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Konsularische Betreuung in ausländischer Haft

Haftbetreuung: Eine Konsularbeamtin und ein Konsularbeamter besuchen einen deutschen Häftling

Haftbetreuung: Eine Konsularbeamtin und ein Konsularbeamter besuchen einen deutschen Häftling, © Auswärtiges Amt

19.10.2022 - Artikel

Wenn Deutsche im Ausland verhaftet werden, liest man häufig, der oder die Inhaftierte werde konsularisch betreut. Doch was bedeutet das?

Nach einer Verhaftung im Ausland ist die deutsche Botschaft oder das deutsche Konsulat oft der erste Kontakt. Die deutschen Auslandsvertretungen betreuen Inhaftierte, unabhängig vom Verfahrensstand oder von der Schuldfrage. Doch was können die deutschen Auslandsvertretungen tatsächlich leisten?

Benachrichtigung der deutschen Auslandsvertretung

Die Behörden vor Ort sind verpflichtet, die deutsche Botschaft oder das deutsche Konsulat über die Verhaftung eines Deutschen zu informieren, wenn der oder die inhaftierte Deutsche das verlangt. Die Behörden müssen auch auf dieses Recht hinweisen, dies regelt Artikel 36 des „Wiener Übereinkommens über konsularische Beziehungen“ (WÜK). Sollte die festnehmende Polizeidienststelle diese Regel nicht kennen, können Betroffene darauf hinweisen und auf Einhaltung bestehen. Die Auslandsvertretung nimmt dann schnellstmöglich mit dem oder der Inhaftierten Kontakt auf und informiert insbesondere auch zur Möglichkeit, sich anwaltlich vertreten zu lassen.

Kontakt mit der deutschen Auslandsvertretung

Ein Bündel Briefe
Briefpost-Bündel © colourbox

Das Wiener Übereinkommen gibt den Auslandsvertretungen das Recht, mit Inhaftierten ihres Landes Kontakt aufzunehmen. Telefonat, Brief, Fax, E-Mail, Videotelefonie oder persönlicher Besuch – welche Möglichkeiten bestehen, ist je nach Land unterschiedlich. Die Auslandsvertretung erkundigt sich, welche Gründe für die Verhaftung vorliegen, ob die Behandlung korrekt ist, ob Verpflegung und gesundheitliche Betreuung ausreichend sind und nach den Haftbedingungen (siehe dazu unten). Auf Wunsch des oder der Inhaftierten informiert sie außerdem die Angehörigen.

In der Regel, und wenn der oder die Inhaftierte dies wünscht, werden die Konsularbeamtinnen und Konsularbeamten Inhaftierte auch besuchen. Wie schnell und wie häufig Besuche möglich und notwendig sind, hängt dabei vom Einzelfall, aber auch von der Situation vor Ort ab. In den wenigsten Ländern hat eine Auslandsvertretung nur einen einzigen deutschen Haftfall zu betreuen, und Haftfälle sind nur eine von vielen Aufgaben, die die Rechts- und Konsularreferate wahrnehmen. Und: nicht immer werden Deutsche in der Nähe einer Auslandsvertretung inhaftiert, sondern sehr oft auch an entlegenen Orten eines Landes.

Wer übernimmt die Verteidigung vor Gericht?

In den meisten Ländern gelten vergleichbare Regeln wie in Deutschland: Betroffenen wird eine Pflichtverteidigerin oder einen Pflichtverteidiger zur Seite gestellt, oder sie können eine eigene Anwältin oder einen eigenen Anwalt beauftragen. In jedem Fall muss die Anwältin oder der Anwalt vor Ort zugelassen sein, um vor Gericht verteidigen zu können. Wer einen eigenen Rechtsbeistand beauftragen möchte, muss diesen selbst bezahlen. Die Auslandsvertretung kann Verhafteten eine Liste von deutsch- bzw. englischsprachigen Anwältinnen oder Anwälten zur Verfügung stellen, um die Suche zu unterstützen. Eine Übernahme der Anwaltskosten durch die Auslandsvertretung ist jedoch grundsätzlich nicht möglich.

Die Botschaft oder das Konsulat wirkt auf ein rechtsstaatliches Verfahren hin, also insbesondere darauf, dass es einen Verteidiger gibt und dass das Strafverfahren nach rechtsstaatlichen Prinzipien verläuft (s.a. „Wann ist ein Verfahren fair?“). Sie sind aber nicht am Verfahren beteiligt und können grundsätzlich keinen Einfluss auf das Verfahren nehmen. Das heißt, sie verteidigen nicht vor Gericht, können auch beispielsweise keine Beweise einbringen und auch keine Freilassung oder schnelleren Verfahrensabschluss bewirken. In Einzelfällen können Vertreter von Botschaften oder Konsulaten als Beobachter an Gerichtsverhandlungen teilnehmen.

