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Erklärungen des Auswärtigen Amts in der Regierungspressekonferenz vom 11.12.2024

11.12.2024 - Artikel

Empfang der Außenminister Polens, Frankreichs, Italiens, Spaniens und der Ukraine sowie des stellvertretenden Außenministers Großbritanniens und der Hohen Vertreterin der Europäischen Union für Außen- und Sicherheitspolitik durch die Bundesaußenministerin in Berlin

Fischer (AA)

Guten Tag. Die Außenministerin empfängt morgen in der Villa Borsig die Außenminister des Weimarer Dreiecks, also aus Polen und Frankreich, sowie die Außenminister Italiens, Spaniens, den stellvertretenden Außenminister Großbritanniens, den Außenminister der Ukraine, sowie die neue Hohe Vertreterin der Europäischen Union für Außen- und Sicherheitspolitik, Kaja Kallas. Das Treffen folgt auf den Austausch in Warschau am 19. November im selben Format, der dort auf Initiative des Weimarer Dreiecks zustande gekommen ist. In den Gesprächen wird es darum gehen, ein klares Zeichen der fortwährenden Unterstützung der Ukraine zu setzen, auch mit Blick auf den Amtsantritt der zukünftigen US-Regierung.

Allen Teilnehmenden ist klar: Europa muss jetzt noch mehr für die eigene Sicherheit tun. ‑ Deshalb werden die Außenminister ganz konkret besprechen, wie weitere substanzielle militärische, finanzielle und humanitäre Hilfe für die Ukraine mobilisiert werden kann. Die Außenministerinnen und Außenminister werden auch darüber beraten, wie Elemente möglicher Verhandlungen über die Zukunft der Ukraine aussehen können. Dabei ist uns wichtig: An unseren Grundprinzipien, das heißt, keine Verhandlungen über Frieden in der Ukraine ohne die Ukraine und keine Verhandlungen über europäische Sicherheit ohne die Europäer, darf nicht gerüttelt werden. ‑ Der Außenminister der Ukraine, Andrij Sybiha, wird ebenfalls an dem Treffen teilnehmen und die ukrainische Sicht auf notwendige Elemente einer Verhandlungslösung darlegen.

Angesichts der dramatischen Ereignisse der letzten Tage in Syrien wird es Sie nicht überraschen, dass es auch ein zweites wichtiges Thema gibt, nämlich die aktuellen Entwicklungen in Syrien und deren Auswirkungen auf die Region und Europa.

Lage in Syrien

Frage

Ich habe eine Frage zur Lage in Syrien. Die Union, Herr Hebestreit, sagt, man müsse jetzt zügig an einem Rückkehrplan arbeiten. Arbeitet die Regierung an einem solchen Plan?

Herr Fischer, welche Kriterien müssen erfüllt sein, damit man zu der Einschätzung kommt, dass die Lage in Syrien stabil ist, um eine Rückkehr zu ermöglichen?

Hebestreit (BReg)

Vielleicht hilft es, trotz aller nachvollziehbaren Aufregung in Zeiten, in denen der Wahlkampf immer näher rückt, einen halben Schritt zurückzugehen. Wir haben es mit einer sehr dynamischen Lage in Syrien zu tun. Der Diktator Assad ist nicht mehr im Lande. Das hat der Bundeskanzler, das haben viele andere Politikerinnen und Politiker, europäische Staatschefs erst einmal umfangreich begrüßt. Das ist eine gute Nachricht.

Trotzdem ist die Lage im Land natürlich alles andere als stabil. Viele Beteiligte sind gerade dabei, ihre Hilfe anzubieten, um die Situation, die jetzt in Syrien besteht, zu stabilisieren. Die Bundesministerin des Äußeren hat sich dazu kurz vor dieser Veranstaltung ausführlich geäußert. Der Bundeskanzler hat gestern in einem Fernsehinterview deutlich gemacht, dass wir diese Situation jetzt erst einmal bewerten müssen. Wir müssen erst einmal abwarten, wie sich die Situation in Syrien entwickelt. Wir haben Hoffnungen. Aber ob die Hoffnungen am Ende eintreten werden, das wird sich zeigen müssen, bevor man jetzt den fünften Schritt vor dem zweiten macht und die Frage stellt, wie sich das mit diejenigen, die in Deutschland sind, einen subsidiären Schutz genießen und auch wieder in ihre Heimat gehen wollen oder, wenn der Schutz ablaufen würde, dann auch gehen müssten, vollzieht. Das steht zum jetzigen Zeitpunkt überhaupt nicht an, und deswegen sorgen solche Diskussionen eher für Verunsicherung bei den Flüchtlingen in Deutschland, die sich zum Teil seit sehr vielen Jahren hier aufhalten, sich integriert haben und vielfach Arbeit aufgenommen haben. Unter denjenigen, die seit 2014, 2015 nach Deutschland gekommen sind, gibt es ein hohes Maß an Beschäftigten.

Deswegen ist der Aufruf der Regierung: Wir beobachten die Situation jetzt erst einmal sehr genau. Wir bringen uns nach Kräften ein, außenpolitisch, sicherheitspolitisch, wo es geht. Alle weiteren Fragen, die sich daran anschließen, klären wir, wenn sie sich stellen, aber nicht am dritten Tag nach einem solchen Ereignis, das die wenigsten außenpolitischen Experten überhaupt haben kommen sehen.

