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Erklärungen des Auswärtigen Amts in der Regierungspressekonferenz vom 09.12.2024

09.12.2024 - Artikel

Lage in Syrien

Frage

Thema Syrien: Präsident Baschar al-Assad ist gefallen, wie damals Muammar Gaddafi. Viele Menschen im Osten, in Europa und überall haben vor Freude geweint und gelacht. Wird die Bundesregierung die Wirtschaftssanktionen aufheben und die Einstufung der Organisation Tahrir al-Sham als Terrororganisation überdenken?

Hoffmann (BReg)

Zunächst einmal allgemein: Das Ende der Assad-Herrschaft in Syrien ist eine gute Nachricht. Das hat der Bundeskanzler ja gestern auch so gesagt. Wir alle haben über Jahre und schon fast Jahrzehnte gesehen, wie Baschar al-Assad sein eigenes Volk auf brutale Weise unterdrückt hat. Unzählige Menschen sind gewaltsam umgebracht und viele in die Flucht getrieben worden. Das syrische Volk hat unter Assad entsetzliches Leid gelitten.

Jetzt kommt es für die Bundesregierung darauf an zu beobachten, wie in den nächsten Tagen und Wochen in Syrien Recht und Ordnung wiederhergestellt werden. Unser Anliegen ist es, dass alle Minderheiten und Religionsgemeinschaften Schutz genießen und dass Recht und Ordnung in Syrien wiederhergestellt werden.

Zusatzfrage

Ich habe gelesen und gehört, dass in der CDU und auch in anderen Parteien jetzt darüber diskutiert wird, dass Flüchtlinge in Zukunft nach Syrien zurückkehren sollen. Ist das nicht zu früh? Damals ging es um Flüchtlinge aus Kosovo, und später gab es ein Abkommen zwischen der Bundesregierung und der kosovarischen Regierung, dass diese Sache geregelt wird. Aber ist es jetzt nicht viel zu früh, um über Syrien zu sprechen?

Hoffmann (BReg)

Ich will jetzt einzelne politische Äußerungen von hier aus nicht kommentieren. Wie gesagt: Wir schauen uns die Entwicklung in Syrien sehr genau an. Aber wir wollen zum jetzigen Zeitpunkt nicht darüber spekulieren, was das für diese Fragen, die Sie angesprochen haben, heißen könnte.

Frage

Eine Frage an das Auswärtige Amt und an das BMI: Wie schätzen Sie denn die Gruppe HTS ein, die ja maßgeblich zum Sturz des Assad-Regimes beigetragen hat, vielleicht auch im Vergleich zu anderen islamistischen Gruppen in der Region?

Fischer (AA)

Vielleicht fange ich einmal an.

Ich kann mich der Regierungssprecherin nur anschließen. Wir haben in der Tat über das Wochenende sehr dramatische Entwicklungen gesehen. Es waren historische Stunden für die Menschen in Syrien und der Region. Die Außenministerin hat am Wochenende bereits betont, dass das Ende des Assad-Regimes für Millionen von Menschen in Syrien ein erstes großes Aufatmen nach einer Ewigkeit des Gräuels war. Die Menschen haben unendlich viel gelitten und viele Entbehrungen durchgemacht ‑ im Bürgerkrieg, auf der Flucht, in Assads Folterkellern ‑, und sie verdienen eine bessere Zukunft.

Wenn Sie gestern die Bilder verfolgt haben, die schiere Erleichterung der Menschen ‑ die Bilder von freigelassenen Gefangenen, von Frauen und Männern, teilweise von kleinen Kindern und wieder vereinten Familien ‑, das hat uns alle hier tief berührt. Die Außenministerin hat gleichzeitig klargemacht ‑ und da komme ich zu Ihrer Frage ‑, dass das Land jetzt nicht in die Hände von anderen Radikalen fallen darf, egal in welchem Gewand. Sie hat die Konfliktparteien dazu aufgerufen, verantwortlich zu handeln und das Schicksal aller Syrerinnen und Syrer in den Blick zu nehmen, und sie hat auch zum Schutz von Minderheiten wie Kurden, Christen und Alawiten aufgerufen. Denn nichts wünschen sich die Menschen in Syrien mehr als Frieden in ihrem Land, und wir wollen mit ihnen daran arbeiten, das zu erreichen. Das setzt einen inklusiven politischen Prozess voraus, um diesen schwierigen Weg zum Frieden zu beginnen.

Zur HTS habe ich in der letzten Woche hier schon ausgeführt; ich kann das gerne wiederholen. Die HTS hat in den letzten Tagen Fakten geschaffen. Und ob wir das wollen oder nicht: Sie wird im weiteren Verlauf der Neuordnung Syriens eine Rolle spielen.

Gleichzeitig wissen Sie ‑ darauf hatte ich in der letzten Woche hingewiesen ‑, dass die HTS in der Vergangenheit von den Vereinten Nationen als Terrororganisation gelistet wurde, auch von der Europäischen Union. Sie wissen, dass die Ursprünge der HTS in der Al-Nusra-Front liegen, die sozusagen mit Al-Qaida affiliiert war. Von dieser Al-Nusra-Front hat sich HTS getrennt und bemüht sich darum ‑ zumindest in ihren Äußerungen nach außen ‑, einen anderen Kurs einzuschlagen, und sie hat auch in ihrem Herrschaftsgebiet in Idlib eine zivile Verwaltung aufgebaut.

