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Erklärungen des Auswärtigen Amts in der Regierungspressekonferenz vom 13.12.2024

13.12.2024 - Artikel

Lage in Syrien

Frage

Frau Jenning, ich hätte Sie ganz gerne zum Thema Syrien gefragt, ob Sie noch einmal die Äußerung des Ministers erklären könnten, dass auch Deutschland einen Beitrag leisten müsse ‑ das ist ja eine ähnliche Debatte wie in der Ukraine ‑ für eine zukünftige Stabilität bzw. Sicherung Syriens. Ist damit auch gemeint, dass man möglicherweise nicht nur Bundeswehrsoldaten in Jordanien und im Irak stationiert hat, wie im Moment, sondern möglicherweise auch in Syrien stationiert?

Jenning (BMVg)

Der Minister war ja in den vergangenen zwei Tagen in der Region Libanon und Irak unterwegs, und wie Sie eben schon selbst angekündigt haben, hat er sich sehr umfassend in den letzten beiden Tagen zu dieser Thematik geäußert. Ganz allgemein können wir hier an dieser Stelle oder kann ich Ihnen an dieser Stelle sagen, dass es natürlich darum ging, sich dort ein Lagebild zu machen. Er hat dort Eindrücke gesammelt. Jetzt gilt es, die Lage entsprechend zu beobachten und dann zu schauen ‑ natürlich auch in enger Zusammenarbeit mit unseren Partnern ‑, wie wir damit umgehen und wie dann das angesprochene Engagement aussieht.

Zusatzfrage

Aber Konkretes können Sie dazu noch nicht sagen?

Jenning (BMVg)

Ich habe den Äußerungen des Ministers da insofern nichts hinzuzufügen. Aber ich habe gesehen, dass das Auswärtige Amt zuckt.

Wagner (AA)

Ja, ich kann vielleicht noch einmal etwas ergänzen, weil Ihre Fragestellung ja so ein bisschen insinuiert, ob das jetzt eine Frage ist, die sich jetzt stellt. Die stellt sich natürlich jetzt im Moment noch nicht. Sie wissen ja, dass es im Moment darum geht, angesichts der wirklich noch vollkommen unklaren Lage in Syrien dafür zu sorgen, dass wir in einen politischen Übergangsprozess kommen. Dazu laufen ja die Gespräche. Dazu gibt es morgen ja auch ein Treffen in Jordanien. Dazu nutzen wir jetzt auch alle Kanäle, die wir aufbauen können. Es gibt einen UN-Sondergesandten, der ja auch in den letzten Tagen sehr umfangreich dazu Stellung genommen hat. Jetzt geht es eben darum, in enger Abstimmung mit unseren internationalen Partnern und vor allen Dingen mit den Partnern in der Region, weil natürlich den arabischen Nachbarstaaten von Syrien dabei auch eine wichtige Rolle zukommt, zu schauen, dass wir diesen Transitionsprozess so gut wie möglich auf den Weg bekommen. Es ist ja noch vollkommen offen, wie sich das entwickelt. Wir sehen, dass die neuen starken Kräfte ‑ ich blicke dabei natürlich vor allen Dingen auf HTS ‑ sozusagen Signale senden, mit vielerlei Gruppierungen in Syrien im Gespräch sind und offensichtlich probieren, das in eine geordnete Bahn zu lenken. Aber wie das am Ende ausgeht, ist noch vollkommen offen.

Frage

Herr Wagner, Sie haben die verschiedenen Gruppen ja schon angesprochen. Es herrscht ja immer noch Krieg vor Ort. Der türkische Präsident, also ein Alliierter der Bundesregierung, hat angekündigt, dass er, Zitat, vorbeugende Maßnahmen gegen alle Terrororganisationen ergreifen werde, die in Syrien operieren. Dabei geht es neben IS um die syrischen Kurdenmilizen. Wie bewertet die Bundesregierung diese Ankündigung?

Wagner (AA)

Vielleicht einmal das aufgreifend, was Sie zum IS gesagt haben: Es stimmt, der IS ist in Syrien noch nicht besiegt und operiert auch weiter. Insofern ist dieser Aspekt, wie wir mit Terrorismus in Syrien umgehen, wie wir vielleicht auch mit einem Vakuum umgehen, das da in bestimmten Zonen entsteht und dann sozusagen wieder Operationsgebiet auch für terroristisch-dschihadistische Gruppierungen werden kann, eine der wichtigen Fragen, um die es natürlich jetzt auch geht.

Zu der Lage in den Kurdengebieten: Es ist natürlich so, dass wir jetzt erst einmal begrüßen ‑ das ist ja offensichtlich ‑, dass es einen Abschluss eines Waffenstillstands, eine Einstellung von Kampfhandlungen gab, der verabredet worden ist, der allerdings offensichtlich ‑ man braucht sich sozusagen nur die Nachrichtenlage anzuschauen ‑ zum Teil auch noch sehr brüchig ist. Ich glaube also, wichtig ist, dass wir dort jetzt zu einer Umsetzung kommen und dieser Waffenstillstand respektiert wird.

