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Erklärungen des Auswärtigen Amts in der Regierungspressekonferenz vom 13.05.2024
Amtseinführung der Präsidentin Nordmazedoniens
Frage
Herr Hebestreit, die neue Präsidentin Nordmazedoniens verwendete bei ihrer Amtseinführung den Landesnamen Mazedonien. Ich möchte einen Kommentar der Bundesregierung dazu.
Des Weiteren: Hat die Bundesregierung bereits die Regierung in Skopje kontaktiert, oder plant sie, dies zu tun?
Wagner (AA)
Das kann ich gern übernehmen. Sie spielen auf die Wahl an, die in Nordmazedonien gerade stattgefunden hat. Wir haben sie natürlich zur Kenntnis genommen und wollen auch weiter mit der noch zu bildenden Regierung in Skopje zusammenarbeiten. Es wird wichtig sein, dass Nordmazedonien seinen Weg in die EU fortsetzt und die dafür notwendigen Reformen umsetzt. Dabei kann sich Nordmazedonien weiterhin auf die tatkräftige Unterstützung Deutschlands verlassen.
Sie haben mich auch auf die Namensnutzung angesprochen. Ich denke, die Sachlage ist sehr klar. Es gilt ein völkerrechtliches Abkommen, das sogenannte Prespa-Abkommen mit Griechenland. An dieses ist Nordmazedonien völkerrechtlich gebunden.
Frage
Vielleicht ist meine Frage etwas überzogen, aber können Sie aus den Signalen, die Sie jetzt aus Skopje bekommen, schon irgendwelche Schlussfolgerungen im Hinblick auf Konsequenzen für den EU-Beitrittsprozess Nordmazedoniens ableiten? Sehen Sie ihn dadurch vielleicht schon am Rande als gefährdet an, wenn sich diese Signale verstärken?
Wagner (AA)
Ich würde ungern auf ja auch von Ihnen selbst als vielleicht etwas spekulativ eingestufte Fragen eingehen. Ganz klar ist doch, dass der westliche Balkan in die EU gehört. Wir als Bundesregierung sind dafür sehr aktiv, weil wir einfach keine Grauzonen in Europa dulden können und sie, wenn wir sie belassen, von anderen besetzt werden. Insofern stehen wir auch zu der Westbalkanpolitik.
Ich würde jetzt ungern damit anfangen, darüber zu spekulieren, wie sich das mit Blick auf einzelne Staaten auf dem westlichen Balkan weiter ausbuchstabiert. Ich habe ja gesagt, dass die Regierung in Nordmazedonien noch zu bilden ist.
Nahostkonflikt
Frage
Der US-Präsident kündigte einen Stopp der Waffenlieferungen an Netanjahu an. Wird die Bundesregierung dies ebenfalls tun, oder wird sie weiterhin Waffen schicken?
Wagner (AA)
Vielen Dank, Sie beziehen sich auf die Äußerungen, die verschiedentlich Vertreter der US-Regierung am Wochenende in den USA getätigt haben. Ich denke, unsere Haltung zum Thema des Rüstungsexports ist sehr klar. Wir haben sie hier verschiedentlich auch klargelegt. Wir entscheiden über die Erteilung von Rüstungsexportgenehmigungen stets in der Gesamtwürdigung der Umstände und im deutschen Rechtsrahmen. Jeder Einzelfall wird sorgfältig geprüft.
Ich will aber vielleicht noch festhalten, dass die USA mitnichten ‑ zumindest nach dem, was ich Medienberichten jetzt entnehmen kann ‑ festgestellt hätten, dass sie keine Rüstungsgüter mehr an Israel liefern würden. Ich denke, das ist faktisch nicht ganz richtig.
Frage
Dazu hat sich Verteidigungsminister Pistorius am Freitag, meine ich, im ZDF geäußert und gesagt, die deutsche Regierung berate auch darüber, die Waffenlieferungen an Israel einzuschränken. Er hat auch gesagt, dass es nicht seine Rolle sei, diesbezüglich Ankündigungen zu machen, und auf Bundeskanzleramt und Außenministerium verwiesen.
