Willkommen auf den Seiten des Auswärtigen Amts
Erklärungen des Auswärtigen Amts in der Regierungspressekonferenz vom 25.10.2024
Nahostkonflikt
Frage
Meine Frage geht an das Auswärtige Amt, und zwar zum Thema Israel, Moskito-Protokoll. Ich nehme an, Sie haben zur Kenntnis genommen, dass es seriöse Berichte aus den USA gibt, denen zufolge es eine verbreitete Strategie innerhalb der IDF sei, palästinensische Festgenommene vor israelischen Soldaten in möglicherweise verminte Häuser in Gaza hineinzuschicken, um mögliche Sprengfallen auszulösen. Ist ein solches Vorgehen ‑ von insgesamt sechs Personen berichtet ‑ völkerrechtskonform, oder wäre dies möglicherweise, da es eine Handlung im Krieg ist, ein Kriegsverbrechen?
Deschauer (AA)
Vielen Dank. ‑ Die Berichterstattung haben auch wir zur Kenntnis genommen. Weiterführende Informationen liegen mir nicht vor.
Ich möchte einfach noch einmal im Grundsatz sagen, dass die Bundesregierung selbstverständlich den besonderen Schutz von Zivilistinnen und Zivilisten bei Kriegshandlungen immer wieder betont und diesen Schutz auch einfordert. Das tun wir öffentlich. Das tun wir auch in entsprechenden Gesprächen mit unseren verschiedenen Ansprechpartnern über konkrete Fälle, die Sie referieren. Aber zu Ihrer Frage, die Sie auch mit einer Hypothese versehen haben, möchte ich mich hier, ehrlich gesagt, nicht äußern.
Im Grundsatz ist es so: Zivilistinnen und Zivilisten, aber natürlich auch humanitäre Helferinnen und Helfer unterliegen gemäß dem humanitären Völkerrecht einem besonderen Schutz, auch in Kriegshandlungen, und dürfen nicht zur Zielscheibe von Kriegshandlungen werden.
Zusatzfrage
Hypothesen bzw. Annahmen und Berichterstattungen können einen unterschiedlichen Grad an Plausibilität haben. Ich gehe davon aus, dass Berichterstattungen in einem seriösen freien Medium, von insgesamt sechs Personen bestätigt, eine ziemliche Plausibilität haben. Wird die Bundesregierung in irgendeiner Weise eine nähere Aufklärung dieser Vorwürfe, die ja nun in der Welt sind, einfordern?
Deschauer (AA)
Das tun wir regelmäßig. Wir als Bundesregierung fordern Gesprächspartner, sollte es auch presseöffentlich verbreitete massive Vorwürfe geben, die definitiv Fragezeichen an die Einhaltung von humanitären Standards und internationalem Völkerrecht aufwerfen, regelmäßig zu entsprechendem Nachgehen und zu Aufklärung auf.
Frage
Ich habe noch eine Frage zum Thema „menschliche Schutzschilde“. Es gab auch schon von UN-Seite Berichte, dass die israelische Armee in der Westbank menschliche Schutzschilde einsetzt. Haben Sie das mittlerweile verifizieren können oder den UN-Bericht aus dem Juni gelesen?
Deschauer (AA)
Das Auswärtige Amt und die Bundesregierung sind, wie ich sagte, bei entsprechenden Vorwürfen regelmäßig mit den Ansprechpartnern im Gespräch, auch in der israelischen Regierung. Ich kann Ihnen jetzt hier keine Auskunft dazu geben, inwiefern ich das verifizieren kann. Sie wissen im Grundsatz auch, dass das wahnsinnig schwierig ist. Ich bin nicht vor Ort. Die Kolleginnen und Kollegen bzw. das Haus sprechen entsprechende Vorwürfe, die dann substanziell sein können, regelmäßig an. Sie sprachen gerade auch vom UN-Kontext. Es gibt auch Gespräche mit den UN-Kolleginnen und ‑Kollegen, die ihrerseits ebenfalls bemüht sind, eine Aufklärung für solche Vorwürfe zu erhalten.
