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Erklärungen des Auswärtigen Amts in der Regierungspressekonferenz vom 02.12.2024
Lage in Syrien
Frage
Zum Thema Syrien: Seit Mittwoch haben Rebellen ein paar Städte und Dörfer, auch vor allem Aleppo, zurückerobert. Deutschland ist einer der Gründer des Internationalen Strafgerichtshofs. Warum hat die Bundesregierung zwischen 2013 und heute nicht die Richter dieses Gerichts davon überzeugt, einen Haftbefehl gegen den Diktator Assad zu erlassen? Der ist doch wie Putin und Netanjahu ein Kriegsverbrecher.
Zum Thema Syrien: Seit Mittwoch haben Rebellen ein paar Städte und Dörfer, auch vor allem Aleppo, zurückerobert. Deutschland ist einer der Gründer des Internationalen Strafgerichtshofs. Warum hat die Bundesregierung zwischen 2013 und heute nicht die Richter dieses Gerichts davon überzeugt, einen Haftbefehl gegen den Diktator Assad zu erlassen? Der ist doch wie Putin und Netanjahu ein Kriegsverbrecher.
Fischer (AA)
Das liegt wahrscheinlich daran, dass Syrien kein Vertragsstaat des Römischen Statuts ist und sich deshalb auch der Rechtsprechung des Römischen Statuts nicht unterworfen hat und anders als in anderen Fällen auch der Internationale Strafgerichtshof keine entsprechende Verbindung herstellen konnte. Das ändert nichts daran, dass Assad ein Kriegsverbrecher ist, der auf brutalste Weise seine eigene Bevölkerung unterdrückt hat. Ich erinnere daran, dass er in der Vergangenheit Chemiewaffen gegen seine eigene Bevölkerung eingesetzt hat und damit auch gegen eines der größten Tabus der Kriegsführung verstoßen hat und dass all diese Dinge dazu geführt haben, dass die Beziehungen zu dem Assad-Regime von vielen, vielen Staaten auf der Welt beendet worden sind.
Frage
Ich habe auch zur Lage in Syrien die Frage an das AA und vielleicht auch an Herrn Ata, was das für mögliche Fluchtbewegungen bedeuten könnte. Diese Eskalation kam ja jetzt überraschend schnell. Wie schätzen Sie es ein, dass sich dort neue Fluchtbewegungen auf den Weg machen, auch in Richtung Europa?
Büchner (BReg)
Ich würde hier gerne erst noch einmal erwähnen, dass sich die Bundesregierung mit den Partnern ‑ den USA, Frankreich und Großbritannien ‑ hierzu ja abgestimmt hat, und wir haben dazu erklärt, dass wir die Entwicklung in Syrien genau verfolgen und alle Parteien zur Deeskalation und zum Schutz der Zivilbevölkerung und der Infrastruktur auffordern, um weitere Vertreibungen und eine Unterbrechung des humanitären Zugangs zu verhindern.
Konkret zur Frage nach möglichen neuen Flüchtlingsbewegungen möchten wir uns hier jetzt nicht einlassen. Das wäre ja auch spekulativ. Wir hoffen jetzt zunächst einmal, dass es zu einer schnellen Deeskalation der Situation kommt.
Dr. Ata (BMI)
Dem kann ich nichts hinzufügen.
Fischer (AA)
Ich kann vielleicht auf ein paar Fakten hinweisen. Sie wissen ja, dass in Syrien derzeit rund 16 Millionen Menschen auf humanitäre Hilfe angewiesen sind, und die jüngsten Kampfhandlungen werden sicherlich dazu geführt haben, dass hier die Zahl der Menschen, die zunächst innerhalb Syriens auf der Flucht sind, und auch die Zahl derjenigen, die auf humanitäre Hilfe angewiesen sein werden, noch einmal ansteigt. Gleichzeitig haben Sie ja vielleicht in Erinnerung, dass im Zuge des Krieges im Libanon auch mehrere Hunderttausend Menschen aus dem Libanon nach Syrien geflüchtet sind. Da gibt es jetzt nach dem Waffenstillstand teilweise eine Umkehr. Die Menschen kehren wieder zurück. Aber dass die neueste Offensive die ja schon bislang sehr angespannte humanitäre Lage noch einmal verschärft, liegt, glaube ich, auf der Hand.