Gab es diese Beratung, und welche Entscheidungen sind gefallen?
Wagner (AA)
Lassen Sie mich vorab vielleicht doch noch einmal genau einordnen, wie ich die Äußerungen des US-Präsidenten wahrgenommen habe. Wenn ich das Interview richtig im Ohr habe, dann hat er gesagt, dass man dann, wenn es zu einer Großoffensive in Rafah käme, Konsequenzen ziehen müsste.
Sie wissen, was die Bundesregierung zu der aktuellen Lage in Gaza, aber vor allen Dingen auch in Rafah über die letzten Tage gesagt hat. Der Bundeskanzler hat sich dazu, meine ich, am Wochenende eingelassen, die Außenministerin schon vor ein paar Tagen. Wir sind sehr besorgt über die Lage in Rafah und haben sehr klar dargelegt, welche Konsequenzen wir befürchten, wenn es dort zu einer militärischen Großoffensive kommt.
Aber noch einmal: Ich kann in den Äußerungen der Amerikaner nicht feststellen, dass die Amerikaner grundsätzlich von einer weiteren Unterstützung Israels auch im Bereich der Rüstung absähen.
Was uns angeht, habe ich gesagt, in welchen Rahmenbedingungen wir als Bundesregierung Entscheidungen über Rüstungsexporte fällen. Im Übrigen würde ich Sie aber auch noch einmal darauf verweisen, wie sich die Bundesregierung erst kürzlich vor dem IGH in dem Verfahren gegen Nicaragua eingelassen hat, wobei wir sehr explizit Details zum Stand deutscher Rüstungsexporte nach Israel genannt haben. Das Statement des deutschen Prozessvertreters finden Sie auch auf unserer Homepage.
Zusatzfrage
Ich habe nach dem Interview von Verteidigungsminister Pistorius gefragt und nicht nach der Erklärung Joe Bidens. Herr Pistorius, der Verteidigungsminister, hat gesagt, dass sich Deutschland zu Waffenlieferungen berate. Hat sich die Bundesregierung dazu beraten?
Hebestreit (BReg)
Die Bundesregierung berät sich ständig, zu jedem einzelnen Rüstungsexportprojekt. Das haben wir, denke ich, hier mehrfach dargelegt. Jede Rüstungsexportentscheidung wird im Einzelfall entschieden, und zwar unter Berücksichtigung all der dafür zuständigen und nötigen Bedingungen. Das ist ein kontinuierlicher Prozess.
Aktuell gibt es dabei aber ‑ Sie haben die letzten Tage angesprochen ‑ keinerlei Befassung mit diesem Thema. Insofern kann ich Ihnen dazu auch keinen neuen Stand bieten. Das, was wir immer tun, ist, dass wir, wenn es einen konkreten Antrag gibt, etwas zu exportieren, im Lichte der Entwicklungen, im Lichte des Völkerrechtes, im Lichte unserer Verpflichtungen, auch unserer Bündnisverpflichtungen, immer wieder überprüfen, wie man auf diesen Antrag reagiert.
Frage
Meine Frage ist damit fast schon beantwortet. Gibt es jetzt bestehende Anträge, oder werden in diesen Tagen oder Wochen Waffen aufgrund eines bereits bewilligten Antrags geliefert?
Hebestreit (BReg)
Wie Sie wissen, informieren wir darüber regelmäßig erst einmal das Parlament und dann die Öffentlichkeit. Dazu gibt es nichts, was ich im Augenblick mitteilen könnte.
Frage
Herr Wagner, woran machen Sie fest, dass aktuell noch keine Großoffensive in Rafah läuft? Die letzten Tage sind durch Bombardierungen bestimmt, und laut UN mussten über 100 000 Menschen aus Rafah schon wieder woandershin fliehen. Das ist noch keine Großoffensive Israels, ja?
