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Erklärungen des Auswärtigen Amts in der Regierungspressekonferenz vom 20.12.2024
Äußerungen von Elon Musk auf X zur deutschen Politik
Frage
Elon Musk hat getwittert und geschrieben, Deutschland könne nur durch die AfD gerettet werden. Wie bewertet der Bundeskanzler diese Aussage eines der engsten Berater von Donald Trump, dem künftigen Präsidenten der USA?
Hoffmann (BReg)
Wir haben das natürlich zur Kenntnis genommen. Selbstverständlich gilt die Meinungsfreiheit auch bei X. Wir würden uns dazu jetzt nicht kommentierend einlassen wollen, aber wir haben das natürlich zur Kenntnis genommen.
Zusatzfrage
Inwieweit sieht das BMI da auch eine Grenzüberschreitung und sozusagen Einflussnahme von außen?
Harmsen (BMI)
Ich würde es bei den Ausführungen der stellvertretenden Regierungssprecherin belassen. Dem habe ich jetzt auch nichts hinzufügen.
Frage
Ich möchte dazu doch noch einmal nachfragen, Frau Hoffmann; denn es handelt sich bei Herrn Musk ja um eine Person, die Donald Trump, mit dem Olaf Scholz telefoniert hatte, sehr nahesteht und der in der künftigen US-Regierung das Ressort Regierungseffizienz übernehmen soll, also auch ein politischer Player ist. Betrachten Sie es als Wahleinmischung, wenn er sagt: „Only the AFD can save Germany“?
Hoffmann (BReg)
Es ist ja nicht das erste Mal, dass Elon Musk auf X deutsche Politik kommentiert. Wir nehmen das zur Kenntnis; wir ordnen das nicht ein und bewerten das nicht.
Zusatzfrage
Und es folgt auch nichts daraus, also zumindest diplomatische oder kommunikative Schritte?
Hoffmann (BReg)
Wir nehmen das zur Kenntnis.
Frage
Frau Hofmann, wenn Sie sagen „Wir nehmen das zur Kenntnis“, heißt das dann, dass es keine Konsequenzen geben wird? Der Bundeskanzler wird seinen Account auf X also im gewohnten Maße weiter betreiben? Gilt das auch für alle anderen Regierungsaccounts auf dieser Plattform?
Hoffmann (BReg)
Ich kann nicht für alle Regierungsaccounts sprechen, sondern nur für das, was wir vom BPA aus bei X haben. Da ist es ja so, dass wir uns das immer wieder anschauen und bewerten. Wir haben auch schon einmal unserer Sorge darüber Ausdruck verliehen, wie sich X in den vergangenen Jahren, speziell seit der Übernahme durch Elon Musk, entwickelt hat. Das besorgt uns. Trotzdem kommen wir in der Abwägung immer wieder zu dem Ergebnis, dass wir mit dem Kanal des Bundeskanzlers ‑ und wir haben auch noch den RegSprecher-Kanal ‑, bei X bleiben, weil es eben doch ein wichtiges Medium ist, um Menschen zu erreichen und zu informieren, und weil es auch erhebliche Nachteile mit sich bringt, wenn die Bundesregierung oder der Bundeskanzler auf relevanten sozialen Medien nicht vertreten sind.
Zusatzfrage
Ich möchte dann gerne noch die Frage an andere Ressorts richten ‑ insbesondere das AA und das BMVg; BMI weiß ich jetzt nicht ‑, ob bei Ihnen der Auftritt auf X unverändert fortgeführt wird.
Wagner (AA)
Ich schließe mich da den Ausführungen der stellvertretenden Regierungssprecherin an. Auch wir stellen uns diese Frage regelmäßig immer wieder. Desinformation ‑ zumal ausländisch gesteuerte Desinformation ‑ ist ein großes Problem, und das ist ein Thema, dem wir uns auch sehr widmen. Gleichzeitig können wir in unserem Kampf gegen Desinformation und unserem Informationsauftrag, den wir gesetzlich auch haben, relevante Plattformen nicht einfach so nur den Akteuren überlassen, die dort anders unterwegs sind. Insofern ist das eine Frage, die wir uns immer wieder anschauen, aber im Moment ist es auch so, dass wir weiter Kanäle auf X betreiben.