Der Regierungssprecher hat ja schon auf das Statement der Syrienbeauftragten der Quad, also Deutschlands, Großbritanniens, Frankreichs und der USA, hingewiesen. Mir ist wichtig, noch einmal hervorzuheben, dass die jüngsten Kämpfe doch sehr deutlich zeigen, dass der Syrienkonflikt nicht gelöst ist und dass man ihn auch nicht aussitzen kann, wie das Assad-Regime das möglicherweise die letzten Jahre gedacht hat und deswegen auch den UN-geführten politischen Prozess blockiert hat. Ich glaube, diese Blockade des politischen Prozesses ist letztlich für das Assad-Regime mit den jüngsten Ereignissen an ihr Ende gekommen. Ich kann nur, wie das auch in dem Statement der Quad angelegt ist, noch einmal unterstreichen, dass es darum geht, in einen politischen Prozess zurückzukehren, die Roadmap, die die Vereinten Nationen seit 2015 entwickelt haben, endlich umzusetzen und die Lage der Menschen in Syrien zu verbessern. Das alles ist ja auch von einer UN-Resolution gedeckt. Die UN-Resolution 2254 zeigt dafür den Weg auf.
Entsprechend hat sich gestern auch der UN-Sondergesandte für Syrien geäußert, und wir unterstützen seine Bemühungen um eine politische Lösung mit Nachdruck und stehen auch in diesen Tagen in sehr engen Kontakt mit ihm dazu.
Zusatzfrage
Herr Fischer, Sie beschreiben diese Lage so und sagen auch, wie viele Menschen dort in Syrien schon auf humanitäre Hilfe angewiesen sind und dass deren Zahl steigen wird. Jetzt haben Sie selbst den Libanon angesprochen. Auch dort ist die Lage verheerend. Nach Ausbruch des Bürgerkrieges in Syrien sind ja viele Menschen in den Libanon geflüchtet, was eben jetzt angesichts der Lage viel schwerer möglich sein wird. Deswegen frage ich noch einmal, auch wenn keine klaren Prognosen in Zahlen möglich sind: Rechnen Sie mit einer erneuten Fluchtbewegung auch in Richtung Europa? Welche Vorkehrungen müssen dafür getroffen werden, um dafür gewappnet zu sein?
Fischer (AA)
Ich glaube, dazu hat sich der stellvertretende Regierungssprecher ja schon geäußert. Ich glaube, die Lage kann sich in verschiedene Richtungen entwickeln. Gerade in der Provinz Idlib gab es ja auch viele Geflüchtete aus dem syrischen Kernland, die jetzt möglicherweise die Chance bekommen, in ihre alte Heimat zurückzukehren, sollten sich die Frontlinien dauerhaft verschieben. Insofern gibt es, glaube ich, zum jetzigen Zeitpunkt noch keine abschließende Antwort darauf.
Schöneck (BMZ)
Kurz ergänzend, vielleicht einfach als Hintergrundinformation: Die Bundesregierung unterstützt auch bereits ganz wesentlich die Aufnahmekapazitäten im Libanon, sowohl für Binnenvertriebene als aber natürlich auch für syrische Flüchtlinge, die bereits vor Ort sind. Das wird natürlich im Zweifel auch neu ankommende Flüchtlinge betreffen. Dafür wurden erst zuletzt neue Mittel, die dann auch noch vom Bundestag bewilligt wurden, in Höhe von 60 Millionen Euro bereitgestellt. Dabei geht es dann insbesondere um die Bereitstellung von Basisdienstleistungen - Gesundheit, Bildung, in dieser Form.
Frage
Herr Ata, das Innenministerium hat Abschiebungen nach Syrien geprüft. Wie ist da der Stand, welchen Einfluss haben jetzt die Entwicklungen in Syrien?
