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Erklärungen des Auswärtigen Amts in der Regierungspressekonferenz vom 26.08.2024
Anschlag auf die Feierlichkeiten zum 650-jährigen Jubiläum der Stadt Solingen
Frage
Ich habe eine Frage nach den Erkenntnissen über den Attentäter ‑ das ist der eine Strang ‑ an den Herr Regierungssprecher bzw. das BMI. Wann wusste man den Namen? Es gab ja Berichte, wonach es zwei Quellen für den Namen des mutmaßlichen Attentäters gebe. Die erste ist die Brieftasche oder, was auch immer da gefunden wurde, mit Dokumenten: die zweite ist ein Hinweis eines ausländischen Nachrichtendienstes. Kann man sagen, wann dieser Hinweis kam, schon vor dem Attentat oder erst danach?
Hebestreit (BReg)
Dazu kann der Regierungssprecher nichts beitragen, aber vielleicht das Innenministerium.
Dr. Kock (BMI)
Wie Sie wissen, hat der Generalbundesanwalt die Ermittlungen übernommen. Ich würde sagen, das fällt in den Bereich der laufenden Ermittlungen. Ich würde mich jetzt ungern ‑ ‑ ‑
Zusatz
Auch wenn Sie jetzt fürchterlich leise reden, wird das wahrscheinlich eine Standardantwort sein.
Dr. Kock (BMI)
Nein, ich hoffe doch nicht. Ich hoffe, dass ich ein bisschen mehr sagen kann. Aber zu dem Tatverdächtigen selbst usw. möchte ich mich jetzt ungern äußern.
Zusatzfrage
Dann vielleicht an Herrn Hebestreit oder auch hilfsweise an das Auswärtige Amt die Nachfrage zu dem Stand der Abschiebeabkommen mit Syrien und Afghanistan im Zusammenhang mit der Debatte darüber, dass man ihn hätte abschieben können, es aber nicht geschafft hat: Wie ist da der Stand? Da hat der Kanzler ja rasche Ergebnisse angekündigt. Wie rasch werden sie kommen?
Wagner (AA)
Das ist eher BMI-Materie.
Dr. Kock (BMI)
Die Ministerin hat sich mehrfach dazu geäußert, meines Wissens auch der Kanzler. Wir arbeiten gemeinsam mit den Ländern nach wie vor intensiv daran, Abschiebungen gerade von Gefährdern und Gewalttätern nach Afghanistan und Syrien wieder durchsetzen zu können. Für die Ministerin und uns stehen deutsche Sicherheitsinteressen ganz klar an erster Stelle. Wir wollen insbesondere islamistische Gewalttäter konsequent abschieben. Wir verhandeln in diesem Zusammenhang vertraulich mit verschiedenen Staaten, um Abschiebungen nach Afghanistan und Syrien wieder möglich zu machen. Dann gilt leider, was bei solchen Verhandlungen häufig gilt, dass wir weitere Details nicht nennen können, auch um diese Verhandlungen und die Ergebnisse, vor allen Dingen die erfolgreichen, nicht zu gefährden.
[…]
Frage
Da vorhin nach dem Stand der Abschiebeabkommen gefragt worden ist: Ich weiß, das sind vertrauliche Gespräche. Aber können Sie vielleicht etwas zu den Erfolgsaussichten sagen bzw. dazu, ob das überhaupt möglich sein wird? Welche Hürden sehen Sie, damit das erfolgreich sein kann?
Vielleicht noch einmal an das AA: Können Sie etwas dazu sagen, ob es auch Verhandlungen mit dem Assad-Regime oder mit den Taliban gibt?
Dr. Kock (BMI)
Die Ministerin ist der Überzeugung, dass es Mittel und Wege gibt, das zu ermöglichen. Wir sind gerade gemeinsam dabei, diese Wege zu eruieren und Möglichkeiten zu finden. Dazu gehören Verhandlungen mit verschiedenen Staaten, und die werden derzeit geführt.
