wie erklären Sie sich das, trotz des Besuches von Frau Baerbock?

Fischer (AA)

Sie haben ja gesehen, dass sowohl die Außenministerin als auch der amerikanische Außenminister und der EU-Außenbeauftragte in der Region sind. Sie alle haben darauf gedrängt, dass mehr humanitäre Hilfe nach Gaza kommt.

Sie haben vielleicht auch gesehen, dass die Außenministerin gestern in Rafah an der Grenze zu Gaza war. Sie ist von Kairo nach el-Arisch geflogen und von dort dann nach Rafah weiter. Sie selbst hat dort die Lage beschrieben und ihre Forderungen noch einmal sehr deutlich gemacht, nämlich dass die Grenzübergänge rund um die Uhr geöffnet werden müssen, dass weitere Grenzübergänge geöffnet werden sollten, dass die Lkws, die in Ägypten warten, schnellstmöglich nach Gaza kommen sollen und dass Kerem Schalom weiter geöffnet wird.

Die Unterstellung, die Sie hatten, dass sich nichts geändert hat, ist nicht ganz richtig. Wir haben am Anfang eine Situation gehabt, in der es eine Totalblockade des Gazastreifens gab. Unser gemeinsamer Einsatz mit unseren Partnern in der Region, aber auch auf internationaler Ebene hat dazu geführt, dass zunächst Rafah geöffnet werden und überhaupt humanitäre Hilfe hineingelangen konnte.

Wir haben hier lange über die Frage des Treibstoffs diskutiert. Mittlerweile kommen auch wieder Treibstofflieferungen hinein. Wir haben über die Öffnung von Kerem Schalom geredet. Kerem Schalom ist mittlerweile geöffnet. Es gibt also durchaus Fortschritte. Die reichen aber bei Weitem nicht aus. Deswegen hat die Außenministerin sehr deutlich gesagt, dass das Leben in Gaza derzeit wie die Hölle auf Erden ist, und das ist so. Deshalb muss dringend ‑ das ist unsere Erwartung an alle Beteiligten, insbesondere auch an die israelische Regierung ‑ mehr Hilfe nach Gaza kommen.

Zusatzfrage

Herr Hebestreit, die Außenministerin hat ja von der israelischen Regierung gefordert, dass sie ihre Kriegsführung aufgrund des massiven Leids der Zivilbevölkerung in Gaza weniger intensiv gestaltet. Schließt sich der Kanzler dieser Forderung an? Hat der Kanzler vielleicht mit Herrn Netanjahu die letzten Tage schon darüber gesprochen?

Hebestreit (BReg)

Der Kanzler hat das sogar öffentlich am vergangenen Montag in einem Statement getan. Der luxemburgische Premierminister war zu Gast beim Bundeskanzler. In der anschließenden Pressebegegnung hat er sich dazu in diesem Sinne eingelassen, auch in all den Gesprächen, die wir mit unseren israelischen Partnerinnen und Partnern führen. Der Bundeskanzler hat das zuletzt auch in dem Telefonat, das er, ich glaube, kurz vor Silvester mit dem israelischen Kabinettsmitglied Benny Gantz ‑ der Notregierung bzw. dem Notkabinett, wie es dort heißt ‑ geführt hat, noch einmal deutlich gemacht. Das ist eine Forderung, die nicht nur die Bundesregierung und die Bundesrepublik erheben, sondern auch viele andere internationale Partner, allen voran die Vereinigten Staaten.

Frage

Was heißt „weniger intensiv“? Wieso fordert die Bundesregierung nicht zu einem Waffenstillstand auf?

Fischer (AA)

Wir fordern ‑ das hat auch die Außenministerin bei ihrem Besuch getan ‑ humanitäre Feuerpausen, um eine bessere Versorgung der Bevölkerung zu ermöglichen.

Zusatzfrage

Meine Frage betrifft die Sanktionen in Bezug auf radikale Siedler in palästinensischen Gebieten. Dieses Thema wurde letzten Monat auf europäischer Ebene diskutiert. Aber es wurde, soweit ich weiß, kein Beschluss darüber gefasst. Wie ist der aktuelle Stand?