Dr. Ata (BMI)
Wir haben ja bereits darauf hingewiesen, dass die Bundesregierung die Situation im Nordwesten Syriens genau beobachtet. Zum Thema Abschiebungen kann ich sagen, dass für den Vollzug des Aufenthaltsrechts und insbesondere für die Durchführung von Abschiebungen die Länder zuständig sind. Die Bundesregierung prüft angesichts der volatilen Sicherheitslage in Syrien, aber auch der Sicherheitsinteressen Deutschlands schon seit Längerem, ob Abschiebungen von ausreisepflichtigen schweren Straftätern und Gefährdern nach Syrien wieder ermöglicht und die Länder hierbei unterstützt werden können. Abschiebungen sind nur denkbar, wenn die Sicherheitslage vor Ort dies zulässt, alle rechtlichen Voraussetzungen vorliegen und tatsächliche Möglichkeiten für Abschiebemaßnahmen gegeben sind. In die Prüfungen werden die aktuellen Entwicklungen und die Erkenntnisse, die der Bundesregierung zur Sicherheitslage in Syrien vorliegen, mit einbezogen.
Zusatzfrage
Lässt die aktuelle Sicherheitslage aus Sicht des BMI denn Abschiebungen nach Syrien zu? Wie ist denn jetzt Ihr Erkenntnisgewinn?
Dr. Ata (BMI)
Ich habe darauf hingewiesen, dass es eine fortlaufende Prüfung gibt, und mehr kann ich dazu im Moment nicht sagen.
Frage
Ich glaube, die Frage geht wahrscheinlich am ehesten an Herrn Fischer. Ich würde ganz gerne wissen, wie denn die Bundesregierung derzeit auf die Haiat Tahrir al-Scham schaut, also die Gruppierung, die dort jetzt gerade vormarschiert respektive Angriffe durchgeführt hat. Ist das aus Ihrer Sicht momentan eine terroristische Vereinigung? Ist das eine extremistische Vereinigung? Wie ist die zu bewerten?
Fischer (AA)
Die HTS wurde in der Vergangenheit von den Vereinten Nationen als Terrororganisation gelistet, das wissen Sie. Sie hat sich in den letzten Jahren darum bemüht, sich von ihren dschihadistischen Ursprüngen zu distanzieren. Vor einigen Jahren hieß sie ja noch Al-Nusra-Front und war mit Al-Qaida affiliiert. Von diesen hat sie sich getrennt und, wie gesagt, bemüht sich darum, zumindest nach außen hin, einen anderen Kurs einzuschlagen und in ihrem Herrschaftsgebiet in Idlib staatsähnliche zivile Strukturen aufzubauen. Ob man diese Bemühungen ernst nehmen kann, wird sich jetzt ja auch daran zeigen, wie die HTS zum Beispiel mit den Minderheiten in Aleppo umgeht, zum Beispiel der christlichen Minderheit, und wie sie mit den Zivilistinnen und Zivilisten umgeht, die jetzt neu in ihrem Herrschaftsgebiet sind.
Aber es gibt trotzdem, und auch das muss man wahrscheinlich sagen und gehört zur Wahrheit dazu, immer wieder auch Berichte aus den letzten Jahren über Folter und sozusagen Festsetzung bzw. Inhaftierung von Menschen, die mit der HTS politisch nicht übereinstimmten, in den Gebieten. Insofern, glaube ich, diese Einschätzung sollte fürs Erste reichen.
Frage
Dann eine Nachfrage in dem Kontext: Im Zuge der Offensive gibt es natürlich auch internationale Akteure, staatliche Akteure, die eine Rolle spielen. Da würde ich gerne wissen, ob die Bundesregierung in irgendeiner Form Kontakt in Richtung Ankara und vielleicht auch in Richtung Damaskus aufgenommen hat.
Fischer (AA)
Sie haben ja gesehen, dass wir über das Wochenende hinweg in sehr engem Kontakt mit unseren Partnern in der Quad standen. Sie können davon ausgehen, dass die Lage in Syrien auch immer Gegenstand unserer Gespräche mit der türkischen Regierung ist und wir diese natürlich auch weiter auf der Linie fortsetzen, die ich vorhin beschrieben habe.