Wenn man das zusammenfassen will: Die HTS hat sich in den vergangenen Monaten und Jahren bemüht, sich von ihren dschihadistischen Ursprüngen zu distanzieren und zivile Strukturen aufzubauen. Ob diese Bemühungen ernst genommen werden können, wird sich insbesondere im Umgang mit den Zivilistinnen und Zivilisten und insbesondere auch mit den Minderheiten in den jetzt von ihnen kontrollierten Gebieten zeigen.

Sie wissen, die HTS hat Aleppo eingenommen ‑ dort wohnt eine nicht unbeträchtliche Anzahl an Christinnen und Christen, an Kurdinnen und Kurden ‑, und sie stößt momentan auch an die Küste vor; das ist alawitisches Kerngebiet. Insofern wird sich das auch am Umgang der HTS mit diesen Minderheiten, ethnischen und religiösen Gruppen zeigen. Letztlich muss man die HTS an ihren Taten messen. Was ihre Führer in den letzten Tagen gesagt haben, zum Beispiel dass sie zum Schutz von Minderheiten in Aleppo aufgerufen oder vor Racheakten gewarnt haben, ist, was die Kommunikation angeht, in der jetzigen Situation erforderlich. Nun kommt es auch darauf an, dass Taten folgen.

Zusatzfrage

Herr Fischer, wann ist denn mit einem neuen Lagebericht des Auswärtigen Amts zu rechnen? Das hat ja auch Implikationen für die vielen Flüchtlinge, die hier in Deutschland sind.

Fischer (AA)

Wir haben gerade erst einen Asyllagebericht erstellt. Das ist sicher so, dass die Ereignisse der letzten Tage dort nicht reflektiert werden. Gleichzeitig ist die Situation weiterhin sehr unübersichtlich. Die Lage hat sich noch nicht konsolidiert. Es finden weiterhin Kämpfe statt, zum Beispiel im Norden des Landes zwischen der Syrian National Army, die Stellungen der Syrian Democratic Forces angreift. Insofern ist es momentan ein unübersichtliches Lagebild. Aber sobald sich der Staub ein wenig legt und die Magnetspäne sich neu ausrichten ‑ so sagen wir es einmal ‑, werden wir dann auch den Asyllagebericht aktualisieren.

Frage

Ich wollte vom Innenministerium gerne wissen: Gibt es aktuelle Zahlen, wie viele syrische Flüchtlinge in Deutschland subsidiären Schutz haben, wie viele nach Flüchtlingskonvention und wie viele sozusagen Asyl nach Grundgesetz?

Dr. Kock (BMI)

Ja, die Zahlen gibt es. Ich kann das gerne ausführen; ich habe sie auch mitgebracht.

In Deutschland sind aufhältig Personen mit syrischer Staatsangehörigkeit, und zwar nach Ausländerzentralregister ‑ der Stichtag ist hier der 31. Oktober dieses Jahres ‑: 974 136 Personen. Davon sind als Asylberechtigte anerkannt: 5090. Flüchtlingseigenschaft nach § 3 Absatz 4 Asylgesetz zuerkannt bekommen haben: 321 444. Subsidiären Schutz nach § 4 Absatz 1 Asylgesetz gewährt bekommen haben: 329 242 Personen.

Frage

Noch eine Frage an das Auswärtige Amt: Aus dem Vereinigten Königreich gab es Signale, dass man bereit sei, den Status von HTS als Terrororganisation zu überdenken. Gibt es die Bereitschaft hierzulande auch?

Und dann konkreter gefragt: Können Sie sagen, wie lange es jetzt nach der veränderten Situation dauert, so ein Lagebild anzufertigen? Wann rechnen Sie damit?

Fischer (AA)

Ich würde hier in keine Zeitlinien gehen, weil wir erst einmal schauen müssen, wie sich die Dinge entwickeln. Wir haben alle unsere Kontakte nach Syrien hinein aktiviert und sprechen mit den relevanten Akteuren. Sie haben gesehen, in der letzten Woche hatte die Ministerin Gespräche mit dem türkischen Außenminister und mit dem israelischen Außenminister. Über das Wochenende hatten wir alle zahlreiche Kontakte in Richtung Kairo und Doha. Staatsminister Lindner und unser Nahostbeauftragter waren auf der Sicherheitskonferenz in Manama und haben dort unter anderem mit dem türkischen Vizeaußenminister gesprochen. Sie haben in unterschiedlichen Formaten ‑ auch mit den Vereinten Nationen ‑ daran gearbeitet, einen zumindest internationalen Weg nach vorne zu finden, der es den Syrerinnen und Syrern ermöglicht, über ihre Zukunft selbst zu bestimmen.

Was die HTS angeht ‑ das habe ich ja schon gesagt ‑, so wird sie sicher eine Rolle in der Zukunft Syriens spielen. Gleichzeitig habe ich gesagt, dass man sie an ihren Taten messen muss. Bislang hat sie gesagt, sie würde sich darum bemühen, alle Gruppen in eine zukünftige Regierungsstruktur Syriens einzubinden und Minderheiten zu schützen. Aber das muss man alles sehen. Ich glaube, je nachdem, wie sich das entwickelt, wie die HTS mit Minderheiten umgeht, wie sie in ihren Herrschaftsgebieten ‑ sie kontrolliert ja nicht das gesamte Land ‑ mit der Bevölkerung umgeht, muss man dann sehen, wie es weitergeht. Aber wir dürfen ja auch nicht vergessen, dass die bislang von der HTS regierte Region Idlib auch kein demokratisches Paradies war. Dort sind auch Menschen für abweichende Meinungen und abweichendes Verhalten in Haft gekommen.

Insofern wäre das jetzt ein Blick in die Glaskugel. Aber klar ist: Sie wird eine Rolle spielen, und wir werden sie an ihren Taten messen.

Zusatzfrage

Und der Lagebericht?

