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Erklärungen des Auswärtigen Amts in der Regierungspressekonferenz vom 22.07.2024

22.07.2024 - Artikel

US-Präsidentschaftswahlkampf

Frage

Frau Hoffmann, wir kennen das schriftliche Statement des Bundeskanzlers (zum Rückzug von Joe Biden aus dem US-Präsidentschaftswahlkampf), aber meine Frage ist: War der Bundeskanzler überrascht von der Entscheidung von Joe Biden?

Hoffmann (BReg)

Der Bundeskanzler hat sich gestern, wie Sie gesagt haben, auf X geäußert und noch einmal seine große Anerkennung für das betont, was der amerikanische Präsident in seiner bisherigen Amtszeit natürlich in erster Linie für die Vereinigten Staaten, aber vor allen Dingen auch für das transatlantische Verhältnis, für Europa und Deutschland geleistet hat. Natürlich hat er auch Respekt für die Entscheidung des Präsidenten.

Frage

Aber war das eine Überraschung?

Hoffmann (BReg)

Ich würde sagen, wir alle haben ja in den vergangenen Wochen und Monaten immer wieder die Nachrichten verfolgt. Ich kann mir nicht vorstellen, dass irgendjemand von diesem Thema, das ja so breit diskutiert worden war, überrascht sein konnte.

Frage

Diese Frage taucht ja immer wieder auf: Wie bereitet sich die Bundesregierung vor auf einen möglichen Wechsel zur Präsidentschaft von Donald Trump oder eben auch Kamala Harris vor?

Hoffmann (BReg)

Erstens äußern wir uns ja nicht öffentlich zu Wahlkämpfen in anderen Ländern, auch wenn es sehr eng befreundete Staaten wie die USA sind. Aber selbstverständlich gehört zu einer Demokratie Wechsel immer dazu, das ist das Wesen der Demokratie, und selbstverständlich bereiten wir uns auch auf alles vor, was mit einem solchen Wechsel zusammenhängen könnte, soweit man sich vorbereiten kann. Dazu gehört dann aber auch, dass wir hier nicht in aller Öffentlichkeit detailliert darlegen, wie eine solche Vorbereitung aussieht. Aber natürlich bereitet man sich vor.

Ich will dazu vielleicht noch sagen: Wir bereiten uns auf alle denkbaren Möglichkeiten vor. Jetzt gilt es zunächst einmal abzuwarten, sowohl was die demokratische Entscheidung angeht als auch was die US-Wahl angeht.

Zusatzfrage

Inwieweit gibt es noch Vorbereitungen in die Richtung, dass die amerikanische Unterstützung, auch militärisch und was die europäische Sicherheitspolitik angeht, möglicherweise nachlassen könnte?

Hoffmann (BReg)

Ich muss um Verständnis bitten, dass wir uns hier jetzt nicht zu den Vorbereitungen im Einzelnen und dazu, welche Überlegungen über konkrete Maßnahmen es da gibt, äußern. Selbstverständlich haben wir bereits in der Vergangenheit vieles getan, um die europäische Verteidigung und die europäische Souveränität zu stärken. Aber wie gesagt, das steht nicht konkret in diesem Zusammenhang, und dazu äußern wir uns nicht konkret.

Frage

Herr Wagner, es ist ja durchaus möglich, dass Frau Harris die nächste US-Präsidentin wird. Wie würden Sie ihr außenpolitisches Wirken in den letzten Jahren beschreiben, und was würde das für die deutsch-amerikanischen Beziehungen bedeuten?

Wagner (AA)

Vielen Dank für die Frage. Sehen Sie es mir nach, dass ich jetzt von diesem Podium aus keine Bewertung oder Beurteilung einer Kandidatin vornehmen werde. Frau Hoffmann hat gerade schon ausgeführt, dass die Demokratische Partei jetzt erst einmal eine Präsidentschaftskandidatin bzw. einen Präsidentschaftskandidaten finden muss. Insofern bitte ich um Verständnis dafür, dass wir uns dazu nicht detaillierter einlassen.

Wie Frau Hoffmann auch ausführte, arbeiten wir mit dieser Administration natürlich sehr eng zusammen; das haben wir in den vergangenen Jahren getan und das werden wir bis zum Ablauf der Legislaturperiode natürlich auch weiterhin tun. Die Bundesaußenministerin hat sich, wenn ich mich recht erinnere, am Rande der Münchner Sicherheitskonferenz auch schon einmal mit Kamala Harris ausgetauscht. Wir schauen jetzt aber natürlich mit Interesse auf diesen Wahlkampf und beobachten ihn über unsere Botschaft, über unsere Generalkonsulate, über die verschiedenen Gespräche, die Mitglieder der Bundesregierung führen ‑ zum Beispiel auch unser transatlantischer Koordinator Michael Link ‑, und dann bereiten wir uns auf alle erdenklichen Szenarien vor.

Frage

Ich würde eigentlich genau dieselbe Frage an Frau Hoffmann stellen: Wie oft hat sich der Kanzler schon mit Frau Harris getroffen? Hat der Bundeskanzler eine Meinung zu der US-Vizepräsidentin?

Hoffmann (BReg)

Wie der Kollege Wagner gesagt hat, müssen die US-Demokraten jetzt zunächst einmal eine Kandidatin oder einen Kandidaten für sich bestimmen. Es ist guter Brauch, dass wir das nicht bewerten oder kommentieren.

Ja, der Bundeskanzler hat sich mehrfach mit der US-Vizepräsidentin getroffen ‑ bei der Münchner Sicherheitskonferenz, aber zuletzt auch bei der Bürgenstock-Konferenz im Juni in der Schweiz. Er hat sie auch gemeinsam mit Präsident Biden getroffen. Es gab also eine Reihe von Treffen.

Zusatzfrage

Der Bundeskanzler hat sich ja, wie einige andere Politiker, öffentlich nur zu Herrn Biden geäußert. Heißt das, dass er sich nicht automatisch hinter die Kandidatur von Frau Harris stellt?

