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Erklärungen des Auswärtigen Amts in der Regierungspressekonferenz vom 29.07.2024

29.07.2024 - Artikel

Abschiebungen nach Syrien und Afghanistan

Frage

Ich habe eine Frage an das BMI. Es gab eine neue Rechtsprechung beim OVG Münster. Dabei ging es um Abschiebungen nach Syrien. Wie bewertet die Bundesregierung das Urteil? Inwiefern kann das Ihrer Meinung nach dazu führen, dass man jetzt mehr nach Afghanistan und Syrien abschieben kann?

Funke (BMI)

Wir haben das hier am Freitag schon en détail besprochen. Das BMI hat das Urteil des Oberverwaltungsgerichts Münster zur Kenntnis genommen. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig. Wir werten zurzeit die Urteilsgründe, die erst seit Donnerstagnachmittag vorliegen, sorgfältig aus. Das heißt, zum Ziehen etwaiger Schlüsse oder dergleichen ist es schlichtweg noch zu früh.

Ich habe am Freitag auch gesagt, dass, losgelöst von diesem Einzelfall, das BMI und das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge grundsätzlich fortlaufend die Entscheidungspraxis auf der Grundlage der verfügbaren Quellen prüfen. Darunter fallen auch Gerichtsentscheidungen. Gerichtsentscheidungen von Oberverwaltungsgerichten kommt noch einmal einer besonderen Bedeutung zu, weil es ein hohes Gericht ist.

Wie gesagt: Wir werten die Urteilsgründe jetzt sorgsam aus. Für etwaige Schlüsse daraus ist es noch zu früh.

Zusatzfrage

Frau Faeser scheint auf jeden Fall schon Schlüsse daraus zu ziehen. Zumindest hatte sie der „Bild am Sonntag“ ein Interview gegeben, in dem sie gesagt hat, vor allem islamistische Straftäter wolle man jetzt verstärkt abschieben. Sie scheint da mehr Wissen in diese Richtung zu haben. Dahin gehend noch einmal gefragt: Warum halten Sie sich nicht an das, was vom AA kommt, also an die Empfehlungen, die vom AA gegeben werden, und warum sagt die Ministerin derzeit dennoch: „Trotz der Empfehlungen des AA können wir jetzt verstärkt abschieben“?

Funke (BMI)

Der Lagebericht des Auswärtigen Amtes ist eine bedeutende Quelle, sowohl im Asylprüfungsverfahren als auch für Fragen einer möglichen Rückführung. Davon unabhängig ist aber die Diskussion zur Abschiebung von Gewalttätern, insbesondere aus dem islamistischen Spektrum. Diese Diskussion ‑ Sie erinnern sich ‑ wird schon länger geführt. Auch auf der IMK haben wir mit den Ländern intensiv darüber debattiert. Wir sind, wie Sie wissen, in vertraulichen Gesprächen, um das zu ermöglichen, sowohl nach Syrien als auch nach Afghanistan.

Fischer (AA)

Ich möchte gerne etwas zu den Asyllageberichten ergänzen, weil das eine wichtige Rolle spielt und nicht jedem immer gleich klar ist, was der Asyllagebericht ist.

Die Asyllageberichte werden vom Auswärtigen Amt im Rahmen der Rechts- und Amtshilfe für andere Behörden und für Gerichte des Bundes und der Länder erstellt. Sie beschreiben faktisch und objektiv anhand der verfügbaren Quellen die asyl- und abschiebungsrelevante Lage vor Ort. Die Berichte enthalten aber keine rechtlichen Wertungen oder Schlussfolgerungen. Dies zu tun, ist Aufgabe der von Herrn Funke erwähnten Innenbehörden bzw., wenn es zu einer Rechtsstreitigkeit kommt, der Verwaltungsgerichte im Asylverfahren.

Was die Lage in Syrien angeht, so hat es im Februar dieses Jahres eine Fortschreibung des Asyllageberichts gegeben, der auf Grundlage der uns zur Verfügung stehenden Quellen ein realistisches Bild der Lage vor Ort zeichnet. Danach kommt es in allen Landesteilen Syriens weiterhin zu Kampfhandlungen unterschiedlicher Intensität. Zudem liegen glaubwürdige Berichte über teils schwerste und willkürliche Menschenrechtsverletzungen vor, darunter Folterpraktiken und Hinrichtungen, von denen in der Vergangenheit auch schon Rückkehrer betroffen waren. Sie müssen wissen, es gibt nicht besonders viele Rückkehrer nach Syrien. Daher kommen die Vereinten Nationen, die in Syrien mit eigenem Personal präsent sind, weiterhin zu der Einschätzung, dass die Bedingungen für eine sichere Rückkehr von Geflüchteten derzeit nicht gegeben sind.