Müller (BMVg)
Auch im BMVg ist es so, dass wir kontinuierlich eine stetige Neubewertung vornehmen. Dem habe ich nichts Weiteres hinzuzufügen.
Harmsen (BMI)
Das gilt auch für uns. Mir sind auch keine Pläne bekannt, dass wir uns auf X zurückziehen würden.
Frage
Frau Hoffmann, Sie haben jetzt alle geschildert, dass es wichtig ist, auf X zu bleiben, aber wir hatten ja genau diese Debatte angesichts anderer, weniger aussagekräftiger Äußerungen schon einmal. Deswegen möchte ich gerne noch einmal nachfragen: Warum gibt es keine Konsequenzen? Denn genau dieser Abwägungsprozess hat ja schon einmal stattgefunden, und wenn sich jetzt jemand ganz klar nur für die AfD ausspricht, ist das dann nicht neuer Grad an Einmischung in den Bundestagswahlkampf?
Hoffmann (BReg)
Wie gesagt, es ist nicht das erste Mal, dass Elon Musk sich politisch äußert und auch die deutsche Politik kommentiert.
Ansonsten kann ich vielleicht noch ‑ aber das möchte ich jetzt nicht als direkten Kommentar verstanden wissen ‑ auf den Digital Services Act verweisen. Das ist ja eine europäische Gesetzgebung, die auch in Deutschland umgesetzt wird, aber wo letztlich die Kommission diejenige ist, die da tätig wird. Dabei geht es auch um Regeln, die sich Plattformen selbst geben, zum Beispiel auch, was Wahlkämpfe betrifft. Aber wie gesagt, darauf kann ich jetzt nur allgemein verweisen, ohne dass ich das jetzt unbedingt auf den konkreten Fall bezogen wissen möchte.
Zusatzfrage
Genau deshalb muss ich aber noch einmal nachfragen: Es ist ja offensichtlich, dass sich Musk nicht an diese Vereinbarung hält. Fordern Sie die EU-Kommission auf, dass jetzt gegen die Plattform vorgegangen wird?
Hoffmann (BReg)
Ich kann dazu jetzt nichts weiter sagen als dass wir das zur Kenntnis nehmen. Natürlich gehen wir davon aus, dass der DSA von den Plattformen auch geachtet wird.
Frage
Frau Hoffmann, die Formulierung „Wir nehmen das zur Kenntnis“ ist ja eine sehr bewährte Formulierung, die im Klartext sagt: Wir wollen dazu jetzt einmal nichts sagen, und tun werden wir auch nichts. Können Sie aber etwas dazu sagen, wie dieses Zurkenntnisnehmen tatsächlich aussieht? Ist das ein kopfschüttelndes Zurkenntnisnehmen? Wird im Kreis derer, die es zur Kenntnis nehmen, zumindest darüber diskutiert, ob man darauf reagieren oder agieren sollte? Oder ist das nur ein stummes Lesen und Verarbeiten in einzelnen Köpfen?
Hoffmann (BReg)
Angesichts der lapidaren Art, mit der Sie sagen „und tun werden wir auch nichts“, fühle ich mich deutlich missverstanden. Ich habe ja ganz klar gesagt, dass wir besorgt sind über die Entwicklung, die die Plattform X nimmt, und über das, was sich dort tut. Ich teile in keiner Weise Ihre Interpretation meiner Worte, dass wir das in irgendeiner Weise abtun und ad acta legen und uns nicht damit beschäftigen. Das ist mit „zur Kenntnis nehmen“ nicht gemeint, und da will ich nicht so verstanden werden.