Hoffmann (BReg)

Es geht jetzt ja zunächst einmal darum, dass die US-Demokraten selber herausfinden und bestimmen, wer die Kandidatin oder der Kandidat sein soll. Dazu äußern wir uns hier jetzt eben nicht weiter.

Ich kann vielleicht so viel sagen: Der Bundeskanzler hat Frau Harris als eine erfahrene und kompetente Politikerin kennengelernt.

Frage

Ergänzend zu der Frage: Herr Wagner, war das Treffen von Baerbock und Harris bei der Münchner Sicherheitskonferenz das einzige zwischen den beiden, oder gab es auch noch andere Begegnungen?

Gibt es noch andere Ministerinnen oder Minister ‑ zum Beispiel Herr Pistorius ‑, die schon einen ähnlichen Austausch mit Frau Harris hatten? Das kann man vielleicht auch durch Handzeichen beantworten.

Wagner (AA)

Das war der Austausch, an den ich mich jetzt spontan erinnern kann. Ich kann nicht ausschließen, dass am Rande von internationalen Treffen auch noch die eine oder andere Gelegenheit gab; das müsste Ihnen nachreichen. An das genannte Treffen kann ich mich jetzt aber noch erinnern.

Zusatzfrage

Und weitere Treffen gab es offenbar nicht, die in Erinnerung sind?

Vorsitzende Wolf

Wenn sich jetzt kein anderes Ministerium zu Wort meldet, dann würde ich das einmal so verstehen, dass zumindest keine anderen Treffen mit Frau Harris von dieser Stelle aus genannt werden können.

Frage

Frau Hoffmann, ich möchte Sie auch noch einmal nach dem Verhältnis fragen. Die Beziehung zwischen dem Bundeskanzler und dem US-Präsidenten ist sehr eng und wird teilweise als freundschaftlich beschrieben. Wie lässt sich das Verhältnis mit Frau Harris in Worte fassen?

Hoffmann (BReg)

Der Bundeskanzler hat den US-Präsidenten mehrfach als einen Freund bezeichnet, das würde ich auf jeden Fall bestätigen. Mit Frau Harris hat er sich, wie mit US-Vizepräsidenten auch üblich, häufig getroffen, mehrfach getroffen. Das heißt, es gibt da schon eine bestimmte Nähe, eine bestimmte Bekanntheit. Er hat sie, wie gesagt, als eine erfahrene und kompetente Politikerin erlebt. So kann ich das sagen.

Frage

Eine Frage zur anderen politischen Seite in den USA: Trumps Vize J. D. Vance hat erklärt, dass er von dem unsouveränen Auftreten Deutschlands verunsichert oder überrascht ist und hat die Deutschland als Klientelstaat bezeichnet. Da würde mich nur interessieren: Teilt die Bundesregierung diese Einschätzung?

Hoffmann (BReg)

Das kommentieren wir nicht.

Zusatzfrage

Ich versuche es trotzdem noch einmal: Was für Maßnahmen plant die Bundesregierung bei einem Wahlsieg von Trump, um seinen Vize davon zu überzeugen, dass Deutschland kein Klientelstaat ist?

Hoffmann (BReg)

Wir bereiten uns auf alle Eventualitäten vor, müssen das hier aber nicht näher ausführen. Das hatte ich ja eben schon zweimal gesagt, ich sage es aber gerne auch noch einmal für Sie.

Frage

Frau Hoffmann, das klingt jetzt alles so, als gehe die Bundesregierung relativ fest davon aus, dass Frau Harris die neue Kandidatin wird. Wie überzeugt sind Sie denn davon? Oder halten Sie das in der Tat noch für eine offene Entscheidung bei den Demokraten?

Hoffmann (BReg)

Nein, das ist eine Interpretation, zu der ich keinen Anlass gegeben habe und die ich überhaupt nicht teile. Insofern will ich dazu auch gar nichts sagen. Wir haben uns nicht dazu geäußert, wie das weitergeht. Im Gegenteil haben wir mehrfach gesagt, dass es jetzt zunächst einmal an den Demokraten ist, ihre Kandidatin oder ihren Kandidaten zu bestimmen.

Zusatzfrage

Dann darf ich die zweite Frage an Herrn Wagner stellen: Sie wollen den Nominierungsprozess verständlicherweise auch nicht kommentieren, aber wie ist die Wahrnehmung der Vizepräsidentin Kamala Harris gewesen? Es gab in der Vergangenheit relativ starke und präsente Vizepräsidenten und Vizepräsidentinnen. An Frau Harris wurde häufig öffentlich kritisiert, sie sei relativ wenig präsent. Wie ist da die Wahrnehmung vor allem des Auswärtigen Amtes? Wie war sie?

Wagner (AA)

Ein netter Versuch aber ich möchte auf das verweisen, was ich bisher schon gesagt habe. Wenn ich mir jetzt einmal vorstelle, im State-Department-Briefing würden Journalistinnen und Journalisten danach gefragt werden, wie denn die deutsche Außenministerin eingeschätzt werde und wie verlässlich sie sei, dann wären wir, glaube ich, auch nicht “amused”, wenn unsere Kolleginnen und Kollegen dort eine öffentliche Beurteilung vornehmen. Sehen Sie es mir also nach, dass ich das hier nicht tue.

Frage

Herr Heil ist ja zurzeit auf Auslandsreise bzw. weilt in den USA. Sind vonseiten der Bundesregierung weitere Treffen bzw. Reisen und Kontakte zur amerikanischen Regierung geplant? Sind Termine neu hinzugekommen, um sich sozusagen mit der Lage vor Ort auseinanderzusetzen?

An das Verteidigungsministerium: Sie sagen, sicherheitspolitisch kommentieren Sie das nicht, aber ist Deutschland für den Fall, dass die Regierung zu Trump wechselt und dass sich Amerika teilweise aus der NATO zurückzieht, überhaupt in der Lage, militärisch oder sicherheitspolitisch mehr Verantwortung innerhalb des transatlantischen Bündnisses wahrzunehmen?