Frage

Das Thema ist Syrien. Sieben europäische Länder schlugen die Wiederherstellung der Beziehungen zum Feind der Menschheit Baschar al-Assad vor, um den Flüchtlingsstrom nach Europa zu stoppen. Die Bundesregierung hat ihre Meinung dazu noch nicht geäußert. Ist die Bundesregierung bereit, den Iran zu entweihen, indem sie dem Tyrannen Baschar al-Assad in Syrien die Hand schüttelt bzw. sich dadurch die Hände schmutzig macht?

Fischer (AA)

Es gibt diesen Brief der acht Außenministerinnen und Außenminister an den Hohen Vertreter der EU, Herrn Josep Borrell. Dieser Brief ist vor dem letzten Treffen der EU-Außenministerinnen und ‑Außenminister in Brüssel veröffentlicht worden. Er regt letztlich einen Nachdenkprozess an, um die Wirksamkeit der EU-Instrumente in der Syrienpolitik zu überprüfen. Wir stehen Nachdenkprozessen immer offen gegenüber. Dieser Prozess wird jetzt in den einschlägigen Ratsarbeitsgruppen in Brüssel vorangetrieben. Wir prüfen jetzt gemeinsam mit unseren EU-Partnerinnen und ‑Partnern, wie wir es zukünftig mit der Syrienpolitik halten.

Klar ist aber auch, dass das syrische Regime momentan jeden Fortschritt im politischen Prozess entsprechend der UN-Sicherheitsratsresolution 2254 blockiert und weiterhin täglich schwerste Menschenrechtsverbrechen gegen die eigene Bevölkerung begeht. Solange das so ist, kann man nicht wirklich eine Normalisierung der Beziehungen zum syrischen Regime anstreben wollen.

Frage

Noch einmal zurück zum OVG Münster und den Lageberichten des Auswärtigen Amtes. Das Gericht stützt seine Entscheidung ja ausdrücklich nicht auf diese Berichte, weil es sie mehrfach für nicht plausibel erklärt hat, und auch nicht auf die Berichte der EU-Asylagentur.

An das BMI die Frage: Wie macht das eigentlich das BAMF? Worauf stützt das BAMF das? Noch einmal einen Schritt zurück: Das Gericht stützt seine Entscheidung stattdessen auf ein Protokoll des dänischen Einwanderungsdienstes nach einem Gespräch mit einer Menschenrechtsorganisation. Auf welche Berichte stützt das BAMF seine Entscheidungen?

An das Auswärtige Amt: Was bedeutet es für das Auswärtige Amt, dass das Gericht diese Berichte für nicht plausibel erklärt? Hat das irgendeine Konsequenz, verweisen Sie einfach auf die Unabhängigkeit der Gerichte, oder bedeutet das irgendetwas?

Funke (BMI)

Ich fange einmal an. ‑ Ich habe es in meiner Antwort gerade schon vorweggenommen, dass der Lageeinschätzung des Auswärtigen Amtes natürlich eine wichtige Rolle in der Entscheidungspraxis des BAMF zukommt. Aber dies ist nicht die einzige Quelle, die das BAMF nutzt, sondern das BAMF nutzt weitere Quellen. Ich kann das hier en détail nicht ausführen. Das BAMF steht auch im Austausch mit seinen europäischen Partnerbehörden. Es versucht, sich auf eine größere Anzahl von Quellen zu stützen.

Fischer (AA)

Was mich angeht, so kann ich sagen: Es ist ja die Schönheit des Rechtsstaats, dass Gerichte unabhängig sind und zu eigenen Einschätzungen kommen. Das OVG Münster ist zu der von Ihnen genannten Einschätzung gekommen. Andere Gerichte sind in der Vergangenheit zu anderen Einschätzungen gekommen. Es gibt momentan keine einheitliche Rechtsprechung in diesem Fall. Vielmehr ist sozusagen die Entscheidung des OVG jetzt eine Einzelfallentscheidung. Im Einzelfall muss man immer noch mal genau prüfen, wie die konkrete Gefährdungslage für die betroffene Person ist. Da ist das Gericht offensichtlich zu der Entscheidung gekommen, die es getroffen hat.