Zusatzfrage
Danke für Ihre Interpretation der Worte bzw. der Auffassung, aber zum Ausdruck zu bringen, dass man sich sorgt, ist ja etwas anderes, als etwas zu tun. Deswegen kann ich nur noch einmal fragen: Wenn Sie sich angucken, was da passiert, wenn Sie sich angucken, wie die Entwicklung ist ‑ es ist ja eindeutig, dass Musk hier mit seinen Mitteln in den deutschen Wahlkampf eingreift ‑, wo ist dann der Punkt erreicht bzw. was sind dann die Kriterien dafür, dass Sie sagen: Wir werden aktiv etwas machen über das Ausdrücken von Besorgnis hinaus?
Hoffmann (BReg)
Ich habe mich ja dazu geäußert, was hier zur Abwägung steht, und Herr Wagner hat das auch noch einmal unterstrichen. Es ist wichtig, dass wir auf diesen Plattformen, die viele Menschen erreichen und auf denen Debatten geprägt werden, als demokratische Kräfte, als Bundesregierung vertreten sind. Gleichzeitig schauen wir mit Sorge auf das, was sich auf diesen Plattformen und speziell auf X tut. Das ist eine Abwägung, die wir immer wieder mit großer Sorgfalt und im Bewusstsein der Verantwortung, die wir als Bundesregierung haben, treffen.
Frage
Frau Hoffmann, ich versuche es noch einmal etwas anders: Sehen Sie in der Äußerung von Herrn Musk eine massive Beeinflussung der Bundestagswahl?
Hoffmann (BReg)
Wie gesagt, ich möchte diese Äußerung jetzt hier von dieser Stelle aus nicht bewerten, sondern wir nehmen sie nur zur Kenntnis.
Zusatzfrage
Was halten Sie eigentlich für einflussreicher: russische Desinformation oder die Äußerungen von Herrn Musk auf X?
Hoffmann (BReg)
So eine Art der Quantifizierung möchte ich hier jetzt nicht vornehmen. Es ist aber ganz klar, dass wir russische Desinformation als eine bedeutende und für die Demokratie und für den Zusammenhalt in Europa gefährliche Form der hybriden Kriegführung sehen und dass wir uns in der Bundesregierung verschärft aufstellen, um dem zu begegnen. Es ist enorm wichtig, die Resilienz innerhalb der Bevölkerung, das Bewusstsein für das, was Russland da macht ‑ nicht nur Russland, sondern auch andere, aber vor allen Dingen Russland ‑ zu schärfen, damit Menschen lernen, Desinformation von Informationen zu unterscheiden und vor allen Dingen auch Manipulationen des Informationsraums zu erkennen. Es ist auch wichtig, dass wir ‑ und das geschieht dann eben vor allen Dingen im europäischen Rahmen auf der Grundlage des DAS ‑ Plattformen ahnden, die das nicht ausreichend kenntlich machen, und dass wir das dann auch infrage stellen und dagegen vorgehen.
Ich kann Ihnen sagen, dass wir gerade im Hinblick auf die Bundestagswahl jetzt noch einmal verstärkt mit Plattformen im Austausch sind und noch einmal sehr stark dafür sensibilisieren, wie wichtig es ist, dass die Integrität der Wahlen dort nicht infrage gestellt wird, sondern gewahrt bleibt, und wie wichtig es ist, dass die Plattformen gerade in dieser Zeit besonders sensibel auf Manipulationen dieses Informationsraums reagieren.
Frage
Frau Hoffmann, da Sie das Fass jetzt aufgemacht haben ‑ ‑ ‑
Hoffmann (BReg)
Ich? Nein.
Frage
Doch, doch, doch. ‑ Wo ist jetzt der Unterschied zwischen hybrider Kriegführung, Desinformation, Manipulation von russischer Seite und dem Vorgehen eines US-Oligarchen an dieser Stelle?
