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Erklärungen des Auswärtigen Amts in der Regierungspressekonferenz vom 22.11.2024
Reise der Außenministerin zum Treffen der G7-Außenministerinnen und ‑Außenminister nach Italien
Wagner (AA)
Ich darf Ihnen eine Reise der Außenministerin am Montag ankündigen. Außenministerin Baerbock wird am Montag ‑ das ist der 25. November ‑ zu dem zweitägigen Treffen der G7-Außenministerinnen und ‑Außenminister in Italien reisen. Das Treffen findet natürlich unter dem Vorsitz Italiens statt. Themen werden unter anderem der russische Angriffskrieg gegen die Ukraine, die Lage im Nahen und Mittleren Osten, regionale Fragen im Indopazifik sowie globale Partnerschaften sein. Wie Sie wissen ‑ das war schon unter unserem Vorsitz 2022 und unter dem japanischen Vorsitz letztes Jahr so ‑, sind die G7 bei der Unterstützung der Ukraine weiterhin ein wichtiger und entscheidender Abstimmungsmechanismus.
Zum Schluss noch zwei Servicehinweise: Bei dem Treffen wird es aller Voraussicht nach ein Kommuniqué geben, das vom italienischen Vorsitz veröffentlicht wird. Am Ende des Treffens wird die Außenministerin eine Pressekonferenz geben, über die wir Sie dann über die üblichen Kanäle informieren werden.
Haftbefehl des Internationalen Strafgerichtshofs unter anderem gegen Benjamin Netanjahu
[…]
Frage
Ich probiere es auch noch einmal. ‑ Herr Hebestreit, in Ihrer Erklärung haben Sie geschrieben, dass Sie die innerstaatlichen Schritte gewissenhaft prüfen, was vom Lesen her erst einmal nach sehr langer Bank klingt. Daher ist die Frage der Kollegin natürlich vollkommen berechtigt, welche Prüfungen im Vorhinein stattgefunden haben, nachdem Sie ja schon monatelang wussten, dass da etwas kommen würde. Ich würde gerne verstehen, was dort konkret zu prüfen ist.
Das Zweite ist: Sehen Sie auch eine Prüfungsnotwendigkeit für den unwahrscheinlichen Fall, dass Herr Sinwar hierherkommt, der ja ebenfalls von einem Haftbefehl betroffen ist?
Hebestreit (BReg)
Zu dem zweiten Teil kann sich, weil der Kollege Wagner mir gerade etwas zuflüsterte ‑ dazu weiß er offenbar mehr als ich ‑, Herr Wagner kurz äußern.
Zu dem ersten Teil bleibe ich bei meiner Antwort, die ich nachvollziehbarerweise ‑ ‑ ‑ Wenn Sie sagen, das sei unbefriedigend, nehme ich das zur Kenntnis. Ich bleibe bei dieser Sprechererklärung und sage: Gestern sind diese Haftbefehle erlassen worden. Jetzt wird gewissenhaft geprüft, welche Konsequenzen das innerstaatlich, also innerhalb von Deutschland, haben kann.
Wagner (AA)
Ich kann dazu etwas ergänzen. Herr Sinwar ist ja tot und nicht von einem Haftbefehl betroffen, sondern der richtet sich gegen den Hamas-Führer Deif.
Zusatzfrage
Gut. Dann würde ich die Frage auf ihn anpassen. Da habe ich mich wohl gerade verlesen. Wie schaut es da aus? Muss auch da gewissenhaft geprüft werden?
Wagner (AA)
Ich kann Sie, weil Sie auch das Auswärtige Amt angesprochen haben, nur noch einmal darauf verweisen, was die Außenministerin heute Morgen in einer deutschen Fernsehsendung gesagt hat und was wir auch von dieser Stelle immer wieder gesagt haben: Dieses Gericht ist unabhängig. Die Unabhängigkeit des Gerichts achten wir. Natürlich ist Deutschland an Recht und Gesetz und an das Völkerrecht gebunden. Die Haltung der Bundesregierung hat ja der Regierungssprecher in einer schriftlichen Stellungnahme vor dieser Regierungspressekonferenz dargelegt.