Nichtsdestotrotz stehen wir natürlich zu dem Asyllagebericht, den wir ja erst Anfang des Jahres aktualisiert haben und der, wie wir glauben, auf Grundlage der uns zur Verfügung stehenden Quellen die Lage in Syrien objektiv beschreibt.

Frage

Meine Frage geht an das BMI und an das AA. Ich habe jetzt nachgelesen, was Sie am Freitag gesagt haben, und werde nicht richtig schlau daraus. Vielleicht einfach einmal ganz konkret: Welche Hürden sehen Sie aktuell, Stand jetzt, als Hindernis für Abschiebungen nach Afghanistan und Syrien?

Funke (BMI)

Noch einmal: Die Gespräche dazu laufen, um Abschiebungen wieder zu ermöglichen. Sie wissen, dass grundsätzlich für Abschiebungen die Bundesländer bei uns zuständig sind. Es geht unter anderem um ganz konkrete Fragen, die zu klären sind: Man muss die Identität klären. Man muss schauen, ob es Passpapiere gibt. Man muss schauen, wie man eine Rückführung organisatorisch ermöglichen kann. Das alles sind Fragen neben rechtlichen Fragen, wie zum Beispiel, ob individuelle Rückführungsverbote oder ‑hindernisse bestehen. Da spielt jeweils ein großer Komplex eine Rolle. Das ist im Zweifel in jedem Einzelfall zu prüfen.

In der Tat: Zu der Abschiebung von Gefährdern, insbesondere aus dem islamistischen Raum, hat sich die Ministerin am Wochenende noch einmal klar geäußert und gesagt, dass dazu vertrauliche Gespräche geführt werden. Denen kann ich zum einen hier nicht vorweggreifen. Zum anderen sind sie vertraulich. Ich kann nicht mehr dazu sagen.

Zusatzfrage

Sie haben meine Frage nicht beantwortet. Ich will nicht wissen, was Sie in Zukunft machen. Ich will auch nicht wissen, was Sie individuell angehen, im Allgemeinen, sondern ich will wissen, was aktuell, heute die Hürden für Abschiebungen nach Syrien oder Afghanistan sind.

Funke (BMI)

Ich habe versucht, das in meiner Antwort davor zu erklären. Viel mehr kann ich dem nicht hinzufügen. Sie wissen ‑ ganz allgemein ‑, es gibt zum Beispiel keinen Abschiebestopp nach Syrien formell mehr; der ist ausgelaufen. Es gibt dadurch, dass derzeit vorwiegend subsidiärer Schutz ausgesprochen wird, faktisch keine Abschiebungen nach Syrien. Das ist derzeit die Entscheidungspraxis. Auch zu Afghanistan haben wir uns häufig genug geäußert. Ich kann dem momentan nicht mehr hinzufügen.

Zusatzfrage

Auswärtiges Amt?

Fischer (AA)

Den Ausführungen des Kollegen habe ich nichts hinzuzufügen. Sie wissen ja, dass das Bundesinnenministerium die Fragen prüft. Das haben wir hier schon regelmäßig besprochen. Insofern ist es da auch an der richtigen Stelle.

Ich will von unserer Seite noch darauf hinweisen, dass sich die Ministerin mehrfach dahin gehend geäußert hat, dass jemand, der Schutz in einer liberalen Demokratie sucht, den Anspruch darauf verwirkt, wenn er sie zerstören will, dass Schwerverbrecher nach der Verbüßung ihrer Strafe in unserem Land nichts verloren haben und dass gleichzeitig aber die Umsetzung, wenn Täter in ein Land mit einem Terrorregime abgeschoben werden sollen, alles andere als trivial ist. Darauf hat der Kollege gerade hingewiesen. Insofern stellt sich die Lage dar, wie sie ist. Das ist nicht einfach. Deshalb prüft das BMI auch, wie man das gestalten kann.

Frage

Der Bundeskanzler hat in der vergangenen Woche hier ziemlich deutlich gemacht: Wir werden bald darüber berichten können, dass es Abschiebungen gegeben hat, zum Beispiel nach Afghanistan. ‑ Frau Baerbock sagt nun, man solle nicht etwas versprechen, was man nicht halten könne. Jetzt würde mich interessieren. Wie groß ist da der Dissens innerhalb der Regierung?