Wagner (AA)
Wir sehen ein verstärktes militärisches Vorgehen Israels in Rafah. Es manifestiert sich jetzt vor allen Dingen, glaube ich, erst einmal, wenn ich die Berichte richtig gelesen habe, in der Einnahme der sogenannten Philadelphi-Passage und des Grenzübergangs mit Rafah, aber natürlich auch in Operationen in Rafah selbst. Wir sehen natürlich auch die Berichte über verstärkte Fluchtbewegungen und auch Evakuierungsaufforderungen der Israelis. Ich denke, wir stehen darüber in einem engen Austausch auch mit unseren amerikanischen Partnern. In der Tat sehen wir zum jetzigen Zeitpunkt noch keine groß angelegte militärische Bodenoffensive in Rafah. Sie wissen auch ‑ das kann ich gern wiederholen ‑, dass wir in einem solchen Fall davon ausgehen müssten, dass es zu einer humanitären Katastrophe käme. Die humanitäre Lage in Rafah und in Gaza ist ohnehin schon katastrophal. Das würde sich noch deutlich verschlimmern.
Zusatzfrage
Laut Ihren Angaben war die humanitäre Katastrophe schon längst gegeben. Das heißt, Sie sind aktuell mit der Offensive Israels, egal, ob es jetzt eine kleine oder eine mittlere ist, okay, oder?
Wagner (AA)
Das ist ja nicht die Frage.
Zusatz
Doch!
Wagner (AA)
Die Frage ist: Was tut Israel dort? ‑ Israel geht gegen die Hamas vor, die Israel nach wie vor aus Rafah heraus beschießt, vergangene Woche noch einmal mit direktem Beschuss gegen den so wichtigen Grenzübergang Kerem Schalom, über den zuvor humanitäre Hilfe nach Gaza hineingekommen ist. Insofern ist das sicherlich die Stoßrichtung der israelischen Armee.
Gleichzeitig ist das Umfeld in Rafah, in dem die israelische Armee operiert, natürlich wahnsinnig schwierig, extrem dicht besiedelt mit vielen, vielen, vielen Tausend Menschen, die aus dem Norden, aus anderen Zonen Gazas dorthin geflohen sind. Insofern haben wir die große Sorge, dass ein weiteres großflächiges militärisches Vorgehen gegen Rafah die humanitäre Lage dort noch weiter verschlechtert.
Frage
Herr Wagner, Sie haben gerade die Fluchtbewegung innerhalb Gazas angesprochen Nun finden ja auch heftige Kämpfe in Nordgaza statt. Wohin sollen die Flüchtlinge jetzt gehen?
Wagner (AA)
Sie stellen eine sehr wichtige und relevante Frage. Die Frage stellen wir uns auch, und das haben wir auch immer wieder zum Ausdruck gebracht. Wir halten es für wahnsinnig schwierig, gegen Rafah großflächig vorzugehen, weil die Menschen im Grunde nirgendwohin mehr gehen können. Deshalb unser Appell und immer wieder das Gespräch darüber, dass der Schutz der Zivilbevölkerung bei einem solchen militärischen Vorgehen ein ganz wichtiger Punkt ist.
Frage
Herr Wagner, die ägyptische Regierung hat gestern angekündigt, sich wegen des Vorgehens der israelischen Armee in Rafah der Völkermordklage Südafrikas anzuschließen. Sind Sie dazu mit dem ägyptischen Außenministerium in Kontakt. Was raten Sie den Kollegen? Raten Sie ihnen, davon abzusehen?
Wagner (AA)
Wir sind gut beraten, nicht von dieser Stelle aus in der Öffentlichkeit zu raten. Weiterhin gibt es extrem viele diplomatische Anstrengungen, und wir sind mit unseren Partnern in der Region im engen Kontakt.