Zusatzfrage

Ich habe eine konkrete Frage. Es gibt Aufrufe aus Syrien, zurückzukehren. Kann man als syrischer Flüchtling, oder welchen Status man auch immer haben mag, nach Syrien fliegen oder sich dahin bewegen und wieder nach Deutschland zurückkehren? Geht das?

Kall (BMI)

Ja, selbstverständlich kann man das selbst entscheiden und freiwillig zurückkehren. Übrigens fördert die Bundesregierung über das BAMF auch Programme zur freiwilligen Rückkehr, also das, was nun teilweise gefordert wird, sozusagen Starthilfen zu leisten, Menschen dabei zu helfen, zurückzukehren. Solche Programme gibt es; das wird gefördert. Ich weiß nicht, ob es direkte Flüge gibt, wahrscheinlich aber nicht, sondern dann erfolgen Rückreisen über andere Staaten in der Region.

Ich möchte aber auch noch einmal sagen, was die Bundesinnenministerin die letzten beiden Tage gesagt hat, nämlich dass bei vielen syrischen Flüchtlingen endlich wieder Hoffnung auf eine Rückkehr in ihre Heimat und auch auf den Wiederaufbau ihres Landes besteht, dass es aber schlicht unseriös ist, in einer so unklaren und instabilen Lage schon über konkrete Rückkehrmöglichkeiten zu sprechen. Die gibt es aktuell noch nicht.

Wie gesagt, individuelle Reisen können Menschen machen, aber die Lage ist einfach zu instabil, um Rückkehrmöglichkeiten im größeren Stil zu prüfen. Deswegen beobachten wir die Lage so genau und deswegen tauscht sich die Bundesinnenministerin darüber natürlich auch eng mit ihren europäischen Amtskolleginnen und -kollegen aus. Das hat sie gestern in London am Rande ihrer Gespräche getan, und das wird sie morgen auch am Rande des Innenrats in Brüssel tun.

Insofern kommt es für uns auf eine klarere Lage an. Wie Sie wissen, hat das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge am Montag auch einen Entscheidungsstopp für aktuelle Asylverfahren verhängt. Das heißt, Asylverfahren werden natürlich weiter geprüft, aber es wird nicht entschieden, solange die Lage in Syrien so unklar ist. Das ist ein bewährtes Vorgehen, und das ist beispielsweise auch mit Blick auf Gaza so gemacht worden, damit man eben in einer so unklaren Lage keine Entscheidungen trifft, sondern erst dann, wenn sich die Lage geklärt hat.

Frage

Herr Fischer, Israel hat in den letzten Tagen über 300 Ziele in Syrien bombardiert, hat die völkerrechtlich zu Syrien gehörenden Golanhöhen vollumfänglich besetzt und steht jetzt in Qatana, 20 Kilometer vor der Hauptstadt Damaskus. Wie bewertet die Bundesregierung aus völkerrechtlicher Perspektive sowohl die Besetzung der Golanhöhen als auch das Vorrücken bis kurz vor Damaskus sowie die massenhaften Bombardierungen in den letzten Tagen?

Fischer (AA)

Es tut mir leid, dass Sie immer nur einmal in der Woche kommen, aber über die Golanhöhen haben wir vor zwei Tagen schon gesprochen.

Zusatz

Das Protokoll habe ich brav gelesen.

Fischer (AA)

Dann ist es ja gut, dann kennen Sie ja unsere Haltung. ‑ Was den Rest angeht, hat sich die Außenministerin gerade vor der Presse geäußert und einen Acht-Punkte-Plan für ein freies, demokratisches Syrien vorgestellt. Dabei ist sie auch auf Ihre Frage eingegangen und hat beispielsweise ‑ ich paraphrasiere ‑ gesagt, dass Nachbarn wie die türkische und israelische Regierung, die Sicherheitsinteressen geltend machen, mit ihrem Vorgehen nicht den Prozess stören dürfen, der in Richtung einer Bildung einer Übergangsregierung und einer besseren Zukunft für die Syrerinnen und Syrer führt.

Zusatzfrage

Das wäre jetzt aber mitnichten eine Antwort auf meine Frage. Ich wollte wissen, ob das Auswärtige Amt die massenhafte Bombardierung Israels von Zielen in Syrien als vom Völkerrecht gedeckt sieht oder nicht. Die Außenministerin hat die Angriffe jetzt ja weder explizit verurteilt noch unterstützt. Können Sie mir sagen „ja, vom Völkerrecht gedeckt“ oder „nein, nicht vom Völkerrecht gedeckt“?

Fischer (AA)

Wir rufen alle Akteure zur Zurückhaltung auf. Klar ist auch, dass für uns die Sicherheit und Stabilität in der Region von zentralem Interesse sind. Das Vorgehen, das wir beobachtet haben, wirft natürlich eine Reihe von Fragen auch völkerrechtlicher Natur auf. Mir sind die genauen Umstände vor Ort aber nicht bekannt, und mir ist zum Beispiel auch nicht bekannt, ob es möglicherweise Kontakte zwischen der israelischen Regierung und den neuen syrischen Akteuren gegeben hat. Von dort hören wir nichts, und solange mir die Umstände nicht vollständig bekannt sind, kann ich auch keine völkerrechtliche Einordnung vornehmen.