Zusatzfrage
Der Hamas werfen Sie ja zu Recht auch vor, menschliche Schutzschilde im Kampf gegen Israel zu verwenden. Sprechen Sie da auch lediglich von Vorwürfen, oder ist das gesichertes Wissen?
Deschauer (AA)
Sie machen jetzt hier ganz abstrakt das Thema auf. Ich möchte gerne noch einmal betonen, dass wir im Grundsatz dem Schutz von Zivilistinnen und Zivilisten ‑ sei es in Gaza, wie von Ihrem Kollegen angesprochen, sei es, wie von Ihnen angesprochen, in der Westbank ‑ eine besondere Rolle und Bedeutung auch im Rahmen von entsprechenden militärischen Auseinandersetzungen zumessen. Wir sprechen das an. Wir können nicht für jeden einzelnen Fall, den Sie hier erwähnen, Klarheit erlangen, aber wir bemühen uns darum. Insbesondere weisen wir auf die völkerrechtlichen Verpflichtungen hin.
Frage
Fällt das von dem Kollegen mit Verweis auf Medienberichte genannte Szenario ‑ unabhängig davon, ob der Bundesregierung Erkenntnisse dazu vorliegen ‑ unter das Verständnis der Bundesregierung von „menschlichen Schutzschilden“?
Deschauer (AA)
Ich würde jetzt ungern auf mehrere Querverweisungen der Fragestellung, die auf Medienberichte zurückgeht, in einer Kette eingehen, wozu ich ja schon sagte, dass ich die nicht im Einzelnen verifizieren kann. Aber im Grundsatz hat sich die Bundesregierung hier schon mehrfach klar dazu geäußert, dass wir einen Einsatz von oder das Verstecken hinter menschlichen Schutzschilden als solches als sehr besorgniserregend beurteilen und verurteilen. Davon können Sie jetzt aber nicht ableiten, dass die Bundesregierung Kenntnis über jeden einzelnen von Ihnen hier genannten Fall aus der Medienberichterstattung hat und vor allem diesen völkerrechtlich bewerten kann.
Zusatzfrage
Ist denn die Existenz eines sogenannten Moskito-Protokolls ‑ unabhängig davon, ob es zum Einsatz kam ‑ der Bundesregierung bekannt?
Deschauer (AA)
Ich kann Ihnen dazu im Moment nichts sagen.
Frage
Frau Deschauer, Sie sagten gerade, die Bundesregierung sei über so etwas besorgt. Besorgt sein kann man ja über vieles. Aber ist aus Sicht der Bundesregierung das Verstecken von Militärs hinter Zivilisten in Gefahrensituationen, also das, was man als menschliche Schutzschilde betrachtet, nur Anlass zur Besorgnis, oder ist dies prinzipiell völker- und kriegsrechtswidrig?
Deschauer (AA)
Ich habe nicht nur „besorgt“ gesagt. Ich habe gesagt: Die Bundesregierung verurteilt das. ‑ Insofern war ich da, glaube ich, sehr klar. Weitere juristische Ableitungen ‑ das hatten wir hier am Mittwoch; ich glaube, da waren Sie nicht zugegen; aber wir hatten diesen Austausch schon in Vergangenheit sehr oft ‑ nehmen andere Stellen vor.
[…]
Frage
Meine Frage richtet sich entweder an Frau Deschauer oder Herrn Greve. Im Kriegswaffenkontrollgesetz ist ja geregelt, wann Genehmigungen zu versagen sind, unter anderem ‑ Zitat ‑, wenn Grund zu der Annahme besteht, dass die Erteilung einer Genehmigung völkerrechtliche Verpflichtungen der BRD verletzen oder deren Erfüllung gefährden würde. Grund zur Annahme besteht doch faktisch schon, wenn der IGH jetzt eine Klage angenommen hat, wenn der IGH das Rechtsgutachten veröffentlicht hat und wenn der Chefankläger des Internationalen Strafgerichtshofs versucht, einen Haftbefehl nicht nur gegen die Hamas, sondern auch gegen den Verteidigungsminister und den Ministerpräsidenten zu bekommen. Gibt es aus Sicht der Bundesregierung nicht schon längst den Grund zur Annahme, dass das Völkerrecht damit verletzt wird ‑ unabhängig vom Einzelfall, was genehmigt wurde?