Hoffmann (BReg)

Ich gehe da nicht von einem Dissens aus. Der Bundeskanzler hat, wie Sie es zitiert haben, seine Position, die er auch schon vorher geäußert hatte, bekräftigt, dass Straftäter abgeschoben werden sollen, auch nach Afghanistan und Syrien. Das ist in der Position, die Herr Fischer hier eben noch einmal zitiert hat, deutlich geworden. Wer in Deutschland Straftaten begeht, kann sich nicht einfach darauf verlassen, dass er nicht zurückgeführt wird, im Gegenteil. Das wird derzeit geprüft. Wir werden sehen, welches Ergebnis es dann geben wird.

Fischer (AA)

Ich glaube, es ist wichtig, die Debatte ein bisschen vom Kopf auf die Füße zu stellen und die Aufregung ein bisschen herauszunehmen. Die Ministerin hat sich zuletzt mehrfach in dem Sinne geäußert, wie ich das gesagt habe, auch bei der „Zeit“-Veranstaltung am Freitag. Sie hat sich letztlich im Kern dafür ausgesprochen, ein realistisches Bild von den Möglichkeiten zu zeichnen, Rückführungen nach Afghanistan und Syrien umzusetzen. Ich glaube, da sind wir alle in der Bundesregierung einer Meinung.

[…]

Frage

Herr Funke, wir haben eben etwas über den Asyllagebericht gehört, auch darüber, dass es in Syrien keine sicheren Zonen gibt und dass rückgeführten Menschen Tod und Folter drohen. Eine prinzipielle Frage: Ist es rechtlich zulässig, Menschen zurückzuführen oder abzuschieben in Situationen, in denen ihnen mit einer zumindest gewissen Wahrscheinlichkeit Lebensgefahr und Folter drohen? Ist das grundsätzlich zulässig?

Funke (BMI)

Zum einen kommentiere ich nicht die Lageeinschätzung des Auswärtigen Amtes. Das steht mir gar nicht zu. Zum anderen wissen Sie, dass es Abschiebungsverbote gibt, wenn zum Beispiel unmenschliche Behandlung oder Folter droht.

Zusatzfrage

Genau danach hatte ich gefragt. ‑ Herr Fischer, es gibt eine interessante Parallele insofern: Im Jahr 2018 wollte die damalige Bundeskanzlerin vermehrt Abschiebungen nach Afghanistan durchführen. Das hatte seinerzeit die damalige Parteivorsitzende der Grünen, Annalena Baerbock, als unverantwortlich bezeichnet. Gilt das jetzt analog? Wären Abschiebungen bzw. Rückführungen in ein Terrorregime wie Syrien unter den gegenwärtigen Bedingungen vor dem Hintergrund des Asyllageberichts unverantwortlich?

Fischer (AA)

Ich glaube, ich habe mich hier ausführlich zu diesen Fragen geäußert.

Frage

Ich habe nur eine Lernfrage. Herr Fischer, hat das AA Erkenntnisse über den Umgang der Taliban und oder des syrischen Regimes mit Abgeschobenen aus Deutschland? Wenn ja, welche?

Fischer (AA)

Nach meiner Kenntnis gab es in den letzten Monaten und Jahren keine Abschiebungen in die beiden Länder. Daher kann man nur daraus schließen, was mit freiwilligen Rückkehrern passiert. Ich habe vorhin schon erwähnt, dass auch Rückkehrer in der Vergangenheit von Folter und Hinrichtungen betroffen gewesen sind.

Zusatzfrage

Die Erfahrung ist also, dass es tatsächlich so ist, wie Sie es in dem Asyllagebericht beschreiben?

Fischer (AA)

Der Asyllagebericht stützt sich ja auf die uns verfügbaren Quellen und zeichnet ein möglichst objektives Bild der Lage vor Ort.

Frage

Herr Funke, Sie haben vorhin einige praktische Probleme in Bezug auf Abschiebungen insgesamt genannt, beispielsweise Papiere. In Sachen Afghanistan hat Herr Seehofer damals die Abschiebungen gestoppt, weil sie zu unsicher für die begleitende Polizei gewesen seien. Schließen Sie vor diesem Hintergrund trotzdem aus ‑ diese Frage richtet sich auch an das AA ‑, wieder diplomatische Beziehungen mit Syrien und Afghanistan aufzunehmen, um Abschiebungen möglich zu machen?