Frage

Herr Fischer, Sie betonen ja immer wieder Israels Recht auf Selbstverteidigung. Gestehen Sie dieses Recht auch Syrien zu? Hat Syrien also das Recht, sich gegen diese Angriffe zu wehren, oder sagen Sie einfach: Nein, die sollen das einfach so über sich gehen lassen?

Fischer (AA)

Ich habe gerade ja gesagt, dass mir noch nicht einmal bekannt ist, ob es in dieser Frage nicht möglicherweise sogar einen Austausch zwischen Israel und den syrischen Akteuren gibt. Denn am Ende muss man ja sehen, dass sowohl Israel als auch die HTS beispielsweise gegen die Hisbollah gekämpft haben und dass beide gegen die syrische Armee vorgegangen sind. Insofern sind das Fragen, die ich hier nicht beantworten kann. Was zum Beispiel die Zerstörung der Chemiewaffen angeht, waren ja diejenigen, die jetzt die Macht in Damaskus übernommen haben, auch diejenigen, die besonders unter ihrem Einsatz gelitten haben. Von daher müssten Sie zunächst einmal die neuen syrischen Vertreter fragen, wie sie die Entwicklung selber einschätzen.

Zusatzfrage

Das heißt, aus Ihrer Sicht hat Israel keinen Völkerrechtsbruch begangen?

Fischer (AA)

Ich habe ja vorhin gesagt, dass dieses Vorgehen sicherlich völkerrechtliche Fragen aufwirft. Ich bin aber nicht in der Lage, das vollständig für Sie einzuordnen, weil mir die Umstände des Vorgehens nicht bekannt sind.

Frage

Herr Fischer, wie beurteilen Sie die neue Lage in der syrischen Provinz Deir ez-Zor, wo es ja noch Kämpfe gegeben hatte?

Warum ist der Bundesregierung hier erneut das passiert, was im Untersuchungsausschuss Afghanistan schon kritisiert worden war, nämlich dass BND und Auswärtiges Amt im Fall einer neuen Entwicklung sehr langsam reagiert haben? Ich habe am Samstag um 18 Uhr noch nachgefragt, da wurde ich auf das Sprecherzitat vom Freitag zurückverwiesen. Das entbehrt nicht einer gewissen Absurdität.

Wann will die Bundesaußenministerin nach Syrien reisen? Was wäre eine Voraussetzung für einen solchen Besuch?

Fischer (AA)

Ich glaube, wir gehören in der Tat zu denjenigen, die besser als andere vorausgesehen haben, dass die Dinge in Syrien in Bewegung sind. Das war auch einer der Gründe dafür, dass wir uns den Versuchen widersetzt haben, das Assad-Regime anzuerkennen und die Beziehungen zu normalisieren; denn wir wussten, dass dieses Regime hohl ist und in großen Schwierigkeiten ist. Wir haben alle beobachtet ‑ Sie haben das auch gesehen ‑, dass die Hisbollah ihre Kämpfer abgezogen hatte, und wir haben gesehen, dass Russland auf seinen völkerrechtswidrigen Krieg gegen die Ukraine fixiert ist.

Insofern hat uns das nicht vollständig überrascht. Es war nur so, dass Sie den jeweiligen akuten Zeitpunkt nicht voraussehen können. Wenn ich ein Bild benutzen soll: Die syrische Suppe hat gekocht, es war aber unklar, wann sie überkocht. Ich glaube, dass sie gekocht hat, das haben wir sehr gut gesehen. Insofern haben wir uns auch vorbereitet, was Sie auch daran sehen, dass wir heute mit einem Acht-Punkte-Plan, der ja auch nicht aus dem Nichts kommt, an die Öffentlichkeit gegangen sind und den mit unseren Partnern teilen und abstimmen. Insofern würde ich diesen Vorwurf in dieser Weise zurückweisen.

Dass wir uns am Samstag um 18 Uhr nicht zu einer dynamischen Entwicklung äußern, von der wir wissen, dass sie am nächsten Morgen schon überholt ist, liegt, glaube ich, auf der Hand, zumal wir am Samstagabend davon ausgehen konnten, dass Herr Assad am Sonntagmorgen nicht mehr in der Stadt sein wird. Ich glaube, wir hätten uns und letztlich auch Ihnen keinen Gefallen getan, wenn wir in diesen paar Stunden mit einem neuen Statement auf den Markt gegangen wären. Auch das will ich noch einmal klarstellen.

Zu Ihrer Frage, was wir zur Türkei sagen: Auch dazu hat sich die Ministerin geäußert. Zum einen ist sie auf die Zehntausenden Kurdinnen und Kurden eingegangen, die auf der Flucht sind und auch Angst vor einem Sturm auf Kobanê haben. Sie hat begrüßt, dass es nun anscheinend zu einem Waffenstillstand zwischen den türkisch unterstützten Milizen und der kurdischen SDF gekommen ist, und hat erklärt, dass es bei aller Vorsicht und ohne zu wissen, ob das abschließend belastbar ist, doch erst einmal eine gute Nachricht ist.

Vorsitzende Wefers

Es gab noch die Frage, ob die Ministerin Reisepläne hat.