Fischer (AA)

Ganz grundsätzlich haben wir in dem Asyllagebericht dargestellt, dass es in ganz Syrien immer wieder zu Kämpfen kommt und die Situation in Syrien alles andere als stabil ist. Dass das auch jetzt so ist, belegen die Ereignisse der letzten zwei Wochen. Insofern ist auch der aktualisierte Lagebericht eine Grundlage. Es gibt durchaus die Hoffnung, dass sich die Entwicklungen in Syrien stabilisieren, dass ein politischer Prozess in Gang kommt und das Land und die Menschen in Syrien die Möglichkeit finden, eine bessere Zukunft für sich aufzubauen und zu gestalten.

Aber ich kann Ihnen jetzt keine konkrete Zeitlinie geben, wann das in dem Bericht reflektiert wird und ob es überhaupt dazu kommt. Ich erwähnte ja schon die Kämpfe zwischen der SNA und der SDF; die Lage ist derzeit alles andere als gesichert.

Frage

Auch zu Syrien: Israel hat nach dem Sturz Assads in Syrien auch die Pufferzonen in den Golanhöhen besetzt. Es gibt Berichte, dass israelische Truppen die Pufferzonen überschritten und syrisches Territorium betreten haben. Ist dieser Schritt aus Ihrer Sicht völkerrechtswidrig, und glauben Sie, dass Israel jetzt die Entwicklung in Syrien als eine Gelegenheit sieht, die Besatzung voranzutreiben?

Hoffmann (BReg)

Ich kann vielleicht ganz grundsätzlich mit zwei Sätzen beginnen, dass wir natürlich auch diese Entwicklung sehr genau beobachten und zur Kenntnis nehmen. Grundsätzlich gilt, dass die Bundesregierung schon in der Vergangenheit alle in der Region beteiligten Kräfte zur Deeskalation aufgerufen hat ‑ und das tun wir auch weiterhin.

Zusatzfrage

Das Auswärtige Amt vielleicht?

Fischer (AA)

Sie haben ja die Äußerungen von Premierminister Netanjahu gestern gesehen, der presseöffentlich dargelegt hat, dass es Israel in der unübersichtlichen Lage jetzt zunächst darum geht, potenzielle Bedrohungen abzuwehren, und dass das Einrücken der IDF in die Entflechtungszone auf dem Golan temporärer Natur sei. Daran wird sich Israel messen lassen müssen.

Zusatzfrage

Wem gehören aus Ihrer Sicht die Golanhöhen, und fordern Sie Israel auf, das türkische Gebiet zu verlassen?

Fischer (AA)

Die Golanhöhen wurden, glaube ich, 1967 von Israel besetzt und 1981 annektiert. Deutschland erkennt diese Annexion nicht an. Völkerrechtlich gehört das von Israel kontrollierte Gebiet zu Syrien.

Frage

An das BMZ: Welche Auswirkungen hat der Machtwechsel auf die Entwicklungszusammenarbeit Deutschlands mit Syrien? In den vergangenen zehn Jahren gehörte Deutschland mit über zehn Milliarden Euro zu den größeren Geldgebern; allein bei der Geberkonferenz im letzten Jahr wurde eine Milliarde zugesagt. Das waren aber explizit Unterstützungen, die nichts mit dem Assad-Regime zu tun haben durften. Bereiten Sie sich jetzt darauf vor oder sind Sie schon darauf vorbereitet, die Hilfe so zu strukturieren, dass sie im Land ankommt und dass sie möglicherweise auch Rückkehrbewegungen unterstützt? Denn das Assad-Regime ist weg.

Koufen (BMZ)

Vielen Dank für die Frage. In der Tat, in den vergangenen zehn Jahren war die bilaterale Zusammenarbeit zwischen dem BMZ und Syrien ausgesetzt und erfolgte regierungsfern. Wie es jetzt weitergeht, ob und wie das BMZ zukünftig einen Wiederaufbau Syriens unterstützen wird, das hängt maßgeblich davon ab, wie sich der Übergangsprozess und die zukünftige Regierung gestalten und ob die neuen Herrscher zu ihren Zusagen stehen, insbesondere was die Wahrung der Rechte aller Syrerinnen und Syrer angeht. Wir werden jetzt gemeinsam mit unseren internationalen Partnern die weitere Entwicklung sorgfältig beobachten und uns dabei auch eng abstimmen. Unsere nächsten Schritte zur Unterstützung einer zukünftigen Regierung werden wir daran orientieren, inwieweit alle Bevölkerungsteile Syriens zukünftig in Frieden und Freiheit und unter Wahrung ihrer Rechte in Syrien leben können.

Zusatzfrage

Danke. ‑ Ich habe eine Nachfrage an das Auswärtige Amt: „Beobachten“, das hören wir jetzt sozusagen als durchgehende Position. Putin ist da einen Schritt weiter, er hat offenbar schon Kontakt zu den neuen Machthabern in Syrien aufgenommen. Er hat unter anderem das Interesse, seinen Militärstützpunkt auch zukünftig aufrecht halten zu können. Müssen Sie nicht befürchten, dass Sie bei zu langer Beobachtungsposition politisch, geopolitisch einfach ins Hintertreffen geraten?

Fischer (AA)

Ich habe, glaube ich, vorhin schon versucht darzulegen, dass wir nicht beobachten. Wenn ich mich recht entsinne, habe ich gesagt, dass wir alle unsere Kanäle in Richtung Syrien aktiviert haben, in alle Richtungen. Insofern sind wir da durchaus sozusagen in Gesprächen und habe auch dargelegt, was wir auf internationaler Ebene tun. Uns geht es darum, gemeinsam mit unseren Partnern den Syrerinnen und Syrern zu ermöglichen, eine bessere Zukunft für ihr Land aufzubauen. Dazu mag dann, wie die Kollegin das ausgedrückt hat, zu einem bestimmten Zeitpunkt auch Wiederaufbauhilfe gehören.