Müller (BMVg)

Erstens spekulieren wir nicht über mögliche Wahlausgänge in den USA; das haben wir ja gerade dargestellt. Darüber hinaus haben wir in den letzten Jahren schon Erhebliches geleistet, um Verantwortung im Bündnis zu übernehmen. Wir übernehmen sie auch und bekommen da auch sehr positive Rückmeldungen seitens unserer Partner und Verbündeten. Ich erinnere an das umfassende Engagement an der Ostflanke, wo wir mit Patriot-Systemen, wo wir mit Truppen ‑ zum Beispiel in der Slowakei ‑, wo wir in Litauen mit der EFP, mit dem Aufbau der Brigade, maßgeblich Verantwortung in den stehenden Strukturen, in den Kommandobehörden übernehmen. Mit unseren Fähigkeiten, die wir im Rahmen der Zeitenwende nicht nur ersetzen, sondern auch aufbauen, leisten wir einen erheblichen Beitrag, um unserer Verantwortung auch gerecht zu werden. Das hat der Minister auch während des NATO-Gipfels mehrfach betont.

Zusatzfrage

Wäre darüber hinaus denn noch mehr möglich?

Müller (BMVg)

Wie gesagt, wir spekulieren jetzt nicht. Wir tun unser Bestmögliches, um im Rahmen der Zeitenwende auch Verantwortung zu übernehmen. Zur Frage, ob darüber hinaus jetzt noch Punkte möglich sind: Zu unseren Fähigkeiten, zu dem, was wir einbringen ‑ wie zum Beispiel zum „New Force Model“, wo wir mit der Bundeswehr „all-in“ gehen, uns maximal einbringen ‑, sind wir mit den Partnern und mit dem Bündnis im Gespräch. Wenn es hier Bedarf gibt, dass sich Partner ‑ nicht nur Deutschland ‑ weiter engagieren, werden wir das in diesen Gesprächen einbringen, ja.

Vorsitzende Wolf

Dann war noch die Frage offen, ob es weitere Treffen von Mitgliedern der Bundesregierung bzw. Reisen in die USA geplant sind. Ich weiß nicht, Frau Hoffmann, können Sie dazu etwas sagen?

Hoffmann (BReg)

Nein, ich habe hier von meiner Seite nichts anzukündigen.

Frage

Noch eine Frage zu den Wahlen in den USA: Es gibt ja von beiden Parteien organisiert sehr umfangreiche Bemühungen, den gesamten Wahlprozess, also den Wahlvorgang selbst von der Auszählung bis hin zum Electoral College, mit Wahlbeobachtern zu beobachten. Ist Ihnen darüber etwas bekannt? Gibt es auch eine internationale Wahlbeobachtung dieses Prozesses, an der möglicherweise auch Deutschland in irgendeiner Form teilnimmt?

Wagner (AA)

Das müsste ich nachreichen, da muss ich mich schlau machen. Das mache ich aber gern.

Todesurteil gegen deinen deutschen Staatsangehörigen in Belarus

Frage

Laut Berichten gibt es jetzt Gespräche. Ohne jetzt auf den konkreten Fall einzugehen, zu dem Sie wahrscheinlich nichts sagen wollen, und eher allgemeiner gefragt: Was für Lösungen sind in solchen Fällen denkbar?

Vor dem Hintergrund, dass Deutschland Lukaschenko nicht als legitimes Staatsoberhaupt anerkennt: Wie wirken sich solche Gespräche auf die diplomatischen Beziehungen aus?

Wagner (AA)

Vielen Dank. Sie haben meine Antwort schon so ein bisschen antizipiert. Sie beziehen sich ja auf einen Konsularfall in Belarus, der uns betrifft. Es stimmt, dass dort eine deutsche Person zum Tode verurteilt worden ist. Wir haben den Betroffenen von Beginn an intensiv konsularisch betreut und setzen das auch weiter fort und setzen uns gegenüber den belarussischen Behörden intensiv für ihn ein. Sie kennen leider meinen Standardtext, dass ich mich hier von dieser Stelle aus in konsularischen Einzelfällen nicht detailliert einlasse, einfach schon auch aufgrund des Schutzes der Persönlichkeitsrechte des Betroffenen. Wie gesagt, wir setzen uns intensiv für diesen ein, und dabei würde ich es jetzt einmal belassen.

Frage

Könnten Sie denn erklären, was für Lösungen in solchen Fällen generell denkbar sind?

Wagner (AA)

Na ja, das sind ja immer konsularische Einzelfälle. Insofern ist unsere konsularische Betreuung, dass wir für den Betroffenen da sind, dass wir ‑ jetzt sehr generisch, allgemein gesprochen und nicht auf den Einzelfall bezogen ‑ so etwas wie Haftbesuche machen und uns auch politisch für die Menschen einsetzen. Aber sehen Sie es mir nach, dass ich hier in diesem Einzelfall jetzt nicht ins Detail gehen werde.

Frage

Könnten Sie denn sagen, ob die Berichte, laut denen die belarussische Regierung Ihnen bereits Lösungsvorschläge unterbreitet habe, richtig sind?

Wagner (AA)

Ich kann mich hier nicht im Detail dazu einlassen. Wie gesagt, für uns steht die konsularische Betreuung des Betroffenen und unser Einsatz für diesen im Vordergrund.

Zusatz

Das wäre ja kein Detail, sondern das wäre eher eine allgemeine Frage, ob die Berichte korrekt sind und ob das schon bei Ihnen eingegangen ist oder ob wir da uns noch in Geduld üben müssen.

Wagner (AA)

Ich habe die Frage schon verstanden. Insofern müssen Sie sich noch in Geduld üben. Wie gesagt, für uns steht im Vordergrund, dass wir uns für den Betroffenen mit allem, was wir haben, einsetzen.

Frage

Erst einmal eine sachliche Frage: Können Sie einmal sagen, wie die konsularische Betreuung in solchen Fällen aussieht? Müssen Sie das über einen Drittstaat machen, der dann zugunsten von Deutschland irgendwie Kontakt aufnimmt, oder können Sie die konsularische Betreuung direkt vornehmen?