Fischer (AA)

Sie wissen ja, dass wir Reisen erst ankündigen, wenn sie tatsächlich vor der Tür stehen. In dem Acht-Punkte-Plan gibt es aber tatsächlich auch einen Punkt zu unserer Präsenz. Wir haben zwei Dinge gemacht: Zum einen ist Staatsminister Lindner zum Syrien-Koordinator im Auswärtigen Amt benannt worden. Er wird sich jetzt auf den Weg in die Region machen und war am Wochenende auch schon in der Region bei der Manama-Konferenz ‑ wie Sie wissen, waren dort alle relevanten Spieler vor Ort ‑ und hat dort auch Gespräche geführt. Gleichzeitig bereiten wir eine erste Reise auf Ebene der Kolleginnen und Kollegen in Richtung Damaskus vor.

Zusatzfrage

Erst einmal möchte ich klarstellen: Ich hatte um eine Antwort bis Sonntag 11 Uhr gebeten, weil ich ahnte ‑

Fischer (AA)

Die haben Sie ja auch bekommen, um 11.15 Uhr oder so.

Zusatzfrage

‑ dass das eine dynamische Lage sein würde. Aber es gab ja auch vom BND einen Vortrag, und im Afghanistan-Untersuchungsausschuss war eben auch herausgekommen, dass der BND eine mögliche Machtübernahme durch die Taliban in Afghanistan vorhergesehen hat, aber eben den Zeitrahmen falsch eingeschätzt hatte. Daher würde ich sagen, dass ich hier durchaus eine Parallele sehe. ‑ Dient diese Erkundungsmission einer möglichen Wiedereröffnung der Botschaft?

Fischer (AA)

Ich glaube, es ist jetzt erst einmal wichtig, dort Kontakte auf persönlicher Ebene aufzunehmen, die Lage zu sondieren und vielleicht auch einmal nach unseren Liegenschaften zu schauen und zu schauen, in welchem Zustand die sind. Ich glaube, wenn wir die erste Reise abgeschlossen haben und sich die Lage weiter stabilisieren sollte, dann werden sich auch weitere Fragen stellen. Ich würde aber davon ausgehen, dass das zunächst einmal eher im Rahmen der Pendeldiplomatie möglicherweise von Beirut aus bedient wird, bevor man wieder zu einer permanenten Präsenz in einem Land, das immer noch von großer Unsicherheit geprägt ist, kommen kann.

Frage

An Herrn Hebestreit: Die Innenministerin hat sich vorhin zu einem Thema geäußert, das ihr Sprecher auch schon erwähnt hatte, und hat der Sorge Ausdruck verliehen, dass auch viele syrische Arbeitskräfte zurückgehen könnten und hier dann ein neuer Fachkräftemangel gerade im medizinischen Bereich entstehen könnte, weil hier viele syrische Ärzte arbeiten. Meine Frage wäre: Welche Sorge überwiegt eigentlich bei dem Bundeskanzler bzw. welche ist größer: dass man jetzt syrische Arbeitskräfte verliert, weil die möglicherweise zurückgehen, oder wie viele Flüchtlinge, illegale Flüchtlinge man jetzt nach Syrien abschieben kann? Denn es ist in den vergangenen Wochen ja auch ein Thema für ihn gewesen, wie man Flüchtlinge wieder in ihre Heimatländer zurückschickt. Was hat für ihn da Priorität?

Hebestreit (BReg)

Zunächst einmal ging es dem Bundeskanzler um Straftäter, die in ihre Heimatländer zurückgeführt werden müssten. Ich glaube, den Begriff „illegale Flüchtlinge“ kennt das deutsche Recht nicht, aber wenn wir von irregulärer Migration sprechen, also von Menschen, die hier kein Aufenthaltsrecht haben und die aufgrund der verwaltungsrechtlichen Verfahren auch als solche anerkannt sind, dann sind das keine Fachkräfte, die hier arbeiten könnten oder dürften ‑ das ist so ‑, und insofern würden sie auch nicht unter diesen Punkt fallen.

Ich habe am Anfang ja versucht, sehr deutlich zu machen, dass wir jetzt nicht sofort über den fünften Schritt reden sollten, weil wir überhaupt nicht wissen, ob wir den zweiten und dritten Schritt in Syrien gehen können. Wie die Entwicklung dort ist, werden wir jetzt sehen, und wir versuchen, uns da nach Kräften einzubringen. Der Bundeskanzler hat gestern ausführlich mit dem türkischen Staatspräsidenten telefoniert, und einen Tag vorher hat er dazu mit dem französischen Staatspräsidenten telefoniert. Das ist eine hochvolatile Situation. Wenn ich das Frau Clasmann noch sagen darf: Nicht nur der Bundesnachrichtendienst, sondern alle internationalen Dienste waren überrascht über die Schnelligkeit und auch darüber, wie schnell die Truppen in Syrien aufgehört haben zu kämpfen. Man kann das immer durch die nationale Brille sehen und sagen „Das ist aber besonders schlecht“, aber dort ist eine Dynamik entstanden, die die wenigsten so vorausgesehen haben.

