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Erklärungen des Auswärtigen Amts in der Regierungspressekonferenz vom 04.11.2024
Nahostkonflikt
Frage
Herr Fischer, zum Thema Gaza ‑ zuerst zur humanitären Lage. Die Deadline des US-Ultimatums steht bevor, nächste Woche. Die Israelis lassen immer noch nicht die von den USA geforderten 350 Trucks nach Gaza herein. Haben Sie von den Israelis eine Zahl ‑ vielleicht auch eigene Zahlen ‑, wie viele Trucks, wie viele Tonnen an humanitärer Hilfe, den Gazastreifen erreichen, insbesondere Nordgaza?
Fischer (AA)
Lassen Sie mich vielleicht damit anfangen, dass die humanitäre Lage in Nordgaza verzweifelt ist. Sie ist im ganzen Gazastreifen unerträglich. Wir beobachten, dass weiterhin nicht genug Hilfsgüter in den Gazastreifen hineinkommen, besonders nicht in den isolierten Nordgazastreifen. Der Norden ist seit Oktober fast vollständig abgeriegelt. Es gibt eine Blockade von Hilfsgütern. Es gab eine Ausnahme von einigen Lkws mit Hilfsgütern, die durchgekommen sind. Aber grundsätzlich sind keine Hilfsgüter nach Nordgaza gekommen. Es wurden Strom und Internet abgeschaltet, und die Menschen wurden aufgefordert, ihre Häuser zu verlassen und sich an andere Orte in Gaza zu begeben.
Wir tun das heute wie auch zuvor schon: Wir rufen Israel dazu auf, seinen Verpflichtungen gemäß dem internationalen Völkerrecht nachzukommen. Dazu gehört auch, den Beschlüssen des IGH zu folgen und mehr humanitäre Hilfe nach Gaza reinkommen zu lassen. Das heißt, dass die Zivilbevölkerung dringend Lebensmittel, Wasser, Medikamente braucht. Das deckt sich mit den US-Forderungen, die Sie angesprochen haben. Diese unterstützen wir weiterhin.
Und zu Ihrer konkreten Frage: Die Kolleginnen und Kollegen berichten, dass es seit September einen deutlichen Einbruch bei den Hilfslieferungen gegeben hat, und der Oktober der Monat mit den wenigsten Hilfslieferungen seit November 2023 war. Das ist eine Entwicklung, die wir mit allergrößter Sorge betrachten. Wir rufen die israelische Regierung dringend dazu auf, ihren völkerrechtlichen Verpflichtungen nachzukommen und mehr Hilfsgüter nach Gaza reinzulassen und die Menschen dort besser zu versorgen.
Zusatzfrage
Hinter den US-Forderungen stecken ja potenzielle Konsequenzen, falls das nicht passiert ‑ so hat es das Weiße Haus ja angekündigt ‑, bei den Deutschen aber nicht, richtig?
Fischer (AA)
Wie Sie wissen ‑ ‑ ‑
Zusatz
Das sind ja weiterhin leere Worte von Ihnen.
Fischer (AA)
Das sind keine leeren Worte, wir sind dazu im Gespräch mit Israel. Wir arbeiten auf europäischer Ebene daran, dass mehr Hilfsgüter hereinkommen. Wir bemühen uns darum, den Zugang von internationalen Hilfsorganisationen nach Gaza sicherzustellen. Sie haben vielleicht mitbekommen, dass wir uns auch dafür eingesetzt haben, dass UNRWA weiterhin im Westjordanland, in Gaza und in Ostjerusalem arbeiten kann. All das tun wir als Bundesregierung. Das tun wir europäisch abgestimmt, und das tun wir auch international abgestimmt.
Frage
Herr Fischer, es gibt Meldungen aus der Türkei, dass ein unter deutscher Flagge fahrendes Schiff in Istanbul gestern offenbar von propalästinensischen Aktivisten gestürmt oder besetzt worden ist. Da wird den Menschen vorgeworfen, dass sie Waffen für Israel transportieren. Können Sie diesen Vorfall bestätigen? Wissen Sie davon?
Fischer (AA)
Nein, der Vorfall ist mir nicht bekannt, da müsste ich mich schlau machen.
Frage
Herr Fischer, Sie haben gerade die völkerrechtlichen Verpflichtungen Israels angesprochen. Nun werden Krankenhäuser in Gaza weiterhin bombardiert. Die letzten drei Krankenhäuser sind jetzt besetzt, belagert von Israel und es wird auf Verletzte geschossen. UNICEF hat Gaza schon als den größten Kinderfriedhof der Welt bezeichnet. In den letzten zwei Tagen sind mindestens 50 Kinder ums Leben gekommen. Ich hätte gerne eine Reaktion dazu.