Wagner (AA)
Ich kann das nur ergänzen. In der Tat liegt die Zuständigkeit für Rückführungen tatsächlich vor allem beim BMI, aber vor allen Dingen auch bei den Ländern. Wir haben ja in verschiedenen Kontexten gesagt, dass es natürlich alles andere als trivial ist, wenn es an diese praktischen Fragen geht, wenn man es mit einem Regime wie dem von Assad zu tun hat. Wir haben auch schon im Afghanistan-Kontext darüber gesprochen. Die Aufgabe des Auswärtigen Amtes ist vor allen Dingen, erst einmal einen Lagebericht vorzulegen, den die Innenbehörden dann als Rückgriff benutzen, um ein Bild von der Lage vor Ort zu erlangen. In Syrien kommt es nach unseren Erkenntnissen in allen Landesteilen weiterhin zu Kämpfen und zu schweren Menschenrechtsverletzungen. Auch die UN sagen im Moment‑ so die Aussagen des UNHCR ‑, dass sich Rückführungen vor diesem Hintergrund schwierig gestalten. „Having said that“: In der Tat ist das etwas, was dann in der Zuständigkeit der Innenbehörden und der Landesbehörden liegt.
Frage
Anknüpfend daran noch einmal an das Auswärtige Amt: Ist es möglich, dass es demnächst zu einer neuen Lagebewertung für Syrien und für Afghanistan kommt?
An das BMI noch einmal die Frage: Können Sie uns hinsichtlich des Dublin-Verfahrens sagen, wie viele Asylsuchende im ersten Halbjahr dieses Jahres und im letzten Jahr in die jeweils zuständigen Länder überstellt wurden?
Wagner (AA)
Zum ersten Teil Ihrer Frage: Wir bewerten die Lage natürlich fortwährend weiter. Das ist ja nicht etwas, das wir uns am Schreibtisch ausdenken, sondern das der Lage vor Ort und dem Blick auf die Lage vor Ort geschuldet ist. Bei Syrien kommt erschwerend hinzu, dass wir dort aufgrund der schwierigen Lage nicht mit einer Botschaft vertreten sind. Aber in der Tat schauen wir uns natürlich immer die Fortentwicklung der Lage an. Auf Grundlage dessen verfassen wir diese Asyllageberichte.
Dr. Kock (BMI)
Ich müsste bezüglich der Frage an mich etwas nachreichen. Ich warte noch auf die Zahlen.
[…]
Spende von Mpoximpfstoffdosen der Bundesregierung
Hebestreit (BReg)
Ich habe jetzt etwas zu einem ganz anderen Thema. Trotzdem wollte ich Ihnen das nicht vorenthalten.
Die Bundesregierung setzt sich für eine rasche und unbürokratische Hilfe für die von Mpox betroffenen Länder ein, derzeit also vor allem in Afrika. Deshalb beabsichtigt die Bundesregierung, kurzfristig mit einer Impfstoffspende im Umfang von 100 000 Impfdosen aus Beständen der Bundeswehr und unter Koordinierung des Auswärtigen Amtes die internationalen Bemühungen zur Eindämmung des Ausbruchs von Mpox auf dem afrikanischen Kontinent solidarisch zu unterstützen.
Außerdem unterstützen wir betroffene Länder wie beispielsweise die Demokratische Republik Kongo ganz konkret mit folgenden Maßnahmen: Wir stellen der Weltgesundheitsorganisation über verschiedene Instrumente flexible Finanzmittel zur Verfügung, um Mpox zu bekämpfen, unter anderem über den Notfallfonds der WHO, den sogenannten Contingency Fund for Emergencies. Die Bundesregierung unterstützt ihre Partner in Afrika auch über die Impfallianz Gavi und setzt sich dafür ein, Impfstoffe und Zusatzmaterial für die betroffenen Regionen zu beschaffen sowie bei der Logistik der Verteilung vor Ort zu helfen. Darüber hinaus fördern wir aus Mitteln der humanitären Hilfe Projekte von Nichtregierungsorganisationen, die ebenfalls Maßnahmen zur Mpoxbekämpfung zum Gegenstand haben. Wir bringen die Expertise und Kernkompetenzen deutscher Fachinstitutionen ein. Das BMZ liefert kurzfristig ein mobiles Labor in den Kongo, und die Bundesregierung bereitet einen weiteren Einsatz der Schnell Einsetzbaren Expertengruppe Gesundheit zur Infektionsprävention und Diagnose mit Fokus auf Mpox im Osten Kongos vor. Mittelfristig unterstützt Deutschland gemeinsam mit europäischen Partnern die Afrikanische Union beim Aufbau einer lokalen Impfstoffproduktion.