Zurückkommend darauf, dass man den fünften Schritt nicht vor dem zweiten gehen sollte: Das müssen wir jetzt sehen, und insofern sind das Fragen, die dann zu einem späteren Zeitpunkt gegebenenfalls miteinander diskutiert werden könnten, die uns aber zum jetzigen Zeitpunkt eigentlich nicht weiterführen. Deswegen würde ich mich daran auch nicht ausführlicher beteiligen wollen.

Kall (BMI)

Vielleicht noch ganz kurz von mir dazu, weil sie sich zu Anfang ihrer Frage auf die Bundesinnenministerin bezogen haben: Die Bundesinnenministerin nimmt natürlich genau die gleiche Differenzierung vor, die Herr Hebestreit gerade vorgenommen hat. Auf der einen Seite gibt es also Arbeitskräfte und Fachkräfte, die längst hier sind und die gut integriert sind, und von denen inzwischen übrigens viele auch eingebürgert worden sind ‑ die Einbürgerungszahlen bei Menschen, die jetzt ungefähr neun, zehn Jahre hier sind und gut integriert sind, sind deutlich gestiegen. Über die sprechen wir ja gar nicht. Aber auch in dieser Community sollten wir keine große Verunsicherung verursachen; auch das hat Herr Hebestreit gesagt.

Dieser Bereich der Arbeitskräfte, also der Menschen, die legal hier sind, ist absolut zu trennen von der Frage der irregulären Migration, also derjenigen, die hier kein Aufenthaltsrecht haben bzw. ihr Aufenthaltsrecht vielleicht sogar aufgrund von Straftaten verloren haben. Wir beobachten die Lage in Syrien natürlich auch dahingehend, ob Abschiebungen wieder möglich werden; das prüfen wir ja seit geraumer Zeit. In Richtung Afghanistan ist es uns gelungen, in Richtung Syrien prüfen wir noch, was mögliche Wege sein können, Straftäter und Gefährder wieder abzuschieben.

Das heißt, es geht um all diese verschiedenen Bereiche, und deshalb gibt es auch einen differenzierten Blick darauf. Insofern kann man die große Gruppe der Syrer, die in den letzten zehn Jahren nach Deutschland gekommen sind, überhaupt nicht über einen Kamm scheren, sondern muss sich sehr differenziert anschauen, wie gut diese Menschen integriert sind, wie die Verhältnisse sind, wer Rückkehrperspektiven hat und wer sehr gute Bleibeperspektiven in Deutschland hat. Da ist also wirklich ein differenzierter Blick nötig.

Zusatzfrage

Vielleicht wurde das auch schon gesagt, aber ich frage trotzdem einmal: Gab es eigentlich schon Versuche seitens der Bundesregierung ‑ zum Beispiel seitens des Auswärtigen Amts oder des Kanzleramts ‑, Kontakt mit den neuen syrischen Machthabern aufzunehmen?

Fischer (AA)

Ich habe schon in der letzten Bundespressekonferenz gesagt, dass wir alle unsere Kontakte in Richtung Syrien aktiviert haben. Wie Sie wissen, ist der Umgang mit der HTS nicht ganz einfach, aber es gibt zumindest Mittel und Wege, auch mit dieser Gruppierung zu kommunizieren. Sie können davon ausgehen, dass die Kolleginnen und Kollegen bei uns im Syrienteam auf allen Ebenen aktiv sind, um sich zum einen ein Lagebild zu verschaffen und zum anderen die Entwicklung in Syrien in eine positive Richtung zu befördern.

Frage

Herr Kall, Sie hatten vorhin gesagt, dass Geflüchtete selbstverständlich jederzeit die Möglichkeit hätten zurückzukehren. Die Frage war aber, ob durch eine solche Rückkehr dann automatisch der Schutzstatus bzw. der Status als Geflüchtete in Deutschland verschwunden ist. Im Fall Afghanistans ‑ Stichwort Urlaub in Afghanistan ‑ war das ja eine Debatte. Haben wir es jetzt in Syrien nicht mit einer Situation zu tun, in der es sehr vernünftig sein könnte, dass Menschen, die sich hier als Geflüchtete aufhalten, sagen: Ich würde gerne einmal gucken, wie die Verhältnisse vor Ort sind und ob ich dann dauerhaft zurückgehen kann?

Kall (BMI)

Erst einmal habe ich hoffentlich nicht vergessen, die faktischen Schwierigkeiten zu betonen. Es geht ja erst einmal darum, dass Menschen das individuelle Recht haben, sich frei zu bewegen, also sich auch in Richtung ihrer alten Heimat frei zu bewegen. Das kann sich auf den Schutzstatus auswirken, wenn es eine längerfristige Rückkehr ist. Was sich in der Regel nicht auswirkt, ist zum Beispiel, wenn jemand in seine Heimat zurückkehrt, um an einer Hochzeit, einer Beerdigung, wichtigen Familienfeiern oder Ähnlichem teilzunehmen; dann ist das vielmehr ein kurzfristiger Besuch. Ich denke auch, dass es auf den Schutzstatus und die Festigkeit des Schutzstatus ankommt, wenn es um die Frage geht, wie lange jemand in sein Land zurückkehren kann, ohne den Schutzstatus zu verlieren. Insofern muss man auch das differenziert betrachten.

Zusatzfrage

Ich verstehe Sie so, dass es kein automatisches Streichen des Schutzstatus durch das BAMF gibt, wenn jemand sagt: Ich gehe jetzt einmal zurück nach Syrien. Es gibt kein automatisches Streichen, verstehe ich das richtig?

