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Rede von Außenminister Steinmeier bei der Eröffnung der Energiewende-Ausstellung in Peking
Sehr geehrte Frau Parteisekretärin Wang,
sehr geehrter Herr Minister Lu,
liebe Studierende, verehrte Gäste!
Es ist mir eine große Ehre und Freude, hier an der University of International Business and Economics zu Ihnen sprechen zu dürfen.
Ich bin gern zu Gast in China und mein Reiseplan hier im Land ist dicht gefüllt mit Terminen, Themen und Aufgaben.
Kurz gesagt: Ihr Land, China, und mein Land, Deutschland, haben gemeinsam viel zu tun!
In einer zunehmend turbulenten Welt voller Krisen und Konflikte übernehmen wir Verantwortung. Und das müssen wir auch! Unsere beiden Länder sind die bevölkerungsreichsten und wirtschaftsstärksten Länder ihres jeweiligen Kontinents. Das bedeutet: Wir müssen Stabilität in unserer eigenen Region sichern und zugleich müssen wir beitragen zu Frieden und Konfliktlösung jenseits unserer eigenen Grenzen.
Dafür leistet China bereits sehr viel! Und –das ist mir besonders wichtig– zunehmend arbeiten wir dabei zusammen: zum Beispiel ganz erfolgreich im vergangenen Jahr zur Beilegung des Atomkonflikts mit dem Iran, und jetzt ganz aktuell mit Blick auf Nordkorea, auf Afghanistan und nicht zuletzt auf den politischen Prozess für Syrien.
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Trotz dieser Fülle an Themen freue ich mich, dass ich heute an Ihre Universität kommen kann, um über ein besonders wichtiges Thema unserer Zusammenarbeit zu sprechen: über Nachhaltigkeit und „grüne Entwicklung“.
Warum ist das für die Zukunft so wichtig? Ich glaube: Nur wenn es hier in China gelingt,
mit endlichen Umweltressourcen sparsamer umzugehen,
Umweltverschmutzung und Klimabelastung zu reduzieren,
und das wirtschaftliche Wachstum nach und nach vom Ressourcenverbrauch zu entkoppeln,
nur dann werden Sie und Ihre Kinder in der Zukunft wachsenden Wohlstand und mehr Entfaltungsmöglichkeiten genießen können – also all das, wofür die Menschen in China heute so hart und fleißig arbeiten!
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Wir in Deutschland haben den Weg der Nachhaltigkeit eingeschlagen und wir nennen ihn die „Energiewende“! Vor 25 Jahren haben wir in Deutschland per Gesetz die Förderung von erneuerbaren Energien eingeführt. Damals gab es viel Skepsis auf der ganzen Welt: Gefährdet dieser Weg die Industrie und das Wachstum? Verliert Deutschland die Wettbewerbsfähigkeit auf den Weltmärkten? Ich weiß, diese Skepsis gibt es auch heute noch, auch hier in China. Aber umso entschiedener will ich Ihnen heute berichten: Die Energiewende ist voll im Gange! Die deutsche Industrie und der deutsche Export sind stark wie nie zuvor. Aber das Wachstum ist zunehmend entkoppelt vom Ressourcenverbrauch! Die deutsche Wirtschaft ist in den letzten 25 Jahren stetig gewachsen, aber die Emissionen von CO2 und anderen Treibhausgasen sind um 27% gefallen!
Das ist uns gelungen, weil Politik und Unternehmen in Deutschland investiert haben: in Energieeffizienz, in neue, ressourcenschonende Technologien und in den Ausbau der Erneuerbaren Energien – heute kommt bereits ein Drittel des Stroms in Deutschland aus erneuerbaren Energien. Und diese Investitionen wirken nicht nur gegen den Klimawandel, gegen zerstörte Landschaften, gegen verschmutzte Flüsse, gegen dicke Luft in den Städten – alles Erfahrungen, die wir in Deutschland auch kennen wie Sie in China. Sondern diese Investitionen haben in Deutschland auch ganz neue Berufsbilder und viele Hunderttausende Arbeitsplätze entstehen lassen!
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Der Europäer Marco Polo hat vor 700 Jahren China erkundet und als er zurück war in Europa, hat er gesagt: „Ich habe nicht die Hälfte von dem erzählt, was ich gesehen habe, weil keiner mir geglaubt hätte“. Heute ist das wohlmöglich umgekehrt: Wenn ich von der deutschen Energiewende erzähle, dann muss ich Angst haben, dass mir hier in China keiner glaubt… Deswegen habe ich zweierlei mitgebracht: Erstens, eine ausführliche Ausstellung über die deutsche Energiewende. Wir zeigen sie heute zum allerersten Mal weltweit und ich lade Sie alle herzlich zum gemeinsamen Rundgang ein!
Einen besseren Eröffnungsort als China kann ich mir nicht wünschen. Denn China selbst steht derzeit an einem Wendepunkt: Ihre rasante Entwicklung hat bei Umwelt und Ressourcen einen Preis gefordert. Das spüren Sie im Alltag, das spürt auch Ihre Regierung. Deshalb hat sie gerade im 13. Fünfjahresplan beschlossen: China will „grün wachsen“!