Hoffmann (BReg)
Desinformation ist Teil hybrider Kriegführung. Manipulation ist eine Art, wie Meinungen in sozialen Medien durch Bots, durch unechte Accounts, künstlich verstärkt werden, indem vorgegeben wird, dass Meinungen von einer Vielzahl von Menschen geteilt werden, was aber gar nicht der Fall ist. Das ist also eine spezielle Form, das ist Informationsmanipulation, und dagegen gehen wir vor, darüber klären wir auf.
Was Herrn Musk betrifft ‑ das habe ich hier eben schon gesagt ‑, so nehmen wir das, was er da tut, zur Kenntnis. Ich ordne das hier jetzt aber nicht noch weiter ein und kommentiere das nicht.
Zusatzfrage
Bei der russischen Seite sind Sie sehr schnell mit der Zuordnung, bei dem Betreiber einer US-Plattform sagen Sie aber, dass Sie das nicht bewerten wollen. Das verstehe ich jetzt nicht.
Hoffmann (BReg)
Ich bin überhaupt nicht schnell mit der Zuordnung. Das ist ein Thema, das uns seit Jahren beschäftigt und zu dem es wissenschaftliche Forschung und sehr viel Regierungsarbeit gibt. Das ist also nichts, was hier einmal eben schnell behauptet wird. Wir haben eine Taskforce dazu, wir haben eine Einheit dazu. Das ist also in keiner Weise eine schnelle Behauptung.
Frage
Ihr Begriff „Manipulation“ verwirrt zumindest mich. Sie haben eben gesagt, das seien dann Bots, das seien dann falsche Informationen. Dieser Begriff wurde erfunden, lange bevor es irgendwelche Bots, das Internet oder sonst etwas gab, nämlich für etwas, das von lebenden Menschen in der öffentlichen Darstellung von Sachverhalten verfälschend bzw. negativ dargestellt und beeinflusst worden ist. Genau das macht doch Herr Musk. Möchten Sie wirklich sagen, dass das, was Elon Musk da mit seinen Äußerungen macht, keine Manipulation nach der klassischen Definition dieses Begriffs sei?
Hoffmann (BReg)
Ich verstehe überhaupt nicht, wie es jetzt sein kann, dass Sie so tun, als hätte ich irgendwas zu Herrn Musk gesagt. Ich habe die ganze Zeit gesagt, dass ich dazu nichts sage, dass ich das ausdrücklich nicht kommentiere. Ich habe es weder als Manipulation noch nicht als Manipulation eingeordnet, und ich finde es jetzt auch schon nicht mehr ganz fair, dass Sie mir jetzt wirklich das Wort im Mund umdrehen. Nein, ich habe das nicht kommentiert.
Zusatz
Sie haben auf die Frage zweier Kollegen reagiert.
Hoffmann (BReg)
Ich habe erklärt, was russische Manipulation ist, in der Tat.
Zusatz
Ja, was russische Manipulation sei, und ‑ ‑ ‑
Hoffmann (BReg)
Ohne Bezug zu Herrn Musk.
Zusatzfrage
Inhalt der Frage war, was eigentlich die russische Manipulation von dem unterscheidet, was Herr Musk macht. Das ist eine berechtigte Frage.
Hoffmann (BReg)
Daraufhin habe ich erklärt, was russische Manipulation ist, und gesagt, dass ich mich zu Herrn Musk nicht äußere.
Zusatzfrage
Sie möchten also nicht dazu Stellung nehmen, ob das, was Herr Musk macht, US-amerikanische Manipulation ist, nein?
Hoffmann (BReg)
Richtig, ich möchte mich zu Herrn Musk nicht äußern, genau.