[…]
Frage
Ich möchte die Außenministerin zitieren, als es um den Strafbefehl gegen Herrn Putin ging. Herr Hebestreit, Herr Wagner, vielleicht können Sie sagen, ob diese Aussagen noch immer gelten. Sie hat gesagt: Niemand steht über der Charta der Vereinten Nationen. Niemand steht über dem humanitären Völkerrecht. Niemand kann Kriegsverbrechen gegen die Menschlichkeit ungesühnt begehen. Deutschland verteidigt die Charta der Vereinten Nationen. Deswegen steht man voll und ganz hinter dem IStGH, der dafür geschaffen worden sei, dass Kriegsverbrechen nicht ungesühnt bleiben. ‑ Gilt das?
Wagner (AA)
Natürlich gilt das. Das Völkerrecht gilt. Ich habe schon betont, dass Deutschland natürlich an das Völkerrecht gebunden ist. Das hat auch die Außenministerin betont.
Ich möchte noch zu dem Vergleich mit Putin etwas sagen: Die Situation dort ist deutlich anders gelagert. Anders als Israel verfügt Russland nicht über ein funktionierendes Justizsystem, bei dem man davon ausgehen kann, dass der Konflikt zeitnah aufgearbeitet wird. Außerdem: Anders als Israel greift Russland völkerrechtswidrig ein Land an und verteidigt sich nicht gegen einen bewaffneten Angriff, wie es Israel tut. Das nur zu dem Vergleich und der Gleichsetzung.
Zu Ihrer Eingangsfrage: Ist Deutschland an das Völkerrecht gebunden? Ja, natürlich ist Deutschland an das Völkerrecht gebunden.
Zusatz
Vielleicht haben Sie mich missverstanden, dass ich jetzt Russland und Israel vergleichen oder gleichsetzen wollte.
Wagner (AA)
Das wollte ich Ihnen auch nicht unterstellen.
Zusatzfrage
Ich habe mich auf die Aussagen zu einem anderen Haftbefehl gegen einen anderen Regierungschef in einem anderen Land bezogen, bei dem Sie sich ganz klar hinter die Charta der Vereinten Nationen und den IStGH gestellt und eindeutig gesagt haben: Das muss umgesetzt werden. ‑ Jetzt sehen wir, dass Sie anders darauf reagieren. Das ist interessant.
Wagner (AA)
In der veröffentlichten Sprechererklärung von Herrn Hebestreit steht, dass Deutschland einer der größten Unterstützer des Internationalen Strafgerichtshofs ist.
Zusatzfrage
Aber Sie sagen, dass niemand über der Charta der Vereinten Nationen steht.
Wagner (AA)
Weil rechtlich faktisch niemand über der Charta der Vereinten Nationen steht.
Frage
Noch einmal zu der Frage der Zuständigkeit, die gerade schon angesprochen wurde. Das Argument Deutschlands in der Amicus Curiae Submission war, dass sich die israelischen Gerichte selbst erst einmal mit dem Fall beschäftigen sollen. Diese Argumentation wurde aber jetzt eindeutig abgelehnt. Ist das der Grund, warum Sie jetzt sagen, es müsste noch einmal geprüft werden, wer eigentlich zuständig ist? Fahren Sie weiterhin die gleiche Argumentation?
Wagner (AA)
Das kann ich vielleicht beantworten. ‑ In der Tat hatten wir von dem Angebot des Gerichts Gebrauch gemacht, unsere Rechtsauffassung darzulegen. Wir haben, wie Sie sagen, in diesem Schreiben auf das Komplementaritätsprinzip abgestellt, das ja ein wichtiges Prinzip im Römischen Statut ist. Sollte es zu einem Hauptsacheverfahren kommen, wird diese Frage dort weiter eine Rolle spielen; denn dann wird noch die Frage zu beantworten sein: Kann sich der Gerichtshof mit der Situation befassen? ‑ Wie Herr Hebeschreit es schon richtig gesagt hat: Im Moment schauen wir auf eine Entscheidung zu Haftbefehlen. Das ist keine rechtliche Beurteilung mit Blick auf dieses rechtliche Argument.