Frage
Herr Fischer, es gibt Medienberichte, wonach sich Assad nach Moskau abgesetzt haben soll. Haben Sie irgendwelche Erkenntnisse darüber?
Fischer (AA)
Ich habe Medienberichte zur Kenntnis genommen, nach denen Herr Assad am Wochenende Gespräche in Moskau geführt haben soll. Es gab aber gleichzeitig auch Medienberichte, nach denen er sich am Sonntag mit dem iranischen Außenminister in Damaskus getroffen haben soll. Insofern würde ich jetzt einmal von einer Rückkehr Assads ausgehen.
Nahostkonflikt
Frage
Ich habe Fragen zu Israel, einmal zum Libanon und einmal zu Nordgaza bitte. Frankreich hat gesagt, dass es mindestens 50 Fälle von Waffenstillstandsverstößen Israels gibt. Ich hätte gern eine Reaktion dazu.
Es gab am Wochenende auch eine massive Bombardierung in Nordgaza, wo mindestens 200 Menschen, unter ihnen Frauen und Kinder, in einem Wohnblock getötet worden sind. Dazu hätte ich auch gern eine Reaktion.
Fischer (AA)
Vielleicht fangen wir erst einmal mit Libanon an.
Die Waffenstillstandsvereinbarung ist, glaube ich, ohne Zweifel ein wichtiger diplomatischer Erfolg, der natürlich auch auf ein gewisses Maß an Vertrauen bei den beteiligten Akteuren basiert. Es ist in der Tat in den letzten Tagen immer wieder zu Kampfhandlungen gekommen. Deshalb rufen wir Israel und die Hisbollah dringend dazu auf, sich an die Bedingungen für den Waffenstillstand zu halten und dafür zu sorgen, dass die Menschen in Libanon und in Nordisrael erst einmal aufatmen können.
Dauerhafte Sicherheit für die Menschen auf beiden Seiten der Grenzen wird es nur mit einer zufriedenstellenden Lösung geben, die dazu führt, dass der Waffenstillstand dauerhaft tragfähig wird. Sie wissen ja, dass es einen Überwachungsmechanismus geben soll, um den Waffenstillstand zu kontrollieren. Daran sollen neben UNIFIL auch die USA und Frankreich teilnehmen. Die Mitglieder dieses Waffenstillstandskomitees werden gerade noch benannt. Wenn dieses Waffenstillstandskomitee tatsächlich vollständig einsatzfähig und in der Lage ist, seine Tätigkeit aufzunehmen, dann würde ich doch hoffen, dass die Dinge, die wir in den letzten Tagen gesehen haben, endgültig zum Erliegen kommen und der Waffenstillstand weiter stabilisiert wird.
Können Sie Ihre Frage zu Gaza wiederholen?
Zusatzfrage
Am Wochenende hat Israel eine Wohnsiedlung in Nordgaza bombardiert. Es gab über 200 Tote, unter ihnen Frauen und Kinder.
Fischer (AA)
Sie wissen ja, dass wir uns hier auch immer wieder geäußert haben zu der katastrophalen humanitären Lage in Gaza, zur Frage der Freilassung der Geiseln, zur Frage, möglichst rasch einen Waffenstillstand oder zumindest eine Waffenruhe zu vereinbaren, die dann auch zur Freilassung der Geiseln und einer Verbesserung der humanitären Lage führt.
Das Gleiche gilt natürlich auch für die Kriegsführung. Wir haben ‑ das wissen Sie ‑ hier häufig darauf hingewiesen, dass es darum geht, dass Israel sein Recht auf Selbstverteidigung im Rahmen des humanitären Völkerrechts ausübt und das voraussetzt, dass Zivilisten geschützt werden. Das ist unsere Erwartung an Israel und gleichzeitig natürlich auch an die Hamas, sich nicht weiter hinter Zivilistinnen und Zivilisten in Gaza zu verstecken.
