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Ansprache von Außenminister Heiko Maas anlässlich des 5. „German-African Business Day“des Afrika-Vereins der Deutschen Wirtschaft
Sehr geehrter Herr Dr. Liebing,
sehr geehrter Herr Kannengießer,
sehr geehrter Herr Kommissar Muchanga,
sehr geehrter Herr Staatssekretär Frølich-Holte,
Exzellenzen,
sehr geehrte Mitglieder und Gäste des Afrika-Vereins,
meine Damen und Herren,
wenn in Deutschland und in Europa in diesen Tagen über Afrika gesprochen wird, dann geht es um Ausschiffungsplattformen, um Rückführungsabkommen oder um die Frage nach dem „Wohin?“ mit den überfüllten Booten afrikanischer Flüchtlinge und Migranten auf dem Mittelmeer. Vielleicht wird das noch verknüpft mit der Forderung, Fluchtursachen müssten endlich besser bekämpft werden. Dort bleibt die Beschäftigung mit unserem Nachbarkontinent dann leider allzu oft stehen.
Ich sage ehrlich: Natürlich wird dieser Blick auf Afrika der Realität nicht gerecht. Und: Er ist nicht im Sinne Afrikas, er ist aber auch genauso wenig im Interesse Europas.
Eine meiner ersten Reisen hat mich ganz bewusst nach Äthiopien, zur Afrikanischen Union, und nach Tansania geführt. Wir wollten damit deutlich machen, dass wir eine neue Partnerschaft zwischen Europa und Afrika anstreben.
Das deckt sich übrigens mit den Erwartungen all meiner afrikanischen Gesprächspartner, die von Europa echte Partnerschaft erwarten. Die nicht nur als Empfänger von Entwicklungshilfe oder als Ausgangspunkt von Migrationsströmen wahrgenommen werden wollen.
Ich will die Dimension von Flucht und Migration in den Beziehungen zwischen Europa und Afrika damit gar nicht klein reden. Das wäre auch ganz sicherlich vermessen – angesichts des Bevölkerungswachstums, das Afrika in den nächsten Jahrzehnten noch bevorsteht. Und man braucht keine Kristallkugel, um zu prognostizieren: Solange ein Afrikaner nur ein Zweiundzwanzigstel eines Europäers verdient, wird Migration uns weiter beschäftigen - trotz aller Gefahren auf dem Weg nach Europa.
Migration ist aber eben kein isoliertes Problem, sondern Ausdruck politischer, wirtschaftlicher, demographischer, sozialer und gesellschaftlicher Umstände.
Und eine Verengung unserer Beziehungen mit Afrika auf das Thema Flucht und Migration birgt das Risiko, die großen Chancen aus den Augen zu verlieren, die in einer breiter angelegten Partnerschaft zwischen Afrika und Europa liegen.
Ich weiß, dass ich hier bei Ihnen damit offene Türen einrenne. Denn der Afrika-Verein bündelt ja seit vielen Jahrzehnten das Engagement deutscher Unternehmen auf unserem Nachbarkontinent und verkörpert damit ja das gemeinsame Interesse an engerer Zusammenarbeit.
Und kaum ein Feld eignet sich besser für diese Zusammenarbeit als die Digitalisierung, der Schwerpunkt des heutigen German-African Business Day.
In diesem Bereich gibt es echte afrikanische Erfolgsgeschichten. Zum Beispiel die in Kenia entwickelten Lösungen für mobiles Bezahlen oder die Pläne Ruandas für Mobilität in Städten durch intelligentes car sharing. Bei solchen Ideen geht es nicht mehr darum, die industrielle Entwicklung in anderen Volkswirtschaften einzuholen. Sie bieten die Chance, ganze Entwicklungsstufen vielmehr zu überspringen und etablierte Volkswirtschaften durch afrikanische Innovationen vielleicht sogar an der einen oder anderen Stelle zu überholen.
Deutschland kann dabei unterstützen. Als Partner – und eben nicht nur als Geber. Denn eines ist völlig klar: Durch Transferleistungen alleine wird Afrika kein nachhaltiges Wachstum erreichen. Wir brauchen dafür mehr unternehmerisches Engagement- in Afrika selber und auch aus dem Ausland.