Welches Recht gilt?

Gesetz
Gesetz © Colourbox

Bei einer Straftat gilt grundsätzlich das Recht am Ort der Straftat. Bei einer (vermuteten) Straftat im Ausland wenden die Behörden daher das Landesrecht an. Deutsches Recht spielt für das Verfahren im Ausland in der Regel keine Rolle.

Neben der Frage, ob eine Straftat vorliegt, regelt das Ortsrecht auch das Strafmaß. Hier können die Gesetze deutlich von den deutschen Regelungen abweichen. Das gilt natürlich auch umgekehrt – bei Straftaten in Deutschland werden die deutschen Gesetze angewandt und Urteile gesprochen – unabhängig von der Staatsangehörigkeit des oder der Angeklagten.

Wann ist ein Verfahren fair?

Andere Straftatbestände und Strafmaße bedeuten nicht, dass Verfahren automatisch als „nicht fair“ einzustufen wären. Artikel 6 der Europäischen Menschenrechtskonvention legt Kriterien für ein faires Verfahren fest. Dazu gehört insbesondere das Recht,

  • über die erhobenen Vorwürfe in einer verständlichen Sprache informiert zu werden,
  • sich selbst zu verteidigen oder durch einen Rechtsbeistand verteidigen zu lassen,
  • die eigene Verteidigung ausreichend vorbereiten zu können,
  • Zeuginnen/ Zeugen zu befragen und
  • auf eine/n Dolmetscher/in, wenn die Verhandlungssprache nicht verstanden wird.

Außerdem muss über die Vorwürfe ein unabhängiges und unparteiisches Gericht entscheiden.

Die Haftbedingungen

Haft
Gefängniszelle © www.colourbox.com

Im Falle einer rechtskräftigen Verurteilung zu einer Gefängnisstrafe muss diese vor Ort angetreten werden.

Im Ausland herrschen oft andere Haftbedingungen als in Deutschland. Ein Einfordern deutscher Standards ist nicht möglich. Es gibt internationale Mindeststandards, auf deren Einhaltung die Botschaften und Konsulate achten – zum Beispiel bei ihren Besuchen in der Haftanstalt.

Im Rahmen der konsularischen Betreuung wird der oder die rechtskräftig Verurteilte auch informiert, ob eine Überstellung zur Verbüßung der Reststrafe in Deutschland grundsätzlich möglich ist.

Hilfe in der Praxis

In der Praxis kann die konsularische Betreuung sehr unterschiedlich ausfallen und richtet sich maßgeblich nach den Bedingungen vor Ort (z.B. den Haftbedingungen) und nach dem Einzelfall. Manche Auslandsvertretungen übersenden Lesestoff für die langen Tage in der Zelle, es können Nachrichten an die Familie in Deutschland weitergeleitet werden, bei Haftbesuchen können auch Hygieneartikel o.ä. mitgebracht werden, wenn diese vor Ort nicht erhältlich sind. Probleme mit den Haftbedingungen werden gegenüber der Gefängnisverwaltung angesprochen. Manchmal wird auch sprachlich und kulturell vermittelt. Oft geht es um ganz konkrete Probleme: Wie finde ich eine/n Anwalt/Anwältin? Wie kann ich eine/n Arzt/Ärztin konsultieren? Wie erhalte ich benötigte Medikamente? Wie lauten die Regeln in der Haftanstalt? Wie kann ich meine Brille reparieren lassen? Welche Möglichkeiten gibt es für Verwandte, Geld an mich zu überweisen? Wie kann ich Dritte zur Vertretung meiner Interessen in Deutschland (z.B. Kündigung von Verträgen) bevollmächtigen?

Konsularische Betreuung bei Doppelstaatern/Mehrstaatern

In Artikel 5 des „Wiener Übereinkommens über konsularische Beziehungen“ (WÜK) ist der Grundsatz der Förderung konsularisch-zwischenstaatlicher Beziehungen verbürgt.
Dies spricht dafür auch bei Mehr-/Doppelstaatern der Auslandsvertretung konsularischen Zugang zum Häftling zu gewähren.

Dennoch verweigern einzelne Staaten Personen, die neben der deutschen auch die Staatsangehörigkeit des Landes besitzen, auf dessen Staatsgebiet sie verhaftet werden, die konsularische Betreuung durch die deutsche Auslandsvertretung.

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