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Erklärungen des Auswärtigen Amts in der Regierungspressekonferenz vom 11.10.2024
Angriff Russlands auf die Ukraine
Frage
Herr Büchner, genau daran anknüpfend ‑ das geht vielleicht auch an Herrn Wagner ‑ zum Thema Ukraine, das ja auch eine Rolle spielen wird: Sind die Bundesregierung und der Bundeskanzler dafür, dass die Türkei Teil einer neuen Kontaktgruppe zu möglichen Lösungswegen für den Ukrainekonflikt werden könnte?
Wagner (AA)
Ich kann dazu wahrscheinlich nicht so wahnsinnig viel Befriedigendes für Sie sagen, Herr Rinke, weil natürlich, wie Sie wissen, eine Vielzahl von Gesprächen auf diplomatischer Ebene läuft und ich jetzt hier nicht detailliert zu solchen Spekulationen Stellung nehmen werde.
Zusatzfrage
Herr Büchner, würde der Kanzler solch eine Kontaktgruppe, die dann auch die Türkei als Teilnehmer enthielte, befürworten?
Büchner (BReg)
Auch das ist Teil des Gesamtkomplexes der Gespräche, die dort geführt werden, zu dem ich mich jetzt vorher nicht einlassen kann. Ich glaube, wir können aber in diesem Zusammenhang betonen, dass natürlich auch der Umgang mit den Folgen des russischen Kriegs gegen die Ukraine ein ganz wichtiges Thema bei diesem Besuch sein wird. Dabei ist die Türkei ein wichtiger Partner. Wie Sie wissen, hat sich zum Beispiel die Türkei intensiv für die Aufrechterhaltung der Getreidelieferungen aus der Ukraine eingesetzt. Zu all diesen Themen werden sich der Kanzler und der türkische Staatspräsident austauschen.
[…]
Nahostkonflikt
Frage
Zum Thema Libanon: Herr Wagner ‑ wahrscheinlich auch Herr Müller, angesichts von UNIFIL ‑, gibt es eine Stellungnahme Ihrerseits? Ich meine, Herr Borrell hat die Angriffe auf UNIFIL-Stellungen schon verurteilt. Die Bundeswehr ist Teil von UNIFIL. Die israelischen Truppen haben mehrfach, auch gestern, UNO-Friedenstruppen im Libanon beschossen. Wie stehen Sie dazu?
Wagner (AA)
Israel hat wie jedes andere Land das Recht, sich gegen die Gefahr, die Bedrohung und den Beschuss der Hisbollah zu wehren. Der Beschuss von Friedenstruppen der Vereinten Nationen ist aber in keinerlei Weise akzeptabel und hinnehmbar. Der Schutz und die Sicherheit der Peacekeeper der Vereinten Nationen muss oberste Priorität haben. Das war gestern auch das einhellige Meinungsbild im UN-Sicherheitsrat. Sie wissen, dass bei dem Vorfall zwei Soldaten der UNIFIL-Truppe verletzt worden sind. Ihnen gilt unsere volle Solidarität. Sie haben sicherlich auch wahrgenommen, dass sich die israelische Regierung eingelassen und erklärt hat, dass es keine Absicht gewesen sei. Insofern erwarten wir natürlich, dass dieser Vorfall vollumfänglich aufgearbeitet wird. Das muss jetzt große Priorität haben.
Lassen Sie mich vielleicht noch einmal grundsätzlich sagen, dass natürlich alle Konfliktparteien ‑ das gilt auch für die israelische Armee ‑ verpflichtet sind, ihre Kampfhandlungen ausschließlich auf militärische Ziele der anderen Konfliktparteien zu richten. Wir sind mit unseren Partnern mit Blick auf die Lage im Libanon mit Einsatz dabei, eine Lösung zu finden, die die legitimen Sicherheitsinteressen Israels, aber auch die legitimen Sicherheitsinteressen des Libanon wahrt. Dafür ist natürlich die vollständige Implementierung und Umsetzung der Sicherheitsratsresolution 1701 ganz wichtig. Gerade diese mandatiert ja UNIFIL, die Sicherheit und Stabilität an der Blue Line zwischen Israel und Libanon zu gewährleisten.
