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Sechs Monate „Aktionsplan Afghanistan“

Annalena Baerbock bei Pressekonferenz

Außenministerin Annalena Baerbock bei der Pressekonferenz zum Thema Afghanistan, © Felix Zahn/photothek.net

23.06.2022 - Artikel

Im August 2021 übernahmen die Taliban die Macht in Afghanistan. Die politische und humanitäre Lage ist seitdem extrem prekär. Außenministerin Baerbock stellte am 23. Dezember ihren „Aktionsplan Afghanistan“ vor. Zeit für eine Bilanz - mit Licht und Schatten.

Am 15. August 2021 übernahmen die Taliban die Kontrolle über Kabul und damit die Macht in Afghanistan. Seitdem hat sich die wirtschaftliche und humanitäre Krise im Land weiter verschärft, Menschenrechte werden massiv eingeschränkt.

Kurz nach ihrem Amtsantritt stellte Außenministerin Annalena Baerbock am 23. Dezember 2021 ihren „Aktionsplan Afghanistan“ vor. Dessen Hauptziele sind die Unterstützung für die Zivilbevölkerung sowie die Beschleunigung der Ausreisen von ehemaligen Ortkräften und besonders schutzbedürftigen Afghaninnen und Afghanen, für die Deutschland Verantwortung trägt. Was konnte in den sechs Monaten erreicht werden? Welche Ziele wurden noch nicht erreicht? Wo hat es sogar Rückschritte gegeben?

Beschleunigung der Ausreisen

Afghanische Reisepässe in der Deutschen Botschaft in Islamabad
Afghanische Reisepässe in der Deutschen Botschaft in Islamabad © Felix Zahn/photothek.net

Rund zwei Drittel der Menschen, die eine Aufnahmezusage für Deutschland erhalten haben, konnten inzwischen aus Afghanistan ausreisen. Dies sind über 21.000 Afghaninnen und Afghanen, die entweder Ortskräfte waren oder sich für Demokratie und Menschenrechte in Afghanistan engagiert haben. Insbesondere bei den Ortskräften konnte ein Großteil inzwischen Afghanistan verlassen, etwa 75%. Zudem sind fast alle deutschen Staatsangehörigen mit ihren Familienangehörigen aus Afghanistan ausgereist. Dennoch: Es warten immer noch rund 10.000 auf eine Chance zur Ausreise. Dies gilt vor allem für die Menschen, die auf der sogenannten „Menschenrechtsliste“ stehen und somit besonders schutzbedürftig sind. Hier ist bislang nur der Hälfte der Menschen die Ausreise aus Afghanistan gelungen.

Hürden und Lösungsansätze

Die Hürden sind vielfach: Für Ausreisen über den Luftweg verlangen die Taliban einen Reisepass, den viele Schutzbedürftige nicht haben. Auch die Nachbarstaaten bestehen auf Visa, die z.T. mit hohen Kosten verbunden sind und einen Reisepass erfordern. Rund zwei Drittel der Ausreisen konnten über Pakistan erfolgen. Hier greift ein inzwischen eingespieltes Netzwerk mit der GIZ und NGOs, die den Menschen bei der Ausreise aus Afghanistan helfen, in Islamabad Zwischenunterkünfte und dann Weiterflüge nach Deutschland organisieren. Um all das zu finanzieren, hat das Auswärtige Amt der GIZ 32 Mio. Euro zur Verfügung gestellt – das bisher größte Projekt im Bereich organisierter Ausreisen. Auf diese Weise hat sich das Tempo der Ausreisen seit Januar im Vergleich zum Vorjahr deutlich erhöht: Rund 12.000 Menschen konnten seit Jahresbeginn ausreisen.