Kall (BMI)

Automatisch sowieso nicht. Wenn, dann kommen Widerrufsverfahren in Betracht, die sehr aufwendig sind. In der Regel setzen diese Verfahren vor allem voraus, dass es eine dauerhaft sichere Lage in dem Staat, in den Menschen zurückkehren, gibt ‑ also nicht nur eine Stabilisierung über wenige Tage, sondern auch eine längerfristige Stabilisierung, sodass man sagen kann: Diesen Menschen droht keine Gefahr für Leib und Leben. Das ist der Maßstab für etwaige Widerrufsverfahren.

Frage

In der Türkei ist es offenbar so, dass, wenn ein syrischer Flüchtling das Land in Richtung Syrien verlässt, die betreffende Person ihre Papiere abgeben muss und damit keine Möglichkeit mehr hat, auf Grundlage dieser Papiere zurückzukehren. Das ist in Deutschland also nicht der Fall?

Kall (BMI)

Zur türkischen Rechtslage kann ich nichts sagen, Herr Ratz. In Deutschland ist es so, dass man bei einer längeren Rückkehr in die Heimat den Schutzstatus verlieren kann, aber dass es gängige Ausnahmen gibt. Diese Ausnahmen habe ich ja genannt. Wenn man beispielsweise an einer Beerdigung im Familienkreis oder Ähnlichem teilnimmt, dann verliert man darüber nicht den Schutzstatus.

Zusatzfrage

Das ist dann aber zeitlich nicht befristet?

Kall (BMI)

Ich kann gerne noch einmal nachfragen, ob es dazu noch genauere Regeln gibt. Ich kenne das mit diesen sogenannten sozial adäquaten Gründen für eine vorübergehende Rückkehr in die Heimat; das habe ich ja gerade beschrieben. Ich glaube nicht, dass es da feste Fristen gibt, aber letztlich muss man natürlich sehen, dass jemand, der längerfristig in die Heimat zurückkehrt, damit natürlich auch zeigt, dass er seinen Lebensmittelpunkt wieder dahin verlegen kann und möchte.

Frage

Ich hätte eine Frage zu den militärischen Aktivitäten in Syrien: Herr Fischer und ebenfalls Herr Stempfle, die Amerikaner bombardieren angeblich ISIS-Stellungen, wie sie sagen. Das passiert im Rahmen der Operation Inherent Resolve. Die Bundeswehr ist ja Teil dieser Operation bzw. das ist Teil des Bundestagsmandats zum Einsatz COUNTER DAESH. Heißt das, dass die deutsche Luftwaffe gerade bei den Angriffen der Amerikaner in Syrien hilft? Können Sie das einmal erklären?

Stempfle (BMVg)

In der Tat haben wir Soldaten im Irak und in Jordanien stationiert. Dort sind insgesamt rund 300 Soldaten, die zwei wesentliche Aufgaben haben, nämlich das Wiederstarken des IS zu verhindern und den Irak zu stabilisieren; das sind die beiden Hauptaufgaben. Dazu zählt zum Beispiel, dass es zum Fähigkeitsaufbau der irakischen Streitkräfte kommt ‑ all solche Dinge. Dafür ist unser Kontingent dort vor Ort.

Zusatzfrage

Das heißt, die Luftwaffe oder die Bundeswehr hilft jetzt nicht bei den Bombardierungen der Anti-ISIS-Koalition, der sie ja angehört, in Syrien, das können Sie ausschließen? Das hat die Bundeswehr ja in der Vergangenheit getan.

Stempfle (BMVg)

Ich kann nicht beurteilen, ob es Bombardierungen durch die USA in Syrien gibt.

Zusatzfrage

Das haben die Amerikaner ja selbst gesagt. 75 Bombardierungen in den letzten Tagen.

Stempfle (BMVg)

Ich habe deutlich gemacht, dass wir an den beiden Einsätzen, also der Operation Inherent Resolve, die Sie angesprochen haben, und der NATO-Mission im Irak, beteiligt sind; da sind unsere Soldaten dabei. Ich betone noch einmal, worum es geht: Es geht darum, den Irak in einer schwierigen Situation, in der es um den Irak herum gerade viele Herausforderungen gibt, zu stabilisieren. Das ist die Aufgabe der Soldatinnen und Soldaten.

Zusatzfrage

Können Sie das vielleicht einmal prüfen? ‑ Herr Fischer, vielleicht können Sie uns da helfen? Die Bundesregierung hat ja selber geschrieben, dass die Bundeswehr durch Beiträge zur Operation Inherent Resolve, der internationalen Anti-ISIS-Koalition, unterstützt. Jetzt bombardieren die Amerikaner offiziell in Syrien ISIS-Stellungen. Können Sie sagen, ob die Bundeswehr dort in irgendeiner Weise beteiligt ist, oder können Sie das nachreichen?

Fischer (AA)

Die Amerikaner haben in der Tat bekanntgegeben, dass sie gegen ISIS vorgehen. In welchem rechtlichen Rahmen die Amerikaner das unternehmen, das weiß ich nicht. Sie können sich aber sicher sein, dass die Bundeswehr immer im Rahmen ihres vom Bundestag vorgegebenen Mandats handelt.