Zusatzfrage
Seit einem Jahr gibt es in Israel kein Gerichtsverfahren zu diesen Vorwürfen, obwohl verschiedene Menschenrechtsorganisationen vor Gericht geklagt haben. Diese Klagen wurden abgelehnt. Wie ist man überhaupt zu dem Schluss gekommen, hier gebe es keine Rechtslücke?
Wagner (AA)
Ich glaube, auch da gilt das, was der Regierungssprecher gerade gesagt hat: Unsere Haltung zu Israel ist unverändert. Wir haben in der Vergangenheit immer wieder gesagt: Wenn es Vorwürfe, wenn es Anzeichen gibt, dass internationales humanitäres Völkerrecht nicht eingehalten wird, muss das aufgeklärt werden, und zwar vor allen Dingen durch die israelische Justiz.
Zum anderen haben wir auch immer wieder gesagt: Humanitärer Zugang ist extrem wichtig. Es muss mehr getan werden, um das Leid in Gaza zu lindern. Der humanitäre Zugang muss gewährleistet werden. Natürlich ist Israel an das humanitäre Völkerrecht gebunden.
Frage
Herr Wagner, das, was Sie gerade beschrieben haben, dass Sie Israel regelmäßig daran erinnern, dass eine innerisraelische und auch eine justizielle Aufarbeitung notwendig ist, hat das in irgendeiner Form Früchte getragen? Israel unterliegt ja nicht dem IStGH und ist nicht Mitglied. Was können Sie uns dazu berichten? Gibt es irgendwelche Anzeichen dafür, dass in Israel irgendetwas passiert, oder wirken Sie jetzt noch einmal spezifisch auf Israel ein? Versuchen Sie einzuwirken, damit dort ein Ermittlungsverfahren angestrengt, eingeleitet und durchgeführt wird, sodass sich die IStGH-Zuständigkeit automatisch erledigt hat?
Wagner (AA)
Ich glaube, dazu kann ich kurz bleiben. Es bleibt dabei, dass, wenn es Anzeichen gibt, dass internationales Völkerrecht nicht eingehalten wird und es da Fragezeichen gibt, dies durch die israelische Justiz aufgearbeitet werden muss. Im Übrigen sagen nicht nur wir das, sondern auch israelische Stimmen führen das immer wieder an. Insofern muss sich Israel letztlich daran messen lassen.
[…]
Frage
Herr Wagner, die israelische Regierung hat das Urteil als einen schwarzen Tag bezeichnet. Der ICC habe jegliche Legitimität für seine Existenz verloren und sich in den Dienst extremistischer Kräfte gestellt. Hat der ICC aus Sicht der Bundesregierung seine Legitimität verloren? Stellt er sich in den Dienst extremistischer Kräfte, oder hat die Bundesregierung keinen Zweifel an der Legitimität der Arbeit des ICC?
Wagner (AA)
Ich glaube, wenn Sie alle Äußerungen, die Sie heute bisher von diesem Podium dazu gehört haben, nebeneinanderlegen, werden Sie zu dem Schluss kommen, dass wir natürlich weiter Unterstützer des IStGH sind und zum Völkerrecht stehen.
Lassen Sie mich noch sagen: Wir haben bei unseren israelischen Partnern immer sehr dafür geworben, mit dem Internationalen Strafgerichtshof zu kooperieren, was ja Israel freisteht, selbst wenn es nicht Unterzeichnerstaat des Römischen Statuts ist.
Zusatz
Ich bitte um Entschuldigung, dass mir eben das falsche Kürzel „ICC“ rausgeschlüpft ist.
Wagner (AA)
Das ist richtig. Sie sind nur in einer anderen Sprache unterwegs.