Funke (BMI)

Das ist eine Frage, die ich nicht kommentieren kann. Das ist eine außenpolitische Frage. Dazu wird Herr Fischer bestimmt gleich noch etwas sagen. Im Übrigen habe ich dargelegt, was ich derzeit darlegen kann, und dabei möchte ich es belassen.

Fischer (AA)

Auch zu der Lage der Aufnahme bilateraler Beziehungen und der Entsendung von Kolleginnen und Kollegen an eine möglicherweise wiedereröffnete Botschaft in Kabul haben wir uns schon öfter hier geäußert. Momentan unterhält kein europäisches Land eine Botschaft in Kabul. Dieses islamistische Terrorregime ist von keinem Land der Welt anerkannt.

Zusatzfrage

Aber ein Problem haben Sie nicht damit, wenn Nachbarländer diese Beziehungen dann nutzen, um Abgeschobene dahin zu bringen?

Fischer (AA)

Wir reden derzeit nicht über diese Fragestellung. Es gibt einen Prüfauftrag an das BMI. Die Kolleginnen und Kollegen setzen das nach bestem Wissen und Gewissen um.

Nahostkonflikt

Frage

Herr Fischer, das israelische Sicherheitskabinett hat jetzt einen Angriff auf den Libanon gebilligt. Wie besorgt sind Sie, dass es zu einem Krieg in dem Land kommt?

Hoffmann (BReg)

Lassen Sie mich vielleicht einmal anfangen, ganz allgemein im Namen der Bundesregierung. Die Bundesaußenministerin hat sich ja schon am Wochenende geäußert.

Die Bundesregierung verurteilt den Angriff auf das drusische Dorf Madschdal Schams. Unsere Gedanken sind insbesondere bei den Angehörigen der getöteten Kinder und Jugendlichen und natürlich auch bei den Verletzten, denen wir schnelle Genesung wünschen.

Die fortgesetzten Angriffe der Hisbollah und anderer Akteure sind inakzeptabel. Sie müssen aufhören. Es gilt gerade in dieser angespannten Situation, aber auch weiterhin, eine Eskalation und einen regionalen Flächenbrand zu vermeiden. Das machen wir auch immer wieder mit unseren Partnern deutlich. Alle Akteure sind aufgerufen, ihren Einfluss auf ihre Verbündeten in der Region zu nutzen. Das gilt insbesondere für Iran.

Zusatzfrage

Frau Hoffmann, Sie haben gerade von Verbündeten gesprochen. Ihr Verbündeter ist ja Israel. Gibt es irgendwelche Gespräche, um Israel von einem großflächigen Angriff abzuhalten?

Hoffmann (BReg)

Wir sind ständig in Kontakt mit unseren Partnern in Israel.

Fischer (AA)

Ich kann Ihnen verraten, dass die Außenministerin am Wochenende auch Kontakt zum israelischen Außenminister, zu ihrem Amtskollegen, hatte.

Zusatzfrage

Gab es Gespräche auch mit der libanesischen Seite?

Fischer (AA)

Die Außenministerin hat über das Wochenende mit den verschiedensten Partnern in Kontakt gestanden, auch mit dem iranischen Außenminister. Das Telefonat hat kurz vor dem Anschlag stattgefunden. Sie können sicher sein, dass es dabei auch um die regionale Rolle Irans und auch um die iranische Unterstützung für bewaffnete Organisationen in der Region wie die Huthi und die Hisbollah gegangen ist und dass die Ministerin da natürlich auch darauf hingewirkt hat, dass es zu einer Mäßigung kommt und sich die Situation nicht weiter zu einem Flächenbrand ausbreitet.

Zusatzfrage

Das war vor dem Angriff?

Fischer (AA)

Es war kurz vor dem Angriff, ja, aber es ist ja nicht so, dass die Lage im israelisch-libanesischen Grenzgebiet vorher stabil gewesen wäre, und es ist auch nicht so, dass die Huthi nicht in den letzten Wochen ihre Angriffe auf Israel, aber vor allen Dingen auch auf die freie Schifffahrt erhöht hätten. All diese Terrororganisationen werden von Iran unterstützt, bewaffnet, ausgebildet. Dementsprechend kann man, glaube ich, davon ausgehen, dass ein Gespräch mit dem Iran und der Hinweis darauf, dass jetzt alle aufgerufen sind ‑ einschließlich Irans ‑, zu einer Mäßigung beizutragen, dann auch bei diesen Organisationen ankommt.