Zu den konkreten Beteiligungen kann vielleicht Herr Müller noch ausführen.
Müller (BMVg)
Ja, ich ergänze gern für den Bereich der Bundeswehr und des BMVg. Natürlich beobachten wir die Entwicklungen auch mit Sorge und sehr genau. Für uns steht die Sicherheit der deutschen Soldatinnen und Soldaten im Vordergrund, die dort bei UNIFIL tätig sind. Das sagen wir nicht nur so, sondern deswegen haben wir in den letzten Wochen und Tagen das Kontingent kontinuierlich leicht abschmelzen lassen. Alle Soldatinnen und Soldaten, die nicht mehr für den konkreten Einsatzauftrag vor Ort, der noch verblieben ist, tätig sind, sind nach Deutschland zurückgekehrt. Die Soldatinnen und Soldaten, die noch im Libanon sind, die hier vom UN-Hauptquartier aus von UNIFIL den seegehenden Auftrag betreuen, den wir natürlich weiterhin betreuen, befinden sich im UN-Hauptquartier. Dort gibt es auch entsprechend sehr gute Schutzmaßnahmen und Schutzbauten. Alle weiteren sind, wie ich gesagt habe, zurückgeführt oder befinden sich auf der seegehenden Einheit, wo sie weiterhin den maritimen Auftrag erfüllen. ‑ Das vielleicht vorangestellt. Wir befinden uns hier also noch bei einem hohen zweistelligen Personalkörper, der noch vor Ort ist.
Natürlich stimmen wir uns mit den Partnern, die an UNIFIL beteiligt sind, und natürlich mit dem Libanon sehr eng dazu ab, wie es weitergeht, und auch zur Lageentwicklung und zur Lagebewertung. Wir haben aktuell auch den Auftrag zur Ausbildung der libanesischen Marine in enger Absprache mit dem Libanon ausgesetzt, sodass der Auftrag der seegehenden Einheiten, also der Überwachungsauftrag in See, der Auftrag ist, der noch durch das verbleibende Personal durchgeführt wird.
Zusatzfrage
Herr Wagner, Sie hatten darauf verwiesen, dass die Israelis sagen, das sei nicht beabsichtigt gewesen. Für wie glaubhaft halten Sie das? Denn die IDF haben schon vor einer Woche UNIFIL aufgefordert, alle ihre Positionen an der Demarkationslinie ‑ da, wo das passiert ist ‑ zu räumen. Das tut man ja nur, wenn man plant, das zu beschießen. Wie gesagt, das war kein Einzelfall. Gestern gab es mindestens viermal Beschuss; am Mittwoch gab es Beschuss. Das ist auch eine schwere Verletzung des humanitären Völkerrechts sowie der Resolution des Sicherheitsrates.
Wagner (AA)
Ehrlich gesagt fällt es mir von dieser Stelle aus sehr schwer, diesen Vorfall zu beurteilen und über Intentionen zu spekulieren. Aber es ist doch vollkommen klar, dass das jetzt vollends aufgeklärt werden muss. Ich glaube, es ist gut und es ist zu begrüßen, dass die israelische Armee in Kontakt mit UNIFIL steht und man sich dort abstimmt. Wenn man sich die Lage anschaut, dann stellt man fest, dass wir auch in einem Gebiet sind, in dem es offensichtlich zu heftigen Kämpfen mit der Hisbollah kommt. Aber noch einmal: Es gilt natürlich, dass UNIFIL ihr Mandat ausüben können muss. Es muss jetzt aufgeklärt werden, wie es zu diesem schwerwiegenden Vorfall kam.
Frage
Herr Wagner, Sie haben gerade noch einmal darauf hingewiesen, dass generell nur auf militärische Ziele geschossen werden darf. Dazu habe ich eine Verständnisfrage. Ist es nach dem Verständnis der Bundesregierung ein militärisches Ziel, wenn sich eine Person in einem Wohnhaus voller Menschen befindet, die möglicherweise der Hisbollah oder der Hamas oder anderen militärischen Gruppen angehört? Ist das im Sinne der Bundesregierung ein legitimes militärisches Ziel?