Frage

Ich möchte noch einmal auf die Angriffe Israels in Syrien eingehen: Es gibt mittlerweile Berichte, dass israelische Panzer vor den Toren von Damaskus stehen. Betrachtet die Bundesregierung diese Angriffe auf Syrien als einen Angriff auf die territoriale Integrität und Souveränität Syriens, und fordern Sie, dass Israel seine Panzer und Truppen aus Syrien zurückzieht?

Fischer (AA)

Zu diesen Fragen habe ich mich vorhin schon geäußert.

Frage

Herr Kall, was Straftäter betrifft: Ist es bei verurteilten Straftätern nicht sowieso so, dass verurteilte Straftäter ohnehin zwei Drittel der Strafe, zu der sie verurteilt wurden, hier in Deutschland verbüßen müssen?

Kall (BMI)

Bei Haftstrafen ist es so, dass in der Regel die Hälfte bis zwei Drittel in Deutschland zu verbüßen sind und danach eine Abschiebung aus der Haft heraus in Betracht kommt. Dem muss dann die jeweilige Staatsanwaltschaft zustimmen. Wenn ich das richtig weiß, ist genau das bei den Abschiebungen nach Afghanistan im August geschehen. Dabei sind mehrere der schweren Straftäter, die da nach Afghanistan abgeschoben worden sind, direkt aus der Haft abgeholt worden und abgeschoben worden. Dem hat die Justiz in diesen Fällen zugestimmt. In Haftfällen ist das so. Ansonsten kommt es auf die Schwere der Straftat an, ob man damit dann auch sein Aufenthaltsrecht verliert. Das ist aber von der Bundesregierung in verschiedenen Gesetzen erheblich verschärft worden, sodass inzwischen in viel mehr Fällen die Ausweisung und damit auch die Abschiebung droht.

[…]

Stempfle (BMVg)

Ich habe eine Rückmeldung auf die Frage vorhin: Es gibt keine Beteiligung der Luftwaffe an dem von Ihnen genannten US-Einsatz.

Annullierung der Präsidentschafts­wahl in Rumänien

Frage

In Rumänien hat das Verfassungsgericht ja nach Klagen auf Grundlage von bisher kaum zu verifizierenden Geheimdienstinformationen über angeblich russische Einflussnahme via TikTok-Videos den ersten Wahlgang der Präsidentschaft annulliert. Die als proeuropäisch geltende liberale Stichwahlkandidatin Lasconi nannte die Entscheidung illegal. Der Gewinner des ersten Wahlgangs, Georgescu, sprach von einem Staatsstreich. In den bisher veröffentlichten Geheimdienstinformationen ist von Russland als Akteur auch gar nicht die Rede. Vor diesem Hintergrund würde mich interessieren, wie die Bundesregierung denn auch eingedenk der anstehenden Bundestagswahlen die Annullierung einer Wahl mit Verweis auf eine TikTok-Kampagne politisch bewertet.

Fischer (AA)

Ich glaube, ich würde mich jetzt von hier aus damit schwertun, mich zur verfassungsmäßigen Ordnung Rumäniens zu äußern. Es hat eine Entscheidung des Verfassungsgerichts gegeben, die wie alle Entscheidungen von Verfassungsgerichten auch zu befolgen ist. Ich diesem Sinne ist die rumänische Justiz zu dem Schluss gekommen, dass es zu einer Wahlbeeinflussung im ersten Wahlgang gekommen ist und hat die entsprechend aus ihrer Sicht notwendigen Entscheidungen getroffen.

Zusatzfrage

Bei den Kollegen der Deutschen Welle wird das rumänische Verfassungsgericht als verlängerter Arm des politischen Establishments bezeichnet, beim Deutschlandfunk als Handlanger der Sozialdemokratischen Partei, und es wird schon sichtbar, dass es da einiges an Problemen und politischer Einflussnahme gab.

Jetzt bin ich lang genug in der BPK, um mich zu erinnern, dass Sie sich beim Machtstreit zwischen Maduro und Guaidó sehr wohl sehr deutlich positioniert haben, auch bei Entscheidungen des Verfassungsgerichts in Caracas. Deswegen erkenne ich nicht ganz, wieso das jetzt im Falle von Bukarest so viel anders sein soll. Die Bundesregierung wird sich doch ‑ das wird ja von vielen als ein historischer Akt bezeichnet ‑ eine Meinung gebildet haben zu diesem wirklich einmaligen Vorgang einer Komplettannullierung einer Wahl mit Verweis auf ein paar Tausend TikTok-Konten.

Fischer (AA)

Rumänien ist ein Rechtsstaat und eine Demokratie. Das steht im Gegensatz zu der Ordnung, die wir in Venezuela sehen.

Militärübungen Chinas vor der Küste Taiwans

Frage

Eine Frage an das Auswärtige Amt: Herr Fischer, China betreibt schon seit einigen Tagen Militärübungen vor der Küste Taiwans und heute wohl sehr massiv. Wie besorgt sind Sie, dass das aus dem Ruder laufen könnte? Was halten Sie von dieser Provokation?