Derzeit ist es so, dass 16 Millionen Menschen in Syrien auf humanitäre Hilfe angewiesen sind. Die Zahl wird wahrscheinlich in den letzten Wochen nicht geringer geworden sein, sondern eher angestiegen sein, weil es auch zu neuen Fluchtbewegungen innerhalb des Landes gekommen ist. Das heißt, die jetzt schon humanitär sehr angespannte Lage hat sich in den letzten Wochen sicherlich noch weiter verschlechtert. Allein durch das aktuelle Kampfgeschehen wurden ungefähr 280 000 Menschen in Syrien vertrieben; UNICEF spricht sogar von 370 000 Menschen ‑ überwiegend Frauen und Kinder. Das heißt, es ist noch einmal eine beträchtliche Anzahl dazugekommen.

Das Auswärtige Amt ‑ das BMZ macht das ja auch ‑ hat in diesem Jahr 213 Millionen Euro für humanitäre Hilfe in Syrien bereitgestellt. Diese Hilfe setzen wir flexibel und bedarfsorientiert in allen Landesteilen ein. Sie fließt aber über internationale und weitere Nichtregierungsorganisationen.

Frage

An das BMI: Herr Fischer hat schon auf die UN und auf die EU verwiesen, was die Einstufung der HTS als Terrororganisation betrifft. Mir ist aber noch nicht ganz klar: Ist HTS auch in Deutschland als Terrororganisation eingestuft? Im Verfassungsschutzbericht gibt es eine Erwähnung der Organisation, aber es ist nicht so richtig deutlich, ob sie nur verboten ist oder ob sie als Terrororganisation gilt. Können Sie das mir erklären?

Dr. Kock (BMI)

Vielen Dank für Ihre Frage. Das hilft, das auch noch einmal hier in Deutschland ein bisschen einzuordnen. ‑ Wenn die Organisation verboten wäre, dann würden Sie das auch im Verfassungsschutzbericht finden. Unsere Einschätzung ist so, dass sich die Agenda und Strategie der Organisation auf Syrien fokussiert. Erklärte Ziele sind der Sturz des syrischen Regimes und die Errichtung eines islamischen Staates sunnitischer Prägung innerhalb der Grenzen des syrischen Nationalstaates. Anschläge in anderen Ländern lehnt die HTS zumindest offiziell ab. Wie schon gesagt, der als Dschihad deklarierte bewaffnete Kampf der terroristischen Organisation richtet sich vornehmlich gegen das syrische Regime und dessen Verbündete. Noch einmal zusammenfassend: Das ist eine Organisation, die sich vor Ort engagiert und aktiv ist.

Zusatzfrage

Ich habe noch eine Nachfrage zu Ihren Zahlen. Wenn ich es eben richtig zusammengerechnet habe, kommt man bei den Einzeleinstufungen, die Sie genannt haben, nicht auf 974 000, sondern ungefähr auf 650 000. Deswegen ist meine Frage: Welchen Status haben die restlichen ungefähr 300 000 Menschen?

Dr. Kock (BMI)

Da haben Sie schnell gerechnet. ‑ Es gibt hier verschiedene Möglichkeiten des Aufenthalts. Wir haben auch 58 742 Personen mit einer Aufenthaltsgestattung. Es gibt Personen, die mit Arbeitstitel hier sind, es gibt Personen, die über Familiennachzug hier sind. Es gibt also ein gewisses Delta, da haben Sie völlig recht.

Frage

An das Auswärtige Amt: Sie haben jetzt von Wiederaufbauhilfe gesprochen. Ich würde jetzt noch einmal auf die aktuelle Situation eingehen wollen: Können Sie sagen, ob Deutschland da eine konkrete Rolle als Koordinator spielt? Sie haben ja gesagt, die Kanäle seien offen. Es geht mir um die aktive Rolle Deutschlands.

Fischer (AA)

Sie haben sicherlich verfolgt, was ich gesagt habe, was wir in den letzten Tagen und Wochen getan haben, und vor allen Dingen auch, was wir die letzten Jahre gemacht haben. Es gab ja immer wieder einen großen Druck, die Beziehungen zum Assad-Regime zu normalisieren. Das haben wir aus guten Gründen nicht gemacht. Wenn es heißt, dass wir die Beziehungen zum Assad-Regime nicht normalisiert haben, dann heißt das natürlich auch, dass wir immer Kontakte in andere Regionen nach Syrien hinein hatten, die wir, wie ich gesagt habe, jetzt auch aktiviert haben, und wo wir genau dasselbe tun wie auf internationaler Ebene.

Ich weiß nicht, ob Sie es gesehen haben, aber schon ganz zu Beginn der Offensive hat sich unser Syrienbeauftragter, unser Sonderbotschafter mit seinen Kollegen aus der Quad, also aus den USA, Großbritannien und Frankreich zusammengetan und hat die Lage bewertet und überlegt, was man jetzt weiter tun kann. Dasselbe hat an diesem Wochenende in Manama am Rande der Sicherheitskonferenz stattgefunden, wo Staatsminister Lindner unter anderem den türkischen Vizeaußenminister getroffen hat.

