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Ein schwieriger Neuanfang: Syrien zwischen Hoffnung und Herausforderungen
Nach fast vierzehn Jahren des Bürgerkriegs steht Syrien an einem Wendepunkt., © picture alliance / Anadolu
Nach fast vierzehn Jahren des Bürgerkriegs steht Syrien an einem Wendepunkt. Der Acht-Punkte-Plan der Bundesregierung zielt darauf ab, Stabilität im Land zu schaffen, den Wiederaufbau zu fördern und eine sichere Rückkehr Geflüchteter zu ermöglichen. Mehr dazu hier.
Syrien steht nach über einem Jahrzehnt des Kriegs vor einer entscheidenden Zäsur. Der Sturz des Assad-Regimes hat die Hoffnungen vieler Syrerinnen und Syrer auf Frieden und Freiheit entfacht. Die Menschen im Land hoffen, nun endlich ein neues Kapitel aufschlagen zu können. Doch die Lage bleibt fragil: Der Bürgerkrieg hat nicht nur das Land zerstört, sondern auch tiefe gesellschaftliche Narben hinterlassen. Millionen Menschen sind vertrieben, die humanitäre Lage bleibt äußerst angespannt, und die Gefahr erneuter Gewalt ist allgegenwärtig.
In diesem fragilen Moment ist es entscheidend, dass Syrien nicht erneut zum Schauplatz internationaler Machtkämpfe wird. Der Fokus muss darauf liegen, Stabilität und eine langfristige Friedensordnung zu schaffen. Das Auswärtige Amt hat deshalb einen Acht-Punkte-Plan entwickelt, um diesen Neuanfang zu unterstützen und den Menschen in Syrien eine Perspektive auf eine freie und demokratische Zukunft zu ermöglichen.
Stabilität und Verantwortung: Der Acht-Punkte-Plan für Syrien
1. Friedlicher Machtübergang
Der friedliche Übergang zu einer stabilen und inklusiven Regierung ist der erste und wichtigste Schritt. Hierbei muss ein umfassender syrisch-geführter Dialogprozess stattfinden, an dem alle gesellschaftlichen, ethnischen und religiösen Gruppen beteiligt sind. Dieser Dialog ist Voraussetzung dafür, dass das Vertrauen der Bevölkerung in die politischen Strukturen wiederhergestellt werden kann. Auf dem Weg dahin sind ein Waffenstillstand und die Integration bisheriger Milizen in eine nationale Armee ebenso entscheidend wie die Entwicklung neuer Verwaltungsstrukturen. Ziel ist es, langfristig freie und demokratische Wahlen zu ermöglichen.
2. Schutz vor Einflussnahme von außen
Syrien darf nicht erneut zum Spielball ausländischer Mächte werden. Die Bundesregierung setzt daher auf eine intensive Abstimmung mit internationalen Partnern, insbesondere innerhalb der Vereinten Nationen. Ziel ist es, die territoriale Integrität Syriens zu wahren und jegliche Einmischung von außen zu unterbinden. Ein stabiler Dialogprozess kann nur gelingen, wenn regionale Akteure, die eigene Sicherheitsinteressen verfolgen, sich verpflichten, die Souveränität Syriens zu respektieren.
3. Pragmatischer Umgang mit Akteuren vor Ort
Gruppen wie die islamistische Miliz Hay’at Tahrir al-Sham (HTS) haben de facto eine dominierende Rolle in Teilen Syriens eingenommen. Ihr Einfluss kann nicht ignoriert werden – aber er muss kritisch beobachtet werden. Für eine mögliche Einbindung in politische Prozesse haben wir Kriterien formuliert. Es geht z.B. darum, dass Minderheiten geschützt, die Rechte von Frauen geachtet und Racheakte unterbunden werden. Deutschland arbeitet eng mit internationalen Partnern daran, einen gemeinsamen Umgang mit Gruppen wie HTS zu definieren, um einerseits die Chancen auf Stabilität zu wahren und andererseits den Einfluss extremistischer Ideologien zu begrenzen.
4. Humanitäre Hilfe und Wiederaufbau
Die humanitäre Situation in Syrien bleibt angespannt. Lebensmittelpreise sind in den letzten Wochen erneut explodiert, und Millionen Menschen sind auf externe Hilfe angewiesen. Neben Soforthilfe, die unter anderem in Zusammenarbeit mit dem Welternährungsprogramm (WFP) und der UNHCR bereitgestellt wird, wollen wir uns mittelfristig auch beim Wiederaufbau einbringen, um Perspektiven vor Ort zu schaffen. Zugleich ist es wichtig, dass die internationale Gemeinschaft Wege findet, humanitäre Hilfen direkt zu den Menschen zu bringen, auch in schwer zugänglichen Regionen.
5. Vergangenheitsbewältigung und Gerechtigkeit
Fast vierzehn Jahre Bürgerkrieg haben tiefe Wunden hinterlassen. Die Aufarbeitung der Verbrechen des Assad-Regimes und anderer Konfliktparteien ist unerlässlich, um den Weg für eine langfristige Aussöhnung zu ebnen. Deutschland hat bereits starke Signale gegen Straflosigkeit gesetzt, unter anderem durch die Anwendung des Weltrechtsprinzips in deutschen Gerichten. Diese Erfahrung und technische Expertise stellt Deutschland gerne zur Verfügung, um nationale Versöhnungsprozesse zu fördern.
6. Sicherung und Vernichtung von Chemiewaffen
Die verbliebenen Chemiewaffen des Assad-Regimes stellen eine erhebliche Gefahr dar. Ihre sichere Vernichtung ist dringend erforderlich, um die Bevölkerung und die Region zu schützen. Deutschland unterstützt die Bemühungen der Organisation für das Verbot chemischer Waffen (OVCW) und steht bereit, technische und logistische Hilfe zu leisten, um die verbleibenden Bestände zu beseitigen.
7. Ausbau der diplomatischen Präsenz
Nach Jahren ohne diplomatische Vertretung in Syrien plant die Bundesregierung eine Rückkehr vor Ort, sobald die Umstände im Land dies ermöglichen. Der neue Sonderkoordinator des Auswärtigen Amts für Syrien, Staatsminister Tobias Lindner, wird dazu in den kommenden Wochen intensive Gespräche mit relevanten Akteuren in der Region führen, um den politischen Dialog zu stärken. Ziel ist es, unsere bestehenden Kontakte zu allen gesellschaftlichen Kräften in Syrien weiter auszubauen.
8. Unterstützung einer sicheren Rückkehr Geflüchteter
Syrischen Geflüchteten, die dies möchten, eine Rückkehr zu ermöglichen, ist ein zentrales Anliegen. Das kann nur unter klaren Bedingungen gelingen: Eine Rückkehr muss freiwillig, sicher und in Würde erfolgen. Deutschland arbeitet eng mit dem UNHCR, der Internationalen Organisation für Migration (IOM) und den Nachbarstaaten Syriens zusammen, um über diese Voraussetzungen zu beraten. Dazu gehört auch der Aufbau sozioökonomischer Strukturen, die es Rückkehrern ermöglichen, in ihrer Heimat eine neue Existenz aufzubauen.
Verantwortung für die Zukunft
Nachhaltiger Frieden erfordert Geduld, Entschlossenheit und internationale Kooperation. Der Acht-Punkte-Plan setzt klare Prioritäten, um aus der Hoffnung auf einen Neuanfang in Syrien eine dauerhafte Realität zu machen. Gemeinsam mit internationalen Partnern arbeitet Deutschland daran, das Land auf einen stabilen und friedlichen Kurs zu bringen.