Der schnellste Weg dahin zu kommen, die Geiseln freizulassen, die humanitäre Situation in Gaza zu verbessern und das Leiden der Menschen zu beenden, ist es, jetzt rasch und mit großem Einsatz an einer Waffenstillstandsvereinbarung zu arbeiten, die all das ermöglicht.
Zusatzfrage
Herr Fischer, es stimmt, Sie haben Israel wiederholt dazu aufgerufen, seine Kriegsführung zu ändern. Israel hat das aber nicht getan, sondern macht weiter; es gibt weiterhin tote Zivilisten auf der palästinensischen Seite. Ab wann sollte es Konsequenzen für Israel geben? Wie viele Leute müssen noch sterben ‑ vor allem Zivilisten ‑, bevor es irgendwelche Konsequenzen gibt?
Fischer (AA)
Ich habe Ihnen meine Antwort ja sozusagen schon gegeben: Wir sind extrem besorgt über die humanitäre Lage und auch über die Auswirkungen der Kämpfe auf die dort lebende Bevölkerung. Die Reihe von Angriffen mit massiven Zerstörungen ziviler Infrastruktur und erschreckend hohen Opferzahlen setzt sich leider fort. Wie gesagt, Israel muss sich bei der Ausübung seines Selbstverteidigungsrechts an die engen Grenzen des humanitären Völkerrechts halten, und dazu gehört eben die Pflicht, Zivilisten so weit wie möglich zu schützen. Ich habe Ihnen auch einen Weg aufgezeigt, wie das passieren kann, nämlich durch die Vereinbarung eines raschen Waffenstillstands, der auch dazu führt, dass die Geiseln freigelassen werden und eben auch das Leiden der Bevölkerung in Gaza beendet werden kann.
Frage
Herr Fischer, die Erwartung der Bundesregierung, dass Israel sich an das Völkerrecht hält und die Verhältnismäßigkeit einhält, haben Sie hier häufig geäußert. Gab es jemals eine einzige Situation, wo die Bundesregierung gegenüber der israelischen Regierung erklärt hat, dass sie Angriffsaktionen sieht, bei denen nach Auffassung der Bundesregierung die Verhältnismäßigkeit nicht gewahrt wurde?
Fischer (AA)
Ich werde hier jetzt nicht aus vertraulichen Gesprächen Auskunft geben, aber ich möchte darauf hinweisen, dass beispielsweise Kolleginnen und Kollegen von uns, die sich besonders gut mit dem humanitären Völkerrecht auskennen, zu Gesprächen in Israel gewesen sind und genau diese Fragen erörtert haben.
Zusatzfrage
Aber genau das ist ja der Punkt: Zu sagen „wir erwarten“ ist eine zwar aktiv ausgedrückte, aber letztlich passive Haltung. Mich interessiert ‑ das müssen Sie ja nicht im Detail sagen ‑: Hat es jemals die Situation gegeben, dass Vertreter der Bundesregierung Israel gegenüber deutlich erklärt haben, dass bestimmte Angriffsformen nach Auffassung der Bundesregierung Völkerrechtsverletzungen darstellen? Hat es das bisher jemals gegeben?
Fischer (AA)
Ich habe gerade auf die Gespräche zum humanitären Völkerrecht hingewiesen, die die Außenministerin mit ihrem Amtskollegen vereinbart hat, die meine Kolleginnen und Kollegen durchgeführt haben und zu denen sie auch weiterhin im Austausch mit der israelischen Seite stehen. Ich habe vorhin auch schon deutlich zum Ausdruck gebracht, dass wir von der israelischen Seite erwarten, dass sie ihre Operationsführung ändert, um möglichst viele Zivilistinnen und Zivilisten in Gaza zu schützen.
Lage in Georgien
Frage
Herr Fischer, die Lage in Georgien spitzt sich enorm zu. Es läuft quasi auf einen Machtkampf zwischen der Präsidentin und der Regierung hinaus. Die Regierung will jetzt die Verhandlungen über den Prozess des Beitritts zur EU bis 2028 aussetzen. Gibt es vom Auswärtigen Amt eine Beurteilung dieser neuen Entwicklung?