Es geht jetzt darum, dass alle Akteure, ob in Syrien oder auch außerhalb Syriens, den Syrerinnen und Syrern die Möglichkeit eröffnen, eine gute Zukunft für ihr Land aufzubauen. Dazu gehören natürlich die Nachbarstaaten, dazu gehören die Staaten, die bislang auch militärisch aktiv waren und die zumindest zum Teil ihre Truppen zurückgezogen haben. Wir sind natürlich sehr engagiert darin, diesen Prozess mit voranzutreiben. Dazu gehört eben auch eine Rolle der Vereinten Nationen, die sich bislang bemüht hat, einen politischen Prozess anzuschieben. Das unterstützen wir, aber auch da muss man sehen, dass die Machtverhältnisse innerhalb Syriens sich verschoben haben. Wir erwähnten ja schon die jetzt neue Rolle der HTS; diese muss dann natürlich auch irgendwie in diesen Prozess einbezogen werden, wenn man für Syrien eine gute Zukunft schaffen will.

Auf all diesen Ebenen arbeiten wir, und natürlich machen wir uns auch Gedanken, wie wir diesen Prozess in Zukunft noch stärker unterstützen können und was wir sozusagen an Anreizen für die verschiedenen Akteure in Syrien setzen können, an einer guten gemeinsamen Zukunft für das Land zu arbeiten und zu verhindern, dass dieses Land in einen weiteren Bürgerkrieg fällt.

Hoffmann (BReg)

Ich kann vielleicht noch einmal unterstreichen, was Herr Fischer gesagt hat, speziell den einen Aspekt, dass es schon seit Langem einen politischen Prozess unter der Ägide der Vereinten Nationen für Syrien gibt und Deutschland daran auch bisher schon maßgeblich beteiligt gewesen ist und da mitgewirkt hat. Dass dieser Prozess nicht noch weiter vorangekommen ist, hatte auch sehr viel mit der Person Assad zu tun. Deshalb besteht jetzt natürlich die Hoffnung, dass dieser Prozess nach dem Sturz von Assad einen neuen Impuls und neuen Elan entwickeln kann. Ziel dabei ist es natürlich immer, die Sicherheit und territoriale Integrität Syriens zu bewahren und zu einer politischen Lösung beizutragen.

Der zweite Aspekt, der hier jetzt auch schon mehrfach angesprochen wurde, ist der Aspekt der Wiederaufbauhilfe und der humanitären Unterstützung. Da hat Deutschland ‑ das ist auch schon gesagt worden ‑ in den vergangenen Jahren schon sehr viel geleistet. Natürlich sind wir bereit, das auch weiter zu tun. Die EU-Kommissionspräsidentin hat sich gestern zum Wiederaufbau geäußert, und natürlich gibt es da auch auf deutscher Seite eine große Bereitschaft.

Jetzt gilt es aber ‑ das haben hier alle gesagt ‑ zunächst einmal abzuwarten, wie sich das Land in den kommenden Tagen und Wochen entwickelt und wie sich die neuen Kräfte aufstellen.

Zusatzfrage

Wie könnten solche Anreize denn aussehen?

Fischer (AA)

Ich glaube, das eine, was wir jetzt tun, ist das, was wir auch hier tun, nämlich das Messaging in Richtung der verschiedenen syrischen Akteure, indem wir noch einmal darstellen, worauf es uns ankommt. Die stellvertretende Regierungssprecherin hat gerade ausgeführt, dass die territoriale Integrität Syriens nicht infrage gestellt werden darf und dass es darum geht, Minderheitenschutz zu gewährleisten, gerade für Kurdinnen und Kurden, für Christinnen und Christen und auch für Alawiten, die jetzt ja in einer neuen Situation sind, aber auch für andere Volksgruppen wie die Drusen. Gleichzeitig drängen wir darauf, dass es einen inklusiven politischen Prozess in Zusammenarbeit mit den Vereinten Nationen gibt, um dahin zu kommen, dass für Syrien eine Struktur geschaffen wird, die eine neue Regierung für dieses Land sein kann und den Syrerinnen und Syrern die Möglichkeiten gibt, ihr Land wieder aufzubauen.

Zu Ihrer Frage von vorhin, was wir so tun: Ich würde Ihnen empfehlen, zum Beispiel den Twitter-Account unseres Sonderbeauftragten für Syrien zu verfolgen. Der twittert zwar auf Arabisch, aber dort können Sie sehen, dass er seit dem 5. Dezember eine Reihe von Gesprächen mit drusischen Vertreterinnen und Vertretern, mit alawitischen Vertreterinnen und Vertretern und mit Vertreterinnen und Vertretern von Kurdenorganisationen genauso wie mit sunnitischen Organisationen geführt hat. Wenn wir also sagen, dass wir alle Kanäle aktivieren, dann ist das auch so. Der Sonderbeauftragte ist auch nicht der Einzige, der das tut; denn wir haben auch unsere Botschaften. Wir haben zwar keine Botschaft in Damaskus ‑ die ist seit 2011 geschlossen ‑, aber wir haben ein Generalkonsulat in Erbil, das über Kontakte verfügt, und wir haben die Botschaften in Ankara, in Beirut, in Amman und in Bagdad, wo es überall Kolleginnen und Kollegen gibt, die sich intensiv um die Lage in Syrien kümmern. Zudem haben wir ein Syrienteam im Auswärtigen Amt, das über die ganzen letzten Jahre sozusagen im Windschatten Ihrer Aufmerksamkeit Kontakte nach Syrien hinein gepflegt hat und ein ganz enges und dichtes Netzwerk aufgebaut hat, das wir jetzt nutzen, um dazu beizutragen, diesem Land eine gute Zukunft zu ermöglichen.