Deutsche Unternehmen genießen international einen exzellenten Ruf. Sie gelten – und das zu Recht – als verantwortliche, nachhaltig wirtschaftende Akteure, die in Generationen und nicht nur in Quartalsgewinnen denken. Wo deutsche Unternehmen langfristig Handelsbeziehungen aufbauen oder langfristig investieren, bringen sie auch unsere Unternehmenskultur mit.
Das heißt konkret:
- Aus- und Weiterbildung, oft sogar nach dem Prinzip der dualen Berufsausbildung,
- faire Behandlung von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern und auch
- die Achtung von Umweltstandards.
Meine Damen und Herren,
damit tragen Unternehmen, Ihre Unternehmen, auch ganz entscheidend zum Ansehen Deutschlands,zu unserem politischen Gewicht und vor allen Dingen zu dem Vertrauen bei, das uns entgegengebracht wird.
Und darüber hinaus leisten Sie einen wichtigen Beitrag zur nachhaltigen Entwicklung der Länder, in denen Sie tätig sind - und damit auch zu einer sozial ausgestalteten Globalisierung.
Das sind auch zentrale Anliegen der Bundesregierung, gerade für Afrika. Auch deshalb hat in den letzten Jahren ein Umdenken hin zu mehr Wirtschaftsförderung in Afrika stattgefunden. Die deutsche G20-Präsidentschaft hat jedenfalls 2017 einen eigenen Schwerpunkt gesetzt - in enger Abstimmung im Übrigen mit dem Afrika-Verein - ihre Afrika-Politik neu ausgerichtet und die „Compacts with Africa“ aus der Taufe gehoben.
Inzwischen ist die Initiative auch dauerhaft auf der Tagesordnung der G20 verankert und die Umsetzung hat begonnen:
Die kürzliche Senkung des Eigenanteils an Hermesbürgschaften für Äthiopien, Côte d’Ivoire, Ghana, Senegal und Ruanda war ein wichtiger erster Schritt. Der Afrika-Verein hat das lange eingefordert. Und Sie sehen - Beharrlichkeit zahlt sich aus!
Wir werden zudem Mittel der Entwicklungszusammenarbeit nutzen, um öffentlich-private Partnerschaften und vereinfachte Zugänge zu Krediten eben auch für den Mittelstand zu fördern.
Wir wollen außerdem das Netz der Auslandshandelskammern ausbauen. Und natürlich stehen Ihnen auch unsere Botschaften vor Ort mit Rat und Tat zur Seite - wenn es um den Zugang zu Entscheidungsträgerinnen und Entscheidungsträgern geht, aber auch durch den engen Austausch über die politischen und wirtschaftlichen Rahmenbedingungen im Gastland.
Das Auswärtige Amt hat zudem die Förderung afrikanischer Studenten und Hochschulen und auch sein Netzwerk von Partnerschulen in Afrika ausgebaut. Denn wir wollen dazu beitragen, dass Afrikas Jugend ihr Potenzial besser nutzen kann. Auch das ist wichtig für Entwicklung.
Angesichts der Demographie - 60 Prozent der Afrikaner sind heute jünger als 25 Jahre - wäre alles andere auch verheerend für Afrika und eine Katastrophe auch für uns in Europa.
Und auch auf europäischer Ebene wird umgesteuert: Brüsseler Afrika-Politik geht inzwischen weit über Entwicklungszusammenarbeit hinaus.
Die Europäische und die Afrikanische Union haben jüngst eine neue Sicherheitspartnerschaft beschlossen.
Und beim Gipfel der Europäischen Union und der Afrikanischen Union in Abidjan hat die Kommission die neue EU-Investitionsoffensive für Drittländer vorgestellt, mit deren Hilfe insgesamt 44 Milliarden Euro für nachhaltige Investitionen in Afrika und den Nachbarländern der EU mobilisiert werden sollen.