Fischer (AA)
Ich habe gerade ja schon zum Ausdruck gebracht: Die humanitäre Lage in Gaza besorgt uns sehr. Wir setzen uns dafür ein, dass mehr Hilfsgüter nach Gaza kommen. Gleichzeitig ist es aber so, dass Israel das Recht auf Selbstverteidigung im Rahmen des humanitären Völkerrechts gegen die Hamas zusteht. Bei allen militärischen Aktionen muss es aber natürlich darum gehen, Zivilistinnen und Zivilisten zu schützen; ihr Leben zu schützen ist das höchste Gebot. Das ist unsere klare Botschaft an Israel.
Wir sehen, dass es immer wieder zu Vorfällen mit vielen toten Zivilistinnen und Zivilisten kommt. Auch deswegen haben wir Israel in der Vergangenheit aufgefordert ‑ und tun das auch jetzt wieder ‑, die Art seiner militärischen Operationsführung zu überdenken und so auszurichten, dass Zivilistinnen und Zivilisten geschützt werden.
Zusatzfrage
Ab welchem Zeitpunkt müsste es Konsequenzen geben? Wie viele Menschen müssen also noch sterben, bevor es Konsequenzen gibt?
Fischer (AA)
Ich glaube, ich habe unsere Position sehr klar zum Ausdruck gebracht: Es geht darum, die Zivilistinnen und Zivilisten in Gaza zu schützen, und das gilt für alle Konfliktparteien.
Frage
Ich stelle diese Frage öfter, und ich stelle sie jetzt wieder, weil sie immer noch relevant ist: Welche konkreten Druckmittel setzt die Bundesregierung ein, um Israel dazu zu bewegen, Hilfsgüter und Lkws in den Gazastreifen hineinzulassen? Jetzt wurden wieder Waffen geliefert, und zwar nicht nur defensive Waffen, wie wir wissen, sondern auch Teile für Panzer. Was für Druckmittel bleiben denn noch übrig und wie werden sie eingesetzt?
Fischer (AA)
Zunächst einmal zu Ihren Unterstellungen: Rüstungsexporte der Bundesregierung werden immer im Einzelfall und natürlich vor dem Hintergrund der außen- und sicherheitspolitischen Rahmenbedingungen beschlossen, aber genauso natürlich mit Blick auf die menschenrechtlichen und humanitären Auswirkungen. ‑ Das vorab.
Zum anderen habe ich gerade ja schon ausgeführt, dass wir uns gemeinsam mit unseren Partnern in der Europäischen Union, mit den Amerikanern, mit den Briten, mit vielen arabischen Staaten gegenüber Israel dafür einsetzen, dass endlich mehr humanitäre Hilfe hineinkommt, und auch, dass Zivilistinnen und Zivilisten bei den Militäroperationen so gut wie möglich geschützt werden.
Zusatz
Jetzt habe ich immer noch keine Antwort auf die Frage, was für konkrete Mittel Deutschland einsetzt, um das zu bewirken.
Fischer (AA)
Ich glaube, wir haben hier verschiedentlich darüber geredet, was wir alles tun ‑ ich habe das heute auch noch einmal ausgeführt. Ich glaube, das ist sehr klar und eindeutig: Wir setzen uns gemeinsam mit unseren Partnern in der internationalen Gemeinschaft für die Menschen in Gaza, aber eben auch in Israel und genauso im Libanon ein.
Frage
Zum Thema Baalbek, also Libanon: Herr Fischer, wenn in der Vergangenheit Kriegsparteien Weltkulturerbe angegriffen haben, hat die Bundesregierung das immer scharf verurteilt und sich empört gezeigt. Wie stehen Sie zu den israelischen Angriffen auf das Weltkulturerbe Baalbek?
Fischer (AA)
Ich bin mir nicht sicher, welcher Teil Baalbeks oder ob Baalbek insgesamt Weltkulturerbe ist.
Zusatz
Die antike Stadt Baalbek, ja.
Fischer (AA)
Wie gesagt, ich kann Ihnen aus dem Stehgreif nicht beantworten, was in Baalbek Weltkulturerbe ist, ob die ganze Stadt Weltkulturerbe ist oder auch nicht; das kann ich Ihnen nicht sagen. Gleichzeitig ist es aber so ‑ und das gilt im Libanon genauso wie an anderen Orten ‑: Die Hisbollah hat allein über das Wochenende täglich mehr als 100 Raketen nach Israel geschossen, und gegen diesen Beschuss steht Israel das Recht auf Selbstverteidigung im Rahmen des humanitären Völkerrechts zu. Das sind die engen Grenzen, an die Israel sich bei seinen Angriffen in Libanon halten muss.