Wagner (AA)

Wir haben ja eine Botschaft in Minsk, die arbeitsfähig ist und auch arbeitet. Insofern findet diese konsularische Betreuung natürlich vor Ort statt. Wie gesagt, ich gehe nicht ins Detail, insofern kann ich nur allgemein bleiben und sagen, was konsularische Betreuung normalerweise beinhaltet. Das beinhaltet eben Kontakt zu den Betroffenen, Kontakt zu den Familienangehörigen, zu den Anwälten, Haftbesuche und die Thematisierung von Haftbedingungen gegenüber den Behörden. Das ist das allgemeine Spektrum von konsularischer Betreuung.

Zusatzfrage

Hat es denn schon Fälle gegeben, in denen die Bundesregierung Häftlinge aus belarussischen Gefängnissen freigekauft hat?

Wagner (AA)

Das weiß ich ehrlich gesagt nicht. Ich glaube, so etwas würden wird auch nicht bestätigen ‑ was jetzt nicht heißt, dass ich sozusagen diese Möglichkeiten in Betracht ziehe. Wie gesagt, wir konzentrieren uns auf die konsularische Betreuung und setzen uns mit Nachdruck für den Betroffenen ein. Wir haben natürlich zur Kenntnis genommen, was das Außenministerium in Minsk gesagt hat; aber wie gesagt, für uns steht die konsularische Betreuung im Vordergrund.

Frage

Erste Frage: Wie wirkt es sich aus, dass Lukaschenko nicht als offizielles Staatsoberhaupt anerkannt wird?

Zweite Frage: Könnten Sie generell noch einmal das Verhältnis zwischen der Bundesregierung und Belarus charakterisieren?

Wagner (AA)

Wir unterhalten diplomatische Beziehungen zu dem Staat Belarus. Wir haben eine Botschaft vor Ort in Minsk, die funktioniert und arbeitsfähig ist, und die Kolleginnen und Kollegen, die dort an der Botschaft tätig sind, können konsularische Betreuung leisten. Insofern stehen wir dazu natürlich auch mit relevanten belarussischen Behörden in Kontakt und leisten konsularische Hilfe.

Medienberichte über einen angeblichen Abzug einer Referatsleiterin in der deutschen Botschaft Pakistan

Frage

Herr Wagner, zur vermeintlichen Visa-Affäre: Stimmen die Medienberichte, dass eine Referatsleiterin in der deutschen Botschaft in Pakistan abgezogen worden ist, weil sie offenbar eine kritische Sicht auf die Dinge hatte und diese Dokumente nicht einfach so durchgewunken hat?

Wagner (AA)

Das stimmt natürlich nicht. Diese Vorwürfe weisen wir zurück. Ich meine, wir haben uns hier vor einigen Tagen oder Wochen schon einmal zu diesen vermeintlichen Vorgängen eingelassen. Das betrifft eine kleine Anzahl von Einzelfällen, zu denen unseres Wissens Ermittlungen laufen. Man kann hier aber nicht von einem Visa-Skandal sprechen. Wir sind bei der Visavergabe an Recht und Gesetz und an Regeln gebunden, und die werden auch eingehalten. Dabei würde ich es belassen.

Zusatzfrage

Ich habe noch eine Nachfrage, in der Hoffnung, dass Sie eine weitreichende Antwort geben: Man hat das Gefühl, dass das Auswärtige Amt in dieser Angelegenheit sehr defensiv kommuniziert; man trifft bei der ganzen Geschichte fast schon auf eine Mauer des Schweigens. Ist das eine Anweisung der Hausleitung, oder warum geht das Auswärtige Amt so mit der Geschichte um, wie es damit umgeht?

Wagner (AA)

Das würde ich zurückweisen. Wir können uns zu laufenden Ermittlungsverfahren, zumal die ja bei Staatsanwaltschaften laufen, nicht einlassen. Ich nehme aber auch nicht wahr, dass wir dazu zurückhaltend kommunizieren. Im Gegenteil, ich glaube, es gibt einfach eine ganze Menge an Falschbehauptungen, die da gemacht werden, wo Sachen in den Raum gestellt werden ‑ auch in Ihrer Frage, wenn ich sie mir jetzt noch einmal vorhalte, insinuieren Sie, dass Dokumente einfach durchgewunken würden.

Vielleicht kann ich Ihnen noch einmal grundlegend erklären, wie ein deutsches Visumsverfahren funktioniert. Da werden mitnichten Anträge einfach durchgewunken; das ist vielmehr ein relativ komplexer, sehr ausführlicher Prüfprozess, an dem auch die Sicherheitsbehörden beteiligt sind, in dem bei der Antragstellung eine Reihe von Dokumenten vorgebracht werden muss und an dem Behörden und Stellen in Deutschland beteiligt werden. Nach eingehender Prüfung werden Visa dann je nachdem, ob die Voraussetzungen vorliegen, erteilt oder nicht erteilt.

Allein schon die Unterstellung, die Sie in Ihrer Frage insinuiert haben, wir könnten Dokumente oder Anträge durchwinken, weise ich also zurück. Wie gesagt, wir sind im Visumsverfahren an Recht und Gesetz und an geltende Regeln gebunden, und die werden von den Kolleginnen und Kollegen weltweit auch eingehalten. Wenn ich Ihnen noch einmal die Dimensionen präsent machen darf: Ich glaube, im letzten Jahr waren es rund zwei Millionen Visa, die wir vergeben haben ‑ ich glaube, eineinhalb Millionen Schengen-Visa und unter dem Rest eine ganze Menge Fachkräfte-Visa und nationale Visa. All diese Anträge werden natürlich so geprüft, wie die Regelungen und die Gesetze es vorsehen. Das machen wir sehr sorgfältig und halten dort die Regeln ein.

Gutachten des Internationalen Gerichtshofs zur israelischen Besatzung palästinensischer Gebiete

Frage

Die UN-Generalversammlung hatte ja ein Gutachten des Internationalen Gerichtshofs zur israelischen Besatzung palästinensischer Gebiete in Auftrag gegeben. Die Bundesregierung hatte sich am Ende entschieden, keine eigene Stellungnahme im Sommer abzugeben. Jetzt gibt es das Ergebnis, das besagt, dass die Besatzung der Palästinensergebiete illegal ist und so schnell wie möglich beendet werden muss. Ich habe bisher noch keine Stellungnahme der Bundesregierung dazu gesehen. Wie kommt das? Gerade im Hinblick darauf, dass Sie immer behauptet haben, das sei eine temporäre Besatzung und daher nicht illegal, und weil die Bundesregierung auf eine verhandelte Zweistaatenlösung aus ist, würde mich das interessieren. Das Gutachten sagt ja eindrücklich: Die Besatzung muss ohne Verhandlung beendet werden.