Frage

An das Auswärtige Amt: Sie haben gerade auf die Aktivitäten des Sondergesandten für Syrien verwiesen und gesagt, mit wem der alles gesprochen hat und mit wem er sich alles ins Benehmen gesetzt hat, und Sie haben vorhin auch noch einmal auf die Partner innerhalb des Quad-Formats verwiesen. Wie sieht es aber mit den EU-Staaten aus, die sich in den letzten Monaten und Jahren deutlich anders orientiert haben, als die Bundesregierung das getan hat? Gibt es da momentan eine Abstimmung? Das Auswärtige Amt hat ja tatsächlich ‑ Sie haben es erwähnt ‑ eine Lageeinschätzung gehabt, die den Charakter und die Stabilität des Assad-Regimes offenbar weitaus realitätsnäher eingeschätzt hat als andere EU-Staaten. Gab es da bereits Bemühungen, da zu einer geeinten Politik zu kommen?

Fischer (AA)

Es gibt derzeit zum einen enge Kontakte zwischen den Hauptstädten zur Definierung oder Ausbuchstabierung einer gemeinsamen europäischen Syrienpolitik. Sie wissen ja, dass schon vor ein paar Wochen ‑ möglicherweise waren es wenige Monate ‑ der Auftrag ergangen ist, durch die Außenministerinnen und Außenminister eine Syrien-Review auf europäischer Ebene zu beginnen. Das hat begonnen, und ich glaube, dabei werden jetzt noch viel stärker, als es vielleicht vorher angedacht war, die aktuellen Ereignisse eine Rolle spielen. Das Verständnis, dass man sich auf europäischer Ebene mit Blick auf unterschiedliche Sichten, die man vorher auf das Assad-Regime und auf die Entwicklung im Land hatte, gemeinsam ins Benehmen setzen muss, war jedenfalls ausgeprägt. Es hat zum Beispiel einen Brief von mehreren Außenministerinnen und Außenministern gegeben, die eher in Richtung Normalisierung gingen. Wir haben sozusagen mit unseren Argumenten, die jetzt offensichtlich auch getragen haben, dagegengehalten. Jetzt geht es darum, eine gemeinsame europäische Politik auf Grundlage der Entwicklung und auf Grundlage des Sturzes von Assad weiterzuentwickeln.

Zusatzfrage

Auch wenn es noch sehr früh ist: Gibt es schon Pläne, das zu verstetigen bzw. zu institutionalisieren, so wie es vorher Formate wie das Astana-Format oder das Genf-Format usw. gegeben hat?

Fischer (AA)

Auf europäischer Ebene kann ich Ihnen dazu nichts berichten. Es hilft ja nichts, wenn wir 27 Europäerinnen und Europäer uns zusammensetzen, sondern das muss ja ein internationales Format sein. Darum habe ich auf das Quad-Format verwiesen, das wir nutzen, und ich habe auch auf die Anstrengungen der Vereinten Nationen verwiesen, die wir mit dem Sonderbeauftragten unterstützen, zu dem wir in einem sehr engen täglichen Kontakt stehen und der versucht, für die Vereinten Nationen den politischen Prozess in Syrien anzuschieben.

Frage

Setzt sich Deutschland noch einmal für eine internationale Syrienkonferenz ein?

Welche Hoffnung setzten Sie in das heutige Treffen des UN-Sicherheitsrates zur Lage in Syrien? Welche Erwartungen knüpfen Sie daran?

Fischer (AA)

Internationale Konferenzen sind sicherlich ein wichtiges Werkzeug im Instrumentenkasten der Diplomatie. Sie sind aber nicht voraussetzungslos. Man muss die Voraussetzungen dafür schaffen, dass solch eine Konferenz erfolgreich wird. Man muss die richtigen Akteure an Bord haben. Da Sie von einer internationalen Konferenz reden, würde das sicherlich externe Akteure betreffen, aber auch die internen Akteure in Syrien. Das wird derzeit im Rahmen der Vereinten Nationen geleistet. Es hat immer wieder Konferenzen und Treffen gegeben, zum Beispiel in Genf. Ich denke, Herr Pedersen, der Syrienbeauftragte, arbeitet in die Richtung, diesen politischen Prozess wieder anzustoßen. Welches dafür dann das richtige Forum ist und welches die richtigen Instrumente sind, um diesen Prozess in eine gute Richtung zu lenken, muss sich in den nächsten Tagen und Wochen herausstellen. Aber klar ist, dass internationale Konferenzen sicherlich ein mögliches Werkzeug sind, das zum Einsatz kommen könnte.

Zusatzfrage

Welche Erwartungen haben Sie an das Treffen des UN-Sicherheitsrats heute?

Fischer (AA)

Es ist heute Abend eine geschlossene Sitzung. Wir sind derzeit nicht Mitglied des Sicherheitsrats. Ich gehe davon aus, dass es dort eine Aussprache geben wird. Das würde ich erst einmal als Erwartung formulieren.

Frage

Frau Kock, ich habe eine Frage an Sie bezüglich des Schutzstatus, der sich womöglich ändert, wenn sich die Lage in Syrien stabilisieren sollte. Was hieße, wenn wir eine blühende demokratische Zukunft für Syrien auf ein Blatt Papier malen, es denn für die verschiedenen Gruppen der Syrer, wenn man sie hier nach Schutzstatus unterscheidet? Würde dann zum Beispiel ein subsidiärer Schutz nicht mehr verlängert, und müsste man dann theoretisch Deutschland verlassen? Könnten Sie das ein bisschen ausführen?