Ich habe das gesehen. Ehrlich gesagt, nehme ich an, dass das eine Art Reaktion auf das Vorgehen der israelischen Armee in Rafah ist. Aber die Gespräche laufen jetzt. Uns alle eint doch letztlich das Ziel, dass wir wieder in einen politischen Prozess kommen müssen, der am Ende eine Lösung dieses Konflikts aufzeigt. Wir haben hier immer wieder dargelegt, auf welchen Handlungsfeldern wir dafür unterwegs sind. Es geht vor allem darum, mehr humanitäre Hilfe nach Gaza hineinzubekommen. Es geht darum, die Geiseln aus den Händen der Hamas freizubekommen. Es geht aber eben auch darum, die politische Perspektive auf eine Lösung im Bereich des Möglichen zu halten und zu einer Zweistaatenlösung zu kommen, weil das perspektivisch die einzige Lösung ist, die es erlauben wird, den Nahostkonflikt nachhaltig zu lösen.
Frage
Laut einer neuen Recherche von CNN werden Gefangene aus Gaza in der israelischen Wüste Negev in einem Gefangenenlager massiv misshandelt. Betroffene sprechen von Folter. Wie reagiert die Bundesregierung darauf? Sind Sie mit Israel dazu im Gespräch?
Wagner (AA)
Ich kenne diesen spezifischen Bericht jetzt nicht. Aber es ist doch klar, dass solche Berichte, wenn es sie gibt, aufgeklärt werden müssen. Sie haben vielleicht gesehen, dass es in der amerikanischen Administration gerade noch einmal einen Bericht an den Kongress mit Blick auf das Völkerrecht gab, in dem auch noch einmal darauf abgestellt wurde, dass es im israelischen System, in der israelischen Justiz durchaus Mechanismen gibt, um solche Geschichten aufzuarbeiten und strafrechtlich zu verfolgen. Darauf würden wir auch abstellen. Das muss aufgeklärt werden.
Zusatzfrage
Noch einmal zur Frage der Großoffensive: Ab wann genau würden Sie denn die Großoffensive als Großoffensive definieren? Was muss gegeben sein, damit das passiert und damit die Bundesregierung sie auch dementsprechend verurteilt?
Wagner (AA)
Ich denke, unsere Haltung ist doch wirklich sehr deutlich. Ich würde mich jetzt ungern auf eine semantische Abwägung einlassen, ab wann wir von einer Großoffensive sprechen.
Klar ist doch, dass das Schicksal der Menschen in Gaza im Mittelpunkt stehen muss und dass dafür sehr viel mehr notwendig ist, auch vonseiten der israelischen Regierung, was das Einleiten von humanitärer Hilfe angeht. Es geht nicht nur darum, die Grenzübergänge dafür aufzumachen, sondern eben auch darum, eine effektive Verteilung vor Ort zu gewährleisten. Das gilt natürlich gleichermaßen auch für die Hamas, die ihren Teil dafür tun muss.
Dass wir die Lage in Rafah mit großer Sorge sehen, habe ich hier jetzt mehrfach zum Ausdruck gebracht.
Frage
Meine Frage bezieht sich ebenfalls auf das angesprochene Gefangenenlager in der Negevwüste, über das CNN auf der Grundlage von Augenzeugen, israelischen Whistleblowerberichten und Fotos berichtet hat. Nun sagen Sie, Sie kennten das nicht. CNN hat nachgefragt. Die israelische Seite bestreitet jegliche Misshandlungen und sagt, Vorwürfe seien von der Militärpolizei untersucht worden. Diese habe festgestellt, dass es keine Verstöße gebe.
Ist es aus ihrer Sicht prinzipiell ein hinreichendes Verfahren, wenn eine angeschuldigte staatliche Seite sagt: „Na ja, unsere Polizei hat das untersucht, und wir kommen zum Ergebnis, dass da nichts vorzuwerfen ist“, oder ist in einer solchen Situation nicht eine internationale Untersuchung geboten?
Wagner (AA)
Zwar bin ich kein Völkerrechtler, aber auch im internationalen Kontext gilt natürlich vor allen Dingen immer erst einmal der Primat der rechtlichen Aufarbeitung durch den einzelnen Staat. Ich würde schon sagen, dass Israel natürlich ein Rechtsstaat ist und Verfahren und Mechanismen hat, in denen das passieren muss.