Hoffmann (BReg)

Herr Wagner flüstert mir gerade zu, dass die Außenministerin und damit natürlich auch die Bundesregierung sich durchaus geäußert hat ‑ dazu gleich mehr.

Von meiner Seite sage ich zunächst einmal, dass die Bundesregierung das am Freitag vom IGH verkündete Rechtsgutachten natürlich zur Kenntnis nimmt und wir natürlich auch die Unabhängigkeit des Gerichts respektieren. Es handelt sich ‑ das haben Sie ja selbst eben gesagt, Herr Jung ‑ um ein Gutachten, und solche Entscheidungen des IGH im Gutachterverfahren sind rechtlich zwar nicht verbindlich, sie sind aber für die internationale Gemeinschaft natürlich relevant.

Das Gutachten bestätigt in vielen Punkten unsere Positionierung und die Haltung der Europäischen Union, insbesondere was den Bau weiterer Siedlungen angeht. Diese Position haben wir hier ja mehrfach geäußert, sie ist bekannt. Außerdem ist unsere grundsätzliche Haltung zum weiteren Konflikt in der Region bekannt: Wir sind der Meinung, dass eine nachhaltige Lösung, die sowohl Israelis als auch Palästinensern ein Leben in Freiheit und Sicherheit ermöglicht, nur in einer Zweistaatenlösung liegen kann.

Wagner (AA)

Ich kann Sie tatsächlich auf die Äußerung der Außenministerin heute Morgen am Rande des Außenrats verweisen, wo sie sich dazu noch einmal eingelassen hat. Es ist tatsächlich so, wie Frau Hoffmann sagt, dass das ein weitreichendes Gutachten ist, das eine ganze Menge an weitreichenden Punkten macht; insofern muss man sich das jetzt auch genau anschauen. Aber auch wenn es sich dabei nicht um ein bindendes Urteil des Internationalen Gerichtshofs handelt, ist das doch die Rechtsauffassung des höchsten Gerichts der Vereinten Nationen. Insofern ist natürlich vor allen Dingen die israelische Regierung gut beraten, sich dieses Gutachten jetzt genau anzuschauen und daraus auch die Konsequenzen zu ziehen.

Zusatzfrage

Frau Hoffmann meinte gerade, das Gutachten würde viele Positionen der Bundesregierung und der EU bestätigen. Einige bestätigt es aber eben auch nicht. Unter anderem war die Bundesregierung bisher nie der Meinung, dass die Besatzung seit 1967 als solche illegal ist ‑ das ist ja ein krasser Unterschied zur Regierungshaltung ‑ und dass die Besatzung ohne Verhandlungen beendet werden muss ‑ auch das ist das Gegenteil von dem, was die Bundesregierung sagt. Was ist mit diesen beiden Punkten? Werden Sie sich in Zukunft an das höchstrichterliche Gutachten halten oder werden Sie eine eigene völkerrechtliche Position haben?

Hoffmann (BReg)

Wie Herr Wagner gesagt hat: Das ist ein umfassendes und weitreichendes Urteil. Wir schauen uns das jetzt in den einzelnen Punkten an. Es gibt einige Punkte, in denen wir bereits sehr klar erkennen können, dass das Urteil unsere Position bestätigt. Im Übrigen schauen wir es uns an.

Frage

Herr Wagner, das Gutachten spricht ja auch von einer Apartheidpolitik, also es beschuldigt Israel einer Apartheidpolitik. Würden Sie dem so zustimmen?

Wagner (AA)

Wenn ich mir das Gutachten zu dem Aspekt richtig angeschaut habe, dann hat der Internationale Gerichtshof ja festgestellt, dass bestimmte menschenrechtliche Verpflichtungen für Israel auch in Bezug auf die besetzten Gebiete gelten. Er hat eine Verletzung des Artikels 3 des Rassendiskriminierungsübereinkommens festgestellt, wonach Rassentrennung und Apartheid verboten sind. Der IGH hat sich aber, wenn ich das Gutachten richtig lese, nicht auf eine der beiden Varianten festgelegt. In jedem Fall wurde aber eine nach dem Übereinkommen unzulässige Diskriminierung festgestellt.

Insofern haben wir jetzt Klarheit in einem rechtlichen Punkt, der aber auch schon immer von der Bundesregierung moniert worden ist, dass es eine Ungleichbehandlung von Palästinenserinnen und Palästinensern und israelischen Siedlern in den besetzten Gebieten gibt.

Zusatzfrage

In dem Gutachten ist ja auch ganz klar festgestellt worden, dass Israel eine Apartheidpolitik verfolgt und dafür verantwortlich ist. Sehen Sie das genauso?

Wagner (AA)

Nur weil Sie die Frage noch einmal stellen, verändert sich nicht das, was das Gutachten sagt. Ich verweise Sie da auf die entsprechenden Gutachtenstellen und auf das, was ich eben gesagt habe.

Frage

Der IGH fordert in aller Deutlichkeit, dass jetzt alle Staaten dafür verantwortlich sind, der weiteren Besatzung der palästinensischen Gebiete entgegenzuwirken. Das bedeutet auch eine Räumung der israelischen Siedlungen im Westjordanland, auch in Ostjerusalem und im Gazastreifen. Wird sich die Bundesregierung denn aktiv für eine Räumung der Siedlungen einsetzen?