Inaugenscheinnahme des Frachters „Yi Peng 3“ in der Ostsee
Frage
Die Frage geht an das Auswärtige Amt, das Bundesinnenministerium und gegebenenfalls das Verteidigungsministerium, Stichwort „Yi Peng 3“. Dazu hat ja schon vorgestern der dänische Außenminister gesagt, es sei eine Vereinbarung zur Untersuchung an Bord dieses Schiffes getroffen worden. Gestern hat das deutsche Bundespolizeiboot „Potsdam“ im Shuttleverkehr zwischen dem dänischen Hafen Grenaa und dem Liegeort der „Yi Peng 3“ Material, Personen oder was auch immer hin- und hergeshuttlet. Vielleicht können Sie einmal sagen, wie das aussieht - unter dem Vorbehalt, dass Sie über die laufenden Ermittlungen aus ermittlungstaktischen Gründen nicht wirklich Auskunft geben können. Aber vielleicht können Sie sagen, inwieweit Deutschland in die Untersuchung überhaupt einbezogen ist, außer, mit Polizeibooten darum herumzufahren?
Wagner (AA)
Ich kann vielleicht einmal anfangen. Es geht ja um das Schiff unter chinesischer Flagge, das im Verdacht steht, in einem Zusammenhang mit einem Mitte November beschädigten Datenkabel zu stehen. Aber in der Tat, wie Sie sagen, gibt es dort ja Ermittlungsverfahren vonseiten Finnlands und Schwedens. Wir haben als Auswärtiges Amt gegenüber der chinesischen Seite mehrfach deutlich gemacht, dass es eine Aufklärung dieses Vorfalls und dafür eben auch eine Kooperation von chinesischer Seite braucht. Das war auch Teil der Gespräche, die Außenministerin Baerbock kürzlich in Peking geführt hat.
In der Tat müsste ich bezüglich der konkreten Ermittlungen, die da jetzt auf europäischer Ebene laufen, an den Kollegen des BMI abgeben.
Harmsen (BMI)
Ich kann gerne bestätigen, dass sich die Bundespolizei gestern in enger Kooperation mit China, Schweden, Finnland und Dänemark an einer sachkundigen Inaugenscheinnahme auf diesem unter chinesischer Flagge fahrenden Frachter „Yi Peng 3“ beteiligt hat. Dort hat es, wie gesagt, diese sachkundige Inaugenscheinnahme gegeben. Es hat informatorische Befragungen von Besatzungsmitgliedern gegeben. Das steht, wie es der Kollege Wagner schon gesagt hat, im Zusammenhang mit der Beschädigung am Unterseekabel. Die Bundespolizei hat dazu Vorermittlungen eingeleitet und wertet jetzt das aus, was sie dort gestern gesehen hat und was sie gestern von den Mitgliedern der Besatzung erfahren hat. Diese Auswertung müssen wir jetzt abwarten.
Zusatzfrage
War diese Befragung oder sachkundige Inaugenscheinnahme sozusagen ein gemeinschaftliches Vorgehen mit anderen europäischen Ländern, oder wie muss ich mir das vorstellen?
Harmsen (BMI)
Genau. Wie ich gerade sagte, gab es eine enge Kooperation und auch eine sehr konstruktive Kooperation sowohl mit China als auch mit Finnland, Schweden und Dänemark.
Geplante Einstellung schwedischer Zahlungen an das UN-Flüchtlingshilfswerk UNRWA
Frage
Ich habe eine Frage zum Thema Israel. Schweden hat seine Zahlung in das Palästinenserhilfswerk UNRWA eingestellt. Der Hintergrund ist, dass Israel ab Ende Januar der UNRWA verbietet, auf seinem Territorium tätig zu sein. Plant Deutschland einen ähnlichen Schritt?
Wagner (AA)
Vielen Dank. - Ich habe diese Meldung auch gesehen. Ich kann auf das verweisen, was wir hier immer wieder gesagt haben, nämlich dass UNRWA ja eine wichtige Rolle bei der Versorgung der Palästinenserinnen und Palästinenser in Gaza spielt, aber eben auch im Westjordanland, auch in Ostjerusalem und wenn es um Fragen wie die des humanitären Zugangs, aber eben auch des Zugangs zu Bildung und Gesundheitsversorgung geht. Insofern leistet UNRWA da eine wichtige Arbeit. Ich kann mich hier jetzt sozusagen nicht kommentierend zu Maßnahmen anderer Länder einlassen.