Ich kenne diesen CNN-Bericht tatsächlich nicht. Ich habe ihn noch nicht gesehen, schaue mir das aber gern an und würde dann gegebenenfalls noch etwas nachreichen, wenn wir etwa dazu nachreichen können. Aber es ist doch ganz klar, dass solche Vorwürfe umfassend aufgearbeitet werden müssen.
Zusatzfrage
Die Augenzeugen ‑ sie sind, wie gesagt, israelische Bürger, die in dem Lager gearbeitet haben ‑ sagen, die Misshandlungen ‑ so schildern sie es ‑ seien erkennbar nicht aus Gründen der Informationsgewinnung, sondern aus Rachegründen vorgenommen worden. Ist es grundsätzlich zulässig, dass in Gefangenenlagern Racheakte verübt werden, jenseits des konkreten Falles?
Wagner (AA)
Nein. Dafür, wie Gefangene zu behandeln sind, gibt es sehr klare internationale Regeln.
[…]
Frage
Herr Wagner, Sie haben nichts dazu gesagt, dass Israel jetzt auch Rafah bombardiert. Gehört für Sie auch das nicht zur Großoffensive dazu? Das ist der am dichtesten besiedelte Fleck in der ganzen Region. Bombardierungen, was ist damit?
Wagner (AA)
Ich glaube, was ich dazu gesagt habe, habe ich gesagt.
Zusatzfrage
Was denn?
Wagner (AA)
Ich würde jetzt ungern noch einmal alles wiederholen, was ich eben gesagt habe.
Zusatz
Sie haben nichts zu den aktuellen Bombardierungen gesagt. Sie haben etwas zu einer Bodenoffensive gesagt und dass Sie da differenzieren, aber nichts konkret zur Bombardierung.
Wagner (AA)
Nein. Wenn ich mich jetzt recht erinnere, habe ich vorhin schon gesagt, dass zum einen die Philadelphi-Passage und der Grenzübergang mit Rafah eingenommen wurden und dass es zum anderen im Moment in der Tat Militäroperationen, Bombardierungen, der Israelis auch gegen Rafah gibt. Dass das in einem sehr schwierigen urbanen Umfeld stattfindet, ist doch klar. Es ist ja schon seit langer Zeit die wiederholte Forderung von uns als Bundesregierung, dass der Schutz der Zivilisten dabei natürlich im Vordergrund stehen muss und Israel dabei an das humanitäre Völkerrecht gebunden ist.
Zusatzfrage
Sie haben den Bericht aus dem US-Außenministerium über Völkerrechtsverstöße seitens Israels schon angesprochen. Das machen die Amerikaner aufgrund der Waffenexporte nach Israel. Dafür gibt es ja Regeln. Gibt es eine Untersuchung dazu auch seitens des AA?
Wagner (AA)
Wir schauen uns die Lage natürlich kontinuierlich an. Der Regierungssprecher hat vorhin schon dargestellt, unter welchen Rahmenbedingungen wir solche Entscheidungen fällen. Natürlich gehört dazu auch, dass wir uns die Lageentwicklung genau anschauen, sofern wir das können.
Zusatzfrage
Aber gibt es Untersuchungen?
Wagner (AA)
Zu was?
Zusatz
Wie die Amerikaner! Die Amerikaner haben einen Bericht angefertigt, in dem sie untersucht haben, ob es Völkerrechtsverstöße gibt.
Wagner (AA)
Meines Wissens war das eine Verpflichtung der Regierung gegenüber dem Kongress. Dieser Verpflichtung ist die amerikanische Administration nachgekommen.
Frage
Herr Wagner, Sie haben gerade noch einmal betont, dass Israel ein Rechtsstaat ist. Nun sitzen laut israelischen Menschenrechtsorganisationen Tausende von palästinensischen Gefangenen seit Jahren ohne Anklage im Gefängnis. Ist das aus Ihrer Sicht akzeptabel?