Wagner (AA)

Es ist ja so, wie Frau Hoffmann es auch schon gesagt hat: Wir haben immer gesagt, dass der Nahostkonflikt über eine Zweistaatenlösung gelöst werden muss. Das setzt voraus, dass es einen eigenen palästinensischen Staat geben kann. Das Gutachten des IGH appelliert jetzt an die Generalversammlung der Vereinten Nationen und an den Sicherheitsrat, über die Modalitäten zu befinden, über die eine Lösung herbeigeführt werden kann, um die Besatzungen zu beenden. Insofern geht der Ball jetzt an die Generalversammlung der Vereinten Nationen.

Zusatzfrage

Aber was tut denn jetzt Deutschland konkret über Lippenbekenntnisse hinaus, um diesen Völkerrechtsbruch der Besatzungen zu beenden?

Wagner (AA)

Ich glaube, wir sind jetzt gut beraten, hier nicht zu spekulieren, welche Schlussfolgerungen wir aus diesem weitreichenden Gutachten ziehen. Wir haben ja eben schon gesagt, dass es vor allen Dingen an der israelischen Regierung ist, Konsequenzen aus diesem Gutachten zu ziehen.

Es ist mitnichten so, dass wir unserer klaren Haltung und Position zur israelischen Siedlungspolitik nicht auch schon Taten haben folgen lassen. Ich verweise hier auf die verschiedenen Sanktionen, die es jetzt im EU-Rahmen gegen gewalttätige Siedler im Rahmen des Menschenrechtssanktionsregimes gab. Natürlich thematisieren wir das auch immer wieder mit unseren israelischen Partnern.

Frage

Dazu eine Frage an Herrn Wagner und/oder Herrn Funke. Der Vorwurf der Apartheid ist ja bisher, etwa vom Antisemitismusbeauftragten der Bundesregierung, immer in einer pauschalen Form als antisemitisch bezeichnet worden, als eine antisemitische Dämonisierung Israels. Jedenfalls gibt dieses Gutachten ja Anlässe, das durchaus rechtlich differenziert zu betrachten und zu begründen. Meine Frage ist, ob die Bundesregierung Anlass sieht, von der bisherigen Haltung, nach der dieser Vorwurf faktisch als antisemitisch qualifiziert werden muss, Abstand zu nehmen und differenzierte Abwägungen zuzulassen?

Wagner (AA)

Differenzierung ist immer gut. Insofern verweise ich noch einmal auf das, was ich eben gesagt habe.

Es war immer Position der Bundesregierung zu sagen, dass die Begriffswahl Apartheid einen Ton setzt, der nicht hilfreich ist, wenn man darüber nachdenkt, wie man den Nahostkonflikt gelöst bekommt.

Aber noch einmal: In dem Gutachten selbst wird jetzt festgehalten ‑ und das entspricht ja auch unserer Auffassung ‑, dass es offensichtlich eine Diskriminierung, eine Ungleichbehandlung zwischen israelischen Siedlern und Palästinenserinnen und Palästinensern in den besetzten Gebieten gibt. Durch das Gutachten wird sozusagen eine Rechtshaltung bestätigt, die wir auch hatten.

Funke (BMI)

Dem habe ich von dieser Seite derzeit nichts hinzuzufügen.

Frage

Herr Wagner, können Sie sagen, ob das Urteil in dem Gutachten, dass auch Schadenersatz für die Palästinenser geleistet werden muss, von der Bundesregierung unterstützt wird? Es geht ja nicht nur darum, dass in dem Gutachten steht, dass die Besatzung beendet werden muss, sondern dass die Palästinenser auch Anrecht auf Entschädigung haben. Ist das auch die Position der Bundesregierung?

Wagner (AA)

Weil Sie in Ihrer Frage gerade wieder den Begriff Urteil verwenden: Es handelt sich um ein Gutachten des Internationalen Gerichtshofs im Auftrag der Generalversammlung der Vereinten Nationen.

Ich kann dazu jetzt erst einmal nur sagen, dass in diesem Gutachten eine ganze Reihe völkerrechtlicher Bewertungen zur israelischen Besatzungspolitik vorgenommen werden. Die schauen wir uns jetzt genau an und analysieren sie für uns. Dabei müssen wir es im Moment belassen.

Zusatzfrage

Aber was ist denn die gegenwärtige Position der Bundesregierung? Haben Sie jemals Entschädigungen für die Palästinenser gefordert?

Wagner (AA)

Ehrlich gesagt, übersteigt es jetzt meine völkerrechtliche Kompetenz, das hier aus der Hand zu beantworten. Insofern würde ich Ihnen da eine Antwort nachreichen.

Frage

Herr Wagner, wenn man davon ausgeht, dass in einem Gutachten eine Rechtsauffassung zum Ausdruck kommt: Zur Rechtsauffassung des IGH in der Frage gehört doch wohl auch ‑ wenn ich das richtig verstehe ‑, dass nationale Regierungen verpflichtet seien, in ihrem Rechtsbereich auf Unternehmen einzuwirken, die in den Siedlungen Handel betreiben, und diesen zu unterbinden.

Welche wirtschaftlichen Beziehungen und Aktivitäten deutscher Unternehmen in den Siedlungen sind der Bundesregierung bekannt, und in welcher Weise wird sie dieser Rechtsauffassung und im Grunde Aufforderung des IGH gerecht?

Wagner (AA)

Ihre Frage zielte ja darauf ab, welche Konsequenzen wir jetzt aus diesem Gutachten ziehen. Ich glaube, wir haben hier schon mehrfach betont, dass wir dieses Gutachten jetzt genau analysieren und dann schauen werden, was es für unsere Politik bedeutet.

Aber noch einmal: Es handelt sich ja um die Rechtsauffassung des höchsten Gerichts der Vereinten Nationen. Insofern ist vor allen Dingen die israelische Regierung gut beraten, jetzt daraus die Konsequenzen zu ziehen.

Zusatzfrage

Die Aufforderung, auf andere nationale Regierungen einzuwirken und zu verhindern, dass Unternehmen, die in deren Rechtsbereich angesiedelt sind, in den Siedlungen wirtschaftlich aktiv werden, richtet sich nicht an die israelische Regierung, sondern in dem Fall an die deutsche. Können Sie uns deshalb bitte sagen oder die Information gegebenenfalls nachliefern, welche deutschen Unternehmen in den Siedlungen aktiv Handel betreiben und wie die Bundesregierung damit umgeht.