Klar ist ja, und das haben wir ja auch hier sehr klar gesagt, und die Außenministerin hat das in ihrem Acht-Punkte-Plan betont: Es muss natürlich der Schutz von Minderheiten und von ethnischen Gruppierungen in Syrien ganz oben auf der Agenda stehen. Wir müssen dafür sorgen, dass sich ausländische Akteure, und dazu gehört eben auch die Türkei, die da ja in der Vergangenheit Sicherheitsinteressen geltend gemacht hat, jetzt in Syrien zurückhalten und diesen innersyrischen Prozess nicht torpedieren.

Zusatzfrage

Aber ich wollte einmal zurück zu meiner Frage kommen. Die Türken sagen ja: Wir greifen diese syrischen Kurden an, die YPG, weil wir sie als Terrororganisation kennzeichnen und wahrnehmen. - Ist das die Wahrnehmung der Bundesregierung? Ist die YPG für die Bundesregierung Alliierter wie für die USA? Die USA schützt ja die YPG. Wie ist die Haltung der Bundesregierung?

Wagner (AA)

Ich habe nicht den Eindruck, dass ich eben unklar war in dem, was ich gesagt habe. Es ist doch vollkommen klar, dass es jetzt darum gehen muss, dass ausländischer Einfluss auf die Prozesse in Syrien abnimmt und die dortige Entwicklung nicht torpediert. Wir sehen die Meldungen über türkische Bombardierungen in diesen Gebieten. Sie wissen, und dazu hatten wir auch in der Vergangenheit eine Haltung: Die Türkei macht da Sicherheitsinteressen geltend. Wir stehen mit der Türkei in einem engen Austausch, und Sie können davon ausgehen, dass diese Botschaft der Zurückhaltung, die ich ja jetzt auch hier formuliert habe, natürlich auch an die türkische Regierung direkt adressiert wird.

Frage

Herr Wagner, nachdem es heute Morgen im Deutschlandfunk noch nicht klar war: Ist nun klar, dass Herr Lindner nach Jordanien fährt?

Wagner (AA)

Nach jetzigem Stand wird morgen an dem Treffen in Jordanien für die EU Kaja Kallas, die Hohe Vertreterin der Europäischen Union in außen- und sicherheitspolitischen Fragen, teilnehmen. Sie wissen, dass Frau Kallas ja gestern auch bei dem Treffen verschiedener Außenminister aus der EU mit der Außenministerin hier in Berlin war. Dort war das auch ein Thema. Insofern wird uns Frau Kallas dort vertreten.

Weil Sie den Sonderkoordinator angesprochen haben: Der führt jetzt natürlich auch Gespräche. Auch wir schauen natürlich, dass wir die Kanäle, die wir ja haben, sowohl zu syrischen Akteuren als aber eben auch zu den Partnern in der Region, nutzen. Da gab es ja in der letzten Woche schon Gespräche, und da wird es auch in der nächsten Woche Gespräche geben.

Zusatzfrage

Weil Sie wie immer sehr diplomatisch geantwortet haben: War die Antwort also, dass er nicht hinfährt?

Wagner (AA)

Das haben Sie so richtig verstanden.

Frage

Herr Wagner, ich wollte noch einmal fragen, ob Sie uns vielleicht eine erste politische Einschätzung geben können, auch wenn es noch kein abschließendes Urteil ist, über das, was HTS bisher gemacht hat. Wenn ich das richtig sehe, ist ja unter anderem die syrische Verfassung ausgesetzt worden. Gehen die ersten Schritte, die diese Rebellengruppe geht, die ja da doch vorherrschend zu sein scheint, eigentlich Ihrer Meinung nach in die richtige Richtung, oder wie groß sind Ihre Sorgen, dass die jetzt schon in eine Richtung abbiegen, die Ihnen möglicherweise zu radikal ist?

Wagner (AA)

Na ja, ich hoffe, dass eben zum Ausdruck gekommen ist, dass wir natürlich große Hoffnung haben, aber eben auch große Sorgen. Wir schauen uns jetzt sehr genau an, was vor Ort passiert. Sie haben zu Recht gesagt, dass ja ein Premierminister einer neuen Übergangsregierung eingesetzt worden ist, dass sozusagen in verschiedenen Provinzen auch Offizielle eingesetzt worden sind, dass da jetzt Gespräche geführt werden. Wir werden HTS an ihren Taten messen. Wir haben nicht vergessen, wo die herkommen. Sie haben einen dschihadistischen Background. Wir sehen aber natürlich auch die Signale, die sie jetzt mit Blick auf den Schutz von Minderheiten und ethnischen, religiösen Minderheiten setzen. Wir haben ja auch sehr deutlich gesagt: Das muss jetzt natürlich ein ganz wichtiger Aspekt in der Gestaltung des Übergangsprozesses sein. Insofern ‑ lange Antwort, kurzer Sinn ‑ messen wir HTS an den Taten, und wir werden natürlich sehr genau darauf schauen, wie Sie diesen Prozess jetzt gestalten.