Wagner (AA)
Der faktischen Feststellung, dass ein Land ein Rechtsstaat ist, steht nicht entgegen, dass man Dinge, die dort passieren, natürlich kritisieren kann. Das tun auch wir immer wieder. Die Stärke eines Rechtsstaat liegt vor allen Dingen erst einmal darin, dass er an rechtsstaatliche Verfahren gebunden ist. Wo das nicht der Fall ist, muss das geheilt und aufgeklärt werden, und zwar vollumfänglich.
Frage
Wenn aber rechtsstaatliche Verfahren für einen Großteil der palästinensischen Bevölkerung, gerade in der Westbank, nicht gelten, ist doch trotzdem die Frage, ob sich dann überhaupt noch von einem Rechtsstaat sprechen lässt, oder?
Wagner (AA)
Ich sehe jetzt, ehrlich gesagt, keinen Widerspruch. Wir haben eine sehr klare Haltung dazu und haben auch immer wieder zum Beispiel die israelische Siedlungspolitik im Westjordanland sehr klar kritisiert und sehr klar angesprochen. Wir sagen auch, dass Israel als Besatzungsmacht in diesen Gebieten natürlich rechtliche Verpflichtungen hat, denen es nachkommen und die es einhalten muss.
[…]
Frage
Herr Wagner, können Sie uns ein Update darüber geben, wie viele deutsche Staatsbürger sich derzeit nach Ihrer Kenntnis in Gaza aufhalten? Hat sich deren Zahl gegenüber Ihrer letzten freundlichen Angabe von vor knapp einem Monat verändert?
Wagner (AA)
Das mache ich gern, würde es aber gern nachreichen, um den Kolleginnen die Gelegenheit zu geben, noch einmal nachzuschauen. Denn ich denke nicht, dass ich die aktuellen Zahlen dabei habe.
Zusatz
Vielleicht könnte die Nachreichung auch beinhalten, ob es sich dabei überwiegend um Menschen handelt, die, soweit Sie es wissen, freiwillig in Gaza bleiben und bleiben wollen, oder um solche, die eigentlich lieber sofort hinaus möchten. Wenn Sie das abschätzen könnten, wäre es hilfreich.
Wagner (AA)
Das bekommen wir, denke ich, noch innerhalb dieser Bundespressekonferenz hin.
[...]
Wagner (AA)
Sie hatten mich nach Konsularzahlen mit Blick auf Gaza gefragt. Ich kann Ihnen mitteilen, dass sich laut dieser ELEFAND-Liste, die wir ja führen, nach wie vor eine niedrige dreistellige Zahl deutscher Staatsangehöriger in Gaza befindet.
Wir konnten seit November 2023 mehreren hundert deutschen Staatsangehörigen dabei behilflich sein, Gaza zu verlassen. Es gibt nach wie vor einige, die in Gaza sind und gerne ausreisen wollen. Das unterstützen wir, wo wir es können. Wir sind weiter an diesem Thema.
Aufstellung des Bundeshaushaltes
Frage
Ich habe noch eine Frage zum Thema des Haushalts und dazu, wie die Hilfslieferungen nach Gaza davon beeinflusst würden. Herr Lindner spricht jetzt davon, dass er dem von Baerbock vorgeschlagenen Haushalt sehr viel wegkürzen wolle. Baerbock sagt, dass das massive Einschränkungen für die humanitäre Hilfe sowohl in Gaza als auch in der Ukraine bedeuten könnte. Könnten Sie darauf näher eingehen? Inwiefern hätte das denn einen Effekt?
Wagner (AA)
Ich werde darauf jetzt nicht konkret eingehen, weil das ein laufendes Verfahren ist, das gerade innerhalb der Bundesregierung läuft. Ich kann natürlich noch einmal sehr allgemein sagen, dass humanitäre Hilfe sehr wichtig ist, nicht nur im Kontext des aktuellen Konflikts, sondern auch an vielen anderen Stellen der Welt, weil wir sehen, dass man mit Mitteln, die in der Prävention eingesetzt werden, sehr viel mehr tut, als danach, wenn die Krisen sozusagen richtig losgehen. Das klingt jetzt sehr salopp und ist den Krisen auch nicht angemessen, aber man muss dann noch sehr viel mehr Mittel aufwenden. Insofern denke ich, dass Geld, das man in der Krisenprävention, in der Stabilisierung, aber auch in der humanitären Hilfe gut einsetzt, gut eingesetzt ist. Aber auf die aktuellen Haushaltsverhandlungen werde ich hier nicht eingehen. Das sind regierungsinterne Gespräche, die jetzt laufen.