Zusatzfrage
Ja, aber ich habe jetzt konkret zu Angriffen auf Weltkulturerbe gefragt. Das ist ja immer noch ein besonderer Aspekt bei der Kriegsführung. In der Vergangenheit hat sich die Bundesregierung, wenn von den Taliban, im Irak oder in Syrien Weltkulturerbe angegriffen wurde, immer explizit dazu geäußert. Das wollen Sie jetzt nicht?
Fischer (AA)
Wie gesagt, ich kenne den genauen Weltkulturerbestatus von Baalbek nicht. Ganz grundsätzlich möchte ich aber sagen, dass die Dinge nicht vergleichbar sind. Wenn Kulturerbe dafür genutzt wird, Raketen auf Israel zu schießen, dann kann es unter bestimmten Bedingungen durchaus legitim sein, dort militärische Stellungen anzugreifen. Wenn die Hisbollah militärische Stellungen in Baalbek unterhält, dann kann im Rahmen des Völkerrechts ein Angriff legitim sein. Er muss verhältnismäßig sein und er muss sozusagen die Bedrohung ausschalten können.
Da Sie die Taliban ansprechen: Gleichzeitig erinnere ich mich an Fälle, wo diese ohne jegliche Art von militärischer Bedrohung zum Beispiel Buddha-Statuen gesprengt haben. Ich finde, das ist in keinster Art und Weise zu vergleichen.
Zusatz
Wie gesagt, es geht um Angriffe auf Weltkulturerbe, darum ist das natürlich ‑ ‑ ‑
Fischer (AA)
Ich glaube, wir haben uns verstanden.
Hebestreit (BReg)
Vielleicht kann ich dazu nur ergänzen: Die Information, die ich habe, ist, dass es Luftangriffe in Baalbek gab, aber nicht ‑ bislang nicht ‑ auf die Stätten des Weltkulturerbes. Das entschuldigt nichts; ich möchte nur den Eindruck, der hier jetzt entsteht, dass dort Weltkulturerbestätten direkt in Mitleidenschaft gezogen worden seien, ein bisschen korrigieren. Es gibt aber ‑ da hat der Kollege recht ‑ Warnungen auch von den Vereinten Nationen, dass das in Zukunft passieren könnte, weil das nah an diesen Kulturstädten stattfindet. Aber noch sind wir in der Situation, dass es noch keine konkrete Bombardierung der Weltkulturerbestätte gegeben hat.
Fischer (AA)
Vielleicht abschließend: Baalbek gilt ‑ das wissen Sie ‑ als Hochburg der Hisbollah. Insofern muss man natürlich auch die Hisbollah fragen, warum sie sich in einer Weltkulturerbestätte versteckt.
Frage
Herr Fischer, Sie haben in der Vergangenheit und auch heute wieder eine Änderung der Kriegsführung von Israel gefordert. Haben Sie in den letzten Monaten gesehen, dass Israel seine Kriegsführung geändert hat?
Fischer (AA)
Ich habe das ja sozusagen mit Bedacht gefordert, weil wir sehen, dass die Zahl der getöteten Zivilistinnen und Zivilisten gerade in den letzten Wochen wieder sehr hoch gewesen ist.
Die Kollegen schicken mir gerade noch eine Information zu: Sie sagen, dass die römischen Tempelanlagen UNESCO-Welterbe sind, die Angriffe sich bislang aber nicht gegen die römischen Tempelanlagen gerichtet haben.
Zusatzfrage
Wenn andere Länder sanktionieren wollen, sprechen Sie ja immer vom Instrumentenkasten. Haben Sie in Ihrem Instrumentenkasten irgendwelche Instrumente, um Israel sagen zu können bzw. Druck auf Israel ausüben zu können, dass es seine Kriegsführung ändern soll?
Fischer (AA)
Ich habe, glaube ich, in den letzten 20 Minuten regelmäßig ausgeführt, was wir tun, wie wir es tun und dass wir da international geeint agieren.
US-Präsidentschaftswahl
Frage
Weil ja morgen die Wahl in den USA ist: Herr Hebestreit, können Sie sagen, wie der Kanzler die Wahlnacht verfolgen wird? Verängstigt unter der Bettdecke, auf irgendeiner Party? Herr Fischer, vielleicht können Sie das auch für die Außenministerin sagen?
Hebestreit (BReg)
Der Bundeskanzler ist ein so erfahrener Politiker, dass er weiß, dass diese Wahlnacht vielleicht gar nicht das Entscheidende sein wird, sondern das Wahlergebnis womöglich erst am Mittwoch oder in den folgenden Tagen bekannt oder klar sein wird. Er lässt sich aber laufend davon unterrichten. Wo er das genau tut, entzieht sich im Augenblick meiner Kenntnis, aber ich reiche Ihnen das gerne bei Gelegenheit ‑ am Mittwoch, dann wird es ja gewesen sein ‑ nach.