Dabei spielt die Zusammenarbeit im Energiebereich zum Beispiel eine zentrale Rolle. Denn 620 Millionen Menschen in Afrika sind noch immer ohne Strom. Ein Mobiltelefon oder ein Laptop lassen sich vielleicht dezentral aufladen – aber für eine Industrialisierung im größeren Stil reicht das natürlich nicht. Dabei ist das Potential ja ganz enorm, gerade auch bei den erneuerbaren Energien wie Sonne, Wasser und Wind.
Deshalb freuen wir uns ganz besonders, dass gerade auch in diesen Bereichen derzeit ja auch einige deutsche Investitionen geplant sind.
Wichtige Grundlagen für solche Investitionen sind Transparenz, Rechts- und Planungssicherheit. Das haben die afrikanischen Entscheidungsträger selber in der Hand. Ich kann Sie nur ermutigen: Fortschritte im „Ease of Doing Business“-Bericht der Weltbank und im Korruptionsindex von Transparency International sprechen lauter als viele Hochglanzbroschüren.
Meine Damen und Herren,
Sie alle kennen die Rahmenbedingungen für Auslandsgeschäfte besser als ich. Eine Grundvoraussetzung aber, ohne die wirtschaftlicher Aufschwung schlicht nicht möglich ist, ist Frieden und Sicherheit.
Die Stabilität Somalias hat eben einen erheblichen Einfluss auch auf die kenianische Volkswirtschaft. Nigeria ist von den Krisen im Niger-Delta und von Boko Haram betroffen. Und in Côte d‘Ivoire sind die Spannungen des Bürgerkriegs noch immer spürbar.
Aber gerade beim Blick nach Afrika gibt es auch hier Grund für Optimismus:
Anfang dieses Jahres ist in Liberia auch dank des langjährigen Engagements der internationalen Gemeinschaft der erste demokratische Machtwechsel seit Jahrzehnten gelungen. Ein Meilenstein für Demokratie und Stabilität nach einem fürchterlichen Bürgerkrieg.
In Äthiopien treibt ein junger Premierminister die Aussöhnung mit der Opposition voran und geht mutig auf den jahrelangen Erzfeind Eritrea zu.
Und in Gambia – über Jahrzehnte autokratisch und mit harter Hand regiert - hat eine Kombination von Diplomatie und internationalem Druck zu einem demokratischen Neuanfang geführt.
Ein erfreulicher Grund für diese Veränderung ist die in den letzten Jahren gewachsene Bereitschaft der Afrikanischen Union und der anderen afrikanischen Regionalorganisationen, bei Konflikten nicht wegzusehen, sondern gemeinsam zu handeln.
Damit wird Afrika dem Vermächtnis eines seiner größten Söhne gerecht - Nelson Mandela - diesen Monat wäre er 100 Jahre alt geworden. Er hat seinen afrikanischen Kollegen schon 1998 gesagt: „Afrika hat ein Recht und eine Pflicht zu intervenieren, um Tyrannei auszurotten.“
Sehr geehrter Herr Kommissar Muchanga,
ich freue mich sehr, dass Afrika auf dem Weg kontinentaler Integration erkennbar vorankommt. Und die beim letzten Sondergipfel der AU in Kigali beschlossene transkontinentale Freihandelszone wäre ein entscheidender Schritt nach vorne. Deutschland wird Sie auf diesem Weg weiterhin tatkräftig unterstützen!
Und auch wenn es darum geht, fragile, von Konflikten oder Bürgerkrieg gezeichnete Staaten zu stabilisieren, stehen wir als Ihr Partner bereit. Krisenbewältigung, Konfliktnachsorge und Prävention sind schon lange ein Markenzeichen deutscher Außenpolitik.
In Mali helfen zivile Experten und Polizisten beim Staatsaufbau, deutsche Blauhelmsoldaten sorgen mit anderen zusammen für ein stabiles Umfeld.
In Somalia fördern wir die Integration ehemaliger Milizen und helfen bei der Ausbildung von Sicherheitskräften.
Und in zahlreichen anderen Ländern unterstützen wir den Polizeiaufbau, leisten durch Mediation Beiträge zur Versöhnung oder fördern regionale Kooperation, zum Beispiel in der Sahel-Zone und im Sudan.