Zusatz
Das betraf jetzt nicht einen Kommentar zu den Maßnahmen anderer Länder, sondern die Frage, ob Sie einen ähnlichen Schritt planen oder Ihre Zahlung weiterführen würden, weil UNRWA ab Januar ja nicht mehr tätig sein darf.
Wagner (AA)
Ich habe hier heute nichts in dieser Hinsicht zu verkünden.
Frage
Wie schätzen Sie ‑ auch das wurde in der Vergangenheit gelegentlich gefragt ‑ aktuell die Rolle der UNWRA bei der Versorgung der palästinensischen Bevölkerung ein, vor allem im Hinblick auf eine drohende Hungersnot, die ja von Hilfsorganisationen als realistisches Szenario beschrieben wird?
Wagner (AA)
Der humanitäre Zugang in Gaza ist schwierig, alles andere als einfach, und die Lage katastrophal. Ich kann Sie noch einmal auf das verweisen, was die Außenministerin gestern auch zu dem Thema gesagt hat. Das Statement finden Sie bei uns auf der Internetseite. UNRWA spielt, wie gesagt, eine wichtige Rolle. Aber im Moment ist es eben so, dass es viel zu wenig Zugang gibt. Es gibt nicht genug Grenzübergänge. Es gibt nicht genug Möglichkeiten für Laster, dort herübergebracht zu werden. Die Verteilung in Gaza selbst ist eine riesige Herausforderung. Das hat zum Teil mit Plünderungen von Hilfskonvois zu tun, auch mit kriminellen Plünderungen. Das hat aber eben natürlich auch mit der Sicherheitslage zu tun. Insofern ist bei dem Thema ganz wichtig, und das ist ja auch unser Appell an die israelische Regierung, dass die israelische Regierung alles dafür tut, zumindest in den Zonen, die sie direkt kontrolliert, um dafür zu sorgen, dass humanitäre Güter verteilt werden können, dass der Zugang verbessert wird und dass eben auch mehr humanitäre Hilfe nach Gaza hereinkommt.
Zusatzfrage
In der Vergangenheit, als UNRWA nicht arbeiten konnte bzw. durfte, also es eine, wenn man so will, Finanzblockade gab, hat Deutschland Teile seiner finanziellen Leistungen an andere Hilfsorganisationen, die in der Region tätig sind, gegeben. Erwägen Sie, so etwas jetzt wieder zu tun?
Wagner (AA)
Wir arbeiten ja tatsächlich mit einer Vielzahl an Hilfsorganisationen zusammen, seien es internationale Nichtregierungsorganisationen oder seien es eben Organisationen der Vereinten Nationen. Ich habe jetzt hier heute, wie gesagt, keine Pläne, eine irgendwie geartete Anpassung unserer Kooperation mit UNRWA zu verkünden. Aber wir sehen eben mit großer Sorge, dass es diese Pläne gibt, UNRWA da nicht mehr in der Art und Weise arbeiten zu lassen, wie es notwendig wäre. Die humanitäre Versorgung in Gaza, aber eben auch im Westjordanland ‑ die Arbeit von UNRWA ‑ ist essenziell, und es ist wichtig, dass sie fortgesetzt werden kann.
Hoffmann (BReg)
Ich kann vielleicht in dem Zusammenhang auch noch einmal auf die Ergebnisse des gestrigen Europäischen Rates verweisen, in denen das, was Herr Wagner hier eben für die Außenministerin gesagt hat, auch noch einmal unterstrichen wird, nämlich die tiefe Besorgnis der Bundesregierung, aber eben auch unserer europäischen Partner über diese Gesetze, die darauf abzielen, die Zusammenarbeit der israelischen Behörden mit UNRWA zu beenden und die Arbeit von UNRWA in den palästinensischen Gebieten unmöglich zu machen.