Fischer (AA)

Die Beratungen auf europäischer Ebene gehen weiter. Beim letzten Außenministerrat im Dezember gab es einen Austausch über Sanktionen gegen radikale Siedler im Westjordanland, die sich an Gewalttaten gegen Palästinenser beteiligt haben. Dafür gab es, glaube ich, sehr große Unterstützung. Auch ging es dabei um Sanktionen gegen Hamas-Kader. Dazu sind die ersten Sanktionen erlassen worden. Die Beratungen über Sanktionen gegen radikalisierte, gewalttätige Siedler laufen in Brüssel derzeit weiter.

Frage

Herr Fischer, die Außenministerin hat gestern relativ detailliert das mehrfache Be- und Entladen von Hilfs-Lkws sowie Leerfahrten kritisiert und gefordert, dass das zugunsten einer effizienten Hilfe abgestellt werde. Gab es darauf irgendeine Reaktion, vor allem eine Zusage seitens der israelischen Regierung?

Fischer (AA)

Wir sind mit allen Beteiligten im Gespräch und haben das natürlich auch gegenüber der israelischen Regierung erörtert. Wie ich vorhin schon ausgeführt habe: Es gibt immer wieder kleinere Fortschritte. Wir setzen darauf, dass das auch in diesem Fall passieren kann.

Zusatzfrage

Aber noch nicht passiert ist. ‑ In der vergangenen Woche, vor der Reise, hatten Sie gesagt, die Außenministerin werde mit ihrem Amtskollegen Israel Katz über dessen Bemerkung, Israel befinde sich im dritten Weltkrieg, sprechen. Hat das stattgefunden, und hat er entweder plausibel erklären können, was er damit meint, oder hat er seine Position geändert?

Fischer (AA)

Sie wissen ja, dass wir hier aus vertraulichen Gesprächen nicht berichten.

Zusatzfrage

Ja. Aber wurde es thematisiert?

Fischer (AA)

Wie Sie sehen, bin ich hier und nicht auf der Reise. Daher müssten wir das klären, wenn die Kolleginnen und Kollegen wieder zurück sind. Ich gehe davon aus, dass die gesamte Bandbreite der Themen zwischen Herrn Katz und der Außenministerin besprochen worden ist.

Frage

Noch kurz zu der Situation in der Westbank. Dazu hatte die Außenministerin verlauten lassen, dass der israelische Siedlungsbau gegen Völkerrecht verstößt, die Hoffnung auf Frieden untergräbt und eine Zweistaatenlösung sowie die Sicherheit Israels gefährdet. Aber es ist nicht davon auszugehen, dass die Bundesregierung irgendwelche Schritte einleiten will, um konkret etwas gegen diesen Völkerrechtsbruch zu tun? Daran hat sich nichts geändert, Herr Fischer?

Fischer (AA)

Verschiedene UN-Resolutionen setzen sich mit diesem Thema auseinander. Wir haben uns bei der Erarbeitung natürlich aktiv eingebracht und diese Dinge mitgestaltet. Wir erwarten von der israelischen Regierung, dass sie diese Resolution umsetzt. Ich habe mich vorhin schon dazu geäußert, dass wir uns gemeinsam mit anderen in Brüssel dafür einsetzen, dass gewalttätige Siedler sanktioniert werden. Wir arbeiten auf verschiedene Ebenen daran. Nicht zuletzt auch der persönliche Austausch und der Besuch der Außenministerin in den letzten Tagen in Israel, aber auch in den palästinensischen Gebieten zielen darauf ab, diesen Umstand zu verändern.

Zusatzfrage

Fordern Sie, dass diese Siedlungen abgerissen werden, weil die ja illegal sind?

Fischer (AA)

Das hat auch die Außenministerin unterstrichen: Die Siedlungen sind illegal.