Dr. Kock (BMI

Ja, gern. Wir haben schon mehrfach darauf hingewiesen, wie volatil die Lage ist und wie schnell sich das alles entwickelt hat. Der Schutzstatus wird zunächst für drei Jahre zuerkannt. Unter bestimmten Bedingungen kann er widerrufen werden. Eine wesentliche Voraussetzung für die Widerrufung eines Schutzstatus, und zwar egal, ob es um Anerkennung als Asylberechtigter oder die Zuerkennung des subsidiären Schutzes geht, ist, dass sich die neue Bewertung der Lage vor Ort dauerhaft ändert, nicht nur kurzfristig. Wir müssen uns darauf verlassen können, dass diese Veränderungen von Dauer sind.

Zusatzfrage

Wenn der Schutzstatus geändert würde, hieße dies, dass der Aufenthalt hier in Deutschland nicht mehr gestattet wäre? Müssten diese Leute dann nach Syrien zurückgehen? Das ist ja die Frage, um die sich heute die politische Debatte dreht.

Dr. Kock (BMI)

Das ist zum jetzigen Zeitpunkt eine ziemlich hypothetische Frage. Das würden wir dann prüfen, wenn es soweit ist. Auch das hängt ja von der Lage vor Ort und davon ab, warum die Personen hier sind und wie sich alles weiterentwickelt.

Fischer (AA)

Vielleicht darf ich ergänzen. Es ist doch klar: Nichts wünschen sich die Menschen in Syrien mehr als Frieden in ihrem Land. Das gilt sicherlich auch für die Mitglieder der syrischen Diaspora in Europa und auf der ganzen Welt. Aber die Tatsache, dass das Assad-Regime beendet wurde, ist leider noch keine Garantie für eine friedliche Entwicklung. Das haben wir hier schon ausgeführt.

Aktuell überschlagen sich die Ereignisse. Ich habe vorhin schon darauf hingewiesen, dass weiterhin noch Kämpfe stattfinden und dass Menschen innerhalb Syriens vertrieben werden. Ob diese neue Lage im Ergebnis zu neuen Flüchtlingsbewegungen führt oder ob sich im Gegenteil bei einer Stabilisierung der Lage für Vertriebene und Geflüchtete langfristig die Möglichkeit eröffnet, in ihre Heimat zurückzukehren, das wird sich zeigen. Dafür ist der Prozess derzeit noch viel zu dynamisch.

Unser oberstes Ziel muss es jetzt doch sein, gemeinsam mit unseren Partnern an einer guten Zukunft für Syrien zu arbeiten. Das wird angesichts der vielen unterschiedlichen Akteure und Gruppen schon schwierig genug und ist sicherlich eine gigantische Aufgabe.

Frage

Ich habe zwei Fragen. Die erste Frage geht wahrscheinlich ans AA und möglicherweise an das BMI. Mich würde interessieren, was die Vorgänge in Syrien für den Status der syrischen Botschaft hier in Berlin und andere diplomatische Vertretungen bedeuten. Wir hatten eine ähnliche Situation mit Blick auf Afghanistan, als auch lange Zeit nicht klar war, was sie eigentlich noch machen konnte.

Die zweite Frage geht wahrscheinlich an AA und BMVg, nachdem auch Minister Pistorius angekündigt hat, noch in dieser Woche in die Region zu reisen. Die USA haben gestern mehr als 70 Luftangriffe auf Ziele des „Islamischen Staates“ in Syrien geflogen. Für wie groß sehen Sie das Risiko an, dass es im Windschatten der anderen Ereignisse in Syrien ein Wiedererstarken gibt?

Fischer (AA)

Ich fange mit der Frage nach der syrischen Botschaft an. Wichtig ist zu verstehen, dass wir diplomatische Beziehungen zu Staaten und nicht zu Regierungen unterhalten. Der Staat Syrien existiert weiter. Zu ihm unterhalten wir diplomatische Beziehungen. Der Staat Syrien organisiert sich, wenn man das einmal so darstellen will, gerade neu. Das wird sicherlich auch Auswirkungen auf seine Außenbeziehungen haben. Aber ich habe zum Beispiel Meldungen aus dem syrischen Außenministerium wahrgenommen, in denen gesagt wird, dass man sich, wenn ich das paraphrasieren darf, der neuen Zeit anpasse, aber seinen Service für die Syrerinnen und Syrer im Ausland selbstverständlich aufrechterhalte. Ich würde davon ausgehen, dass es tatsächlich eine wichtige Funktion für die Syrerinnen und Syrer zum Beispiel in Deutschland hat, dass es eine syrische Vertretung gibt. Von daher sehe ich derzeit erst einmal keine Auswirkungen.

Denjenigen, die heute an der syrischen Botschaft vorbeifahren und feststellen, dass sie geschlossen ist, kann ich sagen: Die syrische Botschaft ist an Montagen oft für den Publikumsverkehr geschlossen. Das schließt aber nicht aus, dass sie morgen wieder aufmacht.

Müller (BMVg)

Ich beginne mit der zweiten Frage. Bundesminister Pistorius hat gestern angekündigt, dass er noch in dieser Woche die deutschen Kontingente in Jordanien und im Irak besuchen werde. Sie wissen, dass wir dort im Rahmen des OIR-Mandates, der Operation Inherent Resolve, tätig sind. Einer der Schwerpunkte ist, dass wir gemeinsam mit Partnern dafür sorgen wollen, dass der IS nicht wiedererstarkt. In der Blickrichtung auf den IS tun wir das größtenteils mit Lufttransport und Luftbetankung, die wir für unsere Partnernationen einbringen. Wir werden diese Aufgaben natürlich auch weiterhin erfüllen, um dabei unseren Beitrag zu leisten.