Schon heute ist China weltweit größter Investor in erneuerbare Energien und hat sich das ehrgeizige Ziel gesetzt, den Anteil erneuerbarer Energien bis 2020 auf 15% zu erhöhen.
Auch international zeigt Ihr Land, dass es Verantwortung übernehmen will auf dem Weg der Nachhaltigkeit! Am Ende des letzten Jahres haben sich die Staaten der Welt in Paris auf ein bahnbrechendes Klimaabkommen geeinigt. Der globale Temperaturanstieg soll auf deutlich unter 2 Grad Celsius, möglichst auf 1,5 Grad Celsius begrenzt werden.
Auch Deutschland bekennt sich zu dieser Verantwortung, und deshalb rufen wir gemeinsam mit China, und vielen anderen dazu auf, das Pariser Abkommen am 22. April in New York zu unterzeichnen und dem Abkommen baldmöglichst beizutreten.
Die eigentlich Arbeit und Anstrengung beginnt aber eigentlich erst nach der Unterzeichnung. Jetzt gilt es, nicht nur unsere Energieversorgung, sondern auch unsere Städte und unsere Mobilität umzubauen. Gerade im internationalen Luftverkehr, der vom Pariser Abkommen nicht erfasst wird, zählen wir auf die Mitarbeit Chinas am globalen Klimaschutz, so wie es derzeit in der Internationalen Zivilluftfahrtorganisation diskutiert wird.
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Meine Damen und Herren,
nicht nur das Pariser Abkommen, sondern viele Gespräche rund um die Welt machen mir sehr deutlich: Die Zeichen der Zeit deuten auf eine globale Energiewende.
Die Frage ist nur: Wer geht voran?
Ich glaube, China und Deutschland könnten natürliche Partner auf dem Weg zur globalen Energiewende sein. Uns stellt sich doch dieselbe Frage: Sind wir Anführer des Wandels hin zu neuen, sauberen Produkten, Verfahren und Geschäftsmodellen– oder überlassen wir anderen dieses Geschäft?
Deutschland möchte bei den Anführern der Entwicklung sein – wir wollen, dass auch China dabei ist und wir wollen mit China zusammenarbeiten! Bei erneuerbaren Energien, aber auch in der Städteplanung, der Entwicklung neuer Verkehrskonzepte, den Gebäuden der Zukunft und natürlich bei der Zusammenarbeit unserer Unternehmen – gerne auch auf Drittmärkten.
Damit bin ich beim zweiten Aspekt, den ich heute mitgebracht habe. Mich begleitet eine Wirtschaftsdelegation, die die Zusammenarbeit mit China, von der ich spreche, schon heute täglich umsetzt. Ich will Ihnen ein paar Beispiele geben, damit Sie sich Energiewende einmal ganz konkret vorstellen können: Das Unternehmen Astronergy, das in Frankfurt/Oder nicht weit von Berlin produziert, hat über die Jahre mehr als 1 Gigawatt Solarstrom-Kapazität in China installiert. Die Firma Vogel Clean Energy arbeitet im Qingdao Eco-Park am Thema dezentrale Solarenergiesysteme für Wohn- oder Industrieanlagen. Und das mittelständische Unternehmen Aerodyn aus Norddeutschland hat erst vor wenigen Wochen im Hangzhou-Delta einen riesigen Windenergie-Prototyp errichtet: mit 5 Megawatt Leistung und einem sagenhaften Rotordurchmesser von 139 m!
Die Unternehmen in Deutschland wie in China wissen: Investoren auf der ganzen Welt beobachten sehr genau, wer die Zeichen der Zeit erkannt hat. Staaten, die verlässliche Signale geben, dass sie die Transformation zur „grünen Wirtschaft“ erfolgreich bewältigen, werden belohnt.
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Und auf noch etwas kommt es an: Sie, die Talente der Zukunft. Ich glaube, Economics und Business-Studenten wie Sie werden in der „grünen Wirtschaft“ großartige Chancen haben! Wenn Sie heute von dieser Ausstellung oder aus dem Gespräch mit meiner Delegation ein bisschen Inspiration mitnehmen, dann könnten Sie eines Tages nicht nur gutes Geld verdienen, sondern mitarbeiten an einer nachhaltigen Zukunft für die Menschen in China und der ganzen Welt! Am liebsten wäre es mir natürlich, wenn Sie es gemeinsam mit jungen Menschen aus Deutschland tun. Die Möglichkeiten an deutschen Universitäten oder in deutschen Unternehmen sind groß – und vielleicht ergeben sich ja konkrete Chancen schon im aktuellen Deutsch-Chinesischen Austauschjahr, das gerade eingeläutet wurde.
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Der Weg der globalen Energiewende hat gerade erst begonnen. Sie, die jungen Menschen, werden ihn eines Tages prägen – auf Ihre Ideen und die Entfaltung Ihrer Talente kommt es an! Der deutsche Bundespräsident hat vor zwei Wochen bei seinem Staatsbesuch in Ihrem Land gesagt: „Die Kräfte [Chinas] wurzeln in den Erfahrungen und Ideen jedes einzelnen Menschen. […] Auf ein modernes China, ein China der Kreativität und des Wettbewerbs der Ideen, setzen wir in Deutschland. Mehr noch: Die ganze Weltgesellschaft braucht dieses China.“ Ich bin sicher: Sie werden ein Teil davon sein!