Über die Unterstützungsmaßnahmen stehen wir im engen Austausch mit unseren europäischen und internationalen Partnern.
Frage
Herr Hebestreit, können Sie sagen, wohin diese 100 000 Dosen, die Deutschland spendet, gehen? Sind das bilaterale Spenden, oder gehen sie an eine internationale Organisation?
Wagner (AA)
Ich kann das vielleicht übernehmen. Das soll in die besonders betroffenen Gebiete gehen. Der Regierungssprecher hat schon erwähnt, dass das im Moment vor allen Dingen die Demokratische Republik Kongo, aber auch Burundi und die benachbarten Länder in Ostafrika sind. Wir arbeiten mit internationalen Organisationen zusammen. Der Regionssprecher hat die WHO und auch die EU-Mechanismen, die es zur Verteilung und schnellen Katastrophenhilfe gibt, erwähnt. Jetzt wird sehr schnell geprüft, welcher Weg der schnellste ist, um diese Impfspende in die betroffene Region zu bringen. Die Details dazu liefern wir gern nach, wenn Sie feststehen.
Zusatzfrage
Diese Frage ist also noch nicht entschieden, oder? Es ist entschieden, 100 000 Impfstoffdosen zu spenden, aber noch nicht, auf welchem Weg das ‑ ‑ ‑
Wagner (AA)
Genau, weil wir uns anschauen, welcher Weg der schnellste ist, um die Impfdosen dorthin zu bringen.
[…]
Anschlag auf die Nord-Stream-Pipelines
Frage
Sowohl der polnische als auch der tschechische Präsident haben jüngst erklärt, dass die Zerstörung von Nord Stream 1 und 2, wenn von der Ukraine durchgeführt, ein völlig legitimer Akt gewesen sei. Teilt die Bundesregierung diese Einschätzung ihrer EU- und NATO-Partner?
Hebestreit (BReg)
Nein.
Zusatzfrage
Herr Wagner, gab es, da Herr Hebestreit das so deutlich verneint, denn entsprechende diplomatische Initiativen, um dieses Nein entsprechend an die Staatskanzleien in Prag und Warschau zu kommunizieren?
Wagner (AA)
Der Regierungssprecher hat ja gerade sehr deutlich zum Ausdruck gebracht, was unsere Haltung zu dem Kasus war.
Hebestreit (BReg)
Diese Haltung hat der Bundeskanzler in seinen Gesprächen, die er sowohl mit der polnischen als auch mit der tschechischen Seite sowie mit vielen anderen internationalen Partnern in den vergangenen Monaten geführt hat, immer wieder deutlich gemacht. Er hält das für ein Verbrechen und hat auch gesagt, dass das Verbrechen aufgeklärt werden muss. Der Generalbundesanwalt ‑ dort laufen die Ermittlungen ‑ ermittelt.
Nahostkonflikt
Frage
Herr Wagner, Israel hat Libanon am Wochenende massiv bombardiert. Es gab viele Tote, darunter auch Zivilisten. Dazu hätte ich gern eine Reaktion.
Wagner (AA)
Wir haben am Wochenende vor allen Dingen erst einmal eine Eskalationsdrohung durch die Hisbollah gesehen, die schon im Vorfeld massiv gedroht hatte und dann mit Raketen und Beschuss auf Israel vorangegangen ist. In der Tat hat die israelische Regierung im Lichte dieser Bedrohung Gebrauch von ihrem Recht auf Selbstverteidigung gemacht und hat Israel eine Operation im Süden Libanons durchgeführt.
Wir sehen die Spannung in der Region, die darin zum Ausdruck kommt, natürlich mit großer Sorge. Die Gefahr einer regionalen Eskalation ist weiterhin mitnichten gebannt. Insofern sind es, denke ich, erst einmal gute Nachrichten, dass es nicht zu einer großen regionalen Eskalation gekommen ist. Aber wir rufen natürlich alle Akteure dazu auf, sich jetzt zurückzuhalten.