Greve (BMWK)
Wir prüfen jeden Einzelfall im Lichte der jeweiligen Situation und beziehen außen- und sicherheitspolitische Erwägungen mit ein. Frau Hoffmann hat es dargestellt. Der Beachtung der Menschenrechte messen wir dabei ein besonderes Gewicht zu. Diese Entscheidungen sind gemeinsame Entscheidungen aller beteiligten Bundesressorts. Insbesondere das AA bringt für die Entscheidung außen- und sicherheitspolitische Erwägungen ein. Jeder Einzelfall wird anhand dieser Kriterien genauestens geprüft.
Zusatzfrage
Danach habe ich aber nicht gefragt. Dann frage ich Frau Deschauer: Besteht nicht anhand der internationalen Rechtsgutachten und der Haftbefehlersuche ein Grund zur Annahme, dass mit diesen Ausfuhren Völkerrecht verletzt wird?
Deschauer (AA)
Die Fragestellungen hinsichtlich völkerrechtlicher Verletzungen werden gerade geprüft. Das ist, glaube ich, die entscheidende Vorbemerkung.
Ich kann nur noch einmal auf das hinweisen, was der Kollege Greve und auch die stellvertretende Regierungssprecherin gesagt haben: Es finden Einzelfallprüfungen statt, keine abstrahierten Grundsatzerwägungen, wie Sie sie hier anstellen und in den Raum stellen.
Sie kamen ja auch auf den IStGH zu sprechen. Da gibt es eine Prüfung im Rahmen einer gerade weiterhin anhängigen Vorverfahrenskammer am IStGH, die aus drei Personen besteht. Insofern ist da auch keine Entscheidung getroffen. Auch dazu haben wir uns hier in der Vergangenheit intensiv ausgetauscht. Insofern kann die Grundsatzableitung, die Sie gerne von uns hören wollen, in der Form nicht getroffen werden. Aber natürlich nehmen wir entsprechende Fragestellungen sehr ernst. Deswegen prüfen wir als Bundesregierung das im Einzelfall und von Fall zu Fall.
[…]
Medienberichte über den möglichen Einsatz nordkoreanischer Soldaten im Rahmen des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine
Frage
Meine Frage richtet sich wahrscheinlich an Frau Hoffmann. Nordkorea hat jetzt seine Soldaten nach Russland geschickt. Das ist jetzt eine mehr oder weniger bestätigte Information. Die Frage ist, wie die Bundesregierung darauf reagieren wird. Wird es irgendwelche militärischen Reaktionen im Sinne neuer Waffenlieferungen an die Ukraine oder westlicher Flugabwehr zum Beispiel über der westlichen Ukraine geben?
Hoffmann (BReg)
Eine diplomatische Reaktion hat es ja bereits gegeben. Das könnte sonst das Auswärtige Amt noch einmal erläutern. Das ist ja aber auch schon passiert. Wir beobachten das alles sehr aufmerksam, nehmen die Berichte, die es dort gibt, auch mit großer Besorgnis zur Kenntnis und appellieren weltweit, den russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine in keiner Weise ‑ weder militärisch noch wirtschaftlich ‑ zu unterstützen.
Ansonsten setzen wir unsere ja sehr breit angelegte Unterstützung für die Ukraine fort. Ein weiteres Paket im Umfang von 1,4 Milliarden Euro ist gerade in der Auslieferung. Die G7 hat jetzt beschlossen, die sogenannten Windfall Profits in Höhe von 50 Milliarden Dollar der Ukraine zur Unterstützung in ihrem Verteidigungskampf gegen Russland zur Verfügung zu stellen, und ist dabei, das umzusetzen. Diese Unterstützung werden wir auch fortsetzen.