Frage

Geht die Bundesregierung mit Sicherheit davon aus, dass es sich bei dem Angriff auf Madschdal Schams um einen Angriff von Hisbollah gehandelt hat?

Fischer (AA)

Die Indizien, die uns vorliegen, deuten alle auf eine Beteiligung der Hisbollah hin.

Zusatz

Die Außenministerin hat in einem Statement impliziert, dass es sich bei den Opfern um israelische Bürger gehandelt hat. Das hat sie nicht ganz direkt gesagt, aber sie sprach in diesem Zusammenhang von israelischen Bürgern. Laut den Behörden aus Madschdal Schams waren aber die Menschen, die dort getötet wurden, keine israelischen Staatsbürger.

Fischer (AA)

Ich glaube, die Situation auf den Golanhöhen ist rechtlich kompliziert. Es ist zum einen so, dass die Golanhöhen, wie Sie wissen, 1967 von Israel besetzt wurden und Israel die Golanhöhen 1981 annektiert hat. Wir erkennen als Bundesrepublik Deutschland diese Annexion nicht an. Völkerrechtlich gehört das Gebiet weiter zu Syrien. Es ist aber trotzdem so, dass Teile der drusischen Gemeinschaft auf dem besetzten Golan die israelische Staatsangehörigkeit angenommen haben. Andere drusische Familien, Bürgerinnen und Bürger, die dort wohnen, halten hingegen Distanz zum israelischen Staat und fühlen sich Syrien weiter zugehörig. Was die Staatsangehörigkeit der drusischen Gemeinschaft auf dem Golan angeht, gibt es also ein gemischtes Bild.

Frage

An das BMVg: Inwieweit wirkt sich die Zuspitzung dieser Situation auch auf deutsche Soldaten und Soldatinnen aus, die dort vor Ort sind?

Collatz (BMVg)

Wir schauen eindeutig mit Sorge auf die Situation vor Ort. Wir haben an der blauen Linie regelmäßig etwa 30 bis 60 Vorfälle zu verzeichnen. Es muss aber auch unterstrichen werden, dass die UN-Kräfte nicht Ziel von Angriffen sind, sondern eher darunter leiden, dass sich die beiden Parteien oder mehrere Parteien dort gegenseitig beschießen. Dann kann es eben auch dazu kommen, dass in der Nähe des Lagers, insbesondere des UN-Hauptquartiers im Süden des Libanon, Gefährdungen entstehen.

Ich habe hier an anderer Stelle auch schon einmal gesagt, dass wir dort mit unseren Partnern im ständigen Austausch zur Sicherheitslage und zu notwendigen Maßnahmen stehen. Die UN nehmen das ebenfalls sehr ernst und sind natürlich auch hauptverantwortlich dafür, das Personal vor Ort auch in sichere Rahmenbedingungen zu kleiden. Dazu gehört auch, dass es so etwas wie Evakuierungsplanungen gibt. Das liegt bei den UN in Abstimmung mit den beteiligten Nationen. Dazu tauschen wir uns ständig aus, aktualisieren das und sind mit Maßnahmen vorbereitet. Das Personal vor Ort unterliegt auch erhöhten Alarmierungsgraden, um sich selbst zu schützen. Wir haben hier ja auch schon darüber gesprochen, dass, wenn das absehbar ist und Gefährdungslagen vorliegen, die Menschen dann auch in die Bunker geschickt werden.

Ziel ist es aber, dieses Mandat so lange wie möglich umzusetzen, weil es eben doch einen Anknüpfungspunkt gibt, um ins Gespräch miteinander zu kommen und auch den libanesischen Kräften vor Ort eine Unterstützungsmöglichkeit zu geben, die sie sonst nicht haben.

Fischer (AA)

Ich würde vielleicht gerne noch etwas zu der Konsularseite ergänzen. Wir haben seit Oktober 2023 eine Reisewarnung und eine Ausreiseaufforderung für Libanon. Ich appelliere hier an alle Deutschen, die sich jetzt noch im Libanon aufhalten, die derzeit noch bestehenden Möglichkeiten zur Ausreise aus dem Libanon zu nutzen und dies jetzt dringlich auch zu tun.