Wagner (AA)
Es ist ja nicht an uns, das frei aus der Lamäng zu entscheiden, sondern es gilt das humanitäre Völkerrecht. Das humanitäre Völkerrecht sagt im Grundsatz sehr klar: Natürlich dürfen sich Kampfhandlungen nur gegen militärische Ziele richten, und zivile Ziele und die Zivilbevölkerung müssen geschützt werden. ‑ Es ist aber im humanitären Völkerrecht auch so ‑ das können Sie nachlesen ‑, dass zivile Ziele ihren Schutzstatus verlieren können, wenn sie militärisch missbraucht werden. Das haben wir in diesem Konflikt immer einmal wieder gesehen, in Gaza, im Libanon durch die Hisbollah. Die Terrororganisation Hisbollah verschanzt und versteckt sich offensichtlich auch hinter zivilen Zielen. Dann kann es im humanitären Völkerrecht schon so sein, dass diese Ziele ‑ zivile Einrichtungen ‑ ihren Schutzstatus verlieren. Aber es gilt auch der Grundsatz des humanitären Völkerrechts, dass eine Konfliktpartei alles dafür tun muss, dass Zivilisten weitestgehend vor den Kampfhandlungen geschützt werden. Das ist eine Verpflichtung, die alle Konfliktparteien trifft.
Zusatzfrage
Gestern gab es im Zentrum Beiruts einen Angriff auf ein Haus ohne vorherige Vorwarnung. Das Haus war komplett bewohnt. Dabei sind auch mehrere Zivilisten gestorben. Hier gab es also keine Vorwarnung. Wie bewerten Sie diese Attacke in dem Fall?
Wagner (AA)
Ich habe die Medienberichte dazu gesehen. Ich kann das, ehrlich gesagt, von dieser Stelle aus schlecht beurteilen. Ich weiß nicht, welche Vorwarnungen es gab oder nicht gab. Ich weiß auch nicht, was da sozusagen das militärische Ziel war. Ich kann nur die Einlassungen der unterschiedlichen Seiten wahrnehmen. Die israelische Armee hat immer wieder betont, sie gehe gegen militärische Ziele vor. Sie probiert es ja auch zu unterlegen. Aber noch einmal: Es gelten doch am Ende die Regeln des humanitären Völkerrechts. Das sagt sehr klar: Die Konfliktparteien ‑ das gilt auch für die israelische Armee ‑ müssen die Zivilbevölkerung so gut wie möglich schützen. ‑ Natürlich ist es schwierig. Gut, dass Sie diesen Vorfall in Beirut ansprechen. Da wird in einem sehr dichten urbanen Umfeld operiert, in dem es natürlich noch schwieriger ist, Zivilistinnen und Zivilisten zu schützen.
[…]
Frage
Herr Wagner, noch einmal zurück zum Libanon: Sie meinten, Sie seien froh, dass die israelische Seite mit UNIFIL in Kontakt sei. Ich hatte zitiert, was die Israelis UNIFIL gesendet haben. Das war eine Aufforderung, abzuhauen. Die Aufforderung selbst ist schon völkerrechtswidrig.
Meinten Sie das mit In-Kontakt-Stehen? Denn ich hatte explizit auch nach der Aufforderung zur Evakuierung der UNIFIL-Stellung gefragt.
Wagner (AA)
Ich meinte ‑ aber das kann vielleicht Herr Müller noch besser erklären, weil er Militär ist ‑ das ganz normale Vorgehen zwischen Militärs, die in Konfliktregionen operieren, sich auch sozusagen gegenseitig zu informieren.
Zu dem, was Sie aufwerfen, hat sich der Generalsekretär der Vereinten Nationen sehr deutlich eingelassen. UNIFIL wird weiterhin präsent sein und ihr Mandat dort ausfüllen. Diese Erwartung hat auch die Bundesregierung.