Ich denke, im Lichte dessen ist auch wichtig, noch einmal zu unterstreichen, dass die Verhandlungen über einen humanitären Waffenstillstand in Kairo nach wie vor laufen, der, wenn man die vorsichtige Hoffnung hegen will, sicherlich auch Auswirkungen auf die Lage an der Nordgrenze Israels und auf die Bedrohungslage durch die Hisbollah haben wird. Insofern wäre es wichtig, dass es in diesen Verhandlungen zu Fortschritten, zu einem Durchbruch, zu einer Entscheidung kommt. In dem Sinne begleiten wir sie mit dem Appell, sich zu einem humanitären Waffenstillstand durchzuringen.
Zusatzfrage
Sind diese Verhandlungen durch den massiven Luftangriff erschwert worden? Wir reden ja von hundert israelischen Kampfjets, die Libanon bombardiert haben.
Wagner (AA)
Noch einmal: Die israelische Regierung sagt sehr explizit, sie habe auf ein Bedrohungsszenario aus Südlibanon durch die Hisbollah reagiert, das sich dann ja auch umgehend durch den massiven Beschuss mit Raketen gezeigt hat. Ich habe eben schon dargelegt, dass das alles natürlich Rückwirkungen hat. Umso wichtiger ist es, dass wir in den Verhandlungen der Parteien, die jetzt in Kairo zusammenkommen und zur Stunde verhandeln, zu einem Ergebnis kommen. Es braucht einen humanitären Waffenstillstand. Den braucht es nicht nur, um der Gefahr einer regionalen Eskalation vorzubeugen, sondern vor allen Dingen auch mit Blick auf die Geiseln, die weiterhin in der Hand der Hamas in Gaza sind, und auf die Lage der Menschen in Gaza, die katastrophal ist.
Frage
Sie haben jetzt noch einmal mit dem Selbstverteidigungsrecht Israels argumentiert. Israel bricht eigentlich tagtäglich in das Hoheitsgebiet des Libanons ein, gerade mit seinen Luftstreitkräften. Das wissen Sie sicherlich auch durch Ihre Vertretung in Beirut. Wäre aus Sicht der Bundesregierung ein Abschuss israelischer Flieger durch die reguläre libanesische Armee vom Völkerrecht gedeckt?
Wagner (AA)
Es steht, denke ich, außer Frage, dass Hisbollah seit dem 8. Oktober zahllose Angriffe auf den Norden Israels fährt und dass es dort fast täglich zu Beschuss kommt. Hisbollah hat in den letzten Wochen auch immer wieder öffentlich angekündigt, dass sie weitere Angriffe vornehmen werde. Ich kann hier nicht über die konkrete militärische Situation und Ihre Bewertung spekulieren. Aber weil Sie es in Ihrer Frage noch einmal aufgeworfen haben: Es ist es vollkommen anerkannt, dass es ein völkerrechtliches Selbstverteidigungsrecht gibt. Dieses gilt auch für einen unmittelbar bevorstehenden Angriff, wenn er nicht anders als durch sofortige Verteidigungsmaßnahmen abgewendet werden kann. Ich denke, das ist das, was wir dort am Wochenende beobachtet haben.
Zusatzfrage
Meine Frage war eher generell, weil Israel tatsächlich auch weit vor jenen Oktoberereignissen fast tagtäglich die Lufthoheit gebrochen hat. Ich denke, jeder der in Libanon war, hat das gesehen. Daher würde mich grundsätzlich interessieren, ob Sie der libanesischen Armee das Recht auf Selbstverteidigung im Sinne von Abschuss einräumen würden.
Wagner (AA)
Wir beobachten doch einen Konflikt, in dem auf der einen Seite die Hisbollah steht, die Israel nicht nur droht, sondern Israel auch beschießt und angreift, und auf der anderen Seite die israelische Armee. Sie wissen, dass wir uns immer wieder eingebracht haben, um eine regionale Eskalation zu verhindern und eine Lösung für diesen Konflikt zu finden. Die Außenministerin war mehrfach im Libanon. Die UNIFIL ist dort engagiert und trägt zum „deconflicting“ bei.
Insofern muss es uns doch darum gehen, zu klären, wie wir zu einer Lösung kommen, und eine weitere Eskalation zu verhindern. Alle diplomatischen Kanäle sind dafür im Moment aktiv und tragen hoffentlich dazu bei, dass dort weiter „deconflictet“ wird und dieser Konflikt nicht Raum greift.