Präsidentschaftswahl in Tschad
Frage
An das Auswärtige Amt: Im Tschad wurde Staatschef Déby zum Sieger der Präsidentschaftswahl erklärt. Dazu hätte ich bitte gerne einen Kommentar.
Wagner (AA)
Vielen Dank für die Frage. In der Tat haben im Tschad am 6. Mai die Präsidentschaftswahlen stattgefunden. Soweit ich weiß, ist das endgültige Wahlergebnis noch nicht veröffentlicht. Es gibt außerdem noch eine Eingabe des Oppositionskandidaten beim Verfassungsrat, dessen Urteil meines Erachtens auch noch aussteht. Insofern kann ich hier jetzt keinen allgemeingültigen Kommentar zu diesen Wahlen abgeben.
Zusatzfrage
Die Opposition hat zu Protesten aufgerufen. Wir wissen, dass so etwas in der Vergangenheit auch sehr blutig ausgegangen ist. Welche Beziehungen mit dem jetzt zum Sieger erklärten Déby streben Sie an?
Wagner (AA)
Sie haben ja die Proteste in der Vergangenheit angesprochen. Insofern ist es schon einmal eine gute Nachricht, dass die Wahlen zumindest friedlich und einigermaßen ruhig abgelaufen sind. Wir bedauern natürlich, dass es nicht zu einer EU-finanzierten lokalen Beobachtermission gekommen ist. Das hatten wir eigentlich angestrebt, aber die ist dann nicht zugelassen worden.
Wir haben natürlich auch gesehen, dass der Oppositionskandidat schwerwiegende Behauptungen über Unregelmäßigkeiten erhoben hat. Das ist das Verfahren vor dem Verfassungsrat, das ich gerade erwähnt habe, wo sich eine Beschwerde noch in der Prüfung befindet. Deshalb kann ich hier jetzt auch nicht sagen, wie sich das mit Blick auf die weiteren Beziehungen auswirken wird. Sie wissen, dass dort letztes Jahr unser Botschafter ausgewiesen worden ist. Insofern gibt es da Gespräche, man ist im Gespräch, aber wir warten jetzt erst einmal die endgültigen Ergebnisse ab, und dann werden wir weiterschauen.
Reise des Bundeskanzlers nach Schweden
Frage
Ich hätte eine Frage an Herrn Hebestreit vor dem Hintergrund der Reise des Kanzlers nach Schweden, auch wenn ich nicht weiß, ob Sie sich so kurz vor der dortigen Pressekonferenz noch dazu äußern möchten. Der Kanzler hatte beim Besuch des finnischen Präsidenten gesagt, man wolle von Finnland lernen mit Blick auf die Beziehung, die das Land mit Russland hat, und mit Blick darauf, wie es sich dort sicherheitspolitisch eingestellt hat. Können Sie ausführen, was der Kanzler damit spezifisch gemeint hat?
Hebestreit (BReg)
Ohne der Reise, die in eineinhalb Stunden beginnen wird, zu sehr vorgreifen zu wollen: Ich glaube, da gibt es verschiedene Aspekte, die für uns instruktiv sein können. Das eine ist die Frage des Zivilschutzes, also wie sich Finnland auch auf mögliche Krisensituationen vorbereitet hat. Das Zweite sind natürlich auch Einschätzungen, die man hat gegenüber Russland. Der gerade ausgeschiedene finnische Präsident war wahnsinnig erfahren und hatte so viele Gespräche mit Wladimir Putin wie wohl kaum ein anderer westlicher Führer. Auch das sind Aspekte, die uns immer wieder beschäftigt haben.