Müller (BMVg)
Ich habe dem nichts hinzuzufügen, weil die Abstimmung hierzu zwischen der UN und Israel erfolgt. Klar, unser Anteil sowohl bei der UN als auch unten im Kontingent im Libanon ist natürlich im Austausch mit der UN-Seite. Aber dazu sprechen kann nur die UN.
Zusatzfrage
Herr Wagner ‑ das geht vielleicht auch an Herrn Büchner ‑, haben Sie die Warnung des israelischen Regierungschefs Netanjahu an die Libanesen wahrgenommen, dass man den Libanon wie Gaza ‑ Zitat ‑ in Schutt und Asche legen werde, wenn sich die Seite nicht ergeben werde? Das ist ja eine außerordentliche Drohung angesichts der Lage in Gaza.
Wagner (AA)
Dazu haben sich Vertreter der Bundesregierung, nicht zuletzt die Außenministerin, schon eingelassen. Natürlich hat Israel das Recht, sich gegen Hisbollah zu verteidigen. Nach wie vor findet Raketenbeschuss auf Israel durch Hisbollah statt. Natürlich darf Israel wie jeder andere Staat auf der Welt dagegen vorgehen. Gleichzeitig glaube ich, ehrlich gesagt, nicht, dass es im Sicherheitsinteresse Israels ist, den Libanon in ein zweites Gaza zu verwandeln. Dazu hat sich, denke ich, die Außenministerin gestern in der Bundestagsdebatte noch einmal eingelassen.
[…]
Frage
44 Ärzte, Krankenpfleger und Ersthelfer, die in Gaza waren, bestätigen, dass sie mehrfach Fälle von Kindern in vorpubertärem Alter gesehen hätten, denen in den Kopf oder in die Brust geschossen worden sei. Von solchen Fällen gibt es auch entsprechende Röntgenbilder.
Sind der Bundesregierung diese Berichte bekannt, und inwiefern werden sie in die Bewertung der Frage einfließen, ob sich Israel an das humanitäre Völkerrecht hält? Sie sagen immer wieder, es gebe dort keine unabhängigen Beobachter. Aber diese Menschen sind ja unabhängige Beobachter.
Wagner (AA)
Auch ich habe diese Berichte zur Kenntnis genommen. Eben weil wir in Gaza nicht vor Ort sind, fällt es uns schwer, das selbst und eigen zu beurteilen. Aber Sie haben vielleicht auch gesehen, dass es einen Bericht der Untersuchungskommission des Menschenrechtsrats gab, in dem auch schwerwiegende Vorwürfe gegen die israelische Kriegsführung erhoben und eben auch Angriffe auf medizinische Einrichtungen behandelt werden. Natürlich müssen diese Vorwürfe aufgeklärt werden, und das muss durch die israelische Justiz erfolgen. Das ist unsere Erwartung.
Natürlich ist die Lage in Gaza ‑ das habe ich schon oft gesagt, und ich weiß, dass Sie das jetzt nicht zufriedenstellt, aber es ist trotzdem Ausdruck unserer Haltung ‑ katastrophal und ganz schlimm. Die Zivilbevölkerung dort leidet unglaublich. Es gibt viel zu viele Tote. Das ist ja der Grund, warum wir uns auf diplomatischem Weg für einen Waffenstillstand, für eine Lösung dieses Konflikts einsetzen, damit die Geiseln freikommen und damit mehr humanitäre Hilfe dort hineinkommt. Es kommt im Moment viel zu wenig humanitäre Hilfe nach Gaza hinein. Wir reden, meine ich, über 50 LKWs am Tag. Vor dem Konflikt waren es 500. Das war gestern auch Thema im Sicherheitsrat. Israel ist aufgerufen, diese Lage zu verbessern.
Waffenlieferungen an Israel
[…]
Frage
Ich habe auch eine Frage zu diesem Komplex an das BMWK. Nach der Ankündigung des Bundeskanzlers und den Ausführungen von Herrn Büchner eben, dass Waffen selbstverständlich nicht geliefert würden, wenn Zweifel bestehen, ob das Völkerrecht eingehalten wird: Hat Ihr Haus, das für Exportgenehmigungen zuständig ist, Anhaltspunkte dafür, dass Israel beim Waffeneinsatz Völkerrecht verletzt, oder haben Sie solche Anhaltspunkte nicht?