Frage

Herr Wagner, können Sie sagen, auf welcher Ebene sich die Kontakte des Auswärtigen Amtes zur HTS bewegen?

Wagner (AA)

Sie wissen ja, dass es zur HTS ‑ das betrifft nicht nur uns, sondern das betrifft auch viele andere Partner, weil es ja Sanktionen gegen HTS bzw. eine Terrorlistung dieser Gruppe gibt ‑ vorher keine Kontakte gibt. Sie wissen aber auch ‑ das hat mein Kollege, glaube ich, hier am Mittwoch auch schon gesagt ‑, dass wir jetzt natürlich schauen, in welcher Form und auf welche Art und Weise wir da Kanäle herstellen können. Dazu habe ich hier heute noch nichts mitzuteilen.

Nahostkonflikt

Frage

Herr Wagner, der US-Sicherheitsberater Jake Sullivan hat sich nach einem Treffen mit dem israelischen Ministerpräsidenten dahingehend geäußert, dass es noch in diesem Monat zu einem Gaza-Deal kommen könnte, also dass Israel bereit wäre für einen solchen Deal. Sehen Sie da ähnliche Anzeichen?

Wagner (AA)

Das wäre eine sehr gute Nachricht. Wir unterstützen natürlich die intensiven Bemühungen unserer Partner; das sind die Amerikaner mit Jake Sullivan, das sind natürlich auch Katar und Ägypten. Insofern können wir nur hoffen, dass das tatsächlich auf den Weg kommt; denn es ist vollkommen klar, dass es diesen Waffenstillstand für Gaza braucht.

Zusatzfrage

Noch einmal meine Frage: Sehen Sie in Ihren Gesprächen Anzeichen dafür? Israel ist ja auch Ihr Alliierter. Sehen Sie diese Anzeichen?

Wagner (AA)

Wir sind ja nicht Teil dieser direkten Gespräche, die dort stattfinden. Insofern wäre es, glaube, vermessen, wenn ich hier von diesem Podium aus eine Einschätzung dazu träfe. Wir hören aber ‑ und in der Tat führen wir auch Gespräche mit Partnern in der Region ‑ sozusagen die Geräusche, die da gemacht werden. Wenn es zu einer solchen Entwicklung käme, dann würden wir das natürlich sehr begrüßen. Es braucht diesen Waffenstillstand.

Frage

Herr Wagner, ich habe in der gestrigen Erklärung der Außenminister Deutschlands, Frankreichs, Italiens, Polens, Spaniens, der UK und des Hohen Vertreters nichts zu Gaza gefunden. War das kein Thema?

Wagner (AA)

Das gestrige Treffen war ja ursprünglich in dem Berlin-Format angesetzt, es sollte also vor allen Dingen um das Thema Ukraine gehen. Der ukrainische Außenminister war auch Teil dieses Formats und Teil der Gespräche. Aufgrund der Entwicklung in Syrien ging es dann auch noch zu einem Teil um die Lage in Syrien.

Weil es vielleicht Hintergrund Ihrer Frage ist, ob wir jetzt Gaza und den Nahostkonflikt vergessen: Das ist natürlich mitnichten der Fall, das hat für uns weiterhin eine hohe Priorität. Die Außenministerin hat sich kürzlich mit ihren britischen und französischen Amtskollegen noch einmal zur humanitären Lage in Gaza an den israelischen Amtskollegen gewandt. Die Sondergesandte des Auswärtigen Amtes für humanitäre Hilfe für Gaza war erst letzte Woche wieder in der Region. Wir messen der Situation in Gaza also weiterhin hohe Priorität zu.

Zusatz

Es gab ja auch Reaktionen aus anderen Teilen der Welt, die sich wundern, wenn europäische Vertreter sich zu Völkerrecht und der UN-Charta äußern, aber dann nichts zu Gaza sagen.

Wagner (AA)

Naja, also ‑ ‑ ‑

Zusatzfrage

Es gab in der letzten Zeit kein Statement dieser Vertreter zu Gaza, oder?

Wagner (AA)

Wir äußern uns permanent zur Lage in Gaza und zum Nahostkonflikt. Aber noch einmal: Das gestrige Treffen im Berlin-Format war ja explizit ein Treffen, das zur Ukraine und zur Lage in der Ukraine angesetzt war. Sie kennen das vielleicht auch von G7-Außenministertreffen: Dort gibt es dann Erklärungen, in denen im Grunde viele Themen adressiert werden. Gestern ging es aber wirklich sehr spezifisch um die Ukraine, und aufgrund der aktuellen, akuten Lage mit Blick auf die Transition in Syrien ging es dann auch um Syrien. Aber noch einmal: Es ist mitnichten so, dass wir der Lage in Gaza und in Nahost nicht die notwendige Aufmerksamkeit zumessen.

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