Frage

Wenn jetzt auf EU-Ebene kein gemeinsamer Beschluss kommt, würde dann Deutschland diese Sanktionen auf Eigeninitiative einführen?

Fischer (AA)

Zunächst arbeiten wir weiterhin auf europäischer Ebene an einem solchen Beschluss. Ich habe jetzt keine Anzeichen dafür, dass es da irgendwie stockt. Insofern ist das unsere präferierte und derzeit verfolgte Option.

Frage

Morgen, am Donnerstag, werden die Richter des Internationalen Gerichtshofs die Klage Südafrikas gegen den hebräischen Staat wegen Verbrechen gegen die Menschlichkeit in Gaza und im gesamten Westjordanland prüfen. Wird die Bundesregierung den hebräischen Staat verteidigen?

Fischer (AA)

Ich habe mich schon am Freitag ausführlich dazu geäußert, möglicherweise war es auch am Montag. Jetzt stehen erst einmal die Plädoyers sowohl von Südafrika als auch von Israel an. Sie können sicher sein, dass wir zu dem Thema, wie und ob wir uns beteiligen, in einem engen Austausch sind. Wir haben das zum Beispiel im Fall der Ukraine getan, aber auch das erst, nachdem die Plädoyers gehalten und die ersten Anordnungen des Gerichtshofs erlassen worden waren. Aber wir prüfen das natürlich. Das ist ein ständiger Prüfungsprozess. Insofern können wir das Gespräch darüber gerne in den nächsten Sitzungen fortsetzen.

Ukraine

Frage

Herr Hebestreit, nachdem der Kanzler am Montag etwas Druck auf die EU-Partner aufgebaut hat, dass sie doch Transparenz schaffen mögen und mehr Zusagen für Waffenlieferungen an die Ukraine machen sollten, möchte ich fragen: Hat er diesbezüglich in den letzten beiden Tagen möglicherweise schon Zusagen bekommen?

Hebestreit (BReg)

Der Bundeskanzler hat seit Montag intensiv mit einigen Staats- und Regierungschefs in Europa telefoniert, und er setzt diese Telefonate auch in den nächsten Tagen fort. Seine Bitte an die EU-Kommission ist ja gewesen, dass man bis zum außerordentlichen Rat am 1. Februar in Brüssel einen Überblick über die Entscheidungen erstellt, die in den nationalen Regierungen für die Unterstützung der Ukraine für das jetzt angebrochene Jahr getroffen worden sind. Er hat das verbunden mit der klaren Erkenntnis, dass Europa mehr tun muss, um die Ukraine gegen den russischen Angriffskrieg zu unterstützen. Da braucht es aber einen Überblick, damit man die Kräfte auch bündeln kann und gezielt unterstützt.

Zusatzfrage

Der italienische Verteidigungsminister hat heute gesagt, dass jetzt aber die Zeit für Verhandlungen gekommen sei, denn die italienische Regierung sehe jetzt Kompromissbereitschaft sowohl bei Russland als auch bei der Ukraine. Teilt die Bundesregierung diese Einschätzung?

Hebestreit (BReg)

Die Bundesregierung ist immer der Einschätzung, dass die Ukraine entscheidet, wann sie bereit ist, in Gespräche einzuwilligen. Die schöne englische Formulierung dazu ist: “Nothing about Ukraine without Ukraine”. Aus unseren Gesprächen mit der ukrainischen Seite können wir diese Bereitschaft im Augenblick nicht erkennen. Wenn sie erkennbar wird, dann können wir sie auch kommentieren, aber zum jetzigen Zeitpunkt sehe ich das nicht.

US-Gefangenenlager Guantanamo

Frage

Am 11. Januar jährt sich zum 22. Mal die Inbetriebnahme des US-Gefangenen- und Folterlagers Guantanamo. Vor diesem Hintergrund würde mich interessieren, wie die Bundesregierung aus völkerrechtlicher und menschenrechtlicher Perspektive die Weiterexistenz dieses Lagers im Jahr 2024 bewertet.