Ungrad (BMWK)
Zum einen hat sich der stellvertretende Regierungssprecher dazu geäußert, dass die Genehmigungspraxis in der Bundesregierung klar ist. Sie ist Ihnen ja auch bekannt. Die Entscheidung wird gemeinsam mit allen zuständigen Häusern getroffen.
Zum Thema Völkerrecht: Es ist nicht unsere Aufgabe, das zu bewerten. Das liegt im Auswärtigen Amt. Es ist nicht meine Aufgabe, das zu kommentieren. Zur Genehmigungspraxis haben wir schon gesagt, dass wir da gemeinsam entscheiden. Wir veröffentlichen ja‑ das ist ja auch neu in dieser Bundesregierung ‑ ohnehin auch den Rüstungsbericht, aber auch in Presseberichten unsere Rüstungsvorhaben oder eventuelle Lieferungen. Insofern sind wir da auch transparent. Ich kann Ihnen dazu jetzt keine weiteren Informationen geben.
Zusatzfrage
Dann geht die Nachfrage ans zuständige Auswärtige Amt. Herr Wagner, nach der nochmaligen Betonung der Grundsätze der Bundesregierung, die ja seit 2000 gelten, wohin Waffen geliefert werden und wohin nicht, in Verbindung mit § 6 des Kriegswaffenkontrollgesetzes: Verfügt die Bundesregierung, verfügt das Auswärtige Amt über Hinweise oder Indizien dafür, dass sich Israel als potenzieller und tatsächlicher Empfänger von Waffenlieferungen möglicherweise nicht an völkerrechtliche Vorgaben beim Waffeneinsatz hält? Verfügen Sie über solche Indizien? Oder verfügen Sie nicht darüber, was dann ja bedeuten würde, dass Sie davon ausgehen, dass sich Israel jederzeit und vollumfänglich ans Völkerrecht hält?
Wagner (AA)
Das wird Sie, glaube ich, nicht zufriedenstellen. Aber ich muss auch bei dieser Thematik darauf verweisen, dass wir uns natürlich ‑ das ist ja stehende Praxis ‑ bei dieser Frage immer den Einzelfall anschauen und dass natürlich auch die Frage der Bewertung des humanitären Völkerrechts, der Menschenrechte, der Lage vor Ort etc. eine Rolle spielt. Aber sehen Sie es uns nach, dass wir uns dazu einfach ‑ das sind auch die gesetzlichen Obliegenheiten, die uns da aufgelegt sind ‑ hier von dieser Bank nicht im Detail äußern können. Ich kann Sie aber gern auch noch einmal auf das verweisen, was die Außenministerin gestern bei der Debatte gesagt hat. Da können Sie auch noch einmal nachschauen. Sie hat sich auch zu der Frage eingelassen.
[…]
Frage
Ich muss noch einmal auf das Thema der Waffenexporte zurückkommen. Herr Wagner, Sie haben eben auf die gestrige Rede der Außenministerin verwiesen. Darin hat sie gesagt, sie möchte darum bitten, dass wir die Kraft der Differenzierung finden. Wir hätten ein geheim tagendes Gremium, aber wir hätten auch eine Klage vor dem Internationalen Gerichtshof.
Vielleicht können Sie ‑ darauf bezog sich auch meine Frage von vorhin ‑ noch einmal erklären, wie die Bundesregierung bei der Genehmigung von Waffen an Israel unterscheidet. Denn offenbar wird ein Teil dieser Anträge möglicherweise mit Blick auf die Klage vor dem Internationalen Gerichtshof gegen Deutschland nicht genehmigt. Vielleicht können Sie noch einmal erklären, wie da die Unterscheidung stattfindet.
Wagner (AA)
Aus Ihren Reihen kam gerade schon verschiedentlich die Frage, ob Israel humanitäres Völkerrecht einhalte. Das entscheiden natürlich am Ende Gerichte. Sie wissen, dass im Moment verschiedene Gerichte damit befasst sind. Insofern muss man das natürlich in diesem Kontext sehen.