Wagner (AA)

Wenn ich dazu etwas nachreichen kann, dann mache ich das natürlich gern.

Frage

Sie sagten eben, Herr Wagner, dass Deutschland sich ja schon lange gegen die Siedlungspolitik Israels eingesetzt hat. Allerdings gab es in den letzten Jahrzehnten in Israel keine einzige Regierung, die die Siedlungs- bzw. Besatzungspolitik nicht auch vorangetrieben hat ‑ und Deutschland hat diese Regierungen politisch, wirtschaftlich und militärisch unterstützt. Ergibt sich denn daraus nicht eine gewisse Verantwortung Deutschlands für diese völkerrechtswidrige Besatzung und Siedlungspolitik? Wie wird man diese Verantwortung jetzt wahrnehmen, um sich dafür einzusetzen, dass diese Besatzung nicht weitergehen kann?

Wagner (AA)

Ich würde, wenn ich Ihre Frage höre, auch hier noch einmal für Differenzierung werben. Wir haben als deutsche Regierung, als Deutschland, eine Verantwortung für die Sicherheit des Staates Israels. Das ergibt sich aus unserer Geschichte ‑ und die ist, glaube ich, auch gut begründet. Daraus leitet sich aber keine Unterstützung für die Besatzungspolitik in den besetzten Gebieten ab und schon gar keine Unterstützung für die völkerrechtswidrige Siedlungspolitik der aktuellen israelischen Regierung und früherer israelischen Regierungen. In diesem differenzierten Bild gehen wir mit unserem Partner Israel um.

Zusatzfrage

Wenn Sie sagen, Sie unterstützen das nicht aktiv, bleibt aber die Frage: Inwiefern hat sich die Bundesregierung als enger Partner Israels dagegen eingesetzt, dass diese Siedlungspolitik weitergehen kann? Eine politische Unterstützung ist ja auch eine Legitimierung von staatlichem Handeln.

Wagner (AA)

Ich glaube, unsere Haltung ist da sehr klar. Da kann ich vielleicht auch noch einmal auf die Rede der Außenministerin, die sie vor Kurzem auf der Herzliya-Konferenz gehalten hat, verweisen. Es ist doch völlig klar, dass wir ein großes Interesse daran haben, dass Israel und Palästina in Frieden in zwei Staaten nebeneinander als Nachbarn leben können, und dafür braucht es eine verhandelte Zweistaatenlösung.

Wenn man sich die israelische Siedlungspolitik in den besetzten Gebieten anschaut, dann steht sie dieser Zweistaatenlösung und somit auch der langfristigen Sicherheit Israels entgegen. Insofern sind wir da im engen Austausch und in Gesprächen. Sie können sich sicher sein, dass wir unsere Haltung, unsere Position, immer wieder sehr deutlich machen.

Frage

Können Sie uns noch einmal einen Blick in den Maschinenraum beim AA geben? Ich hatte ja erwähnt, dass es eine Stellungnahme aus Ihrem Haus gab, die das Kanzleramt im Sommer blockiert hat. Ärgert man sich jetzt im Nachhinein, dass das so gekommen ist, weil die deutsche Haltung am IGH dann nicht betrachtet werden konnte?

Wagner (AA)

Ich kann in dem Fall leider nicht die Tür zum Maschinenraum aufmachen. Ich kann sagen, dass die Bundesregierung eine klare Haltung hat, was zum Beispiel die israelische Siedlungspolitik angeht. Wir schauen uns jetzt dieses Gutachten sehr genau an und werden dann daraus unsere Schlüsse ziehen. Wie gesagt: Andere Partner und vor allen Dingen die israelische Regierung sind gut beraten, ebenfalls ihre Schlüsse zu ziehen.

Zusatzfrage

Die klare Haltung zur Siedlungspolitik kannten wir ja schon. Es ist allgemein bekannt, dass sie illegal ist. Jetzt ist neu, dass die Besatzung als solche illegal ist. Bleiben Sie dabei oder übernehmen Sie jetzt die Ansicht, dass die Besatzung als solche illegal ist? Erkennen Sie das an? Das wäre ja jetzt der Schritt.

Wagner (AA)

Es gibt kein Völkerrecht à la carte ‑ Völkerrecht gilt. Jetzt gibt es ein nicht bindendes Gutachten des höchsten Gerichtshofs der Vereinten Nationen, das genau das sagt. Insofern ist da letztlich wenig Interpretationsspielraum.

Fahnendiebstahl bei pakistanischem Generalkonsulat in Frankfurt

Frage

Es geht um die Vorfälle am pakistanischen Konsulat vom vergangenen Samstag. Da haben Demonstranten die pakistanische Flagge heruntergeholt. Das pakistanische Außenministerium hat den deutschen Behörden im Zusammenhang mit diesem Vorfall Versagen vorgeworfen und Deutschland aufgefordert, seinen Verpflichtungen nach der Wiener Konvention nachzukommen. Können Sie uns zu dem Vorfall beziehungsweise zu den Vorwürfen Pakistans etwas sagen? Wie hat Deutschland dazu Stellung genommen?

Wagner (AA)

Zu den konkreten Vorgängen würde ich an das BMI verweisen. Ich kann Ihnen aber sagen, dass wir mit den pakistanischen Stellen, vor allen Dingen mit der pakistanischen Botschaft hier, in engem Kontakt standen. Wir sind natürlich dem Wiener Übereinkommen verpflichtet und stehen dazu.

Mich überraschen ein bisschen die Äußerungen, die Sie zitieren ‑ die kannte ich noch nicht. Ich weiß nur, dass wir über das Wochenende in engem Kontakt mit der pakistanischen Botschaft und dem Konsulat standen. Insofern kommen wir unseren Verpflichtungen nach.

Funke (BMI)

Ich kann von dieser Stelle vielleicht ergänzen, dass der Schutz diplomatischer Vertretungen in die Zuständigkeit der jeweiligen Landespolizeien fällt. Das heißt, wegen des konkreten Falls müssten Sie sich an die zuständige Landespolizei wenden.