Fischer (AA)
Was die Außenministerin betrifft, kann ich Ihnen mitteilen: Sie wissen ja, dass sie heute Morgen in der Ukraine eingetroffen ist. Ich kann Ihnen keine genaueren Details über die Länge, die Dauer und die Art ihres Aufenthalts mitteilen. Es würde mich aber nicht überraschen, wenn sie in den betreffenden Stunden auf dem Weg zurück nach Berlin ist.
Zusatzfrage
Es kann sein, dass das hier schon einmal Thema war: Werden deutsche Wahlbeobachter der OSZE vor Ort sein?
Fischer (AA)
Nach meinem Kenntnisstand gibt es in der Tat eine Wahlbeobachtungsmission. In der Vergangenheit waren auch Deutsche dabei. Ich gehe davon aus, dass das wieder so sein kann, aber das müsste ich noch einmal überprüfen.
Frage
Herr Hebestreit, auch wenn Sie zum Ausgang der Wahl natürlich nichts sagen wollen: Wie wichtig ist diese Wahl aus deutscher Sicht?
Hebestreit (BReg)
Die Vereinigten Staaten sind der wichtigste und engste Verbündete Deutschlands. Insofern ist eine Wahl um das Präsidentenamt dort auch für uns als ein wichtiges Ereignis. Gleichzeitig gilt: Die Ergebnisse demokratischer Wahlen akzeptieren wir grundsätzlich. Insofern sind wir jetzt gespannt, wer sich am Ende durchsetzen wird.
Wahlen in der Republik Moldau
Frage
Zum Thema Wahlen in der Republik Moldau: Herr Fischer, vielleicht können Sie das noch einmal ein bisschen einordnen. Es geht mir vor allem um den Vorwurf Russlands ‑ also nicht des Westens, sondern Russlands ‑, was Wahlmanipulationen angeht, und um eine Bewertung des Ergebnisses in dem Sinne, dass die Mehrheit für die prowestlich eingestellte Präsidentin vor allem durch Stimmen von Auslandsmoldawiern zustande kam. Ist das aus Ihrer Sicht ein Makel, was diesen Wahlsieg angeht, oder nicht?
Fischer (AA)
Die Menschen in Moldau und mit moldauischer Staatsangehörigkeit waren aufgerufen zu wählen, und natürlich haben sie das Recht, ihre Regierung und ihre nächste Präsidentin zu wählen. Das ist auch gar nichts Verwunderliches. Wenn Sie sich zum Beispiel bei Bundestagswahlen im Ausland aufhalten oder im Ausland wohnen, können Sie natürlich trotzdem Ihre Stimme abgeben. Insofern ist es überhaupt nichts Ungewöhnliches, dass Moldauerinnen und Moldauer, die sich im Ausland aufhalten, bei der Präsidentschaftswahl mitgestimmt haben.
Ich möchte darauf hinweisen, dass sowohl die Außenministerin als auch der Bundeskanzler Frau Sandu zu ihrer Wiederwahl gratuliert haben. Ich möchte auch darauf hinweisen, dass wir am Wochenende den Versuch einer massiven Einflussnahme und auch Einschüchterungsversuche hier in Europa gesehen haben, indem nämlich Wahllokale in Hamburg, Frankfurt, Kaiserslautern und Berlin mit Bombendrohungen überzogen worden sind, mit dem Ziel, die Wahl für die Auslandsmoldauerinnen und ‑moldauer hier unmöglich zu machen. Das ist etwas, was wir nicht nur in Deutschland gesehen haben; wir haben das zum Beispiel auch in Bukarest oder in Spanien gesehen. Das heißt, es gab den massiven Versuch von offensichtlich interessierter Seite, koordiniert daran zu arbeiten, den Auslandsmoldauerinnen und ‑moldauern ihr Wahlrecht durch Bombendrohungen zu nehmen. Das ist natürlich vollkommen inakzeptabel.
Zusatzfrage
Was sagen Sie zu dem russischen Vorwurf, dass es auch umgekehrt Wahlbeeinflussungen gab?
Fischer (AA)
Es war ja eine OSZE-Wahlbeobachtermission vor Ort. Die wird heute, glaube ich, gegen 14 Uhr ihren ersten Bericht feststellen. Schon nach der ersten Wahlrunde haben die Wahlbeobachter einen Bericht veröffentlicht und haben darin gezielte Einflussnahme festgestellt, aber gerade nicht in dem Sinne, den Sie gerade unterstellt haben. Im Gegenteil, es hat sozusagen eine gezielte Einflusskampagne, Stimmenkauf und Desinformationskampagnen in den sozialen Medien gegeben, die darauf zielten, Präsidentin Sandu zu schwächen.
Vielleicht kann man sagen: Die moldauische Regierung hat getan, was in ihren Kräften stand, um diese Beeinflussungsversuche aufzuklären und dafür zu sorgen, dass die Wahlen fair und frei stattfinden können.