Zusatzfrage
Herr Wagner, erfüllt das, was Israel mit der verkündeten Aussperrung von UNRWA, wie ich es jetzt einmal nenne, tut ‑ wissend, und auch die israelische Regierung weiß das, welche Bedeutung UNRWA bei der Versorgung der Bevölkerung hat ‑, die Kriterien des Einsatzes von erzeugtem Hunger als Waffe in einer Auseinandersetzung?
Wagner (AA)
Ich glaube, wichtig ist, zu sehen, dass UNRWA ja eine der wenigen Organisationen ist, die die logistischen Voraussetzungen erfüllen, effektiv humanitäre Hilfe in Gaza zu leisten. Insofern leistet sie da eine wichtige Arbeit. Noch einmal: Die Gesetzesbestrebungen, die es da in der Knesset gab, sind inakzeptabel, und UNRWA muss diese Arbeit auch leisten können. Wir konzentrieren uns eben darauf, dass humanitäre Hilfe effektiv nach Gaza hereinkommen kann. Dabei spielt UNRWA eine wichtige Rolle, dabei spielen andere Organisationen aber eben auch eine wichtige Rolle.
Zu dem Kern Ihrer Frage: Wir, und das hat die Außenministerin gestern ja noch einmal gesagt, sehen die katastrophale Lage, die in Gaza herrscht, die zwei Millionen Menschen, die dort unter wirklich unmenschlichen und kaum vorstellbaren Bedingungen leben und jeden Tag wieder fürchten müssen, dass sie nicht nur ihr Hab und Gut, sondern ihr Leben verlieren. Insofern ist es ganz wichtig, dass die israelische Regierung ihre Militäroperation da anpasst, dass mehr humanitäre Hilfe hereingelassen wird. Es ist ebenso wichtig, dass die Bemühungen um den Waffenstillstand, die es ja gibt, vorankommen und wir endlich zu einem Waffenstillstand kommen, weil sich ja auch immer noch deutsche Geiseln in den Händen der Hamas befinden, die freigelassen werden müssen. Wir müssen natürlich auch in eine Situation kommen, in der wir wieder über eine Zukunft Gazas nachdenken können. Man kann sich im Grunde, wenn man sich das Trümmerfeld dort im Moment anschaut und den Zustand der Menschen dort anschaut, ja kaum vorstellen, wie eigentlich eine Zukunft für diese Menschen aussehen soll.
An all diesen Strängen arbeiten wir. Dazu gibt es Kontakt mit der israelischen Regierung. Die Außenministerin hat gestern noch einmal mit ihrem israelischen Amtskollegen telefoniert. Insofern widmen wir uns dem weiterhin mit großer Kraft.
Zusatzfrage
Sie haben den Kern meiner Frage benannt, sie aber, wie ich finde, nicht beantwortet. Ich wiederhole sie deswegen: Erfüllt das, was Israel mit dem Arbeitsverbot für UNRWA, mit der Aussperrung unter bewusster Inkaufnahme, dass dadurch Hunger erzeugt wird, tut, Kriterien des Einsatzes oder der Erzeugung von Hunger als einer Waffe?
Wagner (AA)
Sie wissen, dass solche völkerrechtlichen Einschätzungen ‑ das haben wir hier schon öfter besprochen ‑ Gegenstand verschiedenster Gerichtsverfahren vor internationalen Gerichten sind. Ich würde es diesen Gerichten überlassen, diese Einschätzungen vorzunehmen.
Frage
Stichwort „Hunger als Waffe“: Laut Human Rights Watch versperrt Israel den Palästinensern im Gazastreifen absichtlich den Zugang zu Trinkwasser. Das wäre ein Hinweis auf einen Völkermord. Gibt es dazu eine Reaktion von Ihrer Seite?
Wagner (AA)
Wir haben den Bericht gesehen. Er fügt sich in eine Reihe von Berichten internationaler Menschenrechtsorganisationen ein. Diese Berichte sind erschütternd. Ich denke, es ist wirklich dringend geraten, dass die israelische Regierung diese Vorwürfe aufarbeitet und sich ihnen widmet.