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Rede von Staatsministerin Katja Keul zur Rehabilitierung von Rudolf Manga Bell in Kamerun

02.11.2022 - Rede

Der Kolonialismus hat ein unermessliches Leid geschaffen. Er hat das Leben von vielen Menschen in Afrika zerstört.

König Rudolf Manga Bell war einer von ihnen.

Wir stehen heute an der Stätte, an der er und sein Mitstreiter Ngoso Din 1914 hingerichtet wurden.

Von der deutschen Kolonialverwaltung. Im Namen des deutschen Volkes.

Aber dieses Urteil war kein Recht, sondern Unrecht.

Als Vertreterin der deutschen Bundesregierung verneige ich mich vor ihnen.

Ich bin dankbar, König Rudolf Manga Bell heute gemeinsam mit Ihnen gedenken zu dürfen.

Er ging in Kamerun auf eine deutsche Schule.

Er lebte mehrere Jahre in Deutschland, in Aalen.

Er glaubte an den deutschen Rechtsstaat und die Gleichheit aller Menschen vor dem Gesetz.

Um gegen die Enteignung und Umsiedlung seiner Landsleute vorzugehen, wandte er sich mit einer Petition an den Deutschen Reichstag.

Dafür wurde er an diesem Ort am 8. August 1914 gehängt.

Ein Augenzeuge hat seine letzten Worte aufgeschrieben: „Unschuldiges Blut hängt Ihr auf. Umsonst tötet Ihr mich. Aber die Folge davon wird die größte sein“.

Nach allem, was wir wissen, entsprach sein Gerichtsverfahren auch nach damaligem Maßstab nicht ansatzweise rechtsstaatlichen Prinzipien.

Vielen war das schon damals bewusst.

Der deutsche Sozialdemokrat Paul Levi sagte vor dem deutschen Reichstag, dass Rudolf Manga Bell „unschuldig gemordet worden ist“.

Eine Zeitung titelte: „Der Justizmord an Bel und Ngosso Din“.

Doch viel zu viele haben geschwiegen.

Das war so während der Kolonialzeit. Und das blieb lange Zeit auch in der Bundesrepublik so.

Viel zu lange haben wir in Deutschland die Kolonialzeit verharmlost oder ignoriert.

Als Gesellschaft. Als Regierung. Und auch als Auswärtiges Amt.

Denn auch das Auswärtige Amt war Teil des systematischen kolonialen Unrechts.

Lassen Sie es mich klipp und klar sagen: Der europäische Kolonialismus war ein Unrechtssystem.

Der „Verband der Kamerun- und Togopflanzungen“ warb im März 1914 gegenüber dem deutschen Parlament für die Enteignung der Douala.

Davon würden, so der Verband, nicht nur die Europäer, sondern auch die Menschen vor Ort profitieren. Schließlich baue man ja auch Wasserleitungen und Straßen.

Dabei ging es nicht um Wasserleitungen und Straßen. Es ging um wirtschaftliche Interessen und nationale Machtpolitik.

Der Kolonialismus war nichts anderes als eine systematische Ausbeutung.

Ressourcen wurden geraubt und Grenzen willkürlich gezogen.

Als Bundesregierung sind wir entschlossen: Wir wollen und werden uns diesem Kapitel unserer Geschichte stellen und Versäumnisse im Umgang mit ihr beenden.

So haben wir als Auswärtiges Amt ein Stipendienprogramm auf den Weg gebracht, bei dem wir Doktoranden aus Staaten mit Kolonialgeschichte fördern, die Rolle der deutschen Behörden in der Kolonialzeit zu erforschen.

Und auch innerhalb der Zivilgesellschaft interessieren sich immer mehr Menschen in Deutschland für die Verbrechen, die in der deutschen Kolonialzeit begangen wurden.

Auch und gerade, was das Schicksal von König Rudolf angeht.

Die sehr beachtete und gut besuchte Ausstellung im Hamburger MARKK-Museum hat hierzu viel beigetragen.

Auch die deutschen Kommunen, in denen König Rudolf Manga Bell längere Zeit gelebt hat, gehen sichtbare Schritte, um sein Andenken zu bewahren.

Zuletzt in Aalen und in Ulm, wo Sie, Majestät, auch persönlich anwesend waren. Sie haben damit der Einweihung des Rudolf–Duala-Manga-Bell-Platzes eine besondere Würde verliehen.

Und so steht König Rudolf heute als Brückenbauer zwischen unseren Kulturen für die Werte, die uns verbinden, für den Kampf gegen Rassismus, Willkür und das Recht des Stärkeren.

Wir wollen daher auch gemeinsam nach Wegen suchen, wie wir das Gedenken an König Rudolf Manga Bell in Deutschland und in Kamerun würdig begehen können.

Ich bin deswegen hergekommen um Ihnen zuzuhören.

Ich möchte von Ihnen erfahren, welche Erwartungen Sie an die Aufarbeitung der Vergangenheit haben.

Mit Ihrem Besuch bei mir im Auswärtigen Amt, liebe Prinzessin Marylin, haben Sie hierzu den Anfang gemacht. Hierfür möchte ich Ihnen danken.

Jetzt geht es darum, gemeinsam die nächsten Schritte zu überlegen.

Wir können das Unrecht nicht ungeschehen machen, aber es gibt durchaus Dinge, die wir tun können.

Zunächst einmal können wir versuchen, das damalige Gerichtsverfahren zu rekonstruieren.

Hierzu habe ich mir persönlich sämtliche im Bundesarchiv vorhandenen Dokumente vorlegen lassen. Die Akte ist online frei zugänglich.

Dort findet sich sowohl die Petition des Verbandes der Kamerun- und Togopflanzungen als auch ein Großteil der Ermittlungsakten vom Schriftverkehr der Rechtsanwälte bis hin zu den Protokollen der Zeugenvernehmung.

Leider fehlen die eigentliche Prozessakte und der Urteilsspruch.

Ich verspreche Ihnen persönlich, weiter nach diesen Akten zu suchen.

Deshalb habe ich mich auch gestern bei meinem Besuch in Jaunde mit der Direktorin des Staatsarchivs getroffen.

Als Zweites mussten wir feststellen, dass wir erschreckend wenig über die Rechtsprechung in den früheren Kolonialgebieten wissen.

Wir werden uns daher auf den Weg machen, diesen Teil der Kolonialherrschaft zu erforschen, um systematisches Unrecht besser zu identifizieren und klar zu benennen.

Und drittens werden wir gemeinsam nach Wegen suchen, wie die Hamburger Ausstellung zu König Rudolf an die Bedürfnisse in Kamerun angepasst und hier gezeigt werden kann.

Es wäre mir ein Ehre daran mitwirken zu können.

Ich danke Ihnen, Majestät, und Ihrer ganzen Familie herzlich für Ihren Empfang und die besondere Gelegenheit hier heute gemeinsam König Manga Bell zu gedenken.

Danke für Ihre Aufmerksamkeit.

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