Zusatzfrage
Ja. Deswegen war das verwirrend. ‑ Ich denke, Sie werden die Begründung für die Haftbefehle kennen. In ihr wird Israel vorgeworfen, dass der betroffenen Zivilbevölkerung absichtlich der Zugang zu Nahrungsmitteln und medizinischer Versorgung verweigert oder eingeschränkt wurde und dass dies ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit sei. Die kritisierten Sachverhalte sind welche, die auch Sie und andere Sprecher vor allem des Auswärtigen Amtes hier immer wieder kritisiert haben. Vor dem Hintergrund Ihrer eigenen Einschätzungen hat sich Israel der erhobenen Vorwürfe schuldig gemacht, nämlich der Verweigerung von möglicher Hilfe und Nahrung.
Wagner (AA)
Sehen Sie es mir nach, dass ich Ihnen darauf eine faktische Antwort gebe. Offensichtlich ist die Vorverfahrenskammer des Internationalen Strafgerichtshofs zu dem Schluss gekommen, dass es einen hinreichenden Tatverdacht gibt, um zu diesem Schluss zu kommen. Wir sind ja hier, um die Position der Bundesregierung zum Ausdruck zu bringen. Die beschäftigt sich jetzt seit nunmehr über zwölf Monaten mit der Lage in Gaza, mit der Lage in Nahost und mit der Frage, wie wir zu einer Lösung dieses Konflikts kommen können, um das schreckliche Leid der Menschen, die in Gaza unter katastrophalen Bedingungen ausharren müssen, zu beenden. Ich glaube, das ist letztlich unser Fokus. Deshalb werden natürlich unsere diplomatischen Bemühungen weitergehen, zu einer Lösung des Konflikts beizutragen.
[…]
Mögliche Lieferung von Antipersonenminen aus den USA an die Ukraine
Frage
Ich würde es zuerst einmal bei Herrn Wagner probieren. Sie haben wahrscheinlich die Meldung mitbekommen, dass die USA jetzt Antipersonenminen an die Ukraine geben will. Deutschland ist Unterzeichnerstaat der Ottawa-Konvention und hat sie auch ratifiziert, also das globale Verbot von Antipersonenminen. Auch die Ukraine ist Vertragsstaat. Das heißt, diese Waffen sind international geächtet.
Wie reagieren Sie auf die Ankündigung der Amerikaner?
Wagner (AA)
Sie haben im Grunde die Rahmenbedingungen für unsere Positionierung gut referiert. Es ist vollkommen klar, dass wir uns weltweit für die Geltung der Ottawa-Konvention einsetzen. Derzeit gilt das Übereinkommen leider nicht für alle Staaten weltweit. Aber es ist doch vollkommen klar, dass wir diesbezüglich eine klare Haltung haben.
Zugleich muss man aber auch sagen, dass Russland laut glaubwürdigen Berichten in ganz massiver Art und Weise Minen in der Ukraine zu seinem militärischen Vorteil einsetzt und damit gegen vom humanitären Völkerrecht vorgegebene Schutzpflichten gegenüber der Zivilbevölkerung verstößt. Das verurteilen wir aufs Schärfste.
Zusatzfrage
Dass die Russen das einsetzen, war jetzt nicht die Frage. Es ist ja auch klar. Russland ist aber auch nicht Vertragsstaat. Die Ukraine ist Vertragsstaat. Das heißt, für die Ukraine gilt das.
Diese Waffe ist international geächtet. Laut Artikel 1 dieser Konvention darf Deutschland auch nicht irgendjemanden in irgendeiner Weise unterstützen, ermutigen oder veranlassen, Tätigkeiten vorzunehmen, die einem Vertragsstaat aufgrund dieses Übereinkommens verboten sind. Das heißt, wir müssen auf die Ukraine einwirken, dass sie diese Waffen, die sie von den Amerikanern bekommt, nicht einsetzt. Verstehe ich das falsch?
Wagner (AA)
Nein, das verstehen Sie nicht falsch. Ich bestreite das auch gar nicht. Ehrlich gesagt, ist es auch bedauerlich, dass die Ukraine sich im Fortgang dieses Krieges zu einem solchen Schritt gezwungen sieht.
Ich kann aber nur noch einmal zum Ausdruck bringen, was für uns gilt. Für uns gilt eben die Ottawa-Konvention.