Fischer (AA)

Wir haben genau wie Sie die Berichte über das massive Aufkommen militärischer Kräfte Chinas rund um Taiwan mit Sorge zur Kenntnis genommen und verfolgen die Lage genau. Stabilität und Frieden in der Straße von Taiwan und im südchinesischen Meer sind von strategischer Bedeutung für die regionale und globale Sicherheit und den Wohlstand, auch in Europa. Außenministerin Baerbock hat diesen Punkt bei ihrem jüngsten Besuch in Peking auch noch einmal klar unterstrichen.

Um es klar zu sagen: Die derzeitigen militärischen Maßnahmen Chinas sind gefährlich, erhöhen die Spannung und das Risiko unbeabsichtigter militärischer Zusammenstöße. Wir erwarten von der Volksrepublik China als verantwortungsvollen internationalen Akteur, dass sie mit ihrem Verhalten zu Frieden und Stabilität in der Region beiträgt und die völkerrechtlich verbürgte Freiheit der Schifffahrt und der Luftfahrt unbedingt respektiert.

Zusatzfrage

Die Chinesen machen das ja immer wieder. Ist das von der Größe des Manövers oder der Militärpräsenz außergewöhnlich, oder ist das für Sie noch im normalen Bereich?

Fischer (AA)

Ich habe ja von einem massiven Aufkommen militärischer Kräfte Chinas rund um Taiwan gesprochen. Ich glaube, das beantwortet Ihre Frage.

Proeuropäische Proteste in Georgien

Frage Romaniec

Ich habe eine Frage zu Georgien an das Auswärtige Amt oder an Herrn Hebestreit, vielleicht auch an beide. In Georgien gab es fast zwei Wochen lang sehr intensive proeuropäische Proteste. Von den westlichen Politikern haben sich dort nicht viele blicken lassen ‑ bis auf Herrn Orbán. War es für Regierungspolitiker eine Überlegung, in dieser Zeit Georgien zu besuchen?

Auch in Anbetracht dessen, dass die Europäische Union die Folterungen von Demonstranten für glaubhaft hält: Was können eigentlich die Menschen in Georgien heute von Deutschland erwarten? Auf welche Hilfe können sie hoffen?

Fischer (AA)

Ich glaube, wir haben uns sehr klar zu den Ereignissen in Georgien geäußert. Vor wenigen Tagen gab es noch eine Erklärung der Außenministerinnen und Außenminister des Weimarer Dreiecks. Es wird Ihnen auch nicht entgangen sein, dass die Frage zum Umgang mit Georgien auf der Tagesordnung des Außenministerrats der Europäischen Union am nächsten Montag steht, wo wir uns über gemeinsame europäische Reaktionen Gedanken machen und überlegen, ob es jetzt angebracht ist, Maßnahmen zu ergreifen ‑ die werden dort jedenfalls diskutiert werden.

Zusatzfrage

Aber war es eine Überlegung, den Menschen vor Ort Solidarität zu zeigen und dahin zu reisen? Das ist ja in solchen Situationen öfter der Fall, dass man das tut.

Fischer (AA)

Wir überlegen immer, wo wir hinreisen und wie wir reisen. Die Frage ist halt, welches Signal davon ausgeht und ob es in der Situation hilfreich ist oder nicht.

Inhaftierung eines deutschen Staatsbürgers in Russland

Frage

Dann wollte ich noch wissen, ob es aktuelle Entwicklungen zu dem verhafteten deutschen Staatsbürger in Russland gibt.

Fischer (AA)

Ich habe Ihnen da nichts Neues zu berichten. Wir bemühen uns weiterhin um konsularischen Zugang. Sie wissen ja, dass es sich bei dem Festgenommenen nach Angaben der russischen Seite um einen Doppelstaater handelt. Es ist so, dass Doppelstaater letztlich von Russland nur als russische Staatsangehörige betrachtet werden und uns vor diesem Hintergrund im Regelfall der Zugang verwehrt wird.

Nichtsdestotrotz ist es für uns ein deutscher Staatsbürger, der inhaftiert wird. Wir wollen ihm unsere konsularische Unterstützung zukommen lassen und arbeiten daran. Aber, wie gesagt, bin ich nicht sehr hoffnungsfroh.

Reisewarnung für Russland

Fischer (AA)

Das gibt mir jetzt die Gelegenheit, noch einmal darauf hinzuweisen, dass wir eine Reisewarnung für Russland ausgesprochen haben, weil es dort immer wieder zu willkürlichen Festnahmen kommt. Vor diesem Hintergrund sollte jede Person, die sich mit dem Gedanken trägt, nach Russland zu reisen, vorher noch einmal in die Reise- und Sicherheitswarnungen des Auswärtigen Amts schauen und möglicherweise von einer Reise absehen.

Ernennung von Staatsminister Lindner zum Sonderkoordinator für Syrien

Frage

Herr Fischer, Tobias Lindner ist jetzt Sonderkoordinator für Syrien. Ist das ein politisches Amt? Er hatte ja angekündigt, dass er nicht mehr für den Bundestag kandidieren will.

Fischer (AA)

Es ist zunächst einmal eine Aufgabe, in der es darum geht, in der jetzigen Situation die Anstrengungen der Bundesregierung, des Auswärtigen Amts, zu bündeln und vor allen Dingen in Richtung Region zu wirken.

Hebestreit (BReg)

Das ist keine Beförderung.

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