Büchner (BReg)
Ich kann zunächst gerne noch einmal klar ausdrücken: Die Bundesregierung steht an der Seite der Menschen in Georgien, die sich für die europäischen Werte ‑ Demokratie, Meinungsfreiheit, Menschenrechte ‑ engagieren und von ihrer Regierung eine entsprechende Korrektur erwarten. Deutschland und der Bundeskanzler persönlich hatten sich dafür eingesetzt, dass Georgien den Status als Beitrittskandidat im Dezember 2023 erhalten hat.
Fischer (AA)
Ich möchte darauf hinweisen, dass das Ziel des EU-Pfads auch in der georgischen Verfassung festgeschrieben ist und ursprünglich einmal ein Ziel der amtierenden georgischen Regierung war. Sie ist von diesem Ziel abgekehrt und hat es infrage gestellt, und das hat jetzt auch zu den Protesten geführt, die wir sehen.
Lassen Sie es mich vielleicht so sagen: Wir beobachten die Entwicklung mit Sorge und haben von unserer Seite immer wieder deutlich gemacht, dass wir den EU-Beitrittsprozess Georgiens unterstützen und das Land zukünftig als Teil der Europäischen Union sehen. Die massiven Proteste der letzten Tage zeigen auch sehr eindrücklich, dass sich viele, viele Menschen in Georgien weiterhin eine Zukunft in der EU wünschen.
Um das so zu formulieren: Die Tür nach Europa bleibt für Georgien offen. Wichtig ist aber, dass Georgien diesen Weg auch beschreitet. Die Menschen, die wir protestieren sehen, wollen diesen Weg beschreiten.
Zusatzfrage
Herr Fischer, welchen Sinn hat es überhaupt, diese Tür offenzuhalten, wenn die Regierung sagt: Wir wollen es nicht?
Fischer (AA)
Die Regierung ist ja auch verfassungsmäßig gebunden. Es gibt auch eine Präsidentin, die sich sehr klar für den proeuropäischen Kurs des Landes ausspricht, und es gibt nach Umfragen deutliche Mehrheiten von bis zu 80 Prozent der Georgierinnen und Georgier, die sich wünschen, dass sich ihr Land der Europäischen Union annähert. Dazu setzt sich die georgische Regierung derzeit in Widerspruch.
[…]
Frage
Ich habe noch eine Nachfrage an Herrn Fischer zur Lage in Georgien: Es gibt eine Vielzahl von Rücktritten von Top-Diplomaten der georgischen Regierung. Da würde ich gerne Ihre Einschätzung wissen: Was sagt das über die Legitimität der Regierung aus?
Fischer (AA)
Ich würde jetzt erst einmal zur Kenntnis nehmen, dass sich die georgischen Diplomatinnen und Diplomaten, die teilweise zurückgetreten sind, aber die auch ihre Anliegen in einem offenen Brief formuliert haben, für den europäischen Weg Georgiens und für die Einhaltung der georgischen Verfassung einsetzen.
Gespräche der E3 mit Iran in Genf
Frage
Herr Fischer, ich habe eine Frage zu den E3-Gesprächen mit dem Iran am Freitag in Genf. Wie bewerten Sie die Gespräche? Gab es dabei eine Annäherung der beiden Positionen aneinander, oder haben beide Seiten nur noch einmal ihre Haltung deutlich gemacht?
Fischer (AA)
Wir haben uns am Freitag auf Ebene der politischen Direktoren und Direktorinnen der E3 in Genf mit Iran über das Thema der nuklearen Sicherheit sowie über regionale Themen ausgetauscht. Da es sich aber um vertrauliche Gespräche handelt, bitte ich um Verständnis dafür, dass ich mich hier nicht im Detail dazu äußern kann.
Zusatzfrage
Können Sie sagen, ob weitere Gespräche geplant sind?
Fischer (AA)
Das kann ich tun. Grundsätzlich wurde sich darauf verständigt, diese Art von Gespräch fortzusetzen. Aber nach meiner Kenntnis stehen dafür bislang weder Ort noch Termin fest.