Fischer (AA)

Sie kennen die Haltung der Bundesregierung zu Guantanamo: Das Gefangenenlager in Guantanamo stellt aus unserer Sicht wichtige Prinzipien der Menschlichkeit, des Rechtsstaats und der Menschenrechte infrage. Das haben wir gegenüber den verschiedenen US-Regierungen, die es gab, seitdem Guantanamo in Betrieb ist, immer wieder deutlich zum Ausdruck gebracht. Sie wissen vielleicht auch, dass US-Präsident Biden im Februar 2021 erklärt hat, dass er die Schließung des Gefangenenlagers bis zum Ende seiner Amtszeit anstrebt. Diese Ankündigung begrüßen wir sehr.

Zusatzfrage

Apropos Völkerrecht: Das besagte US-Militärlager befindet sich ja auf einer karibischen Insel namens Kuba. Da würde mich interessieren: Wie bewertet die Bundesregierung ebenfalls aus völkerrechtlicher Perspektive die Tatsache, dass die USA einen Militärstützpunkt gegen den expliziten Willen der kubanischen Regierung aufrechterhalten?

Fischer (AA)

Ich glaube, die Sachlage ist ein bisschen komplexer. Guantanamo gehört, da haben sie recht, zum kubanischen Staatsgebiet, wurde aber zu Beginn des 20. Jahrhunderts an die USA verpachtet. Seit der kubanischen Revolution 1959 ist die kubanische Regierung jedoch der Auffassung, dass diese völkerrechtliche Praxis unwirksam ist und Guantanamo daher an Kuba zurückgegeben werden muss. Das ist zwischen Guantanamo und den USA umstritten. Die USA berufen sich auf ihre Pacht, die Kubaner stellen das in Frage. Das ist aber, ehrlich gesagt, eine bilaterale Angelegenheit zwischen den USA und Kuba.

Zusatzfrage

Diese Verpachtung beruht ja auf dem Platt Amendment von 1902. Zu diesem Zeitpunkt stand ganz Kuba unter US-Militärverwaltung. Mich würde interessieren, wie die Bundesregierung das auch eingedenk dieses historischen Hintergrunds bewertet.

Fischer (AA)

Dazu habe ich mich ja gerade geäußert. Das ist die Bewertung.

Lieferung nordkoreanischer ballistischer Raketen an Russland

Frage

An Herrn Fischer: Das Auswärtige Amt hat heute früh ein Statement veröffentlicht, in dem die Lieferung nordkoreanischer ballistischer Raketen an Russland verurteilt wird. Inwiefern gefährden nordkoreanische Waffen die Sicherheit Europas?

Fischer (AA)

Wir haben das in der Tat heute Morgen in einer gemeinsamen Erklärung mit vielen Partnerländern verurteilt. Es ist so, dass es Nordkorea aufgrund verschiedener UN-Resolutionen verboten ist, diese Art von Raketen herzustellen, zu nutzen und zu exportieren, Dass diese jetzt offensichtlich von Russland gegenüber der Ukraine eingesetzt werden, verurteilen wir auf das Schärfste, denn die Lieferungen verstoßen gegen einschlägige Resolutionen des UN-Sicherheitsrats, die Russland selbst mitbeschlossen hat. Das lässt ja besonders tief blicken: Auf der einen Seite stimmt Russland im UN-Sicherheitsrat diesem Embargo zu, auf der anderen Seite unterläuft es offensichtlich dieses Embargo.

Zusatzfrage

Inwiefern ist konkret die Gefahr der deutschen Sicherheit durch diese Raketen bedroht?

Fischer (AA)

Offensichtlich ist die europäische Sicherheit dadurch bedroht, dass jetzt neue Mittelstreckenraketen eingeführt werden, die in einem Krieg in Europa eingesetzt werden, und es verändert natürlich das europäische Sicherheitsgefüge noch einmal, wenn Akteure jetzt illegal oder gegen UN-Resolutionen verstoßend Raketen nach Europa importieren.

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