Deschauer (AA)
Ich kann vielleicht noch kurz ergänzen, dass es neben der diplomatischen Reaktion, die wir hier in Berlin durch die Einbestellung des Geschäftsträgers der nordkoreanischen Botschaft vorgenommen haben, auch im EU-Kreis eine Äußerung gegeben hat, nämlich ein Statement des Hohen Vertreters im Namen der EU-Mitgliedstaaten, der aufgrund der entsprechenden Berichte jegliche Unterstützung des russischen Angriffskriegs durch Nordkorea klar verurteilt. Ich kann Ihnen auch sagen, dass wir im EU-Kreis, so wie mit den G7 und weiteren Staaten abgestimmt, zum Beispiel im Mai weitere Sanktionen erlassen haben, um Akteure und Entitäten, die an unrechtmäßigen Waffentransfers von Nordkorea an Russland beteiligt sind und damit auch den russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine unterstützen, entsprechende Kosten aufzuerlegen.
Ganz grundsätzlich gesprochen: Wir haben als Europäische Union immer einen Instrumentenkasten an Maßnahmen zur Verfügung. Wir beobachten die aktuellen Berichte und Entwicklungen mit großer Sorge und verhalten uns dann in Abstimmung im EU-Kreis und G7-Kreis entsprechend.
Zusatzfrage
Wir hören jetzt auch erneute Aufforderungen, Taurus zu liefern. Kann sich da angesichts der nordkoreanischen Beteiligung etwas ändern, oder ändert sich da nichts?
Hoffmann (BReg)
Der Bundeskanzler hat sich dazu immer wieder geäußert und hat auch begründet, warum er der Meinung ist, dass das nicht der richtige Schritt wäre. Daran hat sich nichts geändert.
Frage
Frau Deschauer, bei der Annexion der Krim hat sich herausgestellt, dass Russland mit falschen Identitäten von Kombattanten gearbeitet hat ‑ die berühmten grünen Männchen. Wenn jetzt, wie berichtet wird, nordkoreanische Soldaten möglicherweise mit russischen Personaldokumenten ausgestattet werden, ist das dann ein völkerrechtlich zulässiges Verfahren oder wäre es ein Verstoß?
Deschauer (AA)
Ich glaube, das kann ich jetzt nicht aus der Lameng einfach so beantworten. Wie ich schon sagte: Eine entsprechende Unterstützung ‑ sei es mit Lieferungen, sei es mit dem Einsatz von Personal, ob gelabelt oder nicht gelabelt ‑ stellt doch ganz klar eine eindeutige Eskalation dar. Wir fordern die nordkoreanische Seite dazu auf, nicht dazu beizutragen und alles in diese Richtung zu unterlassen.
Zusatzfrage
Eskalation ist eher ein quantitativer Begriff. Ich habe ja nach einer rechtlichen Einordnung gefragt. Vielleicht können die Experten Ihres Hauses eruieren und gegebenenfalls nachliefern, ob so etwas, also das Umlabeln, das Umetikettieren, das Mit-falscher-Identität-Versehen von Kombattanten rechtlich überhaupt zulässig ist oder nicht?
Deschauer (AA)
Wir tun das gerne, wenn wir das können. Gleichzeitig möchte ich aber darauf hinweisen, dass wir hier in einer Lage sind, wo wir just vor so einer Situation waren, und dass wir von dieser Bank aus üblicherweise keine hypothetischen Fragestellungen beantworten. Sollten wir das können, tun wir das also gerne, aber mit der entsprechenden Einordnung.
[…]
Frage
Die „Tagesschau“ berichtet, dass es sich weniger um nordkoreanische Kampftruppen handeln würde, sondern eher um Spezialisten und Berater, die sich mit dem Abschuss von Raketen beschäftigen würden, und laut „Tagesschau“ sei nach Angaben westlicher Geheimdienste bisher kein Massentransfer von Personal von Nordkorea auf das Territorium der Russen beobachtet worden. Das sei nämlich von Satelliten aus sichtbar, denn die Eisenbahn sei die einzige logistische Route von Nordkorea nach Russland. Ist das auch der Stand der Bundesregierung? Oder kennen Sie Satellitenaufnahmen, die Massentransfers von nordkoreanischen Truppen nach Russland zeigen?
Hoffmann (BReg)
Ich habe hier keine Erkenntnisse, die ich mit Ihnen teilen könnte.
Zusatzfrage
Frau Deschauer, Herr Collatz?
Deschauer (AA)
Das geht mir genauso.
Collatz (BMVg)
Das Bild ist ein geteiltes, wie ich eben schon sagte.