Darüber hinaus ist ein guter Austausch mit dem jetzt neuen NATO-Partner natürlich immer wichtig. Das ist ja der Aspekt, der in den Überlegungen von Wladimir Putin ein bisschen zu kurz kam, als er die Ukraine überfallen hat; denn das Ergebnis ist nicht etwa, dass die NATO weiter entfernt ist, sondern jetzt sind zwei weitere Staaten, nämlich Schweden und Finnland, NATO-Mitglieder geworden, was sowohl das Bündnis als auch die Einheit des Westens stärkt. Das ist ein wichtiger Aspekt. Die Zusammenarbeit ist ohnehin gut und eng, und sie wird jetzt noch besser und noch enger.
Zusatzfrage
An das Auswärtige Amt: Schweden hatte sich unter anderem dafür stark gemacht, dass man den Ostseerat zu einer sicherheitspolitischen Institution ausbaut. Das nächste Treffen des Ostseerates findet ja im Juni statt. Haben Sie da mittlerweile ein paar mehr Details dazu bekommen? Stimmt Deutschland da grundsätzlich zu?
Wagner (AA)
Da überraschen Sie mich jetzt ein bisschen. Es tut mir leid, dass ich zum Ostseerat nicht vollumfänglich den letzten Zettel dabei habe. Das reichen wir gerne nach.
Wir hatten aber vor nicht allzu langer Zeit selbst den Vorsitz des Ostseerates, und wenn ich mich recht erinnere, hatten wir da auch bestimmte Schwerpunkte gesetzt. Das ist ja eine Organisation, die ein bisschen darbend dalag, glaube ich, nachdem sie nicht mehr so richtig eine Existenzberechtigung hatte. Der Regionssprecher hat gerade zum Ausdruck gebracht hat, dass wir uns in Europa jetzt in einem veränderten Sicherheitsumfeld befinden, und da gibt es eben auch erweiterte Fragen, wichtige Fragen beim Thema Sicherheit. Da geht es um den Ausbau von erneuerbaren Energien und um andere Themen. Wenn ich mich richtig erinnere, hat in unserer Präsidentschaft auch die Frage der Bergung von weiterhin verbliebener Munition in der Ostsee eine Rolle gespielt; denn auch das ist eine wichtige Sicherheitsfrage.
Insofern haben Sicherheitsthemen da schon immer eine Rolle gespielt, aber zu den Prioritäten der Schweden kann ich Ihnen jetzt aus dem Stand leider nichts darbieten. Wir liefern das aber gerne nach.
Russischer Angriffskrieg gegen die Ukraine
Frage
Herr Wagner, vor ein paar Tagen haben sechs Aktivisten versucht, in das ehemalige russische Generalkonsulat in Leipzig einzudringen. Von russischer Seite heißt es, es sei eine Beschwerde an Sie eingegangen und es sei gefordert waren, diese Menschen zu bestrafen. Können Sie uns sagen, was aus Ihrer Sicht passiert ist und wie Sie damit umgehen?
Wagner (AA)
Wir kennen die Medienberichte, denen zufolge sich Personen Zugang zu den Liegenschaften des ehemaligen Generalkonsulats in Leipzig verschafft haben. Man muss noch einmal klar einordnen: Seit der Schließung im November 2023 hat Russland kein Generalkonsulat in Leipzig mehr. Insofern handelt es sich jetzt auch um keine Liegenschaft, die nach dem Wiener Übereinkommen für konsularische Beziehungen besonders geschützt ist oder so, sondern das ist im Grunde ein privates Grundstück, dessen Eigentümer nach allem, was wir wissen, tatsächlich die Russische Föderation ist. Wie alle Privateigentümer in Deutschland hat die Russische Föderation daraus natürlich Rechte und Pflichten, und wenn es da zu einem Bruch des Hausfriedens gekommen ist, dann ist das eine Sache für die Sicherheitsbehörden. Mir ist nicht bekannt ‑ zumindest war das heute Morgen, als ich das letzte Mal nachgefragt hatte, nicht bekannt ‑, dass eine formale Beschwerde von der russischen Seite eingegangen ist.