Wenn wir Anfang 2019 als nicht-ständiges Mitglied in den Sicherheitsrat der Vereinten Nationen einziehen werden, wollen wir uns auch dort eng mit unseren afrikanischen Partnern abstimmen. Begonnen haben wir das schon längst, auch bei Besuchen in New York, wo ich mich intensiv mit den afrikanischen UN-Botschaftern ausgetauscht habe. Auch dort sind die Erwartungen an Deutschland hoch – und sie reichen weit über die Entwicklungszusammenarbeit hinaus!
Wir haben zum Beispiel schon verabredet, die enge Verbindung zwischen Klimawandel, Fragilität und Sicherheit im Zuge unserer Mitgliedschaft im Sicherheitsrat im Sinne der afrikanischen Staaten zu thematisieren. Denn Dürren, Ernteausfälle oder Wassermangel bergen großes Konfliktpotenzial und damit auch erhebliche Risiken für die wirtschaftliche Entwicklung des Kontinents.
Genauso wie Frieden und Sicherheit Voraussetzungen für Wirtschaftswachstum und Wohlstand sind, kann wirtschaftliche Entwicklung Beiträge zur Konfliktprävention leisten. Das wirft die spannende Frage auf, wie wir wirtschaftliches Engagement in fragilen Staaten absichern können.
Warum investieren andere bereits schon jetzt wieder in Somalia?
Was müsste geschehen, damit das auch für mehr deutsche Firmen denkbar wäre?
Welche Länder bieten Chancen; wo sind die Risiken zu hoch?
All das sind Themen, über die wir nachdenken und über die wir mit denjenigen, die vor Ort Erfahrungen haben, auch reden sollten.
Meine Damen und Herren,
ich habe schon anfangs von einer neuen Partnerschaft zwischen Europa und Afrika gesprochen.
Eine solche Partnerschaft halte ich auch deshalb für zwingend notwendig, weil sich die Welt um uns herum rasch verändert. Multilateralismus, die regelbasierte Weltordnung und der offene Handel werden immer mehr in Frage gestellt – auch von ungewohnter Seite. Der Riss geht dabei quer durch das, was man „den Westen“ nennt. Und auch in unseren demokratisch verfassten Gesellschaften haben Nationalismus, und Protektionismus längst Konjunktur.
Eins ist dabei gewiss: Abschottung, Zölle oder die einseitige Aufkündigungen von Vereinbarungen – sie treffen Europäer wie Afrikaner gleichermaßen. Und in einer Welt des „my country first“ verlieren am Ende alle.
Firmen können ihre Konkurrenten vom Markt fegen. Aber die Menschheit als Ganzes kann nur zusammen überleben. Globaler Wohlstand ist eben auch in der Beziehung kein Nullsummenspiel.
Als Nachbarn hängen unsere Schicksale eng zusammen. Auch deshalb brauchen Europa und Afrika eine „Partnerschaft der Multilateralisten“. Eine Partnerschaft, die Afrika neue, ehrliche Entwicklungschancen eröffnet. Und die international für eine faire und regelbasierte Ordnung eintritt.
Europa und Afrika sollten ihre gemeinsamen Interessen bei der Gestaltung der Globalisierung noch viel stärker und selbstbewusster zur Geltung bringen. Zusammen stellen wir über die Hälfte aller Staaten der Weltgemeinschaft! Gemeinsam wäre unsere Stimme gar nicht zu überhören.
Ein afrikanisches Sprichwort sagt: „Die beste Zeit, einen Baum zu pflanzen, war vor 20 Jahren. Die nächstbeste Zeit ist jetzt.“
Wir finden: Jetzt ist die Zeit für eine solche neue Partnerschaft zwischen Afrika und Europa! Und ich würde mich freuen, wenn wir möglichst viele Mitstreiterinnen und Mitstreiter gewinnen könnten für diese neue Partnerschaft. Sie alle können dazu einen nicht unerheblichen Beitrag leisten.
Herzlichen Dank!