Dank einer guten Zusammenarbeit mit der pakistanischen Regierung konnten auch mehrere tausend Menschen ohne Reisepässe mit ihren afghanischen Personalausweisen ausreisen. Ermöglicht wurde dies durch eine Sonderabsprache mit der pakistanischen Regierung, die nochmals verlängert werden konnte. Auch über Iran konnten mehr als 2.600 Menschen das Land verlassen. Zudem gibt es intensive Verhandlungen mit weiteren Ländern in der Region – v.a. Usbekistan, Tadschikistan und Katar -, um auch über diese Länder eine Ausreise zu ermöglichen.

Abbau bürokratischer Hürden und Schaffung eines Bundesaufnahmeprogramms

An verschiedenen Stellen wurden die bürokratischen Hürden in Deutschland abgebaut, um die Einreisen zu erleichtern: Hierzu gehört der vorläufige Verzicht auf Sprachprüfungen für Familienangehörige eine vereinfachte Urkundenprüfung. Um die Visaverfahren zu beschleunigen, wird mit externen Dienstleistern zusammengearbeitet und die Entscheidung über Visa-Anträge von besonders stark ausgelasteten Auslandsvertretungen nach Deutschland verlagert.

Das im Koalitionsvertrag vereinbarte Bundesaufnahmeprogramm für Afghanistan befindet sich aber noch immer im Aufbau. Der Bundestag hat hierfür Mittel zur Verfügung gestellt. Aktuell laufen die Abstimmungen zwischen BMI und Auswärtigen Amt. Bis zu dessen Verwirklichung wurde für besonders dringende Fälle ein vereinfachtes Verfahren für humanitäre Visa vereinbart. Bei diesem Prozess ist auch die Einbindung der Zivilgesellschaft wichtig: Die Außen- und Innenministerin trafen sich mit NGO-Vertreterinnen und –Vertretern im März. Zudem begleiteten NGOs die Außenministerin auf ihrer Reise nach Pakistan. Die Ministerin wird den Dialog – auch mit der afghanischen Zivilgesellschaft – fortsetzen.

Weitere Beschneidung der Freiheit und Frauenrechte in Afghanistan: Unterstützung für die Zivilgesellschaft

Sorgen bereiten bei all dem die Entwicklungen in Afghanistan: Insbesondere Frauenrechte werden weiter eingeschränkt. So ist Schülerinnen der Oberstufe weiterhin der Schulbesuch untersagt. Moderatorinnen müssen ihr Gesicht verdecken. Frauen dürfen nicht mehr unbegleitet reisen. Der gemeinsame politische Druck der internationalen Gemeinschaft und auch wirtschaftliche Anreize haben bislang keine Verhaltensänderung bei den Taliban bewirkt.

Auch die humanitäre und wirtschaftliche Lage im Land bleibt prekär. Rund die Hälfte der Menschen in Afghanistan ist von Hunger bedroht und auf humanitäre Hilfe angewiesen. Deutschland war deshalb Co-Gastgeber einer großen Afghanistangeberkonferenz, bei der rund 2,4 Mrd. Dollar an humanitärer Hilfe zugesagt wurden. Hier hat Deutschland für 2022 nochmals 200 Mio. Euro zugesagt. Parallel arbeitet die Bundesregierung mit ihren internationalen Partnern an Wegen, die wirtschaftliche Notlage in Afghanistan zu stabilisieren – ohne, dass die Taliban dadurch direkt profitieren. Insbesondere wichtig ist dabei internationale Unterstützung für das Gesundheitssystem.

Deutschland hat seine Schutzprogramme für Studentinnen und Studenten, Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler sowie Kunstschaffende ausgebaut. Gemeinsam mit dem BMZ und der Bundesbeauftragten für Kultur laufen die Arbeiten an einem Schutzprogramm für bedrohte Journalistinnen und Journalisten, um die stark unter Druck stehende Medienlandschaft zu unterstützen.

Mit Organisationen wie UN Women unterstützt die Bundesregierung afghanischen Menschenrechtsverteidigerinnen, in Afghanistan aber auch in Nachbarstaaten. Und Deutschland arbeitet mit UN Women und anderen daran, dass dringend benötigte Schutzeinrichtungen und Beratungsstellen für Frauen und Mädchen wiederzueröffnen.

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