In dieser Lage ist die Region noch mehr in den Fokus gerückt. Zum Beispiel ist der Luftwaffenstützpunkt Al-Asrak nur ca. 200 Kilometer von Damaskus entfernt. Der Minister möchte natürlich wissen, wie es der Truppe dort geht und wie sie die Situation wahrnimmt. Ihm ist wichtig, sich ein Bild der Lage vor Ort zu machen und sich mit der Truppe an sich auszutauschen, natürlich auch im Hinblick auf die Feiertage. Diese Punkte stehen dabei im Vordergrund.

Fischer (AA)

Zum IS in Syrien selbst: Es gehört zu dem komplizierten Lagebild in Syrien, dass der „Islamische Staat“ weiterhin in Syrien aktiv ist, in kleinen Gruppen, insbesondere im Grenzgebiet zum Irak, und dass bei einer vollständigen Destabilisierung der Lage in Syrien sicherlich auch die Gefahr einer Wiederauferstehung des IS besteht. Nicht zuletzt deshalb hat zum Beispiel auch die irakische Regierung ihre Grenzsicherung in den letzten Tagen und Wochen massiv verstärkt. Es gilt jetzt, ein Wiedererstarken des IS zu verhindern. Das ist, denke ich, eines der Ziele, auf das sich sowohl die regionalen Akteure als auch die innersyrischen Akteure verständigen müssen und eigentlich auch schon verständigt haben. Denn der IS ist in den letzten Jahren auch von innersyrischen Kräften immer wieder bekämpft worden. Das waren vorwiegend kurdische Kräfte, aber auch die HTS hat dafür gesorgt, dass der eine oder andere IS-Kalif festgenommen werden konnte. Gleichzeitig zeigt es natürlich, wie wichtig unser fortgesetztes Engagement gegen den IS in Irak ist, wie der Kollege aus dem BMVG gerade unterstrichen hat.

Müller (BMVg)

Ich habe noch eine Ergänzung, um keinen falschen Eindruck zu vermitteln. Neben dem Besuch der Truppe und dem Austausch mit der Truppe finden natürlich auch politische Gespräche statt. Sie wissen, dass die OIR angekündigt hat, in den nächsten Monaten das Engagement herunterzufahren. Daher wird es natürlich auch darum geben, wie ein möglicher Beitrag, auch ein zukünftiger Beitrag, zur Stabilisierung der Region ausformuliert werden kann. Das wird sicherlich Teil der politischen Gespräche sein, ohne dass ich mehr vorwegnehmen will.

Frage

Frage ans BMI: Inwieweit wird das BAMF Asylverfahren von Syrern jetzt erst einmal nicht fortführen, um abzuwarten, wie sich die Lage in Syrien entwickelt?

Dr. Kock (BMI)

Wie Sie wissen, sind Asylentscheidungen immer Einzelfallentscheidungen. Das BAMF schaut sich sehr genau an, wie der jeweilige Einzelfall gelagert ist. Dazu gehört auch eine Bewertung der Lage vor Ort im Herkunftsland, aus dem die jeweilige Person kommt. Es ist eine Möglichkeit, Asylentscheidungen rückzupriorisieren. Dies ist unser Fachterminus. Das ist eine Möglichkeit, die das BAMF bei einer unklaren Lage hat. Dass die Lage in Syrien derzeit unklar ist, haben wir ausführlich ausgeführt.

Zusatzfrage

Ich bin kein Fachmann. Was genau bedeutet „rückpriorisieren“?

Dr. Kock (BMI)

Um das ganz praktisch zu erklären, heißt das, dass die Asylentscheidungen nicht erledigt sind, sondern dass sie erst einmal quasi im Stapel nach unten sortiert und andere Asylentscheidungen vorgezogen werden.

Frage

Ich schließe daran an. Frau Kock, von syrischen Flüchtlingen hört man häufig, dass sie eigentlich sehr gern zurückkehren würden, wenn Assad weg ist. Kommt für die Bundesregierung die Organisation von Rückkehrhilfen in Frage? Es ist manchmal auch eine finanzielle, organisatorische Frage, wie schnell jemand, der zurückkehren will, das auch tun kann.

Dr. Kock (BMI)

Wie Sie wissen, gibt es Möglichkeiten der Refinanzierung freiwilliger Ausreisen über das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge. Das gibt es seit 2017. Das ist analog dem REAG/GARB. Das BAMF erstattet hierbei im Nachgang der freiwilligen Ausreise den Bundesanteil der durch die Länder verauslagten Kosten. Rückkehrinteressierte Personen organisieren dann gemeinsam mit den entsprechenden antragsübermittelnden Stellen in den Bundesländern, zum Beispiel den Ausländerbehörden, ihre freiwillige Ausreise. Nach erfolgter Ausreise können die Länder einen Antrag auf Refinanzierung durch das BAMF stellen. Das heißt, es gibt Möglichkeiten der Unterstützung.

Zusatzfrage

Das sind die Möglichkeiten, die es bislang schon gab. Sie haben es referiert. Wird angesichts der Lage erwogen, zu sagen: „Wir legen etwas Neues auf, weil jetzt eine Situation da ist, mit der Menschen, auch solche, die vielleicht einen Asylantrag gestellt haben oder Flüchtlinge sind, vor drei Wochen noch gar nicht rechnen konnten“?

Dr. Kock (BMI)

Wie wir jetzt wirklich oft gesagt haben und wie auch mein Kollege noch einmal sehr deutlich gesagt hat, sehen wir, dass es Menschen gibt, die hier bei uns sind und aus guten Gründen gern in ihr Land zurückkehren möchten. Aber wie sich die Lage entwickelt und wie sich das dann auch hier bei uns gestaltet, bleibt wirklich abzuwarten.

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