Grundsätzlich ist das eine wichtige Aufgabe, ein hohes Gut, dem nachgegangen wird. Daher bin ich sehr zuversichtlich, dass die zuständigen Behörden jetzt gründlich ermitteln und eventuell Schlüsse daraus ziehen, wenn es verstärkte Sicherheitsmaßnahmen oder dergleichen geben muss.

Aber, wie gesagt, das fällt in die Zuständigkeit der Landespolizei.

Zusatzfrage

Auch wenn es Landesangelegenheit ist: Wenn die pakistanische Regierung sich beklagt, dann wird das ja wahrscheinlich eher nicht in Frankfurt oder bei der hessischen Landesregierung eingegangen sein, sondern bei der Bundesregierung. Ist das so? ‑ Herr Wagner zeigt sich überrascht. Ist bei Ihnen irgendetwas eingegangen?

Funke (BMI)

Mir ist dazu nichts näher bekannt. Herr Wagner hat sich ja geäußert, dass es einen grundsätzlichen Austausch mit der pakistanischen Seite gibt. Das ist das, was ich von hier aus sagen kann.

Vertrag über nukleare Mittelstreckenraketen

Frage

Verteidigungsminister Pistorius hat am 11. Juli in den „tagesthemen“ erklärt, die russische Föderation hätte den INF-Vertrag, also den Vertrag über nukleare Mittelstreckenraketen, außer Kraft gesetzt. Am 15. Juli hatte das AA hier Ähnliches behauptet.

In der realen Welt haben die USA unter Donald Trump am 1. Februar 2019 einseitig den INF-Vertrag aufgekündigt und in Reaktion darauf erst Russland. Deswegen würde mich interessieren, ob der Minister und das Auswärtige Amt planen, diese Falschdarstellung zu korrigieren.

Wagner (AA)

Russland hat den INF-Vertrag gebrochen, und daraus ergaben sich dann die Konsequenzen. Insofern ist das keine Falschdarstellung, sondern es ist einfach ein Fakt der realen Welt.

Zusatzfrage

Herr Müller?

Müller (BMVg)

Ich habe dem nichts hinzuzufügen.

Zusatzfrage

Gut, das ist jetzt sozusagen im Bereich der Interpretation. Das haben beide Seiten gegenseitig behauptet. Russland hatte damals auf die Abschusssysteme Mk 41 verwiesen, die US-amerikanische Seite auf die andere. Aber das ändert nichts daran, dass der Verteidigungsminister dieses unseres Landes in den „tagesthemen“ erklärt hat, Russland habe es außer Kraft gesetzt. Die Formulierung „außer Kraft gesetzt“ hat ja eine vertragliche Konnotation. Da ist das Verhältnis relativ klar. Der „SPIEGEL“ titelte damals zum Beispiel: „Reaktion auf US-Entscheidungen ‑ Russland steigt ebenfalls aus INF-Abrüstungsvertrag aus“. Das Henne-Ei-Problem ist ja relativ klar.

Deswegen noch einmal die Frage: Wie kommen Sie zu der Aussage? Die Frage geht an Herrn Müller. Wieso sagt Herr Pistorius, eine Seite habe ihn vertraglich aufgekündigt, wenn es de facto genau umgekehrt war?

Müller (BMVg)

Ich habe nicht vor, die Aussagen des Ministers hier weiter auszuformulieren. Die Aussagen stehen für sich. Fakt ist, dass der Generalinspektor gestern im Interview darauf hingewiesen hat, dass Russland weitreichende Raketensysteme so stationiert hat, dass sie eine Bedrohung für Deutschland und für Europa sind. Die Bewertung, wer hier der Aggressor ist, obliegt dann Ihnen allen.

Sperrung der Druschba-Pipeline nach Ungarn und in die Slowakei durch die Ukraine

Frage

Thema Ungarn. Ich probiere es mal beim AA. Gegebenenfalls kann es sein, dass sich BMWK oder so einschalten muss. Es geht darum, dass die Ukraine die Ölimporte von Lukoil nach Ungarn gekappt hat. Das könnte eine handfeste Energiekrise für Ungarn bedeuten.

Unterstützt die Bundesregierung diese Maßnahme seitens der Ukraine? Wie bewerten Sie die Drohung der Slowakei, die Dieselexporte an die Ukraine einzustellen?

Wagner (AA)

Diese Frage müsste ich tatsächlich ans BMWK abgeben

Dr. Säverin (BMWK)

Aber auch ich bin dazu, wie ich zugeben muss, nicht aussagefähig. Wir liefern Ihnen eine Antwort nach.

Zusatzfrage

Gibt es von Seiten des Kanzleramtes eine Reaktion? Die Ungarn haben sich immer geweigert, die Ölsanktionen mit umzusetzen. Darauf haben die Ukrainer verwiesen. Jetzt diese Entwicklung mit Lukoil ‑ unterstützt die Bundesregierung hierbei das EU-Mitglied oder die Ukraine?

Hoffmann (BReg)

Wir schauen, ob wir etwas nachliefern können.

Möglicher Boykott eines geplanten Treffens der EU-Außenminister in Budapest durch den Hohen Vertreter der Europäischen Union für Außen- und Sicherheitspolitik

Frage

Zur Reise des ungarischen Ministerpräsidenten nach Moskau und Peking: Der EU-Chefdiplomat erwägt einen Boykott des EU-Außenministertreffens im August. Wird die Bundesrepublik dieses Treffen ebenfalls boykottieren?

Hoffmann (BReg)

Wir haben uns zu der Reise des ungarischen Ministerpräsidenten mehrfach geäußert, und zwar in der Hinsicht, dass er sie tatsächlich als ungarischer Ministerpräsident getätigt hat und nicht in der Eigenschaft Ungarns als Inhaber der Ratspräsidentschaft zu diesem Zeitpunkt. Es hat durchaus auch kritische Stimmen dazu gegeben, wie er dabei Ratspräsidentschaft und sein bilaterales Amt zu vermengen versucht hat.

Was die Teilnahme an Treffen angeht, geben wir sie immer kurzfristig bekannt. Dabei würde ich jetzt bleiben wollen.

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