Aber es ist ‑ das haben wir hier eben, denke ich, auch dargelegt ‑ einer der Grundsätze, dass einer der Parameter, wenn die Bundesregierung über Rüstungsexportgenehmigungen entscheidet, natürlich die Einhaltung des humanitären Völkerrechts ist.
Zusatzfrage
Wenn ich nachfragen darf, um das richtig zu verstehen: Das heißt, dass auch die Bundesregierung davon ausgeht, dass es durchaus sein könnte, dass ein Teil der gelieferten Waffen völkerrechtswidrig eingesetzt werden könnte.
Wagner (AA)
Diese Interpretation Ihrerseits mache ich mir jetzt nicht zu eigen.
Ich kann Sie aber auch noch einmal darauf verweisen, dass sich die Bundesregierung in dem laufenden IGH-Verfahren ‑ ich meine, es war im März ‑ ausführlich auch zu diesem Aspekt eingelassen hat. Die Stellungnahme finden Sie auf der Seite des Auswärtigen Amtes.
Zusatz
Entschuldigung, aber wenn Sie keine Zweifel hätten, dann könnten Sie doch eigentlich alle Anträge genehmigen.
Wagner (AA)
Das ist ein netter Versuch, aber wir können hier zur Genehmigungspraxis und zu Einzelfällen keine Stellung nehmen.
Zuerkennung des Friedensnobelpreises an die Organisation Nihon Hidankyo
Büchner (BReg)
Die Bundesregierung freut sich über die Bekanntgabe, dass der diesjährige Friedensnobelpreis an die japanische Organisation Nihon Hidankyo verliehen wird und gratuliert den Geehrten sehr herzlich zu diesem Preis. Die Auszeichnung von Nihon Hidankyo steht für den jahrzehntelangen, unermüdlichen Einsatz der Überlebenden der Atombombenangriffe von Hiroshima und Nagasaki für eine Welt ohne Atomwaffen. Die Zeugnisse der Überlebenden haben die Welt daran erinnert, welche verheerenden menschlichen Folgen der Einsatz von Nuklearwaffen hat. Angesichts der Tatsache, dass nur noch wenige Überlebende am Leben sind, ist ihre Botschaft heute wichtiger denn je.
Die Vergabe des Preises steht damit auch dafür, dass die Erfahrungen und das Engagement der Hibakusha für zukünftige Generationen von zentraler Bedeutung sind, um sicherzustellen, dass Atomwaffen niemals wieder zum Einsatz kommen.
Frage
Bleibt es dabei, dass Deutschland dem Atomwaffenverbotsvertrag nicht beitritt?
Wagner (AA)
Sie wissen, dass wir bei der Vertragsstaatenkonferenz als Beobachter teilgenommen haben. Atomwaffen sind heutzutage weiterhin eine Realität, mit der wir umgehen müssen, und das muss man, denke ich, auch zur Kenntnis nehmen. Sie wissen ‑ das brauche ich hier nicht zu betonen ‑, dass der russische Präsident im Kontext seines Krieges in der Ukraine immer wieder mit Atomwaffen gedroht hat. Insofern ist die Frage der nuklearen Teilhabe, die Frage, wie wir uns vor diesen Drohungen schützen, und die Frage der nuklearen Abschreckung eine wichtige Frage und relevant. Gleichzeitig bleibt das Ziel einer nuklearwaffenfreien Welt, auch wenn diese im Moment nicht sehr nah erscheint.
Zusatzfrage
Weil wir gerade beim Nahen Osten waren: Als Mitglied der IAEO ist die Bundesregierung auch aufgefordert, andere Nichtmitglieder, die aber Atomwaffen haben, zur Kontrolle dieser Waffen aufzufordern. Wann hat die Bundesregierung Israel zuletzt aufgefordert, der IAEO Zugang zu den Atomwaffen zu geben?
Wagner (AA)
Das müsste ich Ihnen nachreichen. Das kann ich nicht aus der Lamäng beantworten.