[…]

Frage

Herr Fischer, Sie haben gerade alle Deutschen aufgefordert, das Land zu verlassen. Nun haben ja mehrere europäische Fluglinien ihre Flüge in den Libanon gestrichen. Wie sollen die Deutschen also aus dem Land herauskommen? Gibt es Pläne für Evakuierungen von Deutschen aus dem Libanon?

Fischer (AA)

Es gibt trotz der Aussetzung von Flügen durch die Lufthansa-Gruppe weiterhin noch kommerziellen Flugverkehr aus Libanon in Richtung Europa und die Türkei. Wir rufen alle dazu auf, diese Möglichkeiten jetzt noch zu nutzen.

Vielleicht auch noch einmal zur allgemeinen Lage: Wie der Kollege Collatz schon sagte, sind wir seit dem 7. Oktober im ständigen Austausch mit anderen Ressorts und unseren Partnern. Der Krisenstab für die Region, aber auch im Speziellen zu Libanon, tagt seitdem sehr regelmäßig in sehr kleinen Abständen. Um Ihnen nur einen Einblick zu geben, wie besorgt wir sind: Der Krisenstab ist am Freitag zusammengetreten und wird auch heute wieder zusammentreten. Insofern machen wir uns sehr große Sorgen um die Lage der Deutschen vor Ort und bereiten vor, was vorzubereiten ist.

Einige von Ihnen erinnern sich vielleicht noch an die Evakuierungsaktionen im Libanonkrieg 2006. Die waren damals schon herausfordernd. Ich habe das damals in der Türkei mitbekommen: Da haben wir dann noch versucht, Schiffe zu chartern, um Deutsche über den Hafen Beirut dann in die Türkei nach Mersin und an andere Orte zu bringen. Wie Sie alle wissen, ist es jetzt aber so, dass der Hafen in Beirut nicht mehr operabel ist. Es ist auch so, dass das libanesische Hinterland, Syrien, nicht mehr bzw. zumindest augenscheinlich nicht mehr für Evakuierungsmaßnahmen zur Verfügung steht. Das ist auch eine andere Lage als 2006. Wir erinnern uns auch daran, dass 2006 als allererstes der Flughafen Beirut ausgeschaltet worden ist. Insofern sind jegliche Operationen, die zu einer Evakuierung notwendig werden sollten, viel, viel komplexer und schwieriger als das 2006 der Fall war ‑ und 2006 war es schon wirklich schwierig.

Insofern geschehen die Aufforderungen, die wir in regelmäßigen Abständen über soziale Medien, aber auch von hier aus oder in Sprecher- oder Ministerinnenstatements geäußert haben und mit denen wir Deutsche bitten und dazu auffordern, aus dem Libanon auszureisen, solange noch Zeit ist, nicht aus Jux und Tollerei, sondern sind einfach der wirklich schwierigen Lage geschuldet, wenn es doch zu einem regionalen Flächenbrand zu einer Eskalation der Lage vor Ort kommen sollte.

Frage

Herr Fischer, wie viele deutsche Staatsbürger halten sich noch im Libanon auf?

Fischer (AA)

Auf unserer Krisenvorsorgeliste ELEFAND geben rund 1300 Personen mit deutscher Staatsangehörigkeit an, dass sie sich derzeit im Libanon aufhalten. Auch hier möchte ich noch einmal sagen, dass wir allen Deutschen, die sich derzeit im Libanon aufhalten und nicht auf der Stelle ausreisen, dringend empfehlen und sie bitten, sich auf jeden Fall in diese ELEFAND-Krisenliste einzutragen, denn nur so erreichen sie die Landsleutebriefe unseres Botschafters vor Ort, und nur so erreichen sie auch Hinweise auf weitere Maßnahmen, wo sie denn notwendig sind.

[…]

Wahlen in Venezuela

Frage

Die Frage geht ans Auswärtige Amt zu den Wahlen in Venezuela. Die Wahlkommission hat, obwohl erst, glaube ich, 80 Prozent der Wahllokale ausgezählt wurden, erklärt, Maduro liege uneinholbar vorn. Er habe die Wahl gewonnen. Wie bewertet das Auswärtige Amt den Ablauf der Wahlen in Venezuela und die Belastbarkeit dieser Verkündung?

Fischer (AA)

Lassen Sie es mich so sagen. Wir sind sehr beunruhigt über Berichte, nach denen Anhängerinnen und Anhängern der Opposition das ihnen laut venezolanischem Gesetz zustehende Recht verweigert wurde, an der Stimmauszählung teilzunehmen, und ihnen auch der Zugang zu Wahlprotokollen verwehrt wurde. Wir rufen die venezolanischen Behörden deswegen dazu auf, die Wahlergebnisse detailliert und transparent, das heißt auch aufgeschlüsselt nach einzelnen Wahllokalen, zu veröffentlichen und der Opposition vollen Zugang zu diesen Wahlunterlagen zu geben.

Lassen Sie mich das auch noch hinzufügen: Wir haben Berichte mit Sorge zur Kenntnis genommen, dass es vereinzelt im Umfeld der Wahlen zu Gewaltanwendungen gekommen ist, und rufen zum Verzicht von Gewalt auf.

Zusatzfrage

Erwägt die Bundesregierung oder das Auswärtige Amt, eine Ernennung von Maduro zum Wahlsieger nicht anzuerkennen?

Fischer (AA)

Wie Sie wissen, erkennen wir Staaten und nicht Regierungen an. Aber momentan geht es doch darum, dass die Stimmauszählung transparent und die Wahlergebnisse detailliert ausgewertet werden können, auch durch die Opposition, um festzustellen, wer der wirkliche Wahlgewinner ist.

[…]

Frage

Herr Fischer, ich möchte noch einmal auf die Wahlen in Venezuela zurückkommen. Sie meinten gerade, wir erkennen nur Staaten und keine Regierungen an. Da bin ich jetzt bei Venezuela stutzig geworden. Genau das hat die Bundesregierung ja getan. Sie waren ja damals schon Teil des Auswärtigen Amtes, als Guaidó als Oppositionschef und Parlamentspräsident, als Interimspräsident Venezuelas, anerkannt wurde. Erinnern Sie sich daran nicht mehr?

Fischer (AA)

Netter Versuch, aber ich habe damals nicht für das Auswärtige Amt gesprochen. Im Übrigen war das eine Vorgängerregierung.

Zusatzfrage

Gut. Aber Sie haben ‑ ‑ ‑

Fischer (AA)

Diese Regierung erkennt Staaten an und keine Regierungen.

Zusatzfrage

Das heißt, das war ein Fehler der vorherigen Bundesregierung?

Fischer (AA)

Das mögen Sie jetzt interpretieren, wie Sie wollen.

Zusatzfrage

Ich frage Sie ja.

Fischer (AA)

Das überlasse ich Ihrer Interpretation. Ich sage nur, die Praxis dieser Regierung ist, dass wir als Bundesrepublik Deutschland Staaten anerkennen und keine Regierungen.

Geplante Stationierung weitreichender US-Raketensysteme in Deutschland

[…]

Frage Krämer

Eine Frage an Frau Hoffmann und Herrn Fischer. Es gab am Wochenende eine Aussage von Putin, dass eine Stationierung der Langstreckenwaffen in Deutschland zu einer Neuauflage des Kalten Kriegs führen könnte. Wie wird das in der Bundesregierung eingeschätzt?

Hoffmann (BReg)

Das nehmen wir zur Kenntnis. Wir haben ja sehr ausführlich begründet, warum diese Waffen stationiert werden müssen, nämlich weil Russland das strategische Gleichgewicht in Europa verändert hat und Europa und Deutschland mit Marschflugkörpern bedroht. Wir müssen diese Abschreckung herstellen. Deshalb ist die Entscheidung so gefallen. Es geht in diesem Fall einzig und allein um Abschreckung.

Wenn die Grundlage dafür da wäre, wären wir natürlich an einer Wiederaufnahme von Rüstungskontrolle interessiert. Das hat der Bundeskanzler ja auch gesagt.

Fischer (AA)

Vielleicht noch einmal von meiner Seite: Putin beschreibt ja nur, was er eh schon kann. Ich meine, sein Regime rüstet seit Jahren nuklear auf, hat den INF-Vertrag gebrochen und führt einen Angriffskrieg in Europa. Darauf müssen wir für unser aller Sicherheit in Europa reagieren.

Um das klar zu sagen: Wir lassen uns von solchen Äußerungen nicht einschüchtern. Diese Art von laut INF-Vertrag verbotenen Raketen ist ja schon längst entwickelt und auch stationiert worden. Insofern hat Russland den INF-Vertrag gebrochen. Das, was wir jetzt planen, ist die Reaktion darauf ‑ zur Abschreckung, damit diese Waffen nicht gegen Deutschland oder